Erstfeld - Zürich - Luzern - Erstfeld

Kaum hatte ich meine Kleider angezogen, klingelt auch schon die Hausglocke. An der eingebauten Sprechstelle erfahre ich auf meine Frage, dass es der Postbote mit einem eingeschriebenen Brief ist. Notgedrungen begebe ich mich zur Haustüre. Der Postbote streckt mir ein elektronisches Gerät entgegen. Auch hier sind die Zeiten des kleinen Büchleins vorbei. Nachdem ich meine Unterschrift auf dieser elektronischen Version eines Notizblockes verewigt habe, erhalte ich den Brief.

Nachdem ich auch noch die Zeitung aus dem Briefkasten entfernt habe, betrachte ich den Brief etwas genauer. Gesandt wurde er von der eidgenössischen Bundesverwaltung. Vor Jahren bekam ich schon einmal so einen Brief. Damals dachte ich mir die schlimmsten Sachen aus. Da ich es nicht anders wusste. Doch mittlerweile weiss ich es genauer. Denn ich habe diesen Brief sogar erwartet. Er enthält meinen neuen Führerausweis.

Dank ihm kann ich auch in den nächsten 6 Jahren legal mit den Zügen durch die Schweiz fahren. Lange wurde er vom Personal gefordert und jetzt, wo er da ist, fragt man sich über die Versandart. Im Gegensatz zum Führerausweis, den ich zum lenken eines Auto besitze, läuft in der Schweiz der Ausweis für Lokführer nach 6 Jahren aus und muss erneuert werden. Klingt immer etwas besonders, ja sogar bedrohlich, wenn ein Ausweis erneuert werden muss. Jedoch geschieht die Erneuerung automatisch und die Bedingungen dazu kennen wir schon seit Jahren.

Das Zauberwort heisst auch hier periodische Prüfung. Damit lebt das Lokomotivpersonal schon seit Jahren. Mittlerweile müssen auch andere Bereiche der Eisenbahn diese Prüfung ablegen. Alle fünf Jahre geht es ans Eingemachte. Wissen wird gefragt, das man selten bis nie benötigt. Nur, wenn man es dann wirklich einmal braucht, ist es wichtig, dass man es weiss. Lange in einem Handbuch nachschlagen liegt einfach nicht drin, da muss gehandelt werden und zwar sofort.

Klar, jeder Lokführer weiss, was diese Prüfung für die berufliche Zukunft bedeutet, deshalb lernt er auch intensiv daraufhin. So merkt man sich Zahlen und Grenzwerte, die dann nicht gefragt werden. Die gelernten Tabellen sind unnütz und man sorgt sich, weil man das so intensiv erlernte nicht präsentieren kann. Dafür fehlen dann die fachlichen Begriffe, die gefragt sind. Es reicht hier nicht, dass der Lokführer weiss, was es bedeutet, die genaue Definition ist wichtig.

Wenn man sich dann noch damit herumschlagen muss, dass die Fragen komplizierter als kompliziert gestellt wurden, wird es schwer richtig zu handeln. Wo muss nun das Kreuz hin und wo nicht. Schliesslich sind Theoretiker recht begriffsstutzig, da kann ein normal denkender Mensch kaum folgen. Aber Lokführer sind auch nicht immer als flexibel bekannt, das bemerkte schon die Italienisch - Lehrerin, die meinte, dass es nur rot und grün gebe, mit Ungenauigkeiten kann schlecht umgegangen werden.

Es fällt mir wieder ein, wie wir uns beim lernen über zwei Begriffe gewundert haben. Zum Beispiel wird da der Begriff Kopfgleis erklärt. Ein an einem Gleisabschluss endigendes Hauptgleis, sei das, steht da in dem dicken blauen Buch. Jetzt weis man, was ein Kopfgleis ist. Es ist ein Gleisabschluss und kein Prellbock. Wenn man das an der Prüfung nicht weiss, ist die Antwort schnell falsch.

Kommt dann noch das Stumpengleis, das auch an einem Gleisabschluss endet, fragt man sich ernsthaft, was denn ein Gleisabschluss sei. Klar, das muss ein Prellbock sein. Aber weder der Gleisabschluss noch der Prellbock finden sich als Begriffe erklärt.

Ist ein Gleis, das einfach im Boden versinkt auch ein Gleisabschluss oder ist es eine Entgleisungsvorrichtung? Egal, ich hatte das Glück die Begriffe richtig zu entziffern und zu deuten. Meiner beruflichen Laufbahn steht für die nächsten 5 Jahre nichts mehr im Weg.

Trotzdem, heute ist ein spezieller Tag, denn es ist die letzte Tour. Schon oft war das so, die letzte Tour vor dem Wochenende oder vor dem Urlaub. Diesmal ist es aber anders, es ist die letzte Tour als Lokomotivführer des Depots Erstfeld.

Nachdem ich es mir lange überlegt habe, konnte ich mich doch noch dazu entschliessen, die Schulung für Deutschland zu absolvieren. Das bedeutet aber, dass der Arbeitsort in Arth-Goldau ist.

Diese Ausbildung beginnt nächste Woche, deshalb ist diese Tour die letzte für längere Zeit. 15 Wochen wird es dauern, dann ist auch Deutschland nicht mehr vor mir sicher. Eine Zeit, die sich durch arbeitsfreie Wochenenden und teilweise geregelte Arbeitszeiten auszeichnet. Etwas, was man sich als Lokführer sehnlichst wünscht. Wieder ein normaler Mensch, der am Freitagabend mit Kollegen ein Bier trinken gehen kann und sich nicht um Schichtung und Nachtruhe kümmern muss. Nur, nach jahrelanger Schicht, muss man sich vermutlich wieder daran gewöhnen.

Zwar werde ich auch in Zukunft noch Einsätze ab Erstfeld leisten, nur mein Arbeitsort wird Arth-Goldau sein. Die Ära Erstfeld ist heute Abend vorbei, die Zukunft sieht anders aus und vieles ist noch ungewiss. Vorbei sind auch die regelmässigen Wege am Denkmal vorbei. Irgendwie fehlen wird mir der Berg Rost vermutlich schon, aber wie gesagt noch gibt es Tage, wo ich den Genuss habe.

 

Es war nicht leicht

Ich machte mir die Entscheidung zum neuen Arbeitsort nicht leicht. Die Jahre in Erstfeld prägten das Leben. Man hat sich an die Örtlichkeiten gewöhnt, kennt jeden Winkel und jeden Mitarbeiter genau. Die Touren und deren Abläufe kennt man auswendig, man ist der alte Hase. Der Entscheid, dass die Lokführer hier weg müssen, wurde vor Jahren gefällt und das merkt man bei der Stimmung im Personal. Es war nicht leicht in Erstfeld noch motivierte Kollegen zu finden.

Es wurde geflucht, das Unternehmen verteufelt und über die Arbeit gelästert. Gründe, die einen Wechsel sicherlich erleichterten. Zumal man sogar von den Kollegen zum Schuldigen für die ganze Misere abgestempelt wird. Nur jede Veränderung bringt auch Nachteile mit sich. Konnte ich bisher zu Fuss zur Arbeit gehen, heisst das nun in Zukunft vermehrt das Auto zu benutzen. Ob das dann wieder der Umwelt dient, ist höchst fraglich. Klar, es gibt auch dort die Tage, wo ich mit dem Zug zur Arbeit fahren kann. Ich bin dann auch einer der Pendler, der Zeitung lesend stumm im Zug sitzt.

Hinzu kam auch, dass nach all den Jahren mit Ausbildung, Jubiläen und Prüfungen endlich etwas Ruhe in mein Leben hätte einkehren können. Entspannung, die ich gerne einmal genossen hätte. Einziger Trost, nach der anstehenden Ausbildung kommt sie dann, vielleicht. Eine neuerliche Ausbildung muss auch wieder mit einer Prüfung abgeschlossen werden. Prüfungen sind nicht immer leicht, schnell kann man durchfallen und was ist dann? Ist dann auch die Fahrerlaubnis für die Schweiz weg?

Viele Fragen, die mich in den vergangenen Monaten beschäftigt haben. Ängste um die berufliche Zukunft machten sich bemerkbar. Andererseits sind misslungene Prüfungen bei mir eher selten und viele versicherten mir, dass die Vorbereitung auf die Prüfungen gut sei. Nicht so, wie damals bei der Singen-Prüfung wo man nach vier Tagen Kurs an eine Prüfung reiste und eigentlich keine Ahnung davon hatte, was gefragt wurde.

Letztlich stimmte ich trotzdem zu. Die Erleichterung und die Freude, die ich von einigen Kollegen und von den Vorgesetzten zu spüren bekam, konnte ich leider nicht teilen, ich war nicht restlos von meinem Entscheid überzeugt. Am nächsten Montag startet nun dieses Abenteuer. Ein Zurück gibt es nun wirklich nicht mehr. Es ist so, die letzte Tour als Erstfelder Lokführer startet in knapp einer halben Stunde und ich muss mich bereit machen.

 

Ab zur Arbeit

Nachdem auch das Mittagessen in meinem Magen verschwunden ist, muss ich mich bereit machen um zur Arbeit zu gehen. Es wird lange dauern, bis ich wieder nach Hause komme, denn ein langer Arbeitstag steht an. Ein Blick auf die Uhr lässt mich erkennen, dass ich nur noch wenige Minuten habe bis ich los muss. Die Arbeiten am Computer werden beendet und die geöffneten Programme geschlossen.

Heute habe ich eine Tour, die ich bisher noch nie gefahren bin. Meiner Gruppe ist sie nur einmal zugeteilt worden. Das heisst, dass es immer 24 Wochen dauert, bis ich diese Tour erneut habe. In Zukunft kann es durchaus sein, dass ich die Tour gar nie mehr machen werde. Klar, die Züge und die Lokomotiven sind nicht neu und die Strecken sind zum grössten Teil auch bekannt. Nur ein Abschnitt der bis vor ein paar Jahren noch regelmässig befahren wurde ist neu wieder im Streckenrayon des Depots Erstfeld. Zwar kenne ich die Gegend noch, aber es wurde in den vergangenen Jahren an diesem Abschnitt einiges gebaut.

Doch bevor ich mich darum zu kümmern habe, kontrolliere ich, ob ich auch alles eingepackt habe. Das ist so und ich kann meine Wohnung verlassen. Trotz der dicken Jacke ist es kühl, aber dies ist auch nicht besonders verwunderlich, denn auf dem Kalenderblatt steht auch Januar drauf. Der Wetterbericht hat schönes aber sehr kaltes Wetter angekündigt. Die Höchstwerte, sollen nie über dem Gefrierpunkt zu liegen kommen. Eigentlich Wetter, das mir liegt, denn ich habe es lieber kalt als heiss. Zudem bin ich froh, dass kein Nebel zu erwarten ist.

Hier in Erstfeld verschwindet die Sonne in wenigen Minuten hinter den Bergen, obwohl man sie wegen dem Hochnebel nicht sehen kann. Dies obwohl die Uhr an der Kirche, die ich passiere gerade 14 Uhr geläutet hat. Es ist schon so, die Sonnenstunden hier sind gering, aber wenn ich an meine Jugend denke, fallen mir die Tage ein, die durch Hochnebel oder gar durch Bodennebel beherrscht waren. Aber das Wetter kann man sich nicht aussuchen.

An diesem Mittwoch scheinen noch viele Leute ihre letzten Einkäufe zu tätigen. Nach den grossen Festtagen wird wieder das einfache Menü angesagt sein. Im alten Jahr hat man noch geschlemmt und jetzt wo das neue Jahr begonnen hat, merkt man, dass das Geld nicht unendlich weit reicht. Man hat dafür sogar ein Wort kreiert und nennt diese Zeit auch Januarloch, der Monat wo die guten Vorsätze aus der Silvesternacht noch umgesetzt werden.

Der Januar ist der Monat zwischen den Weihnachtsfesten und der Fasnacht, da herrscht wieder eine normale Stimmung in der Bevölkerung. Die Leute grüssen auf der Strasse wieder freundlich jeden, der ihnen begegnet. Mache kenne ich gut und andere sind mir völlig fremd. Trotzdem ich schon seit fast 20 Jahren hier arbeite, bin ich ein Fremder, denn Eisenbahner haben ihre Freunde meistens im Kreis der Eisenbahner gefunden und die Leben etwas anders, auch in einem Eisenbahnerdorf.

Mein Ziel erreiche ich gerade in dem Moment, als sich die Sonne soweit gesenkt hat, dass der Rost an der Denkmallokomotive nicht mehr so gut zu erkennen ist. Wie jedes Mal widme ich der Lok einen Blick. Ich erinnere mich daran, als ich das letzte Mal länger weg war, staunte ich nicht schlecht, als die Lok frisch bepinselt war. Damals war es die Armee, die mich für 21 Wochen davon losriss. Diesmal ist es mein Mut zur Veränderung. Ob sie danach auch wieder in neuem Glanz erscheinen wird?

 

Der erste Interregio

Ich habe mich rechtzeitig auf den Weg gemacht um bereit zu sein, wenn der Interregio von Locarno her einfährt. Die kurze Wartezeit am Ende des Bahnsteigs nutze ich um meine LEA für die bevorstehende Fahrt bereit zu machen. Mit den modernen Zügen sind auch die im Programm vorgegebenen Daten richtig. Früher musste man noch warten, weil der Zug mit älteren Wagen bespannt hätte sein können und es dann Änderungen bei der Zugreihe gegeben hätte.

Die automatische Ansage des Bahnhofes kündet die Ankunft des Zuges in wenigen Minuten auf Gleis 2 an. Die Position der Wagen im Zug wird ebenfalls ausgerufen. Seit die Ansage nicht mehr durch den Fahrdienstleiter gemacht wird, lauten wenigsten diese den ganzen Tag gleich, denn vorher war je nach Lust und Laune mehr oder weniger zu hören. In der Ferne sehe ich, wie sich die Re 4/4 II daran macht, die ersten Weichen des Bahnhofes zu befahren. Ihr folgt der Zug, der wohl in der ausgerufenen Reihung formiert sein wird. Auf dem Bahnsteig sehe ich, wie sich die Leute verabschieden. Viele sind es nicht so mitten in der Woche und am Nachmittag.

Nachdem mein Kollege angehalten hat, besteige ich die Lokomotive, was bei der Lok nur von der Gleisseite her möglich ist. Er übergibt mir sowohl den Zug als auch das Telefon mit den Worten es ist alles in bester Ordnung. Dabei erwähnt er, dass es der Zugchef mit der Abfertigung sehr gemütlich nehme und ich in Schwyz halt etwas länger warten müsse. Nach einem Blick nach vorne erkenne ich, die Abfahrerlaubnis leuchtet schon. Ich kann den Zug in Bewegung setzen.

Bevor ich losfahre kontrolliere ich, ob auch wirklich alle Türen geschlossen sind. Bei offenen Türen darf ich nicht losfahren, es könnte ja jemand aus dem Zug fallen. Zumindest jene Türen, die ich erkennen kann schliessen gerade. Wen ich dann die restlichen Türen sehe, fahre ich bereits mit mehr als 80 km/h. Ich muss einfach hoffen, dass auch alle Türen geschlossen sind.

Die Fahrt kann losgehen. Es ist schon sehr lange her, als ich mit einem Interregio mitten am Tag nach Zürich fuhr. Mit der Schulung auf dem Flirt vor knapp einem Jahr verschwanden diese Leistungen von meiner Gruppe, wurde sie doch für das Führen der RABe 523 benötigt. Seit dem letzten Fahrplanwechsel ist vieles wieder anders geworden und so fahren auch die Lokführer mit der Flirtschulung auch von Zürich nach Luzern und auch wieder nach Locarno. Etwas mehr Abwechslung macht die Arbeit wieder spannender.

Mit dem relativ kurzen Zug hat die Re 4/4 II keine  grosse Mühe. Kommt hinzu, dass sich die Strecke leicht bergab neigt und so der Zug auch durch die Schwerkraft beschleunigt wird. Mittlerweile ist auch die LEA am vorgesehenen Platz, nur der Sitz stimmt noch nicht genau. Im Rückspiegel erkenne ich die Wagen des Zuges. Seit die Neigezüge am Gotthard verkehren, haben sich die Einheitswagen IV aus den Interregio verabschiedet. Neu werden die Eurocity-Wagen hier eingesetzt. Dabei sind einige immer noch mit Cisalpino angeschrieben. Böse Zungen meinten, dass sich Cisalpino nun auch im innerschweizerischen Verkehr breit macht.

Die Nadel des Geschwindigkeitsmessers erreicht schnell die 95 km/h, welche im Bahnhof Erstfeld noch zulässig sind. Ich muss aufpassen, dass der Zug diese Marke nicht zu früh überschreitet und auch der letzte Wagen die letzte Weiche befahren hat. Damit mir das gelingt, muss ich ein wenig Zugkraft reduzieren. Der Zug beschleunigt so ein wenig langsamer. Es passt nicht schlecht, der letzte Wagen hat den Bahnhof verlassen und die Nadel steht auf 90 km/h. Die Zugkraft kann erneut erhöht werden.

Langsam erreicht der Zug die erlaubte Geschwindigkeit von 140 km/h. Meine Sitzlehne ist nun auch in einer Stellung, die mir eine Fahrt ohne Rückenschmerzen erlaubt. So geht es zügig an den ausgedehnten Anlagen der Baustelle zum Basistunnel vorbei. Die ersten Bauten der zukünftigen Anlage sind bereits zu erkennen. Ich kann mich aber nicht zu sehr darauf konzentrieren, denn ich nähere mich Altdorf und der Schächenbrücke. Die Einfahrt von Altdorf darf nur mit 125 km/h befahren werden. Die kleinen Bögen im Bahnhof sind zu eng, so dass sie nicht mit der maximalen Geschwindigkeit befahren werden können.

Auch hier wird gebaut. Der Bahnhof Altdorf, der bisher keinen Zwischenperron hatte, bekommt diesen nun auch noch. Die Sicherheit der Reisenden wird es danken. Zudem werden gleich die Gleisanlagen an die NEAT angepasst, so dass es in ein paar Jahren keine zu engen Kurven mehr gibt und die Züge viel schneller durch den Bahnhof fahren können. Geplant seien anscheinend bis zu 160 km/h. Erst nach dem Bahnhof soll es dann noch schneller werden, sofern der Föhn mitspielt.

Das sind Geschwindigkeiten, von denen ich nur träumen kann, denn obwohl die Wagen diese Tempi erlauben würden, ist die Lok bei 140 km/h bereits am Anschlag. Hier merkt man das Alter der Maschine, denn als sie gebaut wurde wollte in der Schweiz niemand schneller als 140 km/h fahren. Obwohl ich eigentlich nach den beiden Bögen wieder beschleunigen könnte, lasse ich es, denn Flüelen, der nächste Halt steht gleich an und zeitlich liege ich gut im Fahrplan.

Auch in Flüelen ist der Bahnsteig so gut wie menschenleer. Hier bemerkt man deutlich, dass es nicht Sommer ist. Im Sommer steigen hier viele Touristen, die mit dem Schiff angekommen sind, ein. Im Januar merkt man davon freilich nichts. Welcher Tourist will schon die kalte Gischt auf dem Schiff erleben? Im Winter gehen die Leute in die Berge, denn dort sind die Hänge, die sie herunterfahren wollen. Am Abend steigen sie dann in Airolo, Göschenen und Schwyz ein. Wenn es dann nicht klappt, sorgt ein rotweisser Hubschrauber dafür, dass sie direkt zum Arzt kommen.

Bereits leuchtet die Abfahrerlaubnis wieder und ich sehe jetzt im Rückspiegel, wie sich die Türen des Zuges schliessen. Noch eine Tür steht offen und dort steht auch der Zugchef. Er überwacht den Schliessvorgang und schliesst zuletzt seine Türe auch noch. Die Türen sind zu, die Sicherheit für die Reisenden ist gewährleistet und die Fahrt kann wieder weiter gehen. Ein paar Fussgänger beobachten den beschleunigenden Zug.

Auch die Axenstrecke ist nichts Neues. Zumindest dann, wenn man von der Baustelle absieht, die ein Gleis dauerhaft sperrt. Die Tellsplatte ist im Winterschlaf und auf dem See gibt es keine Surfer. Die offenen Abschnitte und die Tunnel wechseln sich ab und so erreicht man schnell Sisikon, die Gemeinde, die den Axen in zwei Teile teilt. Die Weichen hier lassen dem Lokführer keine Chance früh zu erkennen, wo der Weg durchführt, auch ich merke es erst auf der Weiche, ich benutze den normalen Weg. Letzte Zweifel verfliegen einen kurzen Augenblick später, denn ein Gegenzug wartet vor dem Signal und wartet, bis ich vorbei bin.

In Sisikon vergleiche ich die Zeit im Fahrplan. Es stimmt, auch gemäss Fahrplan sollte der Zug zu dieser Zeit hier sein. Meine Fahrweise stimmt und eigentlich sollte Brunnen pünktlich erreicht werden. Auch dort hält der Zug wieder. Mitten am Mittag ist auch hier kaum mit Reisenden zu rechnen. Zwar gibt es immer wieder ein paar Personen, aber die grossen Mengen fehlen, so kann der Fahrplan leicht eingehalten werden.

Um es gleich zu sagen, in Schwyz sah es abgesehen von ein paar Personen mit Ski nicht besser aus. Die Schutzstrecke passierte ich wie meistens ohne nennenswerte Probleme und der Zug nähert sich dem Chämiloch. Eine Stelle der Strecke, wo diese durch einen Felsriegel fährt. Ein Einschnitt nur für die Bahn. Die Kletterer, die hier immer wieder üben, fehlen natürlich jetzt auch. Wer will schon am Felsen festfrieren.

Die ehemalige Station Steinen nähert sich, ich habe wieder eine Geschwindigkeitsschwelle zu beachten. Es fällt mir immer wieder ein, dass ein ehemaliger Chef genau wissen wollte, wo denn diese Schwelle liege. Egal ob man den Beginn der Kurve nahm oder ob man das Signal nahm, es wurde immer wieder gefragt, was dort genau zu finden sei. Schliesslich lag ja beides an derselben Stelle.

Mittlerweile wurde Steinen zu einer Haltestelle und somit hat sich diese Frage erübrigt, denn die Geschwindigkeit der nachfolgenden Strecke muss mitte Haltestelle erreicht sein. Das gelingt mir ganz gut. Das war nicht immer so, denn man muss die neuen Bremspunkte, also die Stellen, wo man mit einer bestimmten Stärke bremsen muss, zuerst finden.

Die geschwungene Strecke nach Arth-Goldau lässt halt nicht mehr als 80 km/h zu. Wenn man sich denkt, dass in Zukunft ein Intercity nur knapp 20 Minuten eher mit weit über 200 km/h unterwegs war, meint man hier vermutlich zu stehen. Trotzdem, die Signale nähern sich auch so immer wieder und letztlich zeigt das Einfahrsignal von Arth-Goldau Fahrbegriff 3. Somit darf ich mit 60 km/h einfahren.

Der Halt gelang ganz gut, so kam die Lok genau bei der Tafel 2 zu stehen. Ein Zug mit 200 Meter muss hier stehen, wenn das auch nicht alle glauben wollen. Klar, so hart sind auch unsere Vorschriften nicht, denn man darf einen halben Reisezugwagen eher oder später stehen, was immerhin 25 Meter sind. Manche Reisenden hätten es aber gerne viel genauer, denn laufen will nun niemand mehr. Aber mit einem 400 Tonnen schweren Zug ist es anders zum bremsen, als mit einem leichten Auto.

Es gibt Bahnhöfe, da hat man es immer gut im Griff. An anderen Orten steht dann der Zug ab und zu völlig falsch da. Es zeigt, Lokführer sind nur Menschen, die Fehler machen können. So lange es nur ein falscher Halteort ist, geht es ja noch. Es sei denn, der Chefredaktor einer grossen Schweizer Zeitung muss 10 Meter zu seiner Türe laufen. Das ganze Land kann es dann am Tag darauf lesen, wie unfähig diese Lokführer auch seien. Dass dabei die Zeitung nicht wusste, dass ein Zugführer und ein Lokführer nicht das gleiche ist, lassen wir einmal so stehen.

Im Gleis 5 fährt gerade der ICN nach Basel ein. Ich sehe ihn von meiner Position noch nicht, aber der Lautsprecher kündigt es so an. Ja, seit dem Fahrplanwechsel ist es soweit, die ICN befahren den Gotthard und so steht immer ein Neigezug zur Verfügung. Nur dann nicht, wenn der ETR 470 wieder einmal wegen einem Defekt stehen blieb. Die neuen ETR 610 lassen zudem auf sich warten, denn man will die Reisenden nicht mehr zu Versuchskaninchen machen. Tierschutz einmal anders.

Irgendwie gefällt mir der Zug. Auch der neue Cisalpino, der auf den nicht sonderlich klangvollen Namen ETR 610 hört, gefällt mir. Er treibt schon seit längerer Zeit sein Unwesen am Gotthard. Der Cisalpino II, wie er auch genannt wird sieht sehr elegant aus. Kein Vergleich zum alten scheusslichen Monster, das noch immer für Schlagzeilen sorgt. So können wenigstens die Lokführer mit ihren Zügen ab und zu etwas falsch da stehen ohne dass es gleich in der Zeitung steht.

Bei einem längern Halt hat man Zeit solche Gedanken zuzulassen. Mit der Änderung des Fahrbegriffes am Ausfahrsignal ändert auch dies, denn nun muss wieder die volle Konzentration her. Eine Ablenkung zum falschen Zeitpunkt und schon kann es gefährlich werden. Dann rückt der Cisalpino wieder etwas zurück. Auch ich erlebte schon Momente, bei denen ich im letzten Moment richtig reagiert habe. Das macht Angst und zwar gewaltig.

Ich zwinge mich dazu bei der Abfahrt die vorgeschlagene Reihenfolge einzuhalten. Signal offen, ZUB 121 gut, Abfahrzeit erreicht, Türen zu und Signal offen, ich kann losfahren. Mit ein paar Stufen bringe ich die Re 4/4 II dazu den Zug langsam in Bewegung zu setzen. Immer schneller wird der Zug. Bis zur letzten Weiche muss ich darauf achten, dass ich nicht schneller als 60 km/h fahre.

Nun, würde ich jetzt stur nach Theorie arbeiten, könnte ich den Zug auf 80 km/h beschleunigen um ihn nur wenige Meter später wieder auf 75 km/h abzubremsen. Solche hirnrissigen Übungen zieht man vielleicht noch an einer periodischen Prüfung durch, weil es ja gemäss den Vorschriften so richtig wäre. Aber wie gesagt, ich begnüge mich mit 75 km/h.

Die notwenigen Vorbereitungen auf den nun bevorstehenden Bremsbetrieb sind im Führerstand abgeschlossen, als ich die elektrische Bremse einschalten muss. Dies um im Gefälle nicht zu schnell zu werden. Bis zum nächsten Bahnhof wird nun die Lokomotive dafür sorgen, dass der Zug die erlaubte Geschwindigkeit auch einhält. Da sich die Strecke jedoch nicht gleichmässig neigt, muss ich ab und zu regulierend eingreifen.

Als ich mich der Station Walchwil nähere, erkenne ich noch, wie das Vorsignal zur Ausfahrt von Warnung auf Fahrt wechselt. Die S2 scheint in Walchwil eingetroffen zu sein. In wenigen Sekunden werde ich meine Theorie bestätigt sehen, der Flirt wartet bereits und die Leute steigen aus. Meine Fahrt führt ungebremst durch den Bahnhof und anschliessend weiter nach Zug. Vorbei geht es auch an den Haltestellen, die gerade einmal so lang sind, wie ein RABe 523.

Mit dem Rückstellen der Zugsicherung bestätige ich, dass ich die Ankündigung für 60 km/h wahrgenommen habe. Ich nähere mich dem Bahnhof Zug. Nicht mehr nur ein Bahnhof, sondern seit einigen Monaten eine Railcity. Davon merkt der Lokführer nichts, denn die Geleise sind immer noch die gleichen geblieben. Und zum finden des richtigen Halteortes helfen auch hier die netten kleinen Tafeln, die überall und ab und zu auch gut versteckt montiert wurden.

In Zug ist schon mehr los, denn hier steigen immer wieder Geschäftsleute in den Zug nach Zürich. Der durch mich geführte Interregio ist dabei noch beliebt, fährt er doch ohne Halt bis nach Zürich. Dank einer Funktion im LEA kann ich das dort erkennen, bevor ich sehe, wann mein Zug da ankommen muss. Aber ich habe keine Zeit mehr, mich genau mit der LEA abzugeben, denn ich darf wieder abfahren. Die gleich benötigten Informationen habe ich mit einem schnellen Blick dem Programm entnommen.

Die Fahrt durch die einspurigen Abschnitte rund um Sihlbrugg sind kein grosses Problem, denn ich hatte meine letzte Begegnung vor der Dienststation Litti und die nächste sollte sich erst nach diesem Abschnitten abzeichnen. Zumindest wäre das gemäss meinen Überlegungen so, denn in Sihlbrugg wartet ein Zug auf meine Einfahrt. Es ist eine Materialüberfuhr der S-Bahn Zürich. Der Zug ist auf jeden Fall mit Dienstzug angeschrieben. Vermutlich wird der Zug zur abendlichen Spitze in Zug benötigt, die ja in knapp einer Stunde beginnen wird.

Nach Thalwil zweigt mein Weg gegen den Berg ab und ich entschwinde dem Ufer des Zürichsees, indem ich in den Zimmerbergtunnel einfahre. Es fällt mir jetzt wieder ein, es muss schon länger als ein Jahr vergangen sein, als ich das letzte Mal in dieser Richtung durch den Tunnel fuhr. Die Leistungen meiner Gruppe waren im vergangenen Jahr immer dem See gefolgt oder endeten in Thalwil.

Erstmals kann ich mit dem Zug nicht die erlaubte Geschwindigkeit fahren. Im neu gebauten Tunnel sind 160 km/h erlaubt. Der Zug kann das auch ohne Probleme fahren, nur meine Lok ist halt nur für 140 km/h zugelassen. Einer jener Fälle, wo der Lokführer von sich aus die Geschwindigkeit reduzieren darf. Sonst hat er sich an die Vorgaben im Fahrplan oder in den Anweisungen zu halten.

Mit 140 km/h eilt mein Zug dem anderen Portal entgegen. Die Strecke hat viele Sicherheitsmerkmale. So sind Nothaltestellen vorhanden, die von der Lok aus gut zu erkennen sind und die Notbeleuchtung sorgt dabei noch für ausreichend Licht. Die Lichter, die ich zu sehen bekomme sind an den Signalen zu finden und diese waren grün gewesen. Nur gegen den Schluss waren andere Farben vorhanden.

Auf jeden Fall beim verlassen des Tunnels bin ich schon bald am Ziel, denn das Einfahrsignal von Zürich kündigt die normale Einfahrt ein. Mit 40, später sogar mit 30 km/h darf eingefahren werden. Vor wenigen Minuten waren es noch weit über 100 km/h. Man meint still zu stehen. Wie wird das wohl bei der NEAT sein, wo innerhalb von wenigen Kilometer von 250 auf 80 km/h abgebremst werden muss?

Bei der Einfahrt auf einen Prellbock ist höchste Konzentration gefragt. Befindet sich dieser in Zürich ist das noch einmal wichtiger, denn einige Geleise sind wegen Bauarbeiten kürzer als normal. Das trifft auch auf das mir angebotene Gleis zu, ich muss eher anhalten und mir deshalb neue Anhaltspunkte suchen. Aber es gibt keine Probleme, der Zug kommt in genügendem Abstand zum Prellbock zum stehen. Zu gross darf er auch nicht sein, sonst wird der Lokführer von der lauffaulen Gesellschaft wieder mit bösen Blicken bestraft.

 

Zürich, ein Bienenhaus

Der Bahnhof von Zürich gleicht immer einem Bienenhaus. Wenn hier vermutlich einmal Zustände wie vor etwas mehr als einer Stunde in Flüelen herrschen, dann hat die Schweiz wohl eine Ausgangssperre erlassen. Hier bewegen sich die Leute chaotisch, die einen eilen zum nächsten Zug, andere halten inne um den Lautsprecheraussagen zuzuhören. Vor meiner Lok führte das sogar zu einer Kollision, zum Glück ohne grösseren Schaden.

Irgendwie bin ich froh, dass ich die Lok nicht verlassen muss. Obwohl am Endbahnhof angekommen ist meine Arbeit noch nicht getan. Ich muss die Lok noch parkieren, denn hier kann sie nicht stehen bleiben. Gemäss meinem Dienstplan in der LEA soll das im Depot F sein. Wo genau in dem grossen Depot, weis ich noch nicht.

Im ganzen Getümmel von Lautsprecherdurchsagen, schritten und sprechenden Leuten höre ich nicht, wie der Kuppler mir zuruft, dass abgehängt ist. Deshalb wechsle ich den Führerstand. Als ich den anderen Führerstand betrete, stelle ich fest, dass abgehängt worden ist. Weiter stelle ich fest, dass dieser recht kühl ist, der Kollege im Tessin hat wohl nicht daran gedacht, dass es hier ein paar Grade kälter ist.

Ich schalte die Lokomotive wieder ein und bewege sie ein wenig vom Zug weg. Solch einfache Manöver können schon mal rückwärts erfolgen. Die Geschwindigkeiten sind klein und es liegen keine Weichen hinter der Lokomotive. Zudem sind es auch nur wenige Meter, die ich noch fahren könnte. Da der Zug vor mir noch aus dem Bahnhof muss, kann ich ein paar anstehende Arbeiten erledigen. So ist meine private Buchhaltung noch nicht vollständig. Ich trage die fehlende Ankunftszeit nach.

Ich schaue zudem nach, wie es nach der kurzen Pause weiter zu gehen hat, denn aus der Einteilung ist das nicht so klar ersichtlich. Angaben über den Standort der Lok fehlen völlig. Zürich ist definitiv zu gross um lange Suchaktionen zu starten. Schliesslich will man ja rechtzeitig dort sein, wo man zu sein hat. Viel schlauer bin ich jedoch noch nicht, ich werde die zur Verfügung stehende Zeit wohl dazu nutzen um mich etwas zu erkundigen.

Am Führerstand hat es geklopft. Eine Reisende will eine Auskunft. Wo dass der Zug nach Küsnacht fahre? Das ist ja wieder eine Frage denke ich mir, denn anhand ihrer Aussprache kann man nun kaum unterscheiden ob es ein s oder deren zwei war. Nur, wenn die Gute das in Zürich fragt, dann meint sie vermutlich das mit nur einem s. Ungefähr weiss ich wo, aber welche S-Bahn nun dort durchfährt und welche Linie es ist, weiss ich beim besten Willen nicht, schliesslich bin ich ja nicht aus Zürich.

Ich empfehle der Frau, sich doch am Infostand, der in der Querhalle leicht zu finden ist, zu erkundigen. Dort seien Leute anwesend, die sich in der Region besser auskennen und die genau wüssten, welche S-Bahn wo durch fährt. Es verblüfft immer wieder, wie die Leute bei den Lokführern solche Auskünfte wünschen. Hätte sie Pech gehabt, dann hätte der Mann sie auf der Lok nicht verstanden, weil er aus dem fernen Tessin gekommen wäre.

Sie scheint nicht sonderlich glücklich zu sein, aber den Fahrplan der ganzen Schweiz kann ich nicht auswendig kennen. Ich weiss zwar, dass sich ihr gesuchter Ort an der Linie nach Rapperswil befindet. Diese Linien fahren aber ab dem Tiefbahnhof. Zumindest ist sie dann auf dem richtigen Weg. Spätestens dann werden sich vermutlich auch ihre Gesichtszüge wieder aufheitern. Mit solchen Aufgaben, die einen Lokführer schon mal überfordern können, vergeht die Zeit schnell, die Wagen vor mir bewegen sich.

Mit genügend Abstand folge ich dem Zug in Richtung Weichen. Normalerweise dürfen wir nicht so einfach losfahren, aber hier in Zürich ist das wie in Luzern erlaubt. Am Ende des Gleises muss ich kurz anhalten, weil das Zwergsignal vor mir noch Halt signalisiert. Das ändert aber und ich kann durch das scheinbar wirre Gleisfeld meinen Weg in Richtung Depot F einschlagen. Nun, wenn man den Zwergsignalen folgen kann, kommt schnell Klarheit ins geschehen und der Weg führt in die richtige Richtung.

Gefunden habe ich das Depot F ohne Probleme, ist auch keine Kunst, denn ich folgte einfach den Schienen. Letztlich endet meine Fahrt mit der Lok und ich kann die obligatorischen Kontrollen an der Lok durchführen. Keine Schäden sind immer gut. Es gibt nichts, das gemeldet werden müsste und für einmal sind auch genügend Vorräte vorhanden. Am Mobiltelefon der SBB wird noch die Funktion abgemeldet. Nun sind alle Arbeiten mit diesem Zug beendet.

Es steht ein Spaziergang durch das Gleisfeld in den Bahnhof an. Klar, in einem so chaotisch wirkenden Gleisfeld hat ein Fussgänger nun wirklich nichts verloren. Ein solches Unterfangen würde sehr schnell gefährlich werden, da muss ein anderer Weg eingeschlagen werden. Das ist auch kein Problem, denn wir haben hier unsere Pfade, die zwar durch den Gleisbereich führen, aber an verhältnismässig sicheren Orten verlaufen. Auf jeden Fall sind keine Geleise darin vorhanden, die von Zügen befahren werden.

Für den Weg vom Depot F in den Bahnhof benötigt man gut 20 Minuten. Die Vorgabe ist mit 17 Minuten recht knapp bemessen. Mit dem mittelschweren Reisegepäck eines Lokführers ist man nicht so schnell, wie mit Turnschuhen. Bevor im Fernverkehr auf Pendelzüge umgestellt wurde, stand hier immer eine Lok bereit und man hatte so ein Taxi in den Bahnhof. Diese Zeiten sind jedoch vorbei und so bleibt mir leider nichts anderes übrig, als zu laufen, soll ja auch gesund sein.

Nach dem Spaziergang werde ich schnell eine kleine Kaffeepause einlegen, mich dann um den Standort der nächsten Lokomotive bemühen und mich auf die nächste Fahrt vorbereiten. Mentales Training oder gar Massagezimmer wie für meine Kollegen in Japan gibt es hier nicht, wir müssen unsere eigenen Lösungen suchen, um uns vor allgegenwärtigen Problemen zu befreien.

Schliesslich soll ja der Zug pünktlich und sicher vom einen Bahnhof in den anderen fahren. Die Leute im Zug vertrauen dabei voll und ganz auf die professionelle Haltung der Person vorne auf der Lok. Die Zeiten, wo sich der Lokführer noch unmittelbar vor der Abfahrt vorbereiten konnte sind vorbei, denn auch im Rangierdienst ist immer mehr Verkehr zu erwarten und erst vor wenigen Wochen hat ein Kollege erfahren müssen, dass führerlose Züge durchaus auch plötzlich auftauchen können.

 

Zürich - Luzern seit Jahren das erste Mal

Mittlerweile hat der abendliche Feierabendverkehr eingesetzt. Im Bahnhof Zürich geht es nun noch ein weniger enger zu und her, ich hatte es fast nicht rechtzeitig auf die Lok geschafft, doch es klappte alles. Die Infos, die ich hatte stimmten sogar und so stehe ich nun vor der schwierigsten Fahrt dieser Tour. Wäre schön, wenn man in der Einteilung sehen könnte, dass die Lok vorbereitet wird, man könnte sich viele Telefonate ersparen. Ich erinnere mich nicht einmal mehr, wann ich das letzte Mal von Zug nach Rotkreuz gefahren bin.

Zwar konnte ich eine Auffrischung geniessen, aber die fand bei Tag statt, jetzt in der abendlichen Dunkelheit sieht wieder vieles ganz anders aus. Nur, letztlich sollte ein Lokführer in der Lage sein, auch solche Strecken sicher und zuverlässig zu befahren. Letztlich ist es nicht so schlimm, wenn man weiss, wo man unterwegs ist. Eine unbekannte Strecke in einer Gegend, die man nicht kennt ist da schon ganz etwas anderes.

Die Abfahrzeit ist herangerückt und es wird Zeit, sich mit der Fahrt zu befassen. Die LEA stelle ich so ein, dass sie mir auch die einzelnen Blocksignale anzeigt. Es hilft mir dann, mich zwischen Zug und Rotkreuz besser zu orientieren. Bis Zug benötige ich sie eigentlich nicht mehr, denn diese Strecke bin ich in den letzten Jahren immer wieder gefahren, ja auch durch den Tunnel habe ich es schon geschafft.

Nur, der Tunnel kann mir egal sein, denn der Zug wird planmässig über die alte Strecke geleitet, denn im Tunnel erreicht man den Bahnhof Zürich Enge nicht mehr. Die Abfahrerlaubnis leuchtet auf und ich kann den Zug in Bewegung setzen. Die Lok hat mit den vier Wagen keine grosse Mühe und so erreiche ich schnell die erlaubten 40 km/h. Wieder schlängelt sich ein Zug durch die Weichenverbindungen von Zürich. Die letzte auf Ablenkung stehende Weiche habe ich hinter mir, ich kann auf 80 km/h beschleunigen.

Das Gefälle nach dem Bahnhof nutze ich um zu kontrollieren, ob die Bremsen der Wagen auch wirklich funktionieren. Ich merke eine Bremswirkung, obwohl die wegen den 80 Tonnen an der Spitze, die ungebremst ziehen, nicht sonderlich gut ist. Die verlorene Geschwindigkeit ergänze ich sofort wieder. So erreiche ich die erlaubte Geschwindigkeit noch vor der Fahrleitungsschutzstrecke, die hier in der kurzen Bauweise aufgebaut ist.

Eigentlich ungewohnt, denn in den letzten Monaten musste ich in Zürich Wiedikon immer anhalten, da ich eine S-Bahn zu führen hatte, doch mit dem Interregio fahre ich hier durch. Der erste Halt wird nach dem Tunnel folgen. Es ist Zürich Enge. Jetzt könnte ich sogar noch auf 100 km/h beschleunigen, ich belasse es aber bei 80 km/h, denn der Tunnel ist nicht so lange.

Der Halt in Zürich Enge ist wichtig, denn der erste Halt gibt Auskünfte darüber, wie der Zug bremst und vor allem, wie er vor dem Halt wieder löst. Zudem hier steigen viele Bankangestellte zu und die verstehen es gar nicht, wenn sie ein paar Meter weiter laufen müssen als vorgesehen. Da der Zug aber kurz und leicht ist, kann ich mit der elektrischen Bremse allfällige Differenzen noch ausgleichen. Es passt, der erste Wagen steht genau bei der Tafel mit der 1.

Die Lok natürlich danach, das muss bei einem 125 m langen Zug so sein. Nur zu dumm, dass anscheinend noch nicht alle verstanden haben, dass so ein Zug nicht bis zur Tafel 2 fährt. Ich ernte nicht nur freundliche Blicke bei denen, die am falschen Ort standen. Jetzt füllt sich der Zug, denn viele benützen hier die Bahn um zur Arbeit zu fahren. Sicherlich nicht immer die freundlichsten Kunden, aber immerhin sind sie friedlicher, als in ein paar Stunden die besoffenen Jugendlichen.

Auch jetzt leuchtet die Abfahrerlaubnis auf. Wegen der Kurve kann ich nicht erkennen, ob die Türen geschlossen sind. Ausgerechnet der erste Wagen ist ein Einheitswagen, dessen Türen schwenken nicht so weit heraus, dass ich sie auch in der Kurve hätte erkennen können. Nachdem ich ein paar Sekunden gewartet habe, beginne ich den Zug zu beschleunigen. Wie könnte es auch anders sein, in Zürich ist immer irgendwer am Hände verwerfen, wenn der Zug losfährt.

Jetzt kann ich beschleunigen und erreiche die 100 km/h obwohl nach dem Bahnhof Zürich Wollishofen eine Kurve mit 90 km/h kommt. Ich lasse den Zug rollen, so verliert er wieder an Geschwindigkeit und die Kurve stellt kein Problem mehr dar. Nach der Kurve kann wieder beschleunigt werden. Der nächste Halt wird erst wieder in Thalwil sein. Das heisst, die dazwischen liegenden Stationen werden durchfahren, auch wenn das nicht jeder auf dem Perron in Kilchberg glaubt und mir kopfschüttelnd nachschaut. Die S-Bahn kommt später.

Auch Thalwil ist keine grosse Schwierigkeit, habe ich doch auch hier schon des Öfteren einen Halt eingelegt. Obwohl eigentlich 85 km/h erlaubt wären, darf ich nur mit 80 km/h ausfahren. Der Grund liegt beim Signal, das 80 signalisiert und bei den Signalen gibt es schon länger keine Unterscheidung zwischen der Zugreihe R und den anderen Zugreihe mehr. Zudem, auch das ZUB 121 weiss davon nichts mehr und überwacht die Einhaltung genau.

Es folgen wieder einige Bahnhöfe, die ich ohne Halt passiere. Mit den S-Bahnen haben wir in den meisten immer gehalten, nur Sihlbrugg war am morgen noch ohne Halt befahren worden. Jetzt mit dem Interregio ist das kein Thema mehr und ich verlasse in Litti den Tunnel mit den erlaubten 95 km/h. Die Zeit im Fahrplan stimmt auch überein. Ich verkehre pünktlich. Nur muss ich nun mit dem bremsen beginnen, denn in Baar muss ich anhalten.

In Zug führt der Weg nun in einen Abschnitt, der schon lange nicht mehr durch mich befahren worden ist. Zumindest nicht mit einem Reisezug, die Kieszüge nach Affoltern fuhren auch in diesen Gleisen ein und aus. Ein letztes Mal noch anhalten, dann kommt die Strecke, die ich nicht mehr ganz so gut kenne, wie das früher der Fall war.

Gut, die ersten Meter bis in die Abzweigung Kollermühle sind kein Problem, die kenne ich noch gut, danach folgt aber ein leichter Bogen bis Cham, dann eine Kurve nach links und dann noch eine nach rechts.

Die Abfahrerlaubnis leuchtet auf, ich muss wieder etwas warten, denn erneut kann ich die Türen meines Zuges nicht sehen. Die Fahrt beginnt pünktlich, das ist gut so, denn ich möchte nicht noch so fahren müssen, dass ich Zeit einholen kann. Die Ausfahrt lässt nur 60 km/h zu, das wird aber schon noch schneller werden, die LEA verrät es mir zumindest.

Die Kurve der Ausfahrt ist geschafft, ich kann beschleunigen, die Strecke hier fällt noch ab, was bei der Beschleunigung hilft. Die Fahrt führt durch viele Häuserreihen und durch die Haltestellen der Stadtbahn und schon kommt die Abzweigung Kollermühle, wo die Züge Richtung Affoltern am Albis abzweigen. Jetzt beginnt die Fahrt auf dem ungewohnten Abschnitt. Links von mir liegt der Zugersee, ich befinde mich fast auf derselben Höhe, wie das Wasser. Es ist selten, dass wir so tief einem See entlang fahren.

Cham folgt gleich und dann unmittelbar an den Bahnhof anschliessend die lange Kurve nach links. Als ich das letzte Mal hier einen Zug zu führen hatte, war nur ein Gleis vorhanden und selbst die Einfahrt in den Bahnhof Cham führte zuerst von der Doppelspur auf ein Gleis um sich dann wieder aufzuteilen. Die Signale zeigen grün und das gefällt mir, denn so gut kenne ich die Standorte nicht mehr, was bei einem orangen Signal unweigerlich suchen heisst. Zum Glück liegt kein Nebel.

Die Kurve scheint kein Ende zu nehmen und jetzt gibt es hier ja noch eine Haltestelle, bei der man, wie bei anderen Haltestellen auch immer damit rechnen muss, dass eine Person zu nahe am Gleis steht. Oft frage ich mich, für was die schönen Linien am Boden gemacht wurden, wenn sie doch niemand beachtet. Es steht aber niemand im gefährdeten Bereich, so dass ich mich wieder vollständig der Strecke widmen kann.

Die Strecke lässt hohe Geschwindigkeiten zu, die ich auch versuche so gut wie möglich einzuhalten, natürlich lasse ich eine kleine Reserve, die mir noch ein rechtzeitiges Reagieren erlaubt, sollte der Zug wegen einem unerwarteten Gefälle schneller werden. Die Haltestelle Hünenberg Chämleten huscht gerade an der Lok vorbei. Hier endete bis vor kurzem die Doppelspur. Die Blocksignale zeigen weiterhin grün.

Die doppelspurige Strecke vereinigt sich wieder zu einem Gleis. In der LEA erkenne ich, dass dieser bereich Freudenberg heisst. Freude kommt auf, denn ich bin über dem Berg, die lange Kurve kenne ich wieder von früher. Irgendwann wird vermutlich auch noch der letzte nur kurze Abschnitt bis Rotkreuz doppelspurig werden. Viele Kunstbauten, wie Brücken oder gar Tunnels sind nicht nötig und die Brücken über das Gleis sind schon vor Jahren für zwei Geleise ausgelegt worden.

Innerhalb der Kurve liegt noch ein Golfplatz. Im Sommer sind hier anscheinend auch schon Züge von den kleinen weissen Bällen getroffen worden. Auf jeden Fall meinte einmal ein Kollege von mir, dass er dort das Fenster schliesse um ja nicht getroffen zu werden. Diese Gefahr besteht nicht, denn es ist Winter und da spielen nicht viele Golf und an der Lokomotive sind die Fenster geschlossen. Ich vermute, dass auch an den Wagen die Fenster geschlossen sind, ein Blick in den Rückspiegel bestätigt meine Vermutung.

Rotkreuz liegt vor mir und ich muss erneut abbremsen, denn mein Zug hält auch hier wieder. Ein Halt der nicht mehr ganz so gut gelungen ist, wie die vorherigen Halte. Aber jetzt kenne ich ja die Strecke wieder und ich kann auch die Fahrt beginnen, denn die Abfahrerlaubnis leuchtet ein letztes Mal auf. Die restlichen Züge dieser Tour sind unbegleitet und da starten wir, wenn die Zeit es zulässt. Ich kann jetzt auf 140 km/h beschleunigen und Richtung Luzern fahren.

Luzern ist in dieser Tour der zweite Kopfbahnhof. Es ist selten, dass wir bei einer Tour gleich zwei Kopfbahnhöfe befahren, auch wenn Zürich offiziell keiner mehr ist. Erneut muss ein Halt vor dem Prellbock erfolgen. Eine Toleranz für einen späteren Halt gibt es nicht mehr. Aber Luzern kenne ich gut, ich habe die Bremspunkte im Griff und das beruhigt, ein Halt genau an der gewünschten Stelle ist so leichter zu erreichen.

Es gelingt, der Zug kommt am richtigen Ort zum stehen. Die Lok noch gegen den Zug bewegen, dann ausschalten und die Fahrt mit diesen Wagen ist langsam fertig. Es muss nur noch weggeräumt werden, dann habe ich hier in Luzern meine eigentliche Pause. Wobei in einer Stunde kann man nicht so viel anfangen. Ich muss zudem noch schnell etwas einkaufen gehen und Hunger habe ich auch.

 

Pause in Luzern, wohin mit der Tasche?

Die Arbeit ist vorerst getan, eigentlich möchte ich nun meine Tasche einfach im Bereich der Geleise deponieren, doch der dazu vorgesehene Schrank wurde ersatzlos entfernt. Somit stehen nur noch die Räumlichkeiten für das Lokomotivpersonal zur Verfügung. Nur, es sind Räumlichkeiten des Personenverkehrs, hat hier jemand an die Lokführer der SBB-Division Cargo gedacht, die Reisezüge führen?

Die gewerkschaftlichen Informationen meinen ja. Aber wir wissen, dass es schon anders war und so die Lokführer nicht mehr an ihr Arbeitsgerät kamen. Es ist so, dass seit der Trennung immer wieder versucht wird, das Lokomotivpersonal endgültig zu teilen und so zu sorgen, dass die persönlichen Kontakte endgültig versiegen. Tragisch dabei ist, dass es nicht immer die Firma ist, sondern auch schon durch das Personal gefordert wurde. Frei nach dem Motto, die dreckigen Cargo-Führer wollen wir nicht bei uns haben. Auf Italienisch klang es aber schöner.

Nur, ich will nicht in die Personalräume und dort meine Pause verbringen, sondern ich will meine Mappe deponieren und einfach schnell in die Stadt etwas essen gehen. Meine letzten Informationen besagen, dass neue Möglichkeiten geschaffen werden sollen, nur wo das ist und wann diese Möglichkeit kommt hat es bis jetzt noch nicht nach Erstfeld geschafft.

So bleibt mir eigentlich nicht viel anderes übrig, als die offiziellen Schliessfächer zu benutzen oder aber die Tasche zum Einkauf mitzunehmen. Wobei mir jetzt wieder einfällt, das Luzern ja ebenfalls eine Railcity ist und so die Türe bis zum Ende meiner Pause offen stehen müsste, weil auch andere Leute sie benutzen müssen. Ich versuche es mit den Personalräumen.

Im schlimmsten Fall bleibt dann halt der Zug stehen, weil der Lokführer nicht an die Arbeitsmittel kommt. Spätestens dann wird auch der letzte in Luzern bemerken, dass man das Lokomotivpersonal von SBB Cargo in Erstfeld nicht so leicht ausschliessen sollte. Gesagt getan, die Mappe ist verstaut, ich kann meine Einkäufe noch erledigen.

Die Zeit vergeht schnell, wenn man etwas sucht und es lange nicht findet. Es hat doch noch zu einem kleinen Essen gereicht. Ich begebe mich auf den Weg zu den Personalräumen. Gerade als ich mich auf den Weg dorthin mache, treffe ich einen Kollegen. Er arbeitete früher in Erstfeld, hat dann zum Personenverkehr nach Luzern gewechselt und ist nun hier im Einsatz. Auch er geht zu den Personalräumen.

Ob nun die Türe für mich auch offen gewesen wäre weiss ich nicht, denn der Kollege aus Luzern öffnete sie und so kam auch der Lokführer von SBB Cargo wieder zu seinem Arbeitsgerät. Noch sind es ein paar Minuten bis ich beginnen muss und eigentlich hätte ich die Mappe nicht benötigt, aber da ich nicht mehr in diesem Bereich komme, muss ich die Mappe wohl oder übel mitnehmen.

 

Zug parkieren und Zug suchen

Bevor ich nach Hause fahren kann, muss ich zuerst einen Kollegen von Erstfeld ablösen. Er kommt mit dem Zug von Arth-Goldau her und muss gleich auf die Rückleistung eilen. Ich stelle für ihn den Zug noch weg, denn der Zug bleibt hier in Luzern. Es handelt sich dabei um einen vierteiligen NPZ, denn der Zug fährt kurze Zeit nachdem ich begonnen habe, ein. Die gleiche Arbeit möchte auch ein Kollege aus Luzern machen, die Kommunikation scheint wieder einmal nicht geklappt zu haben. Aber er meint nur, dass er froh sei nicht in die Kälte zu müssen. 

Eine kurze Übergabe, dann begebe ich mich auf die andere Seite des Zuges. Bei jedem Wagen blicke ich in die Abteile, ob auch wirklich niemand im Zug sitzen geblieben ist. Alle Abteile sind leer und ich bin am anderen Ende angekommen. Die erste Aktion, die ich nach der Inbetriebnahme des Führerstandes mache, ist das verschliessen der Türen und das löschen des Lichtes. Jetzt sollte auch jeder wissen, dass der Zug nicht zugänglich ist.

Ich melde die Fahrbereitschaft dem Bahnhof und kann vorziehen. Im Rückspiegel erkenne ich, dass ich die Dummheit gewisser Leute unterschätzt habe, denn man spurtet meinem Zug hinterher, als sei es die Verbindung des Lebens. Ja ich erkenne auch die Geste, die gemacht wird. Vermutlich wollte die betreffende Person ins Depot Luzern reisen und konnte zudem nicht lesen. Entsprechende Erfahrungen konnte ich ja schon machen.

Ich erledige meine Arbeiten am Zug noch, kontrolliere dabei auch noch, ob niemand etwas vergessen hat. Mäntel werden es kaum sein, denn im Winter nimmt man den sicherlich mit. Aber auch sonst blieb nichts liegen und ich kann die Arbeiten am Zug abschliessen und ihn dann verlassen. Wäre schon schön gewesen, wenn es gleich der Zug für mich gewesen wäre, aber der steht an einem anderen Ort.

Ich begebe mich auf den Weg ins betreffende Gleis. Damit ich dorthin komme, muss ich die Zufahrt zum Bahnhof überqueren. Eine andere Möglichkeit gibt es nun mal nicht, denn nur dieser Weg führt zu diesem Gleis. Dort angekommen steht, wie könnte es auch anders sein ein vierteiliger NPZ bereit. Macht auf den ersten Blick nun wirklich keinen Sinn, ich vermute aber, dass der erste Zug in den Unterhalt geplant ist und so nicht nach Arth-Goldau fahren sollte.

Die Inbetriebnahme verläuft routiniert und auch das Ansagesystem erkennt den nächsten Zug, es soll eine S3 nach Arth-Goldau sein. Nur stehe ich noch nicht am richtigen Ort und ich melde mich wieder beim Stellwerk. Genau, ich sei mit der Komposition bereit um ins Abfahrgleis zu fahren. Wenig später zeigt das Zwergsignal vor mir Fahrt und ich kann losfahren.

 

Luzern – Arth-Goldau mit Küssnacht

Nachdem ich das Abfahrgleis erreicht habe, kann ich mich zur Abfahrt einrichten. Bis zu der Zeit, wo ich denn auch losfahren kann, vergeht noch einige Zeit. Diese nutze ich um auf dem Perron etwas Präsenz zu markieren. Meine Erfahrung hat bisher gezeigt, dass es recht viel Eindruck hinterlässt, wenn man sich die potentiellen Übeltäter genau anschaut. Gut, ich bin ehrlich, ich mustere sie regelrecht.

Vielen Ärger kann man verhindern, wenn man klar zu erkennen gibt, ich bin da und ich kenne dich. Das verschafft die notwendige Autorität. Klar mein körperlicher Bau, der nicht den geltenden Normen entspricht, sorgt schon etwas mehr für Eindruck. Genau das soll es ja auch bezwecken, denn wer bekannt ist, macht weniger Blödsinn. Schon oft wendete ich diese Taktik an und hatte trotz vieler Schnapsnasen im Zug erfolg damit.

Eine Reisende, die auf dem Bahnsteig noch die letzte Zigarette vor der Fahrt raucht, meint, ob ich denn der Lokifahrer sei. Klar, erkannt hat sie mich wohl nicht, denn oft werden in der Schweiz die Lokführer als Lokifahrer bezeichnet. Innerlich freuen mich solche Aussagen natürlich, denn auch ich erfreue mich an lobenden Worten.

Mit dem heranrücken der Abfahrtszeit begebe ich mich an die Spitze des Zuges. Dorthin, wo mein Platz ist. Ich muss beim Ansagesystem noch die Begrüssung auslösen, damit die Leute wissen, wo der Zug durchfährt. Die Rückspiegel klappe ich aus, um zu erkennen, was hinten am Zug alles passiert. Immer noch eilen Leute zum Zug steigen völlig ausser Puste ein und warten dann noch drei Minuten, bis der Zug fährt.

Die drei Minuten sind um, vor mir geht das Ausfahrsignal auf Fahrt und ich kann die Fahrt mit dem Zug beginnen. Es grenzt schon fast an ein Wunder, denn pünktlich kann ich die Fahrt beginnen und niemand scheint noch in der allerletzten Sekunde auf den Zug zu wollen. Die Türen sind zu, ich kann losfahren. In Luzern ist die Ausfahrgeschwindigkeit überwacht, so dass man wirklich nicht zu schnell über die Weichen fährt.

Nachdem auch der Steuerwagen die letzte Weiche des Bahnhofes passiert hat, kann ich auf die erlaubten 80 Km/h beschleunigen. Viel schneller werde ich mit dem Zug nicht mehr fahren, denn mehr als 85 km/h liegen auf der befahrenen Strecke nicht drin. Die Signale der Station Gütsch sind grün und ich zweige mit meinem Zug rechts ab, überquere die Reuss und fahre in den Tunnel.

In dieser Kurve fährt der RBDe 560 recht ruppig. Das liegt nicht am Fahrzeug, sondern an den hier notwendigen Schienenstössen, die für eine unangenehme Fahrt sorgen. Erst in solchen Situationen bemerkt man, was für ein Segen verschweisste Geleise wirklich sind. Im Tunnel ist es dann soweit, die Schienenstösse verschwinden und die Fahrt wird wieder ruhiger.

Das Einfahrsignal von Luzern Verkehrshaus öffnet sich immer erst sehr knapp vor dem Zug. Der Grund liegt beim Bahnübergang unmittelbar nach dem Tunnel. Erst nachdem dort die Schranken geschlossen sind, kann das Signal auf Fahrt gehen. Am Ansagesystem erkenne ich, dass die automatische Stationsansage abgelaufen ist. Im Gegensatz zum RABe 523 hören wir hier beim NPZ die Ansage im Führerstand nicht.

Luzern Verkehrshaus ist neu, früher war es eine Dienststation die Würzenbach hiess. Doch nach vielen Jahren ringen gab es endlich eine Haltestelle vor dem Verkehrsmuseum der Schweiz. Natürlich baute niemand die Haltestelle wegen dem Museum, sondern wegen dem Quartier, das Würzenbach heisst. Eigentlich ein Wunder, dass die neue Haltestelle Luzern Verkehrshaus heisst.

Wenn man hier durch fährt, riskiert man immer wieder einen Blick in die Schienenhalle des Museums. Seit einiger Zeit bemerkt man sein Alter, denn im Museum steht erstmals eine Lok, die ich noch aus dem Betrieb kenne. Die Ae 6/6 verkommt langsam zum Museumsstück. Schön finde ich, dass die Lokomotive dort so gezeigt wird, wie sie in der Praxis aussah, also nicht herausgeputzt und poliert. Dreckige Finger bei den Besuchern sind vorprogrammiert.

Der Halt ist kurz, die Türen waren geöffnet und sie wurden bereits wieder durch die automatische Schliessung geschlossen. Ich kann sie verriegeln und losfahren. Nach der Station kann ich dann die höchste Geschwindigkeit dieser Fahrt einstellen, es sind 85 km/h. Die Fahrt führt durch die Vorortsgemeinden der Stadt Luzern und am Tag wird der Blick über den See oft mit dem Pilatus im Hintergrund gekrönt.

Meggen Zentrum und Meggen habe ich auch schon passiert, als ich mich der Haltestelle Merlischachen nähere. Auch hier hält der Zug. Nicht viele Leute stehen auf dem Bahnsteig, aber ich erkenne zwei davon. Es ist die Stichkontrolle, die dem Zug zusteigt. Schön, wieder jemand, der den Schwarzfahrern erklärt, warum sie einen Fahrschein zu lösen haben. Insgeheim wünsche ich den beiden Personen einen guten Jagderfolg. Für mich sind die beiden Kontrolleure im Zug offiziell jedoch nicht vorhanden.

Als ich losfahre erscheint auf dem Display der nächste Halt, es ist Küssnacht. Es fällt mir wieder ein. Ob die Dame aus Zürich angekommen ist? Sitzt sie gar in diesem Zug? Gut, genau ausgesprochen heisst es hier auch Küssnacht am Rigi, aber schon oft habe ich einfach Küssnacht gehört. Die Station ist ein wenig besonders und sie wurde nach dem Motto, egal wie, Hauptsache es kostet nichts, saniert.

Wir Lokführer dürfen dafür den Preis zahlen. Die Einfahrt ist nur mit 40 km/h erlaubt. Diese wird jedoch nicht am Signal angezeigt, denn eine orange Signallampe wäre ja schon zu teuer gewesen. So fahren wird mit 85 km/h auf eine Weiche zu, die nur 40 km/h zulässt. Dank ZUB 121 ist auch gesichert, dass wir dies auch wirklich machen. Nur, wenn dann das ZUB reagiert, ist der nächste Halt nicht Küssnacht am Rigi, wie das vermutlich im Zug gerade zu hören ist.

Nach dem Halt beobachte ich die Reisenden die aussteigen, bemerke dennoch, dass das Signal auf Fahrt gewechselt hat. Meiner Weiterfahrt steht von Bahnseite her nichts mehr im Wege. Ich fahre hier nur sehr ungern ab, denn vor mir ist ein Übergang für die Reisenden, die auf die Züge Richtung Luzern wollen.

Ich erlebte es schon mehrfach, dass einfach vor den abfahrenden Zug gelaufen wurde. Schliesslich muss man ja nur vor dem überqueren einer Strasse nach rechts und links schauen. Besser wäre es, dies auch bei der Eisenbahn zu tun. Irgendwann reicht es dann nicht mehr und man fragt sich, ob die Sparmassnahmen ein Menschenleben wert gewesen sind.

Ich auf jeden Fall bin jedes Mal froh, wenn ich Küssnacht am Rigi verlassen habe und nichts passiert ist. Durch die hohle Gasse, einem geschichtsträchtigen Ort wechsle ich vom Vierwaldstättersee zum Zugersee. In Immensee treffe ich dann wieder auf die Güterzüge der Nord-Süd-Achse. Ich muss mich dann so elegant wie möglich einfädeln. Das sollte kein Problem sein, denn auch das Ausfahrsignal zeigt freie Fahrt.

Der letzte Abschnitt dieser Fahrt führt am Zugersee entlang. Die Signale folgen sich im regelmässigen Abstand und kurz vor Arth-Goldau kann ich erkennen, wie das Ansagesystem den letzten Halt ansagt. Es ist Arth-Goldau. Bei der Einfahrt wechselt zudem die Anzeige am Zug auf neutral und am Display erscheint Dienstende. Wäre schön, doch leider trifft das nur für den Zug zu.

 

Aufenthalt in Arth-Goldau

Da der Zug hier geendet hat, muss ich ihn noch wegstellen. Bevor ich aber damit beginnen kann, muss ich zuwarten, bis alle Reisenden ausgestiegen sind. Nachdem längere Zeit die Türen geschlossen blieben, lösche ich das Licht. Ist das Licht gelöscht, merken es auch noch die letzten Leute. Die Türen bleiben jedoch zu. Damit niemand mehr auf die glorreiche Idee kommt einzusteigen verriegle ich die Türen des Zuges.

Ich bin nun bereit die Fahrt in das Abstellgeleise zu beginnen. Gemäss dem Eintrag in der LEA sollte das das Gleis 16 sein. Doch die für mich wichtigen Zwergsignale zeigen immer noch Halt. Ich melde mich beim Stellwerk Arth-Goldau. Auf meine Bereitmeldung erfahre ich auch, wo ich denn mit den Zug genau hinfahren muss. Es ist Gleis 16, die Angaben scheinen zu stimmen. So ist alles klar und es entstehen keine unschönen Situationen.

Es dauert nicht lange, bis die Zwergsignale auf Fahrt gehen und ich mit dem Zug wegfahren kann. Beinahe hätte ich doch noch vergessen die Manövertaste zu drücken. Aber dank dem das Signal mit ZUB überwacht wird, warnte mich die Bremskurvenkontrolle vom ZUB 121. Schnell das Vergessene nachgeholt und die Fahrt kann nun ungehindert am roten Signal vorbei ins Abstellgeleise führen.

Es hat nicht lange gedauert, bis ich am Standort war. Die meiste Zeit ging mit dem Wechsel des Führerstandes verloren. Das ist gut so, denn zu viel Zeit habe ich nicht mehr, denn ich muss bald wieder mit einem Zug weiter nach Erstfeld fahren. Noch schnell die notwendigen Kontrollen machen und dann kann ich zu meinem nächsten Zug gehen. Der sollte eigentlich schon bereit stehen.

Die Türen des Zuges schliesse ich und blockiere sie mit der Verriegelung. So ist gesichert, dass in der Nacht keine unbefugten Personen in den Zug können. Die Reinigungstrupps wissen, wie sie diese Blockierung umgehen können und kommen dann in den Zug. Früher konnte man auf solche Aktionen verzichten, den Zügen passierte in den Gleisfeldern nichts. Die Leute von Heute haben aber jeglichen Anstand verloren und zerstören einfach alles. Warum, das wissen sie vermutlich selber nicht.

Ein kleiner Fussmarsch wird mich zu meinem nächsten Zug bringen. Ich habe ihn bereits entdeckt und weiss deshalb, wo ich hingehen muss. Lange wird der Weg nicht sein, ich muss dazu aber einige Meter zurücklegen. Der neue Zug steht im Gleis 57, das nur wenige Meter von meinem jetzigen Standort entfernt ist. Im Gegensatz zu anderen Kollegen ist bei mir der Lokführer aus Arth-Goldau gerade daran, den Zug startklar zu machen, ich muss nur noch ins Abfahrgleis fahren. Da er nicht zurück laufen will, fährt er noch die letzte Strecke, die in umgekehrter Richtung erfolgt, so muss ich nicht lange den Führerstand wechseln.

 

Der Letzte Zug für Wochen

Die notwendigen Kontrollen der Bremsapparate, die Eingaben in der Zugsicherung und die Kontrolle der Beleuchtung muss ich noch machen. Zeit habe ich nicht viel, denn ich muss in knapp 5 Minuten mit dem Zug losfahren. Eingerichtet habe ich mich auf dem Steuerwagen. Am anderen Ende befindet sich das Triebfahrzeug. Dank der Kurve und der Dunkelheit ist dieses nicht leicht zu erkennen.

Dank den Beobachtungen und den Anschriften im Führerstand weiss ich aber, dass es eine Re 4/4 II sein muss. Entscheidend ist das bei der Abfahrt, denn für die Lokomotive besteht eine Schubbeschränkung bis 40 km/h. Für einen RBe 540 Triebwagen gilt diese nicht. Da ich diese Beschränkung aber nur bei ablenkenden Weichen von 40 km/h benötige, kann ich sie in den anderen Fällen mit einem Tastendruck ausschalten.

Die Abfahrtszeit ist herangerückt und die Leute steigen in den Zug ein. Für mich wird es Zeit, sie zu begrüssen. Bei diesem Zug ist keine automatische Ansage vorhanden, hier muss der Lokführer diese Aufgabe übernehmen. Ich drücke die kleine Taste am Mikrophon und spreche die Begrüssung: „Ich begrüsse sie herzlich in der S2 nach Erstfeld mit Halt auf allen Stationen.“ Die Taste hat einen Nachlauf, eine Zeit, in der die Leute noch hören können, was im Führerstand passiert.

Das Signal vor mir geht auf Fahrt. Ich blicke auf die Uhr, erkenne dass die Abfahrzeit erreicht ist und kontrolliere die Türen. Diese sind zu, ich leite deshalb die Verriegelung ein. Die Anzeige auf dem Display des ZUB 121 ist in Ordnung und das Signal zeigt immer noch Fahrt, ich kann abfahren. Mit der ersten Stufe verschwinden auch die letzten Zweifel, am Schluss schiebt eine Re 4/4 II.

Die Beschränkung hebe ich nicht auf, es geht so schon schnell genug vorwärts. Da das Signal nur 60 km/h signalisiert muss ich so oder so mit der Beschleunigung zuwarten, denn zu schnell hat man die Geschwindigkeit überschritten. Ich muss warten, bis auch die Lokomotive die letzte auf Ablenkung stehende Weiche befahren hat. Das erkenne ich daran, dass die Beschränkung immer noch durch das ZUB 121 überwacht wird.

So, es ist soweit, die Beschränkung ist aufgehoben. Ich kann auf 80 km/h beschleunigen. Das Gefälle gegen Steinen hilft dabei. Durch die Dunkelheit geht die Fahrt in vielen Bögen nach Steinen und Erstfeld. Kein schwieriger Fall, ich muss nur aufpassen, dass ich nicht vergesse die Stationen anzusagen. „Nächster Halt Steinen“, lauteten die Worte, die ich sprach bevor ich mit der elektrischen Bremse zu bremsen begann. Halten muss ich wegen der Länge erst am Ende des Bahnsteigs.

Kurz vor dem Halt schalte ich die elektrische Bremse aus und drücke die Taste für die Schleuderbremse. Die Lok am Schluss wird so noch ein wenig mit der Luftbremse abgebremst und pendelt nicht ungebremst hin und her. Ich erinnere mich noch an den Spruch eines Lokführers während meiner Ausbildung. Er meinte, dass das bei einer Lok nötig sei, der RBe 4/4 ginge noch ungebremst.

Wenn ich jedoch daran denke, dass die Lok 80 Tonnen und der Triebwagen 72 Tonnen wiegen, spielt das vermutlich keine zu grosse Rolle und so bremse ich das Triebfahrzeug am Schluss kurz vor dem Halt mit der Schleuderbremse. Alle anderen Bremsen der Lok kann ich vom Steuerwagen aus nicht unabhängig vom Zug bedienen. Es gibt nur diese Lösung. So fein wie mit dem RBDe 560 kann aber mit so einem Zug nicht immer gehalten werden, da sind einfach zu viele Handlungen nötig. Schliesslich darf ja die Freigabe der Türen nicht vergessen werden.

Die Lok drückt die Wagen nachdem ich sie dementsprechend angesteuert habe wieder aus der Haltestelle, diesmal überbrücke ich die Beschränkung und so kommt der Zug schnell auf die erlaubten 120 km/h. Bei der Schutzstrecke muss ich dann wieder auf 100 km/h herunter bremsen. Dies gelingt mit den Klotzbremsen der Wagen. Die Schutzstrecke sorgt dafür, dass die elektrische Bremse der Lok ausfällt.

Klar, die Lok ist 150 Meter wieder hinten und so hätte ich die elektrische Bremse noch benutzen können. Das aber richtig abzuschätzen ist schwierig, und wenn es dann nicht mehr zum ausschalten reicht, ist die Schutzstrecke und die Fahrleitung beschädigt. Ich nehme deshalb die Druckluftbremsen der Wagen und schalte die Lokomotive frühzeitig aus. Nun muss ich warten, bis der ganze Zug die Fahrleitungsschutzstrecke passiert hat.

Die Wartezeit nutze ich für die Stationsansage. Danach muss ich dann wieder bremsen. So klappt dann auch der Halt in Schwyz. Mit der Zeit stehe ich auch nicht im Konflikt, denn die Türen sind geschlossen, als die Abfahrzeit erreicht ist. Ich kann wieder verriegeln und den Zug beschleunigen. So, jetzt will ich mich mal achten, ob die Re 4/4 II den Zug bis zur letzten Weiche auch auf 110 km/h beschleunigen kann.

Der RBDe 560, der Flirt und auch die Re 4/4 II schaffen das ohne Probleme. Mit dem RBe 540 wird es mühsam. Das weiss ich jetzt, denn die Re 4/4 II dieses Zuges schaffte es, jedoch benötigte ich den maximalen Strom der Fahrmotoren. Trotz dem schweren Zug, reicht die Beschleunigung im Vergleich aus, das einhalten der Fahrzeiten sollte eigentlich kein Problem sein. So nähere ich mich natürlich sehr schnell dem Bahnhof Brunnen, meinem nächsten Halt.

Was soll ich sagen, die Halte in Brunnen und Sisikon verliefen zufriedenstellend und nun passiere ich den letzten Tunnel meiner Fahrt. Ich erkläre den Leuten, dass der nächste Halt in Flüelen zu erwarten sei und bremse erneut den Zug ab. Ein Blick auf die Uhr lässt mich erkennen, ich bin ein wenig zu früh. Das ist nicht etwa deshalb entstanden, dass ich in Sisikon zu früh losgefahren bin, sondern hat ganz bestimmte Gründe.

Eine im Fahrplan eingebaute Zeitreserve sorgt dafür, für einen stabilen Fahrplan, auch wenn das eine Gleis gesperrt ist, wenn man dann nicht warten muss, ist man in Flüelen zu früh. Ein kleiner Trick um in einer Statistik für die Pünktlichkeit gut dazustehen. Bei genügend grossen Reserven, sind die Züge immer Pünktlich, nur was bringt es, wenn dadurch der Zug fast doppelt so lange für eine Fahrt braucht. Natürlich hätte ich auf den Abschnitt Sisikon - Flüelen langsamer fahren können, aber dann hätte der Gegenzug, den ich gerade passiere, nicht mehr durch gepasst.

Es ist soweit, ich kann in Flüelen losfahren und mich nach Altdorf begeben. Altdorf ist der vorletzte Halt. Auch hier treten keine sonderbaren Probleme auf, der Halt hätte zwar etwas sanfter sein können, aber das kann ich nun nicht mehr korrigieren. Es steigen erneut Leute aus und so muss ich warten, bis sich die Türen wieder geschlossen haben. Zudem muss die minimale Aufenthaltszeit eingehalten werden.

Mit bis zu 140 km/h rast der Zug in Richtung Erstfeld. Alle eingereihten Fahrzeuge sind nun an ihrer Höchstgeschwindigkeit angelangt. Keine Panik, die Sicherheit ist gewährleistet, denn die Fahrzeuge müssen auch 10% höhere Geschwindigkeiten sicher überstehen können. Nur ausnutzen tut das kein Lokführer, denn es könnte ihm den Job kosten. Durch die gerade Strecke kann man schon von weit her erkennen, dass das Einfahrsignal von Erstfeld grün ist.

Ein letztes Mal greife ich zum Mikrophon. Ich drücke auf den Knopf und mache die Durchsage: „Meine Damen und Herren, wir treffen in Erstfeld ein. Endstation! Ich bitte alle Reisenden auszusteigen und verabschiede mich von Ihnen.“ In Gedanken gehe ich noch weiter, denn ich verabschiede mich für mindestens 17 Wochen. Ich beginne mit dem abbremsen des Zuges.

Der letzte Halt in Erstfeld gelingt mir, schön sanft, ohne grosses rucken und das erst noch am richtigen Ort. Die Prüfung ist bestanden, ich kann mich getrost neuen Dingen zuwenden. Noch habe ich nicht Feierabend, denn auch jetzt muss der Zug parkiert werden. Dazu steht mir aber ein Rangierarbeiter zur Verfügung, so dass ich nicht immer den Führerstand wechseln muss.

 

Die letzten Arbeiten

Nun, die Fahrten sind vorbei. Ich muss aber noch den Zug kontrollieren, die letzten arbeiten am Zug finden dann auf der Lokomotive statt. Dort schalte ich den Zug wieder ein. Die Lokomotive muss bei so tiefen Temperaturen eingeschaltet sein, damit allfälliges Kondenswasser nicht gefrieren kann. Nachdem ich auch die Heizung der Wagen eingeschaltet habe kann ich die Lok verlassen. Auch hier in Erstfeld werden die Türen des Zuges verriegelt.

Noch ist nicht Schluss. Ich muss noch beim Schaltwärter vorbei, wo ich das Funkgerät für das Manöver und das Natel der SBB abgeben muss. Nachdem ich das gemacht habe,  begebe ich mich zum Reservezimmer. Dort sind ein paar Kollegen gerade dabei ihre Sachen zu packen. Ich stelle meine Mappe auf den Tisch. Entleere sie von angesammeltem Altpapier.

Nach dem Gang zum Kasten ist auch dieser entleert worden, es befindet sich nur noch ein Überkleid darin, alles andere nehme ich mit nach Hause. Den Kasten kann ich ja behalten und so stört das niemanden sonderlich. Meine Mappe nehme ich auch nach Hause, wenn ich Urlaub habe. Das ist so. Zudem ab jetzt wird sie im Auto stationiert sein und nicht mehr im Kasten. Ein Tribut, den ich an die beiden Einsatzorte zollen muss.

So, die letzten Arbeiten sind erledigt, die Mappe für den Heimweg gepackt. Die Einträge im Piper interessieren mich nicht mehr und die Warnweste ist auch an ihrem Platz. Ich kann aufbrechen. Da habe ich aber die Rechnung ohne den Kollegen gemacht, der soeben ins Reservezimmer gekommen ist. Er meint nur, ich solle warten, er habe auch Feierabend.

So gehen wir zusammen auf den Heimweg, es ist einer jener Kollegen, die ich nächste Woche wieder sehen werde. Auch er wird seinen letzten Arbeitstag haben und am Montag mit mir zusammen die Schulbank drücken.

Das war sie, die letzte Fahrt als Lokführer des Depots Erstfeld!

 

Die letzte Tour?

Auch hier im Web ist es die letzte Tour. Es sind nun 24 Touren im Web enthalten, die einen guten Einblick über das Depot Erstfeld geben. Auch über den Beruf haben Sie viel erfahren und erkannt, dass nicht immer alles Gold ist was glänzt. Durch die lange Dauer der Entstehung haben Sie zudem miterlebt, wie sich der Beruf in den letzten Jahren verändert hat. Erinnern Sie sich an den Wechsel von den Fahrplänen zur LEA?

Bevor Sie aber nun Ihr Bedauern mit vielen Mails ausdrücken, muss ich Ihnen mitteilen, dass eine Tour sehr viel Arbeit bedeutet. Das erstellen dieser Tour mit allen nachträglichen Kontrollen und Einarbeitungen entspricht in etwa 3 – 4 Arbeitstagen. Dazu steht mir jedoch nur die Freizeit zur Verfügung. Diese Zeit wird durch andere Verpflichtungen zusätzlich eingeschränkt.

Verpflichtungen, die zum Teil auch in die Webseite einfliessen werden, aber mehr verrate ich nicht, denn es soll auch eine Überraschung geben. Ich weiss aber, wie gerne Sie sich an diesen Touren erfreut haben. Es ist aber definitiv, es ist und bleibt die letzte Tour

 

 

 

 

 

Die letzte Tour für das Depot Erstfeld, aber schliesslich mache ich ja in Zukunft auch die Arbeit für das Depot Arth-Goldau. Das Depot hat neue Touren und befährt andere Strecken. Erfahren Sie deshalb in Zukunft was ein Schweizer in Deutschland erlebt und was sonst noch für Arbeit dort anfällt. Und wer weiss, vielleicht befahren Sie ja den 57 km langen Basistunnel mit einem Zug und begleiten dann einen Lokführer aus Arth-Goldau.

 

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