Erstfeld - Basel Badisch RB - Erstfeld

Ähm – Das ist wohl der Wecker, der da klingelt. Ja, es ist der Wecker, der nervt gewaltig, ich bin mittlerweile wach genug, um ihn abzustellen. Nein, ich bin nicht besonders ungeschickt, aber ich habe mir schon vor Jahren einen Wecker besorgt, den man nicht leicht abstellen kann. Man lernt immer dazu, nur einmal habe ich bei meinem alten Wecker im Halbschlaf den Ausschaltknopf gedrückt und bin erneut eingeschlafen. Das Depot hat mich dann geweckt, das aber richtig.

Ja, damals in einem extremen Frühdienst hatte ich das Pech, ich habe mich verschlafen. Wem ist das noch nicht passiert? Ja, nur wenn man Lokführer bei den SBB ist, bedeutet dies sehr viel Ärger, denn ein Lokführer verschläft nicht!! Nicht nur, dass der Zug zu spät abfährt, oder nicht verkehren kann, nein, man muss zum Chef. Dort erfährt man dann, dass man als Lokführer gefälligst rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen hat, dass man sich bessern sollte, und dass man sich mittels Unterschrift zur Besserung bekennen müsse.

Ja, nach der Standpauke des Chefs, gab es dann noch eine schriftliche Abmahnung. Ich musste durch Unterschrift geloben, auch im Frühdienst pünktlich zur Arbeit zu erscheinen und keinen störungsanfälligen Wecker zu verwenden. Man könne sonst gut auf meine Arbeitskraft verzichten. Das obwohl man 10 Jahre immer pünktlich am Ort war. Als Lokführer, wird der kleinste Fehler, und sei er noch so verständlich, knallhart geahndet, da gibt es keinen Stromausfall und Mühe mit dem Schlaf hat man auch nicht.

Das schüchtert ein und zwar gewaltig. Man geht noch am gleichen Tag in den nächsten Laden und kauft sich einen neuen Wecker. Dabei versucht man der Bedienung beizubringen, dass man ein Modell braucht, das über 40 Jahre perfekt funktioniert, sich nicht leicht abstellen lässt, und das natürlich von der Energieversorgung des Landes unabhängig ist. Wer kann in einer solchen Situation schon mit der Bemerkung, das ist unmöglich, leben?

Klar, dass die arme Frau diese Forderungen mit keinem Modell erfüllen konnte, denn so ein Gerät gibt es nun mal nicht. Trotzdem kaufte ich mir einen neuen Wecker, stellte ihn neben mein bisheriges Modell und habe seither zwei Wecker an meinem Bett. Einen davon stelle ich bei meinem Kopf auf, den anderen platziere ich irgendwo in weiter ferne.

Ja, ich bin wach, der zweite Wecker klingelt soeben in der anderen Ecke meines Bettes und ich muss auf die Suche gehen. So, beide sind ruhig gestellt, ich stehe auf, es ist gerade mal 10.00 Uhr. Eine Zeit, in der die normale Welt schon lange am arbeiten ist. Ich stehe gemütlich auf. So betrachtet sieht es komisch aus, aber wenn ich dann in die Runde werfe, dass ich erst nach Mitternacht Feierabend hatte, sieht das etwas anders aus.

Ja, so mühsam kann ein erwachen um 10 Uhr sein. Nur, als Lokführer ist das Leben nicht immer leicht und so richtet man schon mal den Wecker zu Zeiten, bei denen kein normaler Mensch nur im Traum daran denken würde. Lokführer sind aber keine normalen Menschen, und so gehören Lokführer schon zu einer sozialen Randschicht, man lebt irgendwo, aber nicht in der normalen Welt.

Ja, eigentlich sollte ich jetzt, frisch dem Bett entstiegen, schon zum Mittagessen gehen. Das kann ich auch nicht zu der Zeit einnehmen, wie normale Leute, denn ich muss kurz vor Mittag mit der Arbeit beginnen. So gehe ich in die Küche, drücke bei der Kaffeemaschine auf den Einschaltknopf und begebe mich ins Bad. Wer das im Spiegel ist, der mich anschaut weiss ich nicht, trotzdem macht er alles, was ich auch mache. Er rasiert sich auf die gleiche Weise.

Langsam gelingt es mir, auch den letzten Schlaf aus dem Kopf, den Augen und den Gliedern zu bringen. Drei Wochen Nachtdienst fordern ihren Tribut, da kann es dann schon um die Mittagszeit mühsam sein, aus dem Bett zu steigen. Mittlerweile kommt mir die Person im Spiegel bekannt vor. Schnell zum Briefkasten, die Post hat wieder einmal Rechnungen gebracht, keine freundlichen Briefe, nur Rechnungen.

Die Zeitung, die schon einige Stunden in meinem Briefkasten lag, lese ich beim Morgenessen kurz vor Mittag. Genau, wie jeder normale Mensch, nur ein paar Stunden später, in der Zeit, in der jeder Gedanken an das Mittagessen verschwendet. Genüsslich schlürfe ich den Kaffee aus der Tasse und lese, dass es gestern irgendwo einen schweren Autounfall gab, bei dem mehrere Menschen uns Leben gekommen sind.

 

Weg zur Arbeit

Ich verlasse das Haus kurz vor halb zwölf. Die Sonne steht schon hoch am Himmel und erwärmt die Luft dieses Frühlingstages. Nachdem es in den vergangenen Wochen oft geregnet hatte, konnte die Natur endlich zur vollen Pracht erblühen. Überall blühen die Pflanzen, die Bäume bekommen ihr Laub und viele Bienen und andere Insekten sind auf der Suche nach frischem Nektar.

Auf der Hauptstrasse findet die tägliche Hektik statt, einige Frauen eilen noch schnell in die Geschäfte um noch vor dem Mittag die letzten Einkäufe zu erledigen. Sie sind wohl auch auf der Suche nach frischem Nektar. Ja, bei der ganzen Hektik, die fast an ein Bienenhaus erinnert, hätten sich zwei Frauen bald auf dem Parkplatz getroffen. Zum Glück hatten beide Autos gute Bremsen. Ausser ein paar Spuren auf dem Asphalt hat es zum Glück keine Schäden gegeben.

Ich bleibe vor dem Fussgängerstreifen stehen und obwohl ich eigentlich Vortritt hätte, scheint das kaum jemanden zu interessieren. Die Autos fahren frisch fröhlich vor mir durch. Da, ein Kleinwagen hält vor dem Streifen an und lässt mich über die Strasse, es gibt doch noch nette Leute, die sich an die Gesetze halten und zudem noch freundlich grüssen.

Auf der Hauptstrasse hupt ein Auto. Ah, jemand scheint auf den Geburtstag ein neues Horn bekommen zu haben und testet es nun. Nein, der Fahrer hat mich gemeint, es ist ein Kollege, der mich etwas zu den neuen Arbeitsplänen fragen wollte. Es bleibt bei einem kurzen Gespräch, denn ich habe nicht viel Zeit, denn schliesslich bin ich auf dem Weg zur Arbeit. Wir verabschieden uns und jeder geht wieder seinen Weg.

Heute scheine ich ein Plakat auf dem Rücken zu tragen, auf dem steht, „fragen Sie mich“. Ein Auto mit deutschen Kontrollschildern hält auf meiner Höhe an. Die Scheibe wird heruntergekurbelt und ich werde gefragt, ob das denn die Strasse nach Wasen sei. Wasen? Nein, da sind Sie falsch, denn Wasen liegt im Emmental. Die Reaktion im Auto lässt mich erkennen, dass das wohl nicht die erwartete Antwort gewesen war.

Entgeistert wird noch einmal gefragt, ob dass denn wirklich nicht die richtige Strasse sei, schliesslich wollen sie nach Wasen mit der berühmten Kirche. Aha, Sie meinen Wassen! Ja, das ist der richtige Weg. Das Auto fährt wieder los, und ich stelle nach einem Blick auf die Uhr fest, dass ich mich beeilen muss. Nur, warum die Leute bei Wassen immer ein s weglassen bleibt mir ein Rätsel.

Im Depot greife ich nach der Mappe, die in meinem Kasten steht. Für einmal gab es keine Änderungen und auch die neuste Ausgabe der Unternehmenszeitung hat den Weg nach Erstfeld noch nicht gefunden. So kommt man schnell voran und ich bin im Reservezimmer angelangt. Dort liegen Getränke und Gebäck auf. Ein Kollege, hat die Freundschaft mit dem Unternehmen gekündigt und sucht sein Heil bei einem anderen Arbeitgeber. Wieder einer weniger…

Ja, in letzter Zeit haben viele Lokführer gekündigt und haben zu anderen Bahnen gewechselt. Viele sind mit den Bedingungen im Unternehmen nicht zufrieden, hoffen, dass es an anderer Stelle besser sein werde. Jeder versucht sein Glück so gut wie möglich zu gestalten. Auch bei mir gab es schon Zeiten, bei denen ich die Stellenangebote genauer studierte. Irgendwie konnte ich mich aber noch nicht zu einem Wechsel durchringen, zu eintönig schien die Arbeit bei anderen Arbeitgebern zu sein.

 

Wo ist mein Zug?

Ein Blick auf den Monitor mit der Zuglage lässt mich erkennen, dass am Gotthard viele Züge unterwegs sind. Nur, meinen zugeteilten Zug finde ich nicht. Er scheint nicht rechtzeitig zu verkehren. Ich melde mich bei der Leitstelle und erkundige mich nach dem Zug. Ja, er habe etwa 45 Minuten Verspätung, aber ich hätte ja in Basel genug Pause, dass ich warten könne.

So schnell gewinnt man wieder Zeit. Kaum im Reservezimmer zurück kommt wieder ein Lokführer auf mich zu. Er beschwert sich über die neuen Diensteinteilungen, das sei eine Frechheit, was da wieder erstellt wurde. Langsam bin ich solche Sprüche leid, denn irgendwie scheinen noch nicht alle begriffen zu haben, dass wir von der Fachgruppe das nicht extra machen.

Nachdem er sich beruhigt hat, erkläre ich ihm, dass er es ja selber machen könne, vielleicht könne er es ja besser. Nein, das wolle er dann doch nicht. Ich denke mir, ist ja typisch, lautstark schimpfen, aber selber etwas machen, das will man nicht. Es ist leicht über etwas zu Fluchen, eine Lösung zu finden ist dann aber schwer. Ich kann ihn ja auch verstehen, denn wer arbeitet schon gerne bis nach Mitternacht, wenn man am Tag danach frei hat.

Nur, spielt es denn eine Rolle, ob ich vor dem Freitag um 23:57 Uhr Feierabend habe oder erst um 0.30 Uhr? Letztlich werde ich am nächsten Morgen kaum viel später aufstehen, aber eben, psychologisch ist 23.57 Uhr nicht der Freitag. Zudem wettert er über die vielen Nachtdienste. Gerade in solchen Situationen braucht es sehr viel Körperbeherrschung, denn arbeiten müssen wir nun mal, wenn die Arbeit da ist.

Kaum ist der erste Kollege weg, kommt schon der nächste und, wie könnte es auch anders sein, er hat keine Freude an der Einteilung. Ich könnte schreien, denn seit die Entwürfe bekannt sind laufen einige Lokführer Sturm gegen die Arbeit, die ihr Leben finanziert. Es gibt aber auch die Kollegen, die sich bewusst sind, dass die Fachgruppe daran kaum Schuld sein kann, es seien Probleme, die an höherer Stelle gelöst werden müssten.

Ja, solange man sich über die Dienstpläne unterhalten kann und die Themen nicht ernsthafter sind, geht es noch. Ein Blick auf den Monitor lässt mich erkennen, dass mein Zug mittlerweile den Gotthardtunnel verlassen hat und sich auf die Talfahrt begeben hat. Es dauert noch etwa 20 Minuten, bis er in Erstfeld ankommt, ich auf die Lok steige und mich nicht mehr um Dienstpläne kümmern muss.

Letztlich kommt noch der Kollege vorbei, der Heute so spendabel war und meint, dass er zur BLS wechsle. Ich habe es noch vermutet, denn die meisten suchen ihr Glück dort.

Obwohl ich bezweifle, dass dort die Dienstpläne gänzlich anders aussehen, und deren Züge auch nicht pünktlicher verkehren werden. Letztlich hat man dann aber nicht die Abwechslung mit den Reisezügen und nur ein einziger Loktyp.

So, genug mit den Diskussionen, denn mein Zug nähert sich dem Bahnhof Erstfeld und die Einfahrt wurde bereits gestellt, der Zug kann direkt in das Gleis zwei einfahren. Ich greife nach meiner Mappe und begebe mich zum Bahnhof.

Der Weg führt vorbei an ein paar Personen, die bewaffnet mit Fotoapparat an der Abschrankung stehen. Ja, solche Abschrankungen wurden nötig, weil sich die Fotografen immer öfter in gefährliche Bereiche vorwagten.

Freundlich scheinen sie nicht zu sein, denn mein Gruss wird nicht erwidert. Ja, es scheint, als sei ich nur ein Störfaktor, denn die Lokomotive vor dem Depot, und sei sie noch so dreckig, ist viel schöner als ein Bahnmitarbeiter auf dem Weg zu seiner Arbeit. Eine Arbeit, die soeben am einfahren ist. Ich erkenne schnell, dass es vier Lokomotiven sind.

 

Mit 32'000 PS nach Basel

Beim genaueren betrachten erkenne ich, dass das Gespann von einer Re 6/6 angeführt wird. Eine Lokomotive, die mit ETCS und Klimaanlage ausgerüstet ist, ist für die Zukunft bestens gerüstet. Einzig der Wechsel von zwei Lokführern dauert so etwas länger, da der abgehende draussen warten muss, bis der Kollege die Lok verlassen hat. Zu zweit bietet die Lok kaum Platz im Führerstand.

Ich will mich am Funk fahrbereit melden, denn sonst heisst es wieder die Lokführer schlafen. Ein Blick nach vorne verrät mir aber, dass anscheinend der Mitarbeiter am Stelltisch den Personalwechsel beobachtet hat, denn das Signal steht auf Fahrt und die Abfahrerlaubnis leuchtet. Ich unterlasse die Bereitmeldung mit Funk. Eigentlich könnte ich nun stehen bleiben, denn das Signal sollte erst auf Fahrt gehen, wenn ich die Bereitschaft zur Abfahrt melde. Da das aber nicht erfolgt ist, könnte ich warten.

Vorsichtig beginne ich die Zugkraft aufzubauen. Mit 32'000 PS braucht es nicht viel und die Lokomotiven fahren, während der Zug stehen bleibt. Da muss man die Euphorie im Zaum halten, oft kommt man langsamer schneller voran. So auch hier, denn dank dem Gefälle erreicht der Zug die erlaubte Geschwindigkeit. Ein kurzer Blick auf die Anlagen der NEAT-Baustelle lässt mich erkennen, dass die Am 843 aus Erstfeld damit beschäftigt ist, den Aushub zu verladen.

Letztlich erreiche ich die erlaubte Geschwindigkeit. Die Wagen würden eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h zulassen, aber wegen den vier gehobenen Stromabnehmern darf ich nur 100 km/h fahren.

Da aber die Zugreihe D vorgeschrieben ist, heisst es halt nur noch 80 km/h. So werden die Geschwindigkeiten immer kleiner, würde nun die Sicherheitssteuerung ausfallen, dürfte ich nur noch 60 km/h fahren.

Die Technik, der diesem Zug vorgespannten Lokomotiven, ist so ausgelegt, dass die Sicherheitseinrichtung auf allen Lokomotiven aktiv ist und normal abläuft. Die Meldung kommt immer an die erste Lokomotive, wo der Lokführer entsprechend reagieren muss.

Ein Ausfall bei vier Lokomotiven ist eher unwahrscheinlich, weil eine ausgefallene Sicherheitseinrichtung nicht immer bemerkt wird.

Vor Altdorf kommen die alten Stahlfachwerkbrücken über den Schächen-bach.

Ein eigentlich unscheinbarer Bach, der aber schon öfters dafür gesorgt hat, dass im Kanton Uri neue Seen entstanden sind. Für die betroffenen Leute ist das natürlich unangenehm, aber seither weiss auch ich, was es heisst mit einer Luftbrücke versorgt zu werden. Die Brücken sind für die Güterzüge auf 80 km/h beschränkt. Eigentlich ginge es auch schneller, aber der Lärm sei dann zu gross, so bremsen die Züge halt regelmässig, was auch nicht ohne Lärm geht.

Da ich aber mit 80 km/h gegen die Brücken zu rolle, ignoriere ich die entsprechenden Kurvensignale, denn schneller kann ich ja nicht fahren. So rollt mein Zug friedlich über die Brücke, als mir vom Bahnhof her ein RABe 523 begegnet. Ja, seit neustem darf auch ich damit fahren, aber heute sind Güterzüge auf dem Programm, der FLIRT ist ein anderes mal wieder aktueller.

Die Tunnel der Axenstrecke kommen auf mich zu. Ja, die Ausfahrt aus Flüelen wurde zu einer richtigen Bobbahn, seit da die Lärmschutzwände aufgestellt wurden. Ob die Leute, die bisher einen freien Blick auf den lieblichen Urnersee hatten, darüber sonderlich erfreut sind, weiss ich nicht. Zumal ich schon in Erstfeld bemerkt hatte, dass mein Zug hauptsächlich Wagen mit Kunststoff-Bremsklötzen besitzt. Nein, ich habe keinen speziellen Blick, das wird uns auf der Meldung an den Lokführer mitgeteilt. Der Grund ist banal aber wichtig, diese Wagen reagieren etwas anders beim bremsen, dafür sind sie viel leiser.

Die Tafel H am Tunnelportal lässt mich erkennen, dass ich mich nun Sisikon nähere, die Dunkelheit hat meine Lok erneut aufgenommen und vor mir leuchten zwei orange Lampen nebeneinander auf. Die Spurwechselstelle Sisikon ist geschlossen, wie wir das nennen. Ich verlangsame im Tunnel die Fahrt, denn wenn ich ans Tageslicht komme darf ich mit dem Güterzug nicht zu schnell unterwegs sein.

Trotz der schon nach der Abfahrt gemachten Funktionskontrolle ist die erste Bremsung auf ein Signal hin immer ein wenig speziell, denn genau weiss man ja nicht, wie der Zug reagiert. So auch hier zuerst nichts, dann dafür umso kräftiger. Ich verlasse den Tunnel mit 10 km/h eigentlich hätte ich ein wenig schneller sein wollen, aber als die Bremsen wirkten, wollten sie fast nicht mehr lösen. Das Signal hat mittlerweile auf grün gewechselt.

Nach Schwyz folgt die Schutzstrecke. Jetzt muss ich die Stromabnehmer senken, denn sonst könnte es einen Kurzschluss geben und so die Strecke ausgeschaltet werden. Ich höre, wie der Stromabnehmer der ersten Lokomotive in Tieflage fällt. Normalerweise achten wir nicht auf solche Sachen, da aber die ausgeschaltete Lok äusserst ruhig rollt, hört man das Geräusch halt. Ich hoffe, die anderen Stromabnehmer gingen auch so flott in Tieflage.

Nach ein paar hundert Metern, in denen ich nur gerollt bin, kann ich die Stromabnehmer wieder heben. Nach einer kurzen Wartezeit schalte ich die Hauptschalter wieder ein. Es scheint keine Störung vorhanden zu sein, denn auch die rote Ventilationslampe hat nach kurzer Zeit gelöscht. Alle Lokomotiven scheinen wieder da zu sein.

Beim Aufschalten der Zugkraft leuchtet die Stufenschalterlampe kurz auf. Die ersten Stufen auf den Lokomotiven wurden geschaltet, wenn sie weiterhin leuchtet habe ich ein Problem. Nein, auch das klappt, alle vier Lokomotiven arbeiten wieder einwandfrei. Das ist nicht immer so, denn die Steuerung der ersten Lokomotive arbeitet nun am Limit ihrer Leistung, da kann schnell ein Ausfall passieren.

Je mehr ich mich dem Bahnhof Arth-Goldau nähere, desto mehr interessiere ich mich für den Funk. Nein, ich erwarte keine schlechten Nachrichten, aber in Arth-Goldau muss ich mein Gerät auf den neuen digitalen Funk umstellen. Diese Weisung, die klar vorsieht, dass die Umstellung in Arth-Goldau bei einem Halt zu erfolgen hat, ist nicht ausgereift. Da hat wohl jemand nicht verstanden, dass hier ein grosser Teil der Güterzüge durchfährt.

So bleibt mir nichts anderes übrig, als den Wechsel auf der Fahrt zu erledigen. Werkzeug benötige ich nicht, aber etwas Zeit. Mit der richtigen Tastenkombination beginnt der Funk vom analogen auf den digitalen Modus zu wechseln. Ich passiere soeben die Haltestelle Steinen. Da die Umstellung bei diesen Funkgeräten immer eine recht lange Zeit benötigt, überlasse ich den Funk wieder sich selber. Ein Funkspruch erreicht mich auch nicht, denn während der Umstellung bin ich nicht erreichbar.

Kurz bevor ich die Einfahrsignale von Arth-Goldau passiere, kommt ein Signal vom Funk. Ich habe es doch erwartet, kein Netz. Es ist immer das gleiche, jetzt muss ich noch schnell das Netz wechseln, GSM-R steht hier noch nicht zur Verfügung ich muss auf Swiss GSM umschalten. Auch das dauert logischerweise wieder etwas länger. Ein Handy schafft dies viel schneller.

Mittlerweile passiere ich die Perronanlagen im Bahnhof von Arth-Goldau und habe endlich das richtige Netz eingestellt. Da die Signale grün zeigen, kann ich die notwendige Registration einleiten. Gesagt getan, schon beginnt die Anmeldung. Ein weiterer Ton erklingt, der mir mitteilt, dass ich im neuen Modus registriert wurde. Ab sofort bin ich am Funk wieder erreichbar, kann aber nur mit den Bahnhöfen kommunizieren, den Gegenzug erreiche ich nicht mehr.

Jeder der die Telefonnummer der Lokomotive kennt, kann sie anrufen. Ganz normal, wie wenn er eine Nummer von einem Mobiltelefon wählt. Scheinbar haben es andere Länder geschafft, dass die Fahrzeugnummer der Telefonnummer entspricht. In der Schweiz geht das nicht, und so kennt der Lokführer die Rufnummer seiner aktuellen Lokomotive nicht.

Der Funk piepst kurz, ich schaue auf das Display. Eingehender Funkspruch, aha, es scheint, dass mich die Station will. So ist es, es ist Rotkreuz. Ich solle die Geschwindigkeit verlangsamen, denn im Bahnhof stehe ein Zug, der Probleme hätte und zuerst müsse noch ein Gegenzug ausfahren. So reduziere ich die Geschwindigkeit, damit ich vor dem Einfahrsignal nicht anhalten muss.

Gelungen ist es mir nicht, entweder war ich zu schnell, oder aber der Kollege des Gegenzuges zu langsam, denn ich komme gerade in dem Moment zum stehen, als das Signal auf Fahrt wechselt. Nun muss ich zuerst die Bremsen lösen, erst dann darf ich losfahren. Das dauert halt ein wenig, aber letztlich rolle ich wieder. Im Bahnhof sehe ich den Zug mit den Problemen, es ist ein Zug einer privaten Bahn. Wer die Lokomotive gemietet hat, weiss ich nicht.

Zusätzlich stelle ich fest, dass zwei weitere Güterzüge hier stehen. Vor den Lokomotiven sind Deckungssignale aufgestellt. Aha, das Bundesamt für Verkehr macht Zug- und Lokführerkontrollen. Die allgemeine Polizeikontrolle auf den Schienen. Wenn man da Pech hat, gibt es immer irgendetwas zu beanstanden. Ein Fernfahrer, der das Gefahrsymbol schlecht entfernt hat, kann hier Halt für einen ganzen Zug bedeuten.

Da meine Signale auf Fahrt stehen, werde ich nicht kontrolliert. Mit der Kontrolle hätte sich meine Pause vollends in Wunschdenken aufgelöst, denn zu den aktuell 45 Minuten Verspätung kämen gleich noch mal so viele Minuten dazu. 90 Minuten ist meine Pause in Basel theoretisch, nur diese Verspätung kann ich mit 80 km/h kaum aufholen, so dass sich die Pause auf die Hälfte kürzt.

Die weitere Fahrt durch die blühenden Rapsfelder, die ländlichen Dörfer, und kleinen Städte verlief ohne nennenswerte Probleme, jetzt aber steht Basel an. Mein Zug, der hier rangiert wird fährt daher in die Einfahrgruppe ein. Dort liegen Gleisbremsen am Boden, die die Wagen zurückhalten. Da die Gleisgruppe leicht geneigt ist, können die Wagen mit Hilfe dieser Gleisbremsen automatisch ablaufen, eine Verschublok ist nicht nötig.

Nur, das ETCS-System meiner Lokomotive hat mit den Bremsen seine liebe Mühe. Da aber mittlerweile geeignete Massnahmen ergriffen wurden, kann ich mich der Gleisbremse ohne Furcht nähern. Kurz bevor ich die Bremsen im Gleis erreiche, leuchtet ein Symbol auf meiner Anzeige auf. Die Antennen für die Balisen der Lokomotive wurden soeben überbrückt. Die Gleisbremse kann kommen, ETCS reagiert nicht auf die Stahlplatten.

Nach dem Halt vor dem Signal warte ich. Normalerweise müssen wir hier in Basel die Lokomotiven selber abhängen, aber in der E-Gruppe gilt das nicht, denn zuerst muss die Gleisbremse angezogen werden. Dabei sollte aber keine meiner Lokomotiven darin stehen. Das ist aber noch der Fall, ich muss zuerst noch vorziehen. Den Auftrag dazu erhalte ich vom Mitarbeiter, der abhängt, nur der ist nicht zu sehen.

 

Der Weg zum Parkplatz

Endlich, es ist abgehängt. Bevor ich mich aber mit meinen Loks in Bewegung setze, muss ich kontrollieren, welche Lokomotiven mit ETCS ausgerüstet sind und welche nicht. Dank den an den Türen angebrachten Dreiecken geht das recht flott. Eins, zwei, drei, mist, Nummer vier hat kein ETCS. Ich mache mich leicht genervt auf den Weg in Richtung Spitze.

Nur kurz wird die Fahrt sein, denn am nächsten Gleiswechselsprecher, eine Säule mit Lautsprecher und Mikrofon, halte ich an. Kaum bin ich zum Stillstand gekommen, beginnt der Lautsprecher auch schon zu blabbern. Mehr verstehe ich nicht, denn die Ventilation der Lok und der durchfahrende Güterzug machen mich taub.

Nachdem der Güterzug durch war, höre ich den Lautsprecher wieder, jetzt ist zu verstehen, was der Gegenüber von mir will. Ja, Lok vom Zug 53918 mit zwei Re 10 eine mit und eine ohne Fernseher. Mein Gegenüber hat verstanden was ich wohl meinte, denn er quittiert mit gemischter Re 20. Es gehe in den Westen meint er, dann ist das Gespräch beendet und das Zwergsignal vor mir wechselt auf Fahrt.

Die vier Lok beginnen zu rollen und so fahre ich westwärts, mit der Gewissheit, dass jetzt ein kompliziertes Manöver auf mich zukommt, denn eine Lok sollte westlich in das gleiche Gleis, wie die hinteren beiden, die aber auf der anderen Seite einfahren sollten. Das kostet Zeit, die ich eigentlich nicht habe, aber eben, warum einfach, wenn es auch kompliziert geht.

Das Zwergsignal vor mit zeigt Fahrt mit Vorsicht, ich verlasse den Bereich des Stellwerkes Ost und komme in den Bereich des Stellwerkes West. Das nächste Zwergsignal zeigt ebenfalls Fahrt mit Vorsicht, nur, die danach liegende Weiche weist nicht in die von mir erwartete Richtung. Vorsichtshalber frage ich an, denn ich habe nicht Lust eine Aktion im Führerstandswechsel durchzuführen.

Ein Wechselsprecher erlaubt mir die direkte Kommunikation mit dem Stellwerk. Als ich meine elektronische Anfrage, die ich mit einem Druckknopf ausgelöst hatte, bestätigt bekomme, erkundige ich mich. „Meine Loks sollten getrennt werden, eine Seite Basel und eine Seite Pratteln.“ Die Antwort lässt meine Laune schlagartig in die Höhe schnellen, denn mir wird erklärt, dass es keine Re 10 ohne ETCS im Gleis habe. Nach der Einfahrt und dem trennen der Lok, könne ich mit den beiden ersten einfach zu den anderen ETCS-Maschinen vorziehen.

So schnell kann ein mühsames Manöver viel einfacher werden. Ich bedanke mich und setze meine Fahrt fort, durch die Kurven und den Einschnitt ist das Gleis sehr unübersichtlich. Es kam schon vor, dass hier Lokomotiven entgegen kamen. Es wird daher etwas gemütlicher gefahren. Letztlich erreiche ich das Ziel. Jetzt muss ich die Loks trennen.

Ich rüste mich entsprechend aus. Ein paar Handschuhe, ein Helm, ein Überkleid mit Sicherheitsstandard. Die Sicherheitsschuhe habe ich ja schon an. So gerüstet kann mir ja nichts mehr passieren. Nach der zweiten Lok beginne ich zuerst mit dem Kabel der UIC-Leitung, es wurde auch schon vergessen. Wieder auf dem Boden betrachte ich alles zwischen den Puffern.

Zuerst kommen die Luftleitungen, die sind mir sonst im Weg. Rangierbremse, Hauptleitung und Speiseleitung sind zu trennen. Oft kommt es vor, dass bei der Rangierbremse nichts zu erreichen ist, weil es darauf noch Druck hat, Heute nicht, es geht ohne Probleme. Auch die restlichen Schläuche sind schnell getrennt. Unter den Puffern durch komme ich in den Bereich, der jetzt frei wurde.

Ich trenne das Kabel der Vielfachsteuerung, es ist ein schweres Kabel, das zudem noch verdreht werden muss. Es ist lose und liegt im Gleis. Im Rücken spricht mich jemand an. Ich drehe mich um, es ist ein Kollege vom Depot Basel, der mir erklärt, dass er die beiden Lokomotiven Seite Pratteln gleich nehmen werde. Das klingt gut, nur muss ich noch schauen, wo die Kabel hinkommen.

Ich sei gleich fertig und er könne dann gleich losfahren. Kaum gesagt, muss ich revidieren, denn die blöde Kupplung lässt sich keinen Millimeter bewegen, die ist noch voll unter Zug. Auch der stärkste Mann kommt da nicht zum Ziel. Bewegen wie bei einem Zug konnte ich nicht, denn alle vier Maschinen hörten ja auf das Signal. Ich wäre einfach rückwärts gefahren, aber das wäre alles gewesen.

Der Kollege kommt zurück, meint, dass das Kabel auf seine Loks kommen werde. Ich bedanke mich und fordere ihn auf zu bewegen. Kurze Zeit später höre ich, wie die Lokomotive eingeschaltet wird und sich die Puffer unter dem Druck zusammenstossen. Die Kupplung ist lose und ich kann sie trennen. Ich bin fertig. Ich schreie „ABGEHÄNGT“ und die Puffer entlasten sich. Die Loks fahren ein paar Meter vor. Ich kann normal heraustreten.

Die im Gleis liegenden Kabel packe ich, und trage sie zur Lokomotive, die ja jetzt etwas weiter weg steht. Die Kabel werfe ich in den Führerstand, schliesse die Türe und gebe meinem Kollegen das Zeichen, dass ich fertig sei. Er bestätigt und schon donnern die Lokomotiven los. Die Kabel wird er dann noch in der Ablage verstauen, denn dazu muss die Lok ausgeschaltet sein. Der Rest ist dann noch Routine und ich kann die Lokomotiven verlassen.

 

Pause am gewohnten Ort

Ich nehme die Treppe in den zweiten Stock, schliesslich soll man ja etwas für die Gesundheit tun und nicht immer im Fahrstuhl stehen. Auch über die Treppe erreicht man letztlich die gewünschte Etage, und wer nicht gleich einen Wettkampf ausfechten will, kann es mit der notwendigen Ruhe auch schaffen. Einfach einmal in Ruhe Treppen steigen, bewirkt Wunder in dieser hektischen Zeit.

Die Tasche stelle ich an den üblichen Ort, ob das je so vorgesehen war, weiss ich nicht, ich mache es einfach wie meine Vorgänger. Die schmutzigen Hände werden im nahen WC-Raum wieder sauber. Ein Grund mehr um Pausen in einem Lokal zu kämpfen, denn auf der Lok gibt es keine Möglichkeit sich die Hände zu waschen. Wer isst schon gerne eine kleine Mahlzeit mit schmutzigen Händen?

Zurück vom Händewaschen geht es zielstrebig zur Verkaufstheke. Zuerst fliesst ein halber Liter Mineral in ein Glas, danach sehe ich mich um und wähle eine kleine Mahlzeit, die nach meiner Mitteilung unverzüglich durch die Mitarbeiterin in der Mikrowelle verschwindet. Der unangenehme Teil, die Bezahlung, ist schnell erledigt. Ja, die Bedienung meint, sie werde das Essen zu meinem Sitzplatz bringen. All das macht ein Automat nicht.

Ich setze mich und nehme einen Schluck vom Getränk. Das Essen kommt schnell und es ist ruhig, denn kein weiterer Lokführer sitzt am Tisch. In einer solchen Situation kann man sehr schnell verstehen, warum viele Menschen meinen, Lokführer seien einsame Leute. Nur alleine ist nicht einsam und manchmal ist man sogar froh, wenn es keine Gesellschaft hat.

Ich schiebe gerade die letzte Gabel meines Kantinenfutters in den Mund, als sich die Türe öffnet. Ein Kollege aus Erstfeld hat den Weg auch geschafft und beginnt nun seine Pause. So schnell kann die Einsamkeit verschwinden. Auch er macht den gewohnten Gang und kommt letztlich an den Tisch. Kaum ist er abgesessen und hat seinen Kaffee fertig zubereitet, beginnt er.

Ja, auch ich weiss, dass diese Dienste nicht optimal sind. Nein, wir von der Fachgruppe verstehen die Probleme, und ja, wir wissen dass es schwer ist diese Dienste zu arbeiten. Wir fahren ja auch diese Leistungen und sind selber betroffen. Letztlich können wir nur das einteilen, was uns von der Unternehmung geliefert wird. So lange die Firma meint, es gehe noch mehr Nachtdienst, wird auch mehr Nachtdienst kommen. Auch ich weiss, dass 75% Nachtanteil viel sind, aber ändern kann ich es leider nicht.

Ein Einsehen, nein, dies ist von meinem Banknachbarn nicht zu erwarten, er ist immer noch in den Zeiten, in denen Erstfeld mit Hilfe der Reisezüge am Tag arbeiten konnte. Heute ist das nun einmal anders und letztlich müssen wir halt arbeiten, wenn die Arbeit ansteht. Ich bin überzeugt, dass auch beim Arbeitgeber ein paar Leute wissen, dass das nicht gesund ist, aber vermutlich können die es auch nicht ändern.

Bei so einem Gespräch wäre man froh, wenn die Uhr ein bisschen schneller laufen würde, aber gerade dann scheint sie still zu stehen. Es ist erst 16.30. Ich muss noch eine halbe Stunde warten. Eine lange halbe Stunde, denn der ganze Frust wird wieder einmal beim kleinsten Glied abgeladen. Wie oft habe ich in einer solchen Situation gedacht, ich werfe den Bettel hin, das brauch ich nicht.

Letztlich habe ich dann wieder einen neuen Versuch gestartet. Es ist nicht meine Art einfach aufzugeben, so versuche ich jedes Mal den Kalender noch optimaler noch besser und letztlich zu Zufriedenheit aller zu gestalten. Dass das bisher unmöglich war, frustriert gewaltig. Zum Glück war mir die Uhr gnädig, der Zeiger hat die Runde endlich geschafft, ich darf wieder zur Arbeit. Dass ich darüber froh bin, verschweige ich dem Kollegen gegenüber.

 

Nur eine Lok?

Der Telefonmarathon beginnt. Zuerst muss ich mich nach dem Zug und der Lok erkundigen. Ein paar Klingeltöne später nimmt eine nette Stimme ab. Nach den genervten Worten der vergangenen Zeit, klingt jede Stimme nett, aber es macht mehr Spass, wenn hier etwas Ruhe zu hören ist. Wie oft wird meine Frage wohl am Tag gestellt werden. Wo ist mein Zug und was für eine Lok bekomme ich?

Mein Zug steht bereits in Basel badisch Rangierbahnhof und die Lok sei eine Re 6/6. Hä, nur eine Re 6/6. Aus lauter Gewohnheit habe ich in meiner Agenda schon eine Re 10 vermerkt. Ja, es sei wirklich nur eine Re 6/6, sie habe sich auch gewundert. Aber die Lokleitung meine, dass die reiche. Klar bis Erstfeld mache ich mit einer Re 6/6 fast alles. Mit der Bitte, noch die Nummer zu melden verabschieden wir uns. In wenigen Minuten werde ich die Stimme wieder hören.

Ein neuerliches Telefonat bestätigt, was ich schon vermutet habe, meine Lok stehe im Haufen. Damit war der Abstellort für die Re 6/6 gemeint, den wir vom Personalrestaurant leicht einsehen können.

Es stehen tatsächlich mehrere Re 6/6 in dem Gleis. Und die Worte, ich solle die erste nehmen klingen in anbetracht des Prellbockes an einer Seite etwas komisch. Ich weis aber, dass er etwas anderes gemeint hat, wie ich.

Der Weg zur Lok ist nicht lang, er dauert nur wenige Minuten. Ein Blick auf die Nummer der Lok verrät mir, ich habe eine analoge Lok.

Nein, so gut bin ich nicht, dass ich das schnell erkenne, aber wenn das Wappen auf einer Seite und nicht in der Mitte montiert wurde, ist das bei einer roten Lok nicht schwer, es kann nur die 11601 oder die 11602 sein.

Es ist die 11602 und das teile ich mit dem Telefon der netten Stimme von vorher mit. Nur kurz ist das Telefonat, das mit den Worten, gute Fahrt und schönen Dienst beendet wird. Ich schalte die Lok ein, nachdem ich die notwendigen Kontrollen gemacht habe. Am Funk kontaktiere ich das Stellwerk, ich bin mit der Lok bereit.

Schon geht das Zwergsignal vor mir auf Fahrt. Ich kann auswechseln und mich dann in Richtung Deutschland auf den Weg machen. Ja, das kann ich sogar ohne lange zu warten, denn als ich mich dem Hauptsignal nähere, leuchten dort bereits eine grüne und eine orange Lampe. So geht die Fahrt weiter.

Über den Rhein bin ich schnell und auch sonst geht es heute schnell, ich stehe mit meiner Lok bereits vor einem Zug, der aus lauter zweiachsigen Wagen besteht. Ich wechsle den Führerstand. Dazu muss ich nicht einmal die Lokomotive verlassen. Auf der neuen Seite richte ich die Lok und mich ein. Schon werde ich zum Anfahren aufgefordert.

 

Basel – Erstfeld mit wertvoller Fracht

Die Bremsprobe ist gemacht, ich bin fahrbereit und trotzdem kann ich noch nicht fahren, es ist ein Kollege der BLS, der Vortritt erhält. Klar, jetzt könnte ich ja so loslassen, wie die Lokführer auf den DB-Loks in der Schweiz. Losjammern, dass wieder die BLS den Vorrang erhält und ich diskriminiert würde. Aber was soll ich, denn schliesslich muss ich planmässig erst in 20 Minuten abfahren.

Zeit um wieder einmal zu schauen, was ich denn transportiere. Etwas verwundert bin ich schon, der Zug ist recht lang aber nur ein paar Hundert Tonnen schwer, die Re 6/6 hat damit keine Mühe. Oh, den Auftraggeber kenne auch ich, und es sind tatsächlich in allen Wagen Zigaretten verladen.

Ein ganzer Zug, der gegen jede Kampagne wirkt, ein paar tausend Stangen Zigaretten, die durch die Alpen nach Italien fahren. Wenn die Leute auf dem nahen Bahnsteig wüssten. Die einen würden vermutlich diesen Menschenmörder blockieren und die Anderen in der gleichen Zeit die Wagen leer räumen. Rauchen ist gefährlich, dass wissen alle, aber für mich ist es jetzt einfach nur eines – Arbeit.

Mehr Zeit bleibt mir nicht um mir Gedanken über meine Anhängelast zu machen. Ich verdiene mit diesem Transport mein Geld, ob es nun ein sinnvoller Transport ist oder nicht, darf ich nicht entscheiden, denn ich bin jetzt in dieser Frage befangen. Mit der leichten Last geht es sehr schnell, bis ich die erlaubte Geschwindigkeit erreicht habe.

Da es heute für einmal direkt aus dem Rangierbahnhof auf die Strecke geht, erreiche ich den Bahnhof Basel badisch schneller. Es grenzt schon fast an ein Wunder, denn es geht für einmal gerade durch den Bahnhof, denn normalerweise müssen wir mit den Güterzügen über die engen Weichen fahren, damit wir auf das für Güterzüge bestimmte Gleis kommen.

Geografisch befinde ich mich in der Schweiz, die überall zu sehenden Flirt bezeugen dies. Nur die Fotografen scheinen sich mehr um ICE und die restlichen Züge der Deutschen Bahn zu kümmern keine Kamera ist im Anschlag als ich komme, das wäre in der Schweiz ganz anders, denn eine Re 6/6 alleine vor einem fast 500 Meter langen Zug ist selten geworden.

Nur bemerkt niemand, dass die 500 Meter gerade einmal 550 Tonnen schwer sind. Kein Gewicht für eine Lokomotive mit weit über 10'000 PS. Die Schutzstrecke über den Rhein kann ich mit gehobenem Stromabnehmer befahren, da ich ja nur einen Bügel gehoben habe. Mit 60 km/h kommt man schneller voran, als mit den üblichen 40 km/h. Schon treffe ich auf die ersten Signale nach SBB-Bauart.

Der Rangierbahnhof Muttenz ist mein nächstes Ziel. Durch die ersten zwei Gleisgruppen komme ich noch flott, aber die letzte, die D-Gruppe, lässt mich ein erstes Mal zum stehen kommen. Da die Wagen kaum Gewicht geladen haben, bremst der Zug sehr gut und ich komme etwas eher zum stehen, als ich eigentlich wollte. Ist aber egal, denn die Geleise sind hier sehr lange und so hat mein Zug auch so platz.

Heute scheint wohl der grosse Tag der Kontrollen zu sein, denn beim Zug daneben werden gerade die Gefahrensymbole kontrolliert und anhand der Diskussionen vermute ich, dass sie nicht stimmen. Obwohl ich leicht brennbare und gesundheitlich gefährliche Güter geladen habe, gilt die Ladung nicht als Gefahrgut. Schliesslich brennt auch Holz und ist kein Gefahrgut.

Soeben fuhr der Flugzug vorbei und kaum ist der Zug entschwunden, zeigt mein Signal grün. Ein Blick auf die Uhr. Gut gelaufen, ich habe einen Vorsprung von 30 Minuten auf die Marschtabelle, die Fahrplan genannt wird. Eilig habe ich es nicht, denn noch steht der Zug im Bahnhof Pratteln und ich kann dort erst einfahren, wenn der Zug vor mir weg ist.

Hinter einem Zug zu fahren, der kaum einmal anhält ist einfach, man fährt einfach das, was erwartet wird, die erlaubte Geschwindigkeit. Güterzüge achten in diesem Punkt nicht auf die Fahrzeiten, denn bei dem dichten Fahrplan kann es sein, dass man so in eine Lücke passt. Für die Leute der BLZ ist das auch einfacher zu planen.

Mein Mobiltelefon klingelt, eine SBB-Nummer. Nein, die Einteilung ist es nicht, es ist eine andere Nummer. Die BLZ ruft mich an. Das ist etwas neues, was wollen die von mir. Die Frage ob ich denn der Lokführer sei, erwidere ich mit ja. Daneben muss ich noch schnell die Geschwindigkeit reduzieren, aber das geht dank der guten elektrischen Bremse mit einer Hand.

Sie hätten mich vergeblich versucht am digitalen Funk zu erreichen. Ist auch schwer, denn so ein Ding hat meine Lok nicht. Ich funke immer noch analog, aber jetzt sei ich ja am Telefon. Ich solle bis Brugg schnell fahren ist die Anweisung. Ist neu, früher teilte das der Bahnhof Brugg mit, warum jetzt die BLZ kommt, weiss ich nicht. Ich mache das, was ich bisher gemacht habe, ich fahre meine erlaubte Geschwindigkeit und versuche die Geschwindigkeitsschwellen noch genauer zu treffen.

So erreiche ich Brugg schnell und beim befahren der Verbindungslinie blicke ich auf die LEA. Oh, die ist ja erst in Effingen, der automatische Vorlauf des Programms geht nach dem Fahrplan und vermochte mir nicht zu folgen. Aber ich sehe auch warum, denn mein Vorsprung hat sich vergrössert. Ich habe mittlerweile einen Vorsprung von 45 Minuten.

Jetzt sehe ich auch, warum ich schnell fahren musste, nach Lupfig gibt es nur ein Geleise. Auf dem anderen sind Maschinen damit beschäftigt das frisch gewachsene Gras auf Rasenlänge zu kürzen. Bei der Einfahrt in Lupfig sehe ich, wie gerade der Regionalzug einfährt. Die Kreuzung hat geklappt und der Güterzug ist durch einen einspurigen Abschnitt gekommen ohne dass der Nahverkehr verspätet worden wäre.

Bei der Durchfahrt durch Wohlen betätige ich wieder einmal die Lokpfeife. Nein, eigentlich hätte ich keine Lust dazu gehabt, aber einige Jugendliche stehen auf der Perronkante und eine andere Gruppe macht sich gerade daran die Geleise zu überqueren. Es scheint niemanden zu kümmern, dass der Güterzug mit 100 km/h durch Wohlen fährt und sich sehr schnell nähert.

Es ist zum Haare ausreissen, meine akustischen Signale werden ignoriert. Letztlich reisst mir die Geduld und ich leite eine Schnellbremsung ein. Knapp 10 Meter vor der Lok gehen die Leute zurück und lachen nur dämlich. Mutprobe! So dumme Idioten, irgendwann geht es dann nicht mehr auf, der Lokführer hat dann mit der Polizei zu tun. Positiver Nebeneffekt, es gibt auf dieser Welt dann wieder einen Idioten weniger.

Durch die Bremsung habe ich natürlich viel Schwung verloren und ich habe gerade noch 20 km/h auf dem Tachograph als die Bremsen gelöst sind. Sofort greife ich zum Funk und warne die Kollegen der anderen Züge. Klar, nur die, die mit meinem Funk verbunden sind. Danach ist dann noch die Fernsteuerung an der Reihe, sie solle die Polizei aufbieten um in Wohlen nach dem Rechten zu sehen.

Leider sind die Jugendlichen dann oft über alle Berge, aber letztlich ist ein Menschenleben solch einen Aufwand wert. Die Lokomotive beschleunigt den Zug wieder und langsam beruhigt sich auch mein Puls. Von einem normalen Puls kann in Boswil-Bünzen noch nicht die Rede sein, aber die grünen Signale bringen mich vorwärts und im Raum Muri kann ich wieder in gewohnter Ruhe nach Hause fahren.

In Rotkreuz geht es diesmal flott durch, das BAV hat Feierabend gemacht und die Züge dürfen wieder rollen. Einige Wagen stehen da, die am Nachmittag noch nicht hier standen. Auch die Steigung nach Arth-Goldau geht ohne nennenswerte Probleme. Es ist vermutlich Zeit, dass ich mich mal wieder nach der geplanten Fahrzeit erkundige. Ein paar Minuten hat mich die Aktion Wohlen gekostet.

Arth-Goldau ruft mich am Funk auf und teilt mir mit, dass die Störenfriede in Wohlen geschnappt wurden, sie hätten es bei einem späteren Zug noch einmal versucht. Er danke für die Warnung. Keine Ursache, ist ja die Aufgabe des Lokführers für die Sicherheit der Züge und der Personen zu sorgen. Auf jeden Fall werde ich einen angenehmeren Abend haben, als die Jugendlichen in Wohlen. Mitleid habe ich keines.

Jetzt ist die Fahrt nach Erstfeld mit einem Gefühl der Genugtuung auch noch zu schaffen. Dachte ich, denn in Flüelen ist mein Vorsprung das grosse Handicap. Die Signale deuten es an, es geht auf den Warteplatz im Gleis vier. Erstfeld hat noch keinen Platz für mich gefunden. Nach dem Halt stehe ich auf und vertrete mir die Beine im Führerstand.

Es dauert nicht lange, bis ich am Funk erfahre, dass es erst planmässig weitergeht. Zeit für meine LEA mich wieder einzuholen. Gemütlich warte ich, während die Nacht diesen Frühlingstag beendet und die Dunkelheit Einzug hält. Meine LEA hat gerade die Haltestelle Sisikon passiert, als vor mir grüne Lampen aufleuchten. Ich kann die letzte Etappe in Angriff nehmen.

Auch die Fahrt nach Erstfeld ist wieder Routine nur der Kollege, der den Zug übernimmt wundert sich an der einzelnen Lokomotive. Ja, auch er wird sich fragen warum der Zug so leicht ist, wird sich die Papiere ansehen und dann auch erkennen, es sind Millionen von Zigaretten in den Wagen.

 

Feierabend und Wochenende

Die kühle Nacht hat in Erstfeld Einzug gehalten und die Sterne leuchten am Himmel als ich mich auf den Weg nach Hause mache. Wieder ist ein Tag zu Ende gegangen, wieder ein Tag an dem das Glück auf meiner Seite stand. Es ist schön nach Hause zu kommen und sich gemütlich den letzten Stunden zu widmen.

Die Gedanken auf dem Heimweg drehen sich um den Fall in Wohlen und die lieben Kollegen, die einem am liebsten den Kopf abreissen würden und um sinnlose Fracht. Kein alltäglicher Tag, aber leider sind Vorfälle, wie der in Wohlen längst zum tagtäglichen Problem geworden. Immer wieder reicht eine Mutprobe nicht mehr und ein schöner Tag wird zum schwarzen Tag für den Lokführer.

Gerade in solchen Situationen beginnt man sich zu fragen, ob man wirklich den richten Job gewählt hat. Es fällt einem dann wieder ein, dass es Tage gibt, wo man die schönsten Züge, die interessante Fracht befördert hat. Oder die Tage, an denen sich die Reisenden für die angenehme Fahrt bedanken. Grund genug um sich jeden Tag auf ein Neues zu motivieren. Ich habe jetzt 2 Tage Erholung und die braucht man um ein bisschen von allem Abstand zu nehmen. Dankbare Leute sind leider zur Seltenheit geworden.

 

                       
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