Erstfeld – Lugano Vedeggio

Der Tag hat schon die ersten Stunden hinter sich, als mich der Wecker aus dem Schlaf holt. Die Uhr auf dem Gerät zeigt 8.30 Uhr. Es wird für mich Zeit aus dem Bett zu steigen. Eigentlich ist das ja eine Zeit, bei der schon alle Leute an der Arbeit sind, und sich auf die Pause vorbereiten. Für mich war es eine kurze Nacht, weil ich etwas spät zu Bett ging. Manchmal klappt es mit dem Wechsel vom Nachtdienst in den Mitteldienst nicht so, wie geplant.

Heute habe ich einen Ausflug ins Tessin auf dem Programm. Nachdem ich den letzten Schlaf aus den Augen gerieben habe, ziehe ich die bereit liegenden Kleider an. Die Tage im Sommer sind heiss und da bleibt es nicht dabei, denn ich genoss zuvor noch eine Dusche. In den Kleidern gehe ich in die Küche zur Kaffeemaschine. Eine Tasse am Morgen mit einem Stück Brot und Butter reicht für den Start in den Tag.

Viel Zeit, bis ich aus dem Haus muss, habe ich nicht. Zwar kann ich noch ein paar Mails beantworten und mich im Internet über die News vom Tag informieren. Man erwartet einen heissen Tag im Sommer. Das bedeutet, dass ich wohl ein paar Tropfen Wasser mehr mitnehmen muss, als das normal der Fall ist. Besorgen kann ich mir das Wasser im Depot, doch bis es soweit ist, brauche ich noch etwas Zeit, denn ich gehe ja zu Fuss zur Arbeit und so kurz ist der Weg auch wieder nicht.

An der morgendlichen Sonne ist der Weg zur Arbeit angenehm und das Leben im Dorf geht an mir nicht spurlos vorbei. Die Leute gehen in die Geschäfte und kaufen Lebensmittel. An anderen Orten wird Ware angeliefert und beim nahen Restaurant wird Gemüse aus einem Transporter geladen. Auf die Jacke verzichtete ich, da es auch so angenehm ist. Im Tessin wirkt diese störend und dann schleppe ich eine Jacke mit, die ich nicht benötigte.

Beim Fussgängerstreifen hätte mich eine gestresste Hausfrau beinahe über den Haufen gefahren. Ein böser Blick führte dazu, dass sie rot im Gesicht wurde. Passiert ist nichts. Der Weg zur Arbeit ist wohl der gefährlichste Teil des heutigen Tages. Die Autofahrer achten nicht immer auf die Fussgänger. Besonders dann, wenn diese einmündende Strassen überqueren möchten. Ein paar solche Strassen muss ich noch queren.

Probleme gab es keine mehr und so erreiche ich das Depot, das ich schon seit einigen Jahren aufsuche. Die Lokomotive auf dem Sockel wird wieder einmal zum Fotoobjekt. Wenn die Leute wüssten, dass im Depot noch eine Lokomotive steht, die braun ist und die im Sommer an den ersten Samstagen im Monat bewegt wird. Das ist am Samstag der Fall, doch nun suche ich meinen Schrank auf. Dazu benutze ich die Türe, die direkt zu den Schränken führt.

Ein paar Dokumente sind wieder geliefert worden. Der dicke Bund stellt die neue Ausgabe der Fahrdienstvorschriften dar. Die bleiben liegen, ich kann sie nach Feierabend mit nach Hause nehmen und dort einordnen.

Die anderen Dokumente stecke ich in die Mappe und schliesse den Schrank wieder, ich kann in den Aufenthaltsraum gehen und dort die LEA laden. Das ist dank dem neuen Gerät einfacher und geht auch schneller.

Ein Blick auf den Monitor mit der Zuglage lässt mich erkennen, dass mein Zug bereits in den Bahnhof einfährt. Schlimm ist das nicht, denn ich muss noch nicht mit der Arbeit beginnen und habe noch genug Zeit, die entsprechenden Aufgaben zu erledigen.

Dazu gehört die Warnweste, die seit Jahren zum täglichen Ritual gehört. Damit gewinne ich auch den Zugang zur LEA und kann sie entnehmen. In meiner Mappe ist alles so eingeordnet, wie ich das für Richtig befinde und nicht nach einer Vorgabe der Chefetage.

Kaum habe ich die LEA aufgestartet, klingelt mein Mobiltelefon. Es ist die Leitstelle! Was ist jetzt schon wieder los? Kaum ist man angekommen, wird man angerufen. Ich nehme den Anruf an und melde mich. Ich werde darüber informiert, dass ich die D-Lok für meinen Zug in der Remise abholen muss. Gut, das ist eine Information, die wichtig ist und die unnötige Fussmärsche verhindert. Die LEA ist endlich gestartet und die Verbindung mit dem Netzwerk steht.

Ich kann die benötigten Daten laden und so die aktuellen Informationen auf dem Gerät erhalten. Das geht schnell, so dass ich nach wenigen Sekunden das Gerät abstellen und in der Mappe verstauen kann. So mache ich mich auf den Weg zur Remise, die hier in Erstfeld noch nahe ist und kaum einen Umweg bedeutet. Dort angekommen begebe ich mich zum Automaten mit den Getränken. Mein Vorrat muss ergänzt werden. Ich wähle ein Mineralwasser, weil ich das für den heutigen Tag passend finde.

Zurück bei der Mappe empfängt mich der Schaltwärter. Er weisst mir die Lokomotive zu. Ich muss eine Re 420 nehmen. Diese dient somit der Re 620 als Verstärkung vor dem Zug. Die Lokomotive steht im Schatten der Remise und hatte wohl Unterhalt. Die Maschine wird daher nicht zu heiss sein. Die Mappe stelle ich gleich in den Führerstand, den ich auf der Fahrt bedienen werde. Danach folge ich ihr und betrete den Führerstand.

 

Die Lok ab Depot

Eine Anweisung der Werkstatt liegt auf. Was steht dort? Die im Sommer sehr beliebte Information, dass die Klimaanlage wegen einem Defekt nicht funktioniert. Wird heute wohl heiss werden. Im Maschinenraum führe ich die Arbeiten aus, die dort erledigt werden müssen. Danach kann ich die Lokomotive einschalten. Noch habe ich die Aussenkontrolle nicht gemacht. Aber die Lokomotive funktioniert, nun kann ich nach Schäden suchen.

Eigentlich sollte ich ja keine finden, aber man weiss ja nie und deshalb schaut man die kritischen Teile genau an. Dazu gehören die Räder, die Bremsklötze und die Federung. Teile, die bei einem Defekt schwere Störungen hervorrufen könnten. Nebenbei schaue ich nach, ob auch wirklich alle Bauteile fest montiert wurden. Alles scheint korrekt zu funktionieren und befestigt zu sein. Auch die Lampen leuchten so, wie sie sollten. Ich kann wieder einsteigen.

Da die Lokomotive noch keine Leistung gefahren ist, muss ich sämtliche Prüfungen absolvieren. Dazu gehört die Kontrolle der Zugsicherung und von ZUB 121. Die Prüfungen zeigen auf, ob die Überwachung funktioniert. Es sind routinierte Abläufe, die schnell erledigt sind und die mir die benötigten Informationen geben. Es wird Zeit, dass ich die Bremsen auch noch prüfe. Danach kann ich die Handbremse lösen und bin mit der Lokomotive fahrbereit.

Die Erlaubnis aus der Remise zu fahren habe ich und so schalte ich eine Stufe zu. Die Lokomotive rollt los. sofort schalte ich ab und achte mich, ob sie weiter rollt. Das macht sie, die Bremsen sind gelöst. Vor dem Tor halte ich und bin somit informiert, ob ich auch anhalten kann. Ich kann langsam aus der Remise fahren. Für die Fotografen auf dem Aussichtsturm ist nun die Lokomotive, die aus der Remise fährt, die grosse Attraktion.

Wie oft ich schon fotografiert wurde, wenn ich die Remise verlassen habe, weiss ich nicht, aber die meisten wollen ja so oder so die Lokomotive und nicht mich.

Kaum habe ich die Remise verlassen, öffnet sich das Zwergsignal. Ich kann losfahren und das Gelände des Depots von Erstfeld verlassen.

Hier ist das schnell erfolgt, schliesslich liegt das Depot ja nicht abseits des Bahnhofes. Nach wenigen Metern passiere ich die Weiche, die die Grenze bildet.

Weit fahren muss ich so oder so nicht, denn es geht in ein Gleis, das oft dazu genutzt wird um Lokomotiven die Fahrrichtung ändern zu lassen.

Daraus erreicht man jedoch die drei schnelleren Geleise mit den Bahnsteigen nicht mehr.

Das spielt keine Rolle, denn ich will ja nur auf die andere Seite des Bahnhofes und dann an die Lokomotive, die den Zug hierher brachte, anfahren.

Das sollte schnell gehen, da der Zug ja schon hier steht. Daher wechsle ich den Führerstand schnell um gleich wieder losfahren zu können.

Das Zwergsignal vor mir lässt bereits die Fahrt zu, als ich den Führerstand erreiche. So kann ich nach dem eingeben der notwendigen Daten gleich losfahren. Der Weg führt scheinbar entlang meines Zuges. Das bestätigt sich, als ich ihn erreicht habe. So kann ich die Wagen genauer ansehen. Es sind nur spezielle Tragwagen mit Abrollcontainern eingereiht. Gefüllt sind diese mit Kies und Sand aus der Region um Hüntwangen. Mittlerweile transportiert man Kies über den Gotthard ins Tessin. Früher war es Schrott.

Die Lokomotive, die den Zug brachte, ist bereits ausgeschaltet und das Kabel für die Vielfachsteuerung gekuppelt. Man erwartet mich und so vertrödle ich keine Zeit beim Wechseln des Führerstandes. Schliesslich noch vor den Zug fahren und dann kann man die beiden Lokomotiven verbinden. Als sich die Puffer berühren, schalte ich die Lokomotive aus, bremse diese mit der automatischen Bremse und melde dem Rangierarbeiter, dass er kuppeln kann. Die Stirnlampen lösche ich und verlasse diesen Führerstand, nachdem ich die Rollos herunter gelassen habe.

Die Lokomotiven sind verbunden und ich kann die Vielfachsteuerung einrichten. Das geht mittlerweile auch einfacher, als es früher war. Jetzt geht man davon aus, dass es funktioniert und nicht umgekehrt. Daher schalte ich die Lokomotiven ohne weitere Prüfung ein. Steuerstrom ein, Stromabnehmer hoch und nun begebe ich mich zur Türe. Beide Lokomotiven haben den Stromabnehmer gehoben. Mit dem Fahrschalter schalte ich ein paar Stufen, alles gut. Ich kann den Hauptschalter einschalten.

Ausgeschaltet werden die Hauptschalter nicht. Die Vielfachsteuerung funktioniert. Jetzt müssen nur noch die Bremsen kontrolliert werden. Diese Kontrolle erledigt der Rangierarbeiter. Die Zeit, die er zur Kontrolle der Bremsen benötigt, nutze ich um die Daten einzugeben. Der Zug hat ein Bremsverhältnis von 70%, kann nach der Zugreihe A verkehren und läuft sogar 120 km/h. Recht gute Werte für einen beladenen Güterzug.

Mit der Meldung Bremse gut, ist auch der Zug fahrbereit. Der Rangierarbeiter kommt zu mir und meint, dass ich den Bahnhof selber verständigen muss, denn er habe kein Funkgerät bei sich. Ist gut, ich melde selber. Ein Blick in die LEA verrät, dass es auch höchste Zeit dazu ist, denn der Zug sollte in einer Minute losfahren. daher greife ich zum Hörer, bediene den Funk und melde den Zug fahrbereit. Somit ist die Vorbereitung abgeschlossen und ich kann mich auf die Fahrt vorbereiten.

 

Erstfeld - Lugano Vedeggio

Es dauert nicht lange und ich kann losfahren. Die beiden Lokomotiven beginnen auf meine Handlung hin, mit der Arbeit. Beide Maschinen arbeiten und das ist gut so, denn ich brauche beide Lokomotiven um die 952 Tonnen den Gotthard hoch zu bringen. Mit den ersten beiden Fahrstufen streckte ich den Zug. Jetzt kann ich weiter zuschalten und so an Fahrt gewinnen. Die Weichen lassen nur 40 km/h zu, so dass ich nicht zu schnell beschleunigen muss. Ich erreiche die Geschwindigkeit auch so früh genug.

Ich klappe den Rückspiegel aus und sehe nach dem Zug, der friedlich folgt. Auf meiner Seite habe ich keinen Spiegel, so dass ich den Kopf aus dem offenen Fenster strecken muss, um in den Kurve zu erkennen, dass am Zug alles so ist, wie es sollte. Mit dem Rückspiegel ist nun die andere Seite dran. So sehe ich, wie sich die Wagen über die Weichen schlängeln. Lange dauert es nicht und auch der letzte Wagen hat die ablenkenden Weichen freigelegt. Ich befinde mich mit dem ganzen Zug in der Steigung.

Ich kann nun die Zugkraft auf den maximal erlaubten Wert steigern und so langsam an Geschwindigkeit zulegen. Der Rückspiegel klappt automatisch wieder ein. Ich benötige ihn nicht mehr, denn ich befahre eine Kurve, so dass ich darin nicht einmal die zweite Lokomotive erkennen kann. Die Strecke steigt hier stark an, so dass ich nur langsam an Fahrt gewinne. Aber, das ist bei Güterzügen nicht selten der Fall. Auch wenn mein Zug nicht besonders schwer ist, schnell beschleunigen kann ich damit nicht.

Der Fahrplan in der LEA zeigt mir, dass mein nächster Halt in Lugano Vedeggio ist. Ich kann somit theoretisch ohne Halt durchfahren. Das wird jedoch nicht der Fall sein, denn ein paar kritische Bahnhöfe passiere ich auf der Fahrt und die Neigezüge sind schnell nahe, so dass man warten muss. Noch ist es im Führerstand angenehm und dank den offenen Fenstern steigt die Wärme nicht so schnell an. Es wird aber ein warmer Tag werden. Klimaanlagen auf den Lokomotiven gab es früher auch nicht.

Die Ebene oberhalb von Erstfeld ist erreicht und ich kann die letzte Differenz ausgleichen, so dass ich nun mit der erlaubten Geschwindigkeit fahre. Die Strecke kenne ich gut und so erwarte ich in der Steigung eigentlich keine bösen Überraschungen.

Noch habe ich aber den grössten Teil der Steigung noch vor mir und das wird sich sicherlich auch in der Temperatur im Führerstand bemerkbar machen. Amsteg-Silenen nähert sich und ich kann die Zugkraft vor dem Bahnhof etwas reduzieren.

Danach geht es wieder hoch und ich nähere mich dem ersten Tunnel. Dann die erste grosse Brücke und wieder ein Tunnel und eine Brücke. Zum Glück hat der Gotthard nur zwei Kurven.

Eine geht links herum, die andere rechts. Dummerweise wechseln sie sich dauernd ab. Einen Abschnitt, wo der ganze Zug in einem geraden Gleis steht, gibt es hier nicht. Auch wenn ich nur einen kurzen Zug habe. Trotzdem bieten sich Momente, wo man den Zug ansehen kann.

Die ehemalige Haltestelle von Intschi ist kaum zu erkennen. Nur, wer weiss, wo sie war, erkennt die Überreste noch. Regionalzüge am Gotthard gibt es seit Jahren keine mehr. Jedoch habe ich sie noch erlebt und damit auch die Herausforderung Intschi. Heute kein Problem und es rattert auch nicht, als ich durchfahre. Das gab es schon, weil die schiebende Re 4/4 I die Haftung verlor und Rillen in die Schienen drehte. Heute kaum vorstellbar, aber damals kam man hier gerade noch weg.

Weitere Schwierigkeiten bietet die Fahrt hier nur, wenn man anfahren muss, aber mit grünen Signalen, ist es einfach, denn Gotthard hoch zu fahren. Die Bergprüfung, die wir alle absolvieren mussten, war auch nicht unbedingt wegen der Bergfahrt. Auch wenn damals mit Zwischenlokomotiven gearbeitet wurde und dort einiges schief gehen konnte. Die Talfahrt mit den schweren Zügen war die Herausforderung. Auch heute, werde ich die erlaubte Streckengeschwindigkeit auf der Talfahrt nicht oft fahren dürfen.

Gurtnellen kündigt sich an. Die Station stellt die Hälfte des Aufstieges dar. Ich bin mit maximaler Geschwindigkeit unterwegs. Bei schlechtem Wetter entscheidet sich hier oft, ob man hoch kommt oder nicht. Bisher kam ich am Gotthard immer hoch. Hier fahren wir ja auch nicht mit Überlast, so dass die Stromwerte der Lokomotiven abgestimmt sind. Aber, es gab schon Probleme, denn oft sind die Züge schwerer, als angegeben wurde.

Gerade ein Kieszug kann hier deutlich andere Gewichte haben. Der Zug wird bei trockenem Wetter verladen und kommt dann auf der Fahrt in ein Regenwetter. Der Sand und das Kies saugen das Wasser richtig auf. Damit wird die Ladung schwerer, was sich dann beim Gewicht des Zuges bemerkbar macht. Kies und Sand, dürfen nass werden, also deckt man die Ladung nicht und so können sich dann am Gotthard Probleme ergeben.

Mit dem Pfaffensprung komme ich in den ersten Kehrtunnel. Das Tal steigt steiler an, als bisher und so muss ich einen Kreis fahren, um an Höhe zu gewinnen. Hier kann man, wenn man Geschwindigkeit verloren hat, diese wieder ergänzen, um dann den nächsten langen Tunnel zu erreichen. So hangelt man sich bei schlechtem Wetter den Berg hoch. Heute bei strahlendem Sonnenschein, reduziere ich eine Fahrstufe um nicht zu schnell zu werden.

Diese muss ich nach dem Tunnel, wo es wieder steiler wird, wieder ergänzt werden. Noch bin ich aber im Tunnel und auf der Lokomotive erkennt man die Kurve gut. Man merkt auch, wo der Radius etwas enger wird. Das muss so sein, denn ich komme ja nicht genau über dem unteren Gleis aus dem Tunnel, die Landschaft ist nicht so gestaltet. Der Kehrtunnel ist damit beinahe geschafft. Die Vorsignale zur Spurwechselstelle Pfaffensprung erscheinen, alles Grün bemerke ich und schalte eine Fahrstufe zu.

Jetzt folgt ein gerades Stück, hier kann ich den Zug mit Hilfe des Spiegels kontrollieren. Die Wagen folgen den Lokomotiven friedlich. Keine ungewöhnlichen Vorkommnisse. Ein feiner Staub verteilt sich aber über der Ladung. Der Sand und das Kies sind trocken. Als diese Züge noch mit Zwischenlokomotive geführt wurden, bekam das der Lokomotive zwischen den Wagen nicht sehr gut. daher wurden diese Züge schon früh einspännig geführt. Natürlich war eine Vorspannlokomotive auch öfters zu sehen.

Ich arbeite mit einer Vielfachsteuerung und ziehe so die Wagen den Gotthard hoch. Der Spurwechsel Pfaffensprung ist passiert und an meiner Fahrt ändert sich nichts. der nächste Tunnel kommt und dann wieder eine Brücke. Aber das kennen Sie sicherlich schon. Ich befinde mich nun im Kirchbergtunnel. Der Name sagt es schon, ich fahre unter der Kirche von Wassen durch. Für die gläubigen Christen. Keine Angst, der Teufel ist hier nicht zu sehen, den haben die Urner vor Jahrhunderten vertrieben.

So nähere ich mich der Kurve von Wattingen. Die Kirche habe ich im Rücken. Ich sehe sie, als ich aus dem Fenster blicke und nach dem Zug sehe. Die Fotografen werden bemängeln, dass sie der Lokführer nicht beachtete, aber ich glaubte am Zug etwas erkannt zu haben und muss deshalb genauer hinsehen. Es war aber nur eine optische Täuschung und am Zug ist alles so, wie es sein muss. Die Fahrt kann also weiter gehen. Die Temperatur im Führerstand steigt indes stetig an.

Ich entschwinde der Szene mit dem Tunnel und drehe nun wieder meine Kurven, diese geht nach rechts weg und so erreiche ich den Bahnhof von Wassen. Bald bin ich oben abgelangt und dann kommt der Gotthardtunnel. Zeit, die Fensterheizung einzuschalten um nicht im Blindflug durch den Tunnel zu fahren. Nach dem Bahnhof muss ich die Fahrstufen ergänzen, um die Steigung zu befahren. Die LEA führe ich nun nach und sehe, dass ich einige Minuten vorzeitig unterwegs bin.

Nicht viel, aber dieses Polster kann ich auf der Talfahrt sicherlich gebrauchen. Der letzte Kehrtunnel bringt mich wieder in die richtige Richtung. In wenigen Minuten bin ich oben angelangt und dann folgt der Gotthardtunnel mit seiner Dunkelheit. Doch bis dahin muss ich den Lokomotiven noch etliche Zugkraft abverlangen. Diese erbringt sie, sie wird einfach ein bisschen wärmer und damit auch mein Arbeitsplatz. Schön, dass die Klimaanlage einfach mit einem orangen Blatt Papier repariert wurde.

Endlich erreiche ich den Naxbergtunnel. Bald habe ich Göschenen erreicht und kann die Zugkraft etwas reduzieren, die Ventilation sorgt dann dafür, dass die Lokomotive etwas kühler wird. Wie ich die Wärme im Tunnel aus dem Führerstand bringen soll, habe ich in den 20 Jahren, seit ich hier mit den Zügen fahre, nicht herausgefunden. Klar, im Tunnel das Fenster öffnen hilft, nur ist der Lärm dann so gross, dass ich die Sicherheitssteuerung nicht mehr höre. Eine ruhige Lokomotive habe ich auf jeden Fall nicht erhalten.

Göschenen ist erreicht, die Zugkraft kann endlich reduziert werden. Einen letzten Blick auf die Wagen lässt mich erkennen, ich kann mit dem Zug ohne schlechtes Gewissen in den Tunnel fahren.

Es ist alles so, wie es sein soll. Und so entschwinde ich im Gotthardtunnel und befinde mich nun auf dem längsten geraden Abschnitt des heutigen Tages. 15 Kilometer misst der Tunnel und fast so lange ist es schnurgerade.

Die Augen benötigen eine gewisse Zeit, bis sie sich vom grellen Sonnenlicht an den dunklen Tunnel gewöhnt haben. So erkenne ich die Signale anfänglich nur spät. Schlimm war das nicht, denn alle zeigten heute die Farbe, die ich so liebe, denn grün regierte auch im Tunnel.

Mit der Dauer der Fahrt, erkenne ich auch mehr. In Airolo werde ich dann blendet werden, aber das dauert etwas, denn auch mit 120 km/h benötigt man seine Zeit um durch den Tunnel zu fahren. Zuerst muss ich diese Geschwindigkeit aber erreichen.

Es wird nicht oft sein, dass ich so schnell fahren kann. Hier, wo alles gerade ist, geht das. Die Signale sind von weit her zu erkennen und so kann ich frühzeitig bremsen, wenn eines auf die Idee kommt und eine unpopuläre Farbe zeigt.

Das machen sie aber nicht und ich habe soeben die Sprachgrenze passiert. Nein, einen Grenzstein gibt es nicht, aber es ist eine ideologische Grenze, denn nun muss ich mit einer Fremdsprache sprechen. Auch wenn das nicht immer nötig ist.

Es wird langsam Zeit, dass ich mich auf die Talfahrt vorbereite. Dazu gehört die Kontrolle der Bremsen. Zuerst benutze ich die elektrische Bremse. Damit kann ich den Zug von der hohen Geschwindigkeit holen. Die Druckluftbremse teste ich anschliessend. So kann ich ein wenig die Bremsklötze schonen. Ich benötige noch genug davon. Doch jetzt ist wichtig, dass alle Bremsen funktionieren. Das ist so, denn der Zug wird verzögert. Ich kann die Talfahrt in der Leventina antreten.

Nur noch wenige Meter trennen mich vom Südportal. Ich habe den Gotthard beinahe geschafft. 15 Kilometer sind lang, wie werden dann erst 57 sein? Irgendwie fürchte ich mich vor dem langen Tunnel, denn dort wird es keine Signale geben. Die Strecke wird dann noch einfacher und das setzt der Konzentration zu. Ob sich das die Planer auch überlegt haben? Vermutlich nicht, denn der Mensch wird nie in der Planung berücksichtigt.

Nun muss ich zusehen, dass ich die Südrampe hinter mich bringe. Ein spannender Abschnitt, da ich viele Handlungen vornehmen muss und so immer irgendwie beschäftigt bin. Das erhöht die Konzentration und für einen Lokführer heisst das, dass er die Arbeit etwas leichter empfindet. Verrückt, wenn man um Attraktivität besorgt sein muss. Aber das bringt der Beruf so mit sich und Stress löst Entspannung ab.

Die elektrische Bremse der Lokomotiven arbeitet hervorragend. Trotzdem gewinnt der Zug immer mehr an Fahrt. Der Zeiger der Geschwindigkeitsanzeige steigt langsam aber sicher an. Noch habe ich die maximale erlaubte Geschwindigkeit nicht erreicht und kann die Fahrt etwas geniessen. Die ersten Kurven in der tessiner Sonne schaffe ich sicher mit der elektrischen Bremse. Eine Brücke bringt mich auf die andere Seite des Ticino. Ich passiere nun die Talsperre bei Stalvedro.

Noch bin ich am Anfang des Gefälles und ich weiss noch nicht genau, wie sich die Bremsen des Zuges verhalten werden. Das Gefälle und die Last müssen mit der Bremse im Griff gehalten werden. Das erfolgt mit der Sägezahnmethode. Die Richtwerte kenne ich, nur müssen die Bremsen entsprechend arbeiten. Das wird sich bei der ersten Bremsung zeigen, die bald anstehen wird. Dann erfahre ich, wie der Zug reagiert.

Ich leite die erste Bremsung mit der Druckluftbremse ein. Der Zug verzögert überraschend gut. Das soll aber nicht bedeuten, dass ich zu früh lösen kann. Ich richte mich nach den Werten der Faustregel und schaue dann, was passiert. Bei 55 km/h verbringe ich das Führerbremsventil in die Fahrstellung. Jetzt sollte ich dieses während 90 Sekunden nicht mehr anfassen müssen. Stimmt alles, halte ich die Zeit ein. Wenn nicht, muss ich bei der nächsten Bremsung korrigieren.

Die Geschwindigkeit wird am Anfang noch verzögert um dann einen kurzen Moment gehalten zu werden. Danach wird der Zug wieder schneller und der Zeiger der Geschwindigkeitsanzeige steigt immer höher. Kurz bevor er den Wert für die Bremsung erreicht, blicke ich zur Uhr. 2 Minuten sind vergangen. Ich muss nicht so stark bremsen. Wobei ganz sicher, dass der Zug wirklich voll ist, bin ich nicht, daher mache ich eine gleiche Bremsung.

Reagiert der Zug nun auf die gleiche Weise, stimmte die Bremsung. Verzögert er schlechter, muss ich die Zeit noch weiter ausdehnen, denn dann waren die Bremsen nicht optimal gefüllt. Die Bremsung entspricht der ersten, so dass ich bei dieser Art der Bremsbedienung bleibe. Die Talfahrt am Gotthard ist nicht für Experimente mit den Bremsen geeignet. Wer das macht, verliert eines Tages und steht nach dem roten Signal still.

Das will ich nicht riskieren. So belasse ich die Werte so wie sie sind. Ich erkenne dann auf der weiteren Fahrt, ob sich der Zug wirklich gleich verhalten wird. Je nach eingebauten Bremsklötzen, ist das nicht sicher. Ich habe im Zug neue Kunststoffsohlen und die sind am Gotthard nicht besonders beliebt, denn je länger die Talfahrt dauert, desto schlechter wirken sie. Ich habe mit längeren Lösezeiten jedoch gute Erfahrungen gemacht und fahre daher so.

Die Fahrt die Leventina hinunter verlief ohne grosse Probleme und die von mir gewählten Werte stimmten. Ich musste nicht korrigieren, was deutlich zeigte, dass ich einen sicheren Wert gewählt hatte. Zudem passten die Bremsungen immer auf die kritischen Signale. Alles in allem hatte ich bisher eine gelungene Talfahrt. Sorgen um meine Bremsen machen, musste ich daher nicht und ich konnte die Fahrt geniessen, schliesslich stimmt ja das Wetter.

Einmal war ich schneller dann wieder langsamer, aber was wichtig ist, ich konnte die vorgegebene Fahrzeit knapp halten. Das ist nicht immer der Fall, denn man geht von einem mittleren Wert aus. Ob die Bremsen dazu passen, ist nicht immer sicher. Diesmal klappte es, ein anderes Mal nicht, aber das gehört zum Gotthard dazu und macht den Beruf auch interessant, denn nie ist man ganz sicher, ob auch wirklich alles stimmt.

Somit stimmte die Fahrt nach Bodio und eigentlich fehlt nur noch die Info, ob die Bremsen der Wagen auch korrekt gearbeitet haben. Bei den gemachten Kontrollblicken konnte ich keine Probleme feststellen, denn ich sah keinen Rauch aufsteigen und hörte auch keine verdächtigen Geräusche von den Wagen. Daher bin ich eigentlich sicher, dass alles stimmen muss, aber vor Überraschungen ist man nie sicher und gerade die Leventina ist immer wieder für solche gut.

Eine Störung an einer Bremse oder einem Lager könnte jetzt durchaus dafür sorgen, dass ich in Biasca anhalten muss. Das wird sich in wenigen Minuten zeigen, denn ich passiere gerade die ZKE-Messanlage und die Lager werden ebenso gemessen, wie die Räder.

Heisse Lager erfahre ich sofort, heisse Räder erst in Biasca, denn die Gefahr ist unterschiedlich gross und wird daher unterschiedlich bekannt gegeben. Wobei, wie gesagt, Probleme erwarte ich keine, denn optisch erkennt man sehr viel.

Endlich, ich habe ebenere Gegenden erreicht und kann den Zug wieder mit der erlaubten Geschwindigkeit rollen lassen. Mit der richtigen Fahrweise gelingt auch die Fahrt über die Portale der NEAT.

Gerade mit schweren Zügen ist die Kuppe eine Herausforderung für schwache Kupplungen. Es grenzt fast an ein Wunder, dass nicht mehr passiert, aber vermutlich bin ich nicht der Einzige, der hier eine Zugstrennung befürchtet und daher mit viel Respekt hier durch fährt.

Die Stunde der Wahrheit wird in wenigen Augenblicken kommen. Ich nähere mich den Vorsignalen zur Einfahrt in Biasca. Aha, grün, ich kann in das normale Durchfahrgleis fahren. Damit sollten die Bremsen auch in Ordnung sein und ich kann meine Fahrt fortsetzen. Auch die Bremsen der Wagen haben die Talfahrt im erlaubten Rahmen überstanden. Ich stand auch schon in Biasca, weil eine Bremse einfach nicht mitspielte.

Wieder einmal gelang mir die Fahrt den Gotthard hinunter. Die jahrelange Erfahrung spielt am Gotthard eine grosse Rolle. Jüngere Kollegen berichten mir immer wieder von feuchten Händen bei der Talfahrt. Angst habe ich keine mehr, aber den Respekt vor dem Gefälle werde ich nie verlieren. Leichtsinn ist hier fehl am Platz. Daher finde ich es leichtsinnig, wenn man auf die Bergprüfung verzichtet.

Es wird wieder schneller, denn die leichten Kurven lassen höhere Geschwindigkeiten zu. Zudem ist das Gefälle geringer und die Abstände der Signale grösser. Daher sind auch für mich wieder höhere Geschwindigkeiten zugelassen. Die maximale Geschwindigkeit meines Zuges erreiche ich aber nicht mehr. Dazu sind die Bremsen des Zuges einfach zu schwach. Die Bremswege müssen eingehalten werden und die ergeben sich mit der Bremsreihe.

So nähere ich mich schnell dem Bahnhof Castione-Arbedo. Es ist schön, wenn man zufahren kann, aber nun komme ich in den Bereich, wo wieder S-Bahnen verkehren. Das bremst die Güterzüge aus. Zudem nähere ich mich nun der am dichtesten befahrenen Strecke der Gotthardbahn. Aber auch die letzte S-Bahn hat den Bahnhof schon verlassen und ich kann weiter zufahren und mich Bellinzona nähern. Zumindest die Einfahrt ist offen.

Zwischen Bellinzona und Giubiasco müssen alle Züge nach Süden durch und da gibt es nur zwei Geleise. Das bedeutet, es wird eng werden. Wie durch ein Wunder konnte ich Bellinzona aber ohne Probleme passieren. Ich konnte sogar ohne eine Warnung durch den Bahnhof fahren. Das ist selten, aber kommt vor. Meistens ist aber immer ein Signal dabei, das seine Meinung im letzten Augenblick ändert. Hat man schon reagiert, ist der Schwung weg und man muss wieder mit hohen Zugkräften beschleunigen.

Damit nähere ich mich aber auch dem Ende der flachen Strecke. Erneut steht eine Steigung an und die muss sich nicht hinter dem Gotthard verstecken. Die Signale von Giubiasco hintern mich auf jeden Fall auch nicht daran, den Schwung in die anstehende Steigung mitzunehmen. Jetzt sind meine Fähigkeiten gefragt, denn ich muss den richtigen Zeitpunkt finden um die Zugkraft zu erhöhen. Bin ich zu früh, wird der Zug zu schnell. Umgekehrt muss ich in der Steigung wieder beschleunigen.

Es gelang mir nur bedingt. Ich war etwas zu langsam und musste etwas Geschwindigkeit ergänzen. Immer gelingt es nicht, denn die Beladung der einzelnen Wagen spielt hier mit und darüber habe ich keine Angaben. Wobei bei diesem Zug das eigentlich einheitlich sein sollte. Kann auch sein, dass ich schlicht den richtigen Zeitpunkt verpasst habe. Auch bei mir gelingen solche Wechsel nicht immer problemlos, aber das kann passieren und gefährlich war es nicht.

Die Nordrampe des Monte Ceneri stellt bei schönem Wetter keine besondere Herausforderung an den Lokführer und seine Lokomotiven.

Die Steigungen entsprechen dem Gotthard und nur im oberen Bereich wird es etwas flacher, aber das kann leicht korrigiert werden.

Daher kann ich die Aussicht auf die Magadinoebene geniessen und mich auf die Strecke konzentrieren.

Die Zugkraft stimmt und das ist gut so. Bis Rivera-Bironico sollte es keine Probleme mehr geben.

Mein nächstes Ziel ist Rivera-Bironico, damit befinde ich mich wieder gleich hoch, wie in Erstfeld. Nur bin ich nun oben und somit habe ich die Steigung dort geschafft.

Der Tunnel, der mich zum Bahnhof bringt, erscheint in meinem Blickfeld und nun heisst es, von der Magadinoebene Abschied nehmen, denn in wenigen Minuten bin ich in Rivera-Bironico und damit auf der anderen Seite des Monte Ceneri. Man nennt diese Seite Sotto Ceneri.

Ich habe die letzte Steigung mit diesem Zug geschafft. Bis zu meinem Ziel geht es mit einer kleinen kurzen Ausnahme immer bergab. Daher ist es sinnvoll, wenn ich noch einmal kontrolliere, ob meine Bremsen auch wirklich funktionieren. Dazu gehört neben der Druckluftbremse auch die elektrische Bremse. Alles ist gut und ich kann die Talfahrt beginnen. Meine Fahrt dauert nur noch wenige Minuten. In der LEA erkenne ich das Ziel.

Auch jetzt reicht die Kraft der elektrischen Bremse nicht aus, um den Zug auf Geschwindigkeit zu halten. Daher muss ich auch jetzt wieder die Druckluftbremse zu Hilfe nehmen. Da das Gefälle jedoch nicht so gross ist, wie am Gotthard, muss ich andere Werte für die Bremsungen wählen. Kleinere Fehler werden hier jedoch verziehen. Das Valle Vedeggio ist nicht leicht zu fahren und die schönen Aussichten fehlen auch, daher kann man sich auf die Fahrweise konzentrieren.

Bevor ich Taverne-Torricella erreiche, passiere ich den Bahnhof von Mezzovico-Sigirino. Die Kieszüge, die hier entladen werden, machen wir auch von Erstfeld aus. Leichte Arbeit ist das nicht. Die hier stehenden Zementwagen werde ich vermutlich nach der Pause abholen, so dass ich auch heute in den Genuss dieses nicht besonders gelungenen Bahnhofes komme. Doch bis es so weit ist, muss ich abbremsen, denn die Einfahrt von Taverne ist geschlossen.

Kurz bevor ich zum Stehen komme, begegnet mir ein Gegenzug und das Einfahrsignal geht auf Fahrt. Ich hatte eine Kreuzung, denn ich muss jetzt auf die andere Seite des Bahnhofes. Dabei quere ich den Fahrweg des Zuges, der mir begegnet ist. Somit durfte ich noch nicht einfahren. Jetzt ist aber auch die Ausfahrt offen und ich kann durchfahren. Ich nähere mich daher meinem Ziel, denn nur noch ein Signal kann mich vor einer leicht vorzeitigen Ankunft abhalten.

Bei der Ausfahrt aus Taverne-Torricella kommt die kurze Steigung, die aber keine Probleme bereitet. Danach geht es wieder bergab bis in den Bahnhof von Lugano-Vedeggio. Ein paar Weichen auf der Strecke gibt es hier. Die sind nur wichtig, wenn ich nicht nach den Signalen fahren kann. Daher sind sie in den Fahrplänen enthalten. Da ich jetzt aber nach grünen Signalen fahre, stellen sie kein Problem dar und ich kann sie mit der normalen Geschwindigkeit befahren.

Die Einfahrt in Lugano Vedeggio ist mit 40 km/h zugelassen. Die Geschwindigkeit wird jedoch tiefer liegen, denn ich muss mit Fahrt auf Sicht fahren. Das ist wegen dem Gefälle nicht sehr leicht. Ich fahre jedoch hier nicht zum ersten Mal ein, so dass ich genau weiss, wie ich die Bremsen zu bedienen habe.  Die Geschwindigkeit wähle ich bei 20 km/h und die Hand habe ich am Führerbremsventil um schnell reagieren zu können. Nach der Kurve sehe ich aber, dass der Fahrweg frei ist und ich kann etwas entspannter fahren.

Ich habe Lugano-Vedeggio erreicht und halte an der Stelle, wo der Rangierarbeiter steht, an. Weiter werde ich mit dem Zug nicht mehr fahren, so dass ich die Lokomotiven auslöse, den Wendeschalter umlege und mit den Lokomotiven gegen die Wagen drücke. Dadurch kann die Kupplung leichter gelöst werden. Ein Blick auf die Uhr und ich erkenne, ich habe mein Ziel mit 10 Minuten Vorsprung erreicht. Jetzt steht die Pause an, wie lange sie wohl sein wird?

 

Pause mit Gewitter

Der Rangierarbeiter kommt zu mir und teilt mir mit, dass ich über vier Stunden Pause machen kann. Die Leistung nach Sigirino wird nicht mit mir gefahren. Daher muss ich mich erst kurz vor meinem Heimweg wieder bereit machen. Gleichzeitig erfahre ich, dass ich bis zum Profil vorziehen soll. Auch die Zeit, wenn ich nach der Pause fahrbereit sein muss, wird mir mitgeteilt. Ich dürfe dann gleich vorziehen. Das heisst, ich habe soeben eine Fahrerlaubnis bekommen, die erst in vier Stunden gilt.

Wie mir gesagt wurde, ziehe ich mit der Lokomotive bis zum Profil vor. Dort halte ich an und beginne die Remisierung der Lokomotive. Dazu gehören die Kontrollen auf der Lokomotive und im Sommer die Storen, die herunter gezogen werden. Ein Blick an den Himmel lässt mich erkennen, dass über den Hügeln schwarze Wolken aufziehen. Daher beschliesse ich, die Fenster zu schliessen. Gleichzeitig überdenke ich meinen Entscheid.

Eigentlich wollte ich einen Spaziergang nach Agno machen. Dort hätte ich meinen Kaffee getrunken und die Sonne genossen. Aber die bedrohlichen Wolken gefallen mir nicht.

Ich entschliesse mich daher abzuwarten und zu schauen was passiert. In einem Gewitter auf der Strasse zu sein, gefällt mir nicht.

Nicht nur der starke Regen ist unangenehm, sondern auch die Blitze, die überall einschlagen können. Ich kann später immer noch einen Kaffee trinken gehen.

Beim Wechsel auf die andere Lokomotive nehme ich gleich mein Gepäck mit. Dann muss ich das später nicht mehr mitnehmen. Den Weg der Lokomotive entlang nutze ich um nach Schäden zu sehen.

Die Sonne wird mittlerweile bereits durch die Wolken abgedeckt. Das Gewitter kommt schnell näher. Hoffentlich reicht mir die Zeit noch um alle Kontrollen aussen zu erledigen. Zumindest eine Seite ist gut. Schäden waren keine zu sehen.

Ich stelle ich Mappe in den Führerstand und kontrolliere die andere Seite. Ich schliesse aussen wohl besser ab. Ich habe keine Ahnung, wie schnell hier die Gewitter kommen können. Besser ich habe aussen alles erledigt und kann dann im trockenen Führerstand dem Unwetter trotzen. Die Türe lasse ich offen und gehe nun der Lokomotiven entlang. Wiederum kontrolliere ich das Laufwerk auf Schäden, die auf der Fahrt entstanden sein könnten.

Es gibt nichts festzustellen. Die Wolken verdunkeln den Tag immer mehr und es ist gespenstisch ruhig geworden. Die Vögel haben aufgehört zu zwitschern. Ein tiefes Donnergrollen ist nur zu hören. Blitze konnte ich noch keine feststellen, aber die muss es gegeben haben, denn sonst gäbe es ja kein Donnergrollen. Der Wind frischt kräftig auf und ich entschliesse mich ein Dach über dem Kopf zu suchen. Das Nächste ist der Führerstand.

Den Weg zurück zum Führerstand mit der Mappe ist schnell zurückgelegt. Ich muss ja nichts ansehen und kann so zügig zurückgehen. Ich steige in die Lokomotive und schliesse die Türe hinter mir. Die Mappe stelle ich auf den Heizerstuhl und dann beginne ich mit den nötigen Kontrollen in der Lokomotive. Im Maschinenraum ist es recht heiss und ich gerate neben dem Transformator mit 60°C ins Schwitzen. Die Kühlung wird vermutlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Im zweiten Führerstand ist der Schrank mit den Relais. Gerade als ich die Türe öffne erkenne ich einen hellen Blitz draussen. Der Donner lässt nicht lange auf sich warten. Das Gewitter ist scheinbar in der Nähe und gleich wird es mit dem Regen losgehen. Im Schrank ist alles in Ordnung und ich kann ihn schliessen. Die Kontrollen sind abgeschlossen und so kann ich wieder in den Führerstand mit der Mappe gehen.

Auf dem Dach über dem Maschinenraum ist das Geräusch von schweren Tropfen, die darauf fallen, zu hören. Aha, der Regen hat mich erreicht. Damit vermutlich auch das Gewitter. Draussen ist es stockfinster geworden und es ist fast Nacht über dem Bahnhof von Lugano-Vedeggio. Aus dem Fenster kann ich erkennen, dass es draussen nass geworden ist. Ich habe wohl eine gute Entscheidung getroffen, als ich mich entschloss zuerst die Aussenkontrolle abzuschliessen.

Im Führerstand sehe ich, wie etwa 100 Meter vor der Lokomotive ein Blitz ins Gleisfeld einschlägt und gleichzeitig höre ich den Knall. Etwas zusammengefahren bin ich schon, denn so plötzlich ist man sich das nicht gefasst. Hier auf der Lokomotive bin ich sicher und es kann mir nichts passieren. Auch nicht, wenn der Blitz die Lokomotive treffen sollte. Der Kasten ist aus Metall und gilt somit als faradaysches Käfig.

Das bedeutet, die hohe Elektrizität des Blitzes wird aussen gegen die Erde abgeleitet. Im Führerstand entsteht keine Spannung, die gefährlich sein könnte. Nur, die Rangierarbeiter, die nun ihre Arbeit unter solchen Bedingungen erledigen müssen, beneide ich keineswegs. Ich hatte eine ähnliche Situation schon einmal in Chiasso erlebt, es ist nicht schön, wenn der Rangierarbeiter vor Streck vor dem Zug steht, den man führt.

Gut, auch die Lokomotiven hatten damals ein Problem, so dass ich durch eine Zwangsbremsung angehalten wurde. Etwas Glück fährt somit immer mit. Heute stehe ich und die Lokomotiven sind ausgeschaltet. Zumindest diese Gefahr besteht heute nicht. Die Einschläge auf den Dach werden immer heftiger und ein Blick nach draussen verrät mir, dass es begonnen hat zu hageln. Das Gewitter wartet mit allem auf, was es zu bieten hat.

Es dauerte lange, bis sich das Unwetter wieder verzogen hat. Die Wolken schienen hier regelrecht liegen zu bleiben. Auf jeden Fall gab es einige Blitze zu sehen. Zum Glück schlug keiner mehr ins Gleisfeld. Aber der starke Regen und der Hagel haben dem Gras neben den Geleisen stark zugesetzt. Geknickte Halme kann ich sogar aus dem Führerstand erkennen. Es wird wohl besser sein, wenn ich die Führerstände der Lokomotiven kontrolliere.

Man weiss nie, plötzlich gab es einen Wassereinbruch. Zudem kann ich nun die Fenster öffnen und so die Wärme aus den Führerständen entweichen lassen. Diese hat sich jetzt natürlich gestaut. Draussen ist es kühler geworden, so dass es sicher gut ist, wenn ich die Fenster öffne und so etwas kühle Luft einströmen lasse. Einen Moment muss ich noch warten, denn es regnet immer noch leicht und ich will jetzt nicht noch den Schirm aus der Mappe nehmen.

Endlich kann ich die Kontrolle machen und die Führerstände lüften. Für die zweite Lokomotive muss ich nach draussen gehen. Es regnet fast nicht mehr, so dass ich beruhigt aus dem Führerstand gehen kann. Draussen ist es angenehm kühl geworden und überall steigt Dampf auf, denn der Regen hat das heisse Gleisfeld getroffen und dieses so stark abgekühlt, die heissen Steine lassen nun das Wasser verdampfen. Es ist die typische Szene nach einem Gewitter.

Als ich um den Führerstand herum komme, sehe ich einen völlig durchnässten Vogel unter einem Scheinwerfer stehen. Der hat unter dem kleinen Vorsprung Schutz gesucht. Nur, war dieser nicht gross genug, so dass der Vogel völlig durchnässt auf dem Blech steht. Er versucht nicht einmal davon zu fliegen, als ich mich ihm nähere. Ich lasse ihn in Ruhe, er soll sich dort vom Schrecken erholen und sein Gefieder wieder etwas trocknen. Danach kann er wieder weiterfliegen.

So, alle Fenster sind geöffnet und die frische Luft kann eindringen. Ich warte einen Moment ausserhalb der Lokomotive und denke nach, wo ich noch einen Kaffee trinken gehen soll. Ich weiss nicht genau, wie lange ich dafür benötigten werde. Um nach Agno zu kommen, reicht die Zeit nicht mehr. Daher entscheide ich mich, an einem anderen Ort etwas trinken zugehen. Nur, muss ich noch etwas warten, man weiss nie, ob noch ein Gewitter kommt und es dann in den Führerstand regnet.

Eine halbe Stunde später schliesse ich die Fenster wieder. Einen kleinen Spalt lasse ich offen, so dass die Luft zirkulieren kann. Die Sonne scheint auch wieder. Daher schliesse ich die Storen um das Metall nicht aufzuheizen. Es wird so schon recht warm werden. Ich hoffe nur, dass zumindest auf dem Heimweg die Klimaanlage funktioniert. Danach kann ich auf den Spaziergang gehen. Leider ist von meiner Pause schon die Hälfte durch.

Besser auf etwas Pause verzichten und dafür gesund geblieben. Ein Blitz trifft nur einmal und dann könnte es schlimmste Verletzungen geben. Jetzt ist aber alles vorbei und ich kann mich auf den Spaziergang machen. Irgendwo wird es sicher einen Kaffee geben. Die Wege kenne ich nicht so gut, so dass ich mir den Weg suchen muss, aber ich habe ja immer noch zwei Stunden Zeit, bis ich wieder bereit sein muss.

Um es kurz zu machen, ich fand einen Kaffee und konnte noch etwas sitzen bleiben. Jetzt bin ich wieder auf dem Weg zurück zur Lokomotive. Mein Handy klingelt. Es ist die Einteilung, die sich erkundigt, ob ich einen Moment Zeit habe. Es geht um eine Tour in drei Tagen, die geändert wurde. Ich muss etwas eher beginnen und habe dafür etwas später Feierabend. Da es nur wenige Minuten sind, stimme ich zu. Arbeitszeit kann man immer gebrauchen.

Den Weg zur Lokomotive habe ich mir gut eingeprägt. Mit der Zeit habe ich mich etwas verschätzt, denn ich habe noch 20 Minuten Zeit, bis ich mich bereit machen muss. Nun, da ich eigentlich am Arbeiten bin, beginne ich damit, die Lokomotiven wieder fahrbereit zu machen. Der Heimweg steht endlich an und die endlose Pause neigt sich dem Ende zu. Zum Glück sind solche Pausen selten geworden und meistens können wir eher zurück fahren. Aber nun muss ich die Lokomotiven bereit machen.

 

Die Heimfahrt

Da ich die Lokomotiven selber abgestellt habe, kann ich einige Arbeiten beschleunigen. So muss ich die äusserliche Kontrolle nicht mehr machen, da während dem Stilllager wohl kaum etwas defekt gegangen sein kann. Bei sehr kurzen Pausen nutzen wir solche Möglichkeiten, damit der nächste Zug trotzdem noch pünktlich fahren kann. Diesmal war das natürlich nicht nötig, aber ich habe die gleichen Lokomotiven für den Heimweg. Es gibt in diesem Bahnhof keine geeigneten Lokomotiven mehr.

In der Zwischenzeit hat nur die Diesellokomotive, die hier die Rangierarbeiten übernimmt, den Bahnhof verlassen und kehrt soeben wieder zurück. Die Wagen für meinen Zug werden nun zusammengestellt. Neben den Wagen, die ich gebracht habe, gehören hier auch die Wagen der umliegenden Firmen dazu. So wird der Zug wohl etwas länger werden, als jenen, den ich hier abgeliefert habe. Natürlich sind die Container auf dem gebrachten Zug mittlerweile entleert worden.

Ein Blick zu den Wagen, die heute Morgen noch in Erstfeld standen, lässt mich erkennen, die Lastwagen haben die Ladung entleert und man kann die Wagen wieder mitnehmen. Noch ist die Diesellokomotive nicht bereit. Ich kann die Wagen nicht holen, da sie in einem Gleis ohne Fahrleitung stehen. So bin ich auf die Diesellokomotive angewiesen. Das macht die Eisenbahn natürlich etwas kompliziert, aber der Umwelt zuliebe sollten wir nicht mit Diesellokomotiven über den Gotthard fahren.

Mittlerweile bin ich mit meinen Lokomotiven auch wieder bereit. Ich wurde informiert, dass ich zu einer bestimmten Zeit vorfahren kann. Gilt das noch? Gut, ich muss noch warten, denn die Zeit ist noch nicht erreicht. Ein Rangierarbeiter nimmt mir die Entscheidung ab, in weiter Ferne winkt er, ich darf vorziehen. Wir dürfen ohne eine Erlaubnis keine Lokomotive bewegen und warten daher brav, bis uns das gesagt wird. Kurz ausgedrückt, wir benötigen einen Fahrbefehl um mit der Lokomotive fahren zu dürfen.

Schön, dass wir angeblich keine Befehlsempfänger sind, aber so ist es nun mal. Mir wird gesagt, wann ich fahren darf, ich darf nicht einfach aus Spass losfahren. Auch sonst haben wir wenige Freiheiten, die wir befolgen können. Alles wird reglementiert um möglichst sicher mit der Eisenbahn zu fahren. Wenn man den Beruf so lange macht, wie ich, gewöhnt man sich daran. Auch daran, dass genaustens beschrieben ist, wie ich eine Lokomotive in Betrieb nehme und wann ich die Jacke aufzuhängen habe.

Ich kann losfahren. Sicher existiert irgendwo eine Weisung, wie ich das genau machen muss. Ich weiss aber, dass ohne Wendeschalter und gelöster Bremse nicht viel geht. Warum das so ist, verrate ich nicht, denn es soll ein Berufsgeheimnis bleiben. Ach, Sie kennen den Grund, dann schweigen Sie bitte, sonst wird auch das noch ein einer Anweisung niedergeschrieben. Stellen Sie sich vor, ich würde nur die vorhandenen Anweisungen aufschreiben.

Rollprobe nach Abfahrt und die Bremsprobe auf Wirkung würden dann wohl so aussehen: 20001212.13 folgt 20001217.38. Ach, wenn Sie in den Vorschriften nachschlagen, keine Angst, Sie werden etwas finden, ich habe einfach ein paar Ziffern getippt. Für einen Roboter sind solche Zahlen sicherlich wichtig, aber für einen Menschen? Menschen machen Fehler, da helfen auch Nummern nicht. Motivierte Leute machen jedoch weniger Fehler, was solche Regeln überflüssig macht. Nur, motivierte Mitarbeiter sind heute nicht mehr gewünscht.

Meine Lokomotive rollt und die Bremsen funktionieren. Ich kann an meinen Zielpunkt fahren. Moment, ich muss zuerst die richtige Nummer nachschlagen. Ist es nun 20007799.13 oder 20007798.14? Egal ich halte vor dem Profil der ersten Weiche an. Ich müsste gemäss diesen Weisungen sicherlich nicht dort halten, aber Ärger mit den Rangierarbeitern will ich auch nicht. Zum Glück steht die erste Weiche nicht für mich, dann habe ich zumindest nicht gegen eine Weisung verstossen.

Ach Sie glauben nicht, dass ich nicht weiss, wie weit ich hätte fahren müssen. Die Fahrerlaubnis gilt bis zum Ziel der Rangierfahrt. Das ist dort, wo ich halten muss, um vor meine Wagen zu kommen. Die Weiterfahrt könnten mir nur Rangiersignale oder Zwergsignal unterbieten. Falsch gestellte Weichen gehören dabei aus sonderbaren Gründen nicht dazu. Mag sein, weil gestellte Weichen auch nicht gelten würden.

Neben mir werden immer mehr Wagen aufgereiht. Der Zug könnte wirklich eine ansprechende Länge erhalten. Wobei viele Wagen werden es nicht mehr sein, denn die Diesellokomotive hat gerade die Wagen abgeholt, die ich gebracht habe. Diese müssen bei meinem Zug an der Spitze eingereiht werden. Der Grund ist einfach, die Wagen dahinter werden vorher abgehängt. Das geht nur, wenn sie am Schluss sind. Man macht es nicht unnötig kompliziert.

Es klopft an meiner Lokomotive. Aha, die Papiere werden mir gebracht. Diese bestehen bei diesem Zug nur aus der Belastung. Moment, der Arbeiter streckt mir ein zweites Dokument entgegen. Ich nehme auch das an. Aha, ich erhalte ein Sammelformular. Was steht da? Langsamfahrt zwischen Rodi und Ambri. Der Grund sind Gleisverwerfungen. Aha, die Sonne hat gewonnen, die Schienen sind verbogen. 30 km/h sind dort nur noch zugelassen. Ich habe dieses Formular korrekt separat erhalten.

Ein Blick auf die Belastungsanzeige verrät mir, ich habe nun 1‘085 Tonnen am Haken. Der Zug ist mit etwas über 600 Meter auch sehr lange und benötigt daher sehr viel Platz im Gleis. Die Diesellokomotive verlässt nun das Gleis und ein Rangierarbeiter winkt mir. Ich kann über die Weiche vorziehen. Bei Handweichen geht es nur so, denn kein Signal gibt mir die Information. Solche Bahnhöfe sind selten und meistens arbeiten wir mit Zwergsignalen.

Nach der Weiche kann ich wieder anhalten. Der Rangierarbeiter steigt hinten auf die Lokomotive und gibt mir die Befehle zum Rückwärtsfahren. Auch diese Signale sind selten geworden. Normalerweise wird ein Funk abgegeben und man arbeitet so. Trotzdem muss ich die optischen Signale auch kennen. So einfache Manöver werden oft so erledigt. Ich weiss, wo die Wagen stehen und so kann ich meine Fahrt anpassen. Weit ist es auf jeden Fall nicht mehr.

Als ich angefahren bin, bemerke ich den Luftverlust in der Bremsleitung. Das ist normal, denn nun sind die Wagen angekuppelt worden und die waren ja gebremst. Ich verbringe das Bremsventil in die Füllstellung. So werden die Apparate im Zug richtig gefüllt. Es dauert etwas, bis sich der Hochdruckfüllstoss abbaut und eine Niederdrucküberladung entsteht. Trotz dem Fachchinesisch, eine andere Lokomotive hätte nun Probleme den Zug zu lösen.

Der Visiteur meldet sich bei mir. Wenn ich bereit bin, könne ich die Bremsen der Wagen anziehen. Nun, das muss ich zuerst überprüfen. Die Niederdrucküberladung ist zwar mittlerweile abgebaut, aber das heisst nicht, dass die Bremsen auch wirklich bereit sind. Herausfinden kann ich das mit der Abschlussstellung. Somit verbringe ich das Ventil in diese Stellung und kontrolliere die Hauptleitung. Der Druck darin scheint sich nicht zu senken.

Damit ist alles bereit und ich kann die Bremsen anziehen. Der Visiteur geht nun dem Zug entlang und kontrolliert die Wagen und die Bremsen des Zuges. In dieser Zeit kann ich die Daten für die Sicherungssysteme eingeben. Die Zugreihe ist D und als Bremsverhältnis ist 85 angegeben. Die Höchstgeschwindigkeit des Zuges beträgt 100 km/h. Damit ist eine normale Fahrt möglich. Nur wenige Stellen werden mich einschränken. Auch meine persönlichen Notizen kann ich nun nachführen.

Von der Seite schreit ein Rangierarbeiter, dass ich wieder lösen kann. Der Visiteur hat keinen direkten Kontakt zur Lokomotive und 600 Meter kann ich nicht überblicken. Egal, ich löse die Bremsen des Zuges. Erneut verwende ich dazu einen Hochdruckfüllstoss. Das wird wohl das letzte Mal sein, denn die Erfahrung hat mich gelehrt, dass man diesen nicht unbedingt auf der Fahrt anwenden sollte, denn dann entstehen Störungen, die man nicht will. Schliesslich will ich nach Hause, denn der Tag ist lange genug.

Nun kann ich die Kupplung zwischen der Lokomotive und dem ersten Wagen kontrollieren. Das müssen wir machen, auch wenn wir immer öfters selber anhängen. Fehler hier, könnten mein Leben gefährden und so kontrolliere ich auch mich immer wieder. Lieber ein Blick zu viel, als einer zu wenig. In der Ferne sehe ich den Visiteur auf dem Weg zu meiner Lokomotive. Ein paar Minuten wird er noch benötigen, bis er die Spitze des Zuges erreicht hat.

Ich begebe mich wieder in den Führerstand, wo ich warte. Meine Arbeiten sind getan und eigentlich fehlt nur noch die Meldung, dass die Bremsen in Ordnung sind, aber das dauert noch ein paar Minuten. So kann ich mich auf die Fahrt vorbereiten. Wo erwarte ich Probleme, wo werde ich welche Handlung vornehmen müssen. So vorbereitet wird die Fahrt angenehmer. Probleme erwarte ich eigentlich nur in Giubiasco. Wobei Probleme sind es nicht, es ist eine regelmässige Sache, die immer wieder passiert.

Man solle sich auf die Fahrt vorbereiten. Das wurde an der Schulung vermittelt und daher bereite ich mich darauf vor, dass irgendwann das Signal vor mir grün werden wird.

Klingt einfach, aber ich muss bei der Abfahrt mehrere Punkte beachten. Diese lasse ich mir durch den Kopf gehen. Zwergsignale gibt es hier keine, also kann ich die üblichen Schritte gar nicht einhalten.

Darf ich nun abfahren? Eigentlich nicht, denn die Sequenz wird abgebrochen und muss neu begonnen werden. Mich erwartet eine Endlosschleife.

Die Meldung, dass die Bremsen gut seien, erfolgt mündlich. Ich bestätige die Meldung und teile dem Rangierarbeiter mit, dass ich fahrbereit bin.

Die Fahrt kann losgehen und das wird vermutlich sehr schnell der Fall sein, denn hier geschieht vieles noch per Hand.

Das ist selten, aber auch Bahnhöfe mit Handweichen sind selten geworden. Lugano-Vedeggio ist ein solcher und dort bin ich gerade. Vorgefertigte Prozesse können hier abweichen oder können gar nicht eingehalten werden.

Vor mir wird das Signal grün. Ich kann meine Fahrt beginnen. Die Weichen vor mir sind richtig gestellt ich kann losfahren. Mit einem Handzeichen verabschiede ich mich von den Arbeitern. Interessanterweise ist das Handzeichen in der Weisung nicht vorhanden. Ich verlasse Lugano-Vedeggio. Ziel meiner Fahrt ist Erstfeld. Eigentlich müsste ich mir das nun laut sagen. Nur, was bringt das, wenn ich erst in etwas mehr als zwei Stunden anhalte? Nicht viel, denn bis dann dauert es lange und viel wird passieren.

Ich schalte die ersten Fahrstufen langsam zu. Ein Güterzug muss man zuerst strecken, bevor man die hohen Zugkräfte aufbauen kann. Macht man das nicht korrekt, riskiert man, dass eine Kupplung reisst. Gerade bei schweren Zügen ist das wichtig. Diese Zeit nehme ich mir, denn ich bin so letztlich schneller und habe weniger Ärger. Die Lokomotive bewegt sich und die ersten Wagen folgen ihr willig. Eine Stufe mehr und ein paar weitere folgen dem Beispiel. So fährt man los und nicht anders.

Im Rückspiegel erkenne ich, wie mir die Wagen über die Weichenverbindungen folgen. Langsam verlässt der Zug den Bahnhof und strebt einem fernen Ziel entgegen. Für den Zug ist das der Rangierbahnhof Limmattal, für mich Erstfeld. Besonderheiten am Zug kann ich keine feststellen und daher beschleunige ich weiter um die Geschwindigkeit zu erhöhen. 40 km/h sind erlaubt und die will ich erreichen, bevor ich dazu die hohen Zugkräfte benötige.

Wir sollen Energie sparen. Das versuchen wir natürlich. Im flachen Abschnitt benötige ich weniger Zugkraft, als in der Steigung. Das wirkt sich direkt auf den Energieverbrauch aus. Ich muss dann noch genug Geschwindigkeit in der Steigung gewinnen. Nur, bis das erfolgt dauert es, denn ein langer Zug benötig viel Zeit, bis er die Einschränkungen passiert hat. Auch jetzt berechne ich die Zeit, die ich benötige, bis der letzte Wagen die letzte Weiche passiert hat.

Lokführer rechnen noch viel im Kopf aus, denn mit den älteren Lokomotiven habe ich keine Wegmessung, die mich davon entlastet. Das gehört zum Beruf und ich nehme meine Arbeit ernst. Ein paar Sekunden später werde ich dann schneller werden, doch nun sind die 40 km/h ausreichend. Meinen Berechnungen gebe ich noch ein paar Sekunden zu, um wirklich sicher zu sein. Anhand der Kilometrierung kontrolliere ich meine Berechnung. Sie stimmt!

Natürlich hätte ich es mir auch einfacher machen können. Ich bin jedoch ein Lokführer der alten Schule und damals wurde uns vermittelt, dass wir die Zeiten im Kopf berechnen. Was man gelernt hat, gibt man nicht so schnell auf. Zudem ist es eine gute Gelegenheit um geistig fit zu bleiben. Ich leiste nun mal meine Arbeit im Kopf, denn körperlich erledige ich nicht viel. Leider wird die geistige Arbeit immer weniger gewürdigt, auch wenn die mitunter sehr anstrengend sein kann.

Es ist soweit, ich kann auf die erlaubten 60 km/h beschleunigen. Dazu benötige ich nun wesentlich höhere Zugkräfte, aber wegen der Steigung habe ich keine andere Wahl. Eigentlich müsste ich nun eine Bremsprobe auf Wirkung ausführen. Nur, in der der Steigung bringt das nicht viel. Ein Problem, das ich noch lösen muss, denn ich sollte mich vor dem Gefälle am Ceneri wirklich davon noch überzeugen. Die einzige Möglichkeit ist der nächste Bahnhof.

Es dauert nicht lange und ich muss die Geschwindigkeit reduzieren. Die Weichen von Taverne-Torricella dürfen nur mit 50 km/h befahren werden. Das steht so im Fahrplan. Doch ich muss noch mehr reduzieren, denn die Ausfahrt ist geschlossen. Ich kann nun meine Bremsen auf die Wirkung prüfen. Immer eine heikle Sache, wenn man das auf ein rotes Signal hin tun muss. Es gelingt jedoch und ich komme vor dem roten Ausfahrsignal zum Stehen.

Eigentlich sollte ich jetzt weiter fahren, aber das CER in Bellinzona sieht das anders. Man hat wohl Angst, dass ich die S-Bahn behindern könnte. So warte ich drei Minuten, bis diese endlich losfährt. Damit hat sich eine Frage bereits jetzt geklärt, denn pünktlich werde ich in Erstfeld nicht mehr ankommen. Etwas genervt ist man in solchen Situationen schon, denn ich kam pünktlich an und die Infrastruktur hat einfach beschlossen, dass SBB Cargo wieder warten muss.

Hinter der S-Bahn kann ich meine Fahrweise etwas gemütlicher gestalten. In erster Linie bremst mich die S-Bahn ein. Andererseits, weiss ich nun, dass ich in Giubiasco einen erneuten Halt einlegen werde. Diese S-Bahn verkehrt knapp vor dem Interregio nach Bellinzona. Der folgt ihr dann und ich werde warten müssen. Eigentlich hätte ich vor dem IR in Erstfeld ankommen sollen. Das ist jetzt unmöglich, denn Platz finde ich nun keinen mehr. So entstehen die Verspätungen.

Ich könnte es ja verstehen, wenn es eine Ausnahme wäre, aber diese durch die Infrastruktur verursachte Verspätung ist bei dem Zug üblich. Reklamationen bringen da wenig, denn der Fahrdienstleiter hat schliesslich rechtzeitig Feierabend. Was kümmert ihn dann ein Lokführer? Genau, nichts. Bestraft werde ich, der wieder einmal zu spät nach Hause kommt. Dass da den Lokführern die Frauen davon laufen, kann ich zu gut verstehen.

Wie ich vermutet habe, das Signal vor mir geht auf Fahrt. Pressant mit der Beschleunigung habe ich es nicht mehr. So dauert es seine Zeit, bis ich letztlich auch fahre. Der Funk meldet sich. Warum ich denn nicht fahre. Warum wohl, ich habe es nicht mehr eilig, denn pünktlich wird der Zug nie mehr werden. Aha, das CER ist anderer Meinung. Ich kann da nur lachen, denn ich bin so oft angelogen worden, dass ich nichts mehr glaube. Besonders im Tessin ist das traurige Realität.

Ich gebe etwas mehr Zugkraft, schliesslich will ich keinen Ärger. Zwei Signale später bremse ich wieder. Warum wohl, ich bin der S-Bahn aufgelaufen und habe Warnung erwischt. Erneut meldet sich der Funk. Warum ich denn nicht zufahre. Am liebsten hätte ich am Kabel gezogen und den Vollidioten in den Führerstand gezerrt. Eine andere Wahl hatte ich doch nicht. Aber egal, jetzt bin ich der Idiot, der wohl bestraft werden wird.

Zu dumm ist nur, dass ich mit dem AZG im Clinch stehe. Ich kann es auf mich zulassen kommen. Der Zug bleibt dann schon an der richtigen Stelle stehen, weil der Lokführer etwas von AZG labert. Eine Aufforderung, weiter zu fahren, sehen pingelige Leute als Nötigung. Das ist strafbar, also lasst uns in Ruhe unsere Arbeit tun und spielt gefälligst zu Hause mit der Modellbahn. Langsam bin ich genervt, er macht den Fehler und ich bin dann noch Schuld.

Es kam, wie es kommen musste, ich war so nah an der S-Bahn, dass ich mit einer Vollbremsung auf Giubiasco bremsen musste. Das machte ich, weil die Einfahrt geschlossen war. Jetzt spielt alles keine Rolle mehr. Der Fahrdienstleiter meldet sich erneut. Ob der wohl heute all seine Dummheit mitgenommen hat? Aha, Giubiasco ist offen. Wenn der meint, dass mich das interessiert, hat er sich geirrt, denn ich habe meine Vorschriften. Antwort kriegt er nicht mehr. Von mir aus kann er so oft nachfragen, wie er will.

Natürlich ist die Ausfahrt auch zu. Überrascht bin ich nicht, denn in die drei Minuten Lücke passt nun unmöglich ein Güterzug. So warte ich in Giubiasco, bis der Interregio aus Locarno an mir vorbei fährt. Das war es nun definitiv mit dem pünktlichen Feierabend. Ich folge nun dem Interregio bis nach Erstfeld. Bemerken werde ich von ihm jeden Halt. Güterzüge sind schnell, aber das wissen scheinbar nur wir Lokführer.

Langsam muss ich rechnen, denn es könnte mit dem AZG eng werden. Besonders dann, wenn die Infrastruktur bestimmt, dass der ICN mich auch noch überholt. Dann wird es mit Erstfeld eng, sehr eng sogar. Nur, jetzt folge ich dem Interregio und gestalte meine Fahrt so, dass ich nicht Distanz erhalte. Volle Geschwindigkeit erreiche ich dabei nicht mehr, aber was soll ich machen, denn ich muss ausbaden, was andere verbockt haben.

Gemütlich ging es durch Bellinzona. Warum wohl, weil die Signale mir das vorgegeben haben. Die Fahrt geht so weiter und ich muss nicht mit den grossen Zugkräften beschleunigen.

Der Fahrdienstleiter hat sich nicht mehr gemeldet. Scheinbar hat er sich ein neues Opfer gesucht oder ein erfahrener Kollege hat ihm erklärt, dass er sich besser nicht mit Lokführern anlegt. Wenn es um so Punkte, wie AZG geht, können wir sehr stur sein.

Klar, das ist klein kariert, aber in der Gefängniszelle hat der Lokführer dann genug Zeit um zu überlegen, was er falsch gemacht hat. Mit etwas mehr Glück überlebt er den Unfall nicht und muss sich keine Sorgen machen, die Witwe kann dann für den Fehler büssen.

Der Fahrdienstleiter weiss natürlich von nichts. Daher sind wir stur, denn es geht um unser Leben und um nichts anderes. Wir werden entsprechend geschult und daher halten wir uns an Gesetze, auch wenn das andere nicht so sehen. Zuerst verstösst man gegen das AZG, dann gegen das Strafgesetzbuch, so entstehen kriminelle Leute.

Biasca nähert sich und erneut kann ich abbremsen. Klar, ich habe den IR wieder eingeholt. Das wird sich noch ein paar mal wiederholen, denn so schnell ist der IR auch wieder nicht. Ich werde ihn immer spüren. Zumindest bis Airolo, denn nachher bin ich nicht mehr so schnell. Die Zugreihe bremst mich im Tunnel und das Gewicht auf der Talfahrt. Aber den Berg hoch, bin ich nahezu gleich schnell. Ich muss nicht unnötig halten.

Als ich mich dem Einfahrsignal nähere, steht die Einfahrt offen, aber die Ausfahrt noch nicht. Ich warte noch einen Moment mit der Beschleunigung, denn oft komme ich so schneller vorwärts. So ist es, auch das Ausfahrsignal zeigt freie Fahrt, ich kann wieder auf die normale Geschwindigkeit beschleunigen. Diese beträgt wegen der Kurve auf der Seite der Ausfahrt nur 75 km/h. Naher darf ich wegen der Zugreihe auch nicht viel schneller fahren.

Die Einfahrt von Bodio ist eine Herausforderung für sich. Zuerst steigt es mit 27‰ an. Über dem Basistunnel ändert sich das schlagartig, denn nun sinkt die Strecke wieder mit dem gleichen Wert. Besonders bei schweren Zügen kann hier zu viel Zugkraft bedeuten, dass eine Kupplung reisst. Dann hat man nichts gewonnen, so lasse ich den Zug rollen, als ich mich dem höchsten Punkt nähere. So bleiben die Kräfte im Zug ausgeglichen.

Wenn das Einfahrsignal von Bodio zu ist, wird es ungemein schwerer. Zuerst bremst man, der Zug verzögert in der Steigung um dann im Gefälle wieder an Schwung zu gewinnen. Genau in dem Moment nähert man sich den Einfahrsignal und muss wieder kräftig bremsen. Ich kenne das, denn schon oft habe ich dieses Erlebnis mitgemacht um dann nach dem Halt ein grünes Signal anzusehen. Heute aber kann ich durchrollen.

Die Steigung beginnt und ich muss die Zugkraft erhöhen. Jetzt wird sich zeigen, wie gut die Angaben stimmen, denn mit der Erfahrung weiss man, was für eine Zugkraft benötigt wird um 1‘085 Tonnen in der Beharrung zu halten. Die eingestellten Werte stimmen recht gut und der Zug behält seine Geschwindigkeit, ich kann die Steigung beruhigt in Angriff nehmen. Noch wird es eine Weile dauern, bis ich Airolo erreiche.

Kurz vor der Gemeinde Giornico dreht die Strecke nach links ab. Hier quert die Gotthardstrecke die Talseite. Die Kurve kann ich ganz gut dazu benutzen um nachzusehen, ob meine Wagen den Lokomotiven willig folgen. Gleichzeitig wird die Strecke nun steiler, so dass ich die Zugkraft neu einstellen muss. Auch das ist längst zur Routine geworden und am Ton der Fahrmotoren weiss ich, es stimmt immer noch mit der Geschwindigkeit.

Auch der Blick nach hinten, hat keine besonderen Punkte gezeigt, ich konnte die Wagen gut erkennen. Weder lose Teile, noch feste Bremsen konnte ich erkennen. Die weitere Bergfahrt kann ich so beruhigt in Angriff nehmen. Noch steigt die Strecke mit 27‰ an. Enden wird diese Steigung erst bei der alten Station Giornico. Heute ist es einfach noch ein flacher Abschnitt, der sich vor den Kehrtunnel befindet.

Nachdem ich die beiden ersten Kehrtunnel der Rückfahrt passiert habe, fahre ich ein zweites Mail unter der Autobahnbrücke hindurch. Ich nähere mich Lavorgo und stelle dabei fest, dass die Signale grün sind. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich es nicht zu schnell angehen lassen sollte, denn wenn ich so zufahre, bremse ich bei der Einfahrt von Faido, denn dort hält der Interregio an. Gute Kenntnisse des Fahrplans erleichtern oft die Arbeit.

Ich richtete die Geschwindigkeit gut ein, denn in Faido konnte ich durchfahren. Nur so gut war es auch wieder nicht, denn das Blocksignal zeigt Warnung. Ich kann die Zugkraft abschalten und die Zugsicherung quittieren. Ich habe den Interregio eingeholt. Der Zug verzögert auf Grund der Schwerkraft und das Hauptsignal ist gut zu erkennen. Es ist grün und ich kann wieder beschleunigen. Was nicht so leicht ist, denn ich habe doch ein stattliches Gewicht am Haken. Der Funk meldet sich wieder. Was habe ich nun wieder falsch gemacht? Aha, ja das Sammelformular habe ich.

So verliere ich etwas Zeit. Langsam nähere ich mich der reduzierten Stelle und ich kann mich dem besagten Sammelformular annehmen. 30 km/h ist eine langsame Geschwindigkeit und der Grund ist das warme Wetter. Scheinbar eine Gleisverwerfung. Zumindest vermute ich das mit meinen Kenntnissen der italienischen Sprache. Wichtig ist, dass die Langsamfahrsignale aufgestellt wurden. So muss man nicht lange suchen.

Da auch der Interregio die Stelle nicht schneller passieren darf, ist das passiert, was passiert, wenn vorne langsam gefahren wird, ich habe wieder einmal eine Warnung zum Quittieren. Es ist das Ausfahrsignal des Bahnhofes Rodi-Fiesso. Weit gekommen ist der Interregio auch wieder nicht. Jetzt muss ich aber aufpassen, wie schnell ich mich nähere, denn der Bahnhof ist eben und der Zug verzögert nicht mehr so stark.

Das Ausfahrsignal hat seine Farbe geändert. Ich kann wieder beschleunigen und so auch noch die letzte Steigung bis zur Hochebene meistern. Dann wird es flach. Hier können sich die Fahrmotoren von der Arbeit erholen, bevor es dann an den letzten Abschnitt der Steigung geht. Bei schweren Züge und schlechtem Wetter kann man hier wieder Schwung holen. Heute ist es schön und heiss, auch wenn die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist und ich im Schatten fahre.

Die Langsamfahrstelle erscheint in meinem Blickfeld. Ich muss den Zug verzögern, denn ich weiss nicht genau, wie weit das Signal vor der Langsamfahrstelle steht. Eigentlich sollte es im Abstand des Bremsweges stehen, aber oft verschätzt sich der Mitarbeiter und dann wird es kurz. Diesmal ist es umgekehrt, es ist lang gesteckt worden und ich fahre schon länger mit 30 km/h. Die Verwerfung ist gut zu erkennen und zeigt wieder, wie viel Kraft die Natur hat.

Es dauerte ewig, bis der letzte Wagen die Stelle ebenfalls passiert hat. So kann ich erst normal weiterfahren, wenn auch der letzte Wagen die Stelle passiert hat. In Ambri schalte ich die Fensterheizung ein, denn ich nähere mich dem Gotthardtunnel. Die feuchte Luft im Tunnel lässt sonst die Scheiben beschlagen. Das gehört auch zu den Kenntnissen der Strecke. Bergauf kann jeder Fahren, aber wenn er oben ist, muss er durch den Tunnel und wieder hinunter und das ist schwer.

Nach dem Bahnhof von Ambri kontrolliere ich den Zug auf beiden Seiten. Hier gibt es die besten Möglichkeiten dazu. Ich kontrolliere, ob es keine losen Teile gibt, ob nichts raucht, denn wenn etwas davon zutrifft, sollte ich nicht in den Gotthardtunnel fahren. Aber die Kontrollen ergeben keine besonderen Vorkommnisse. Ich kann die Fahrt ungehindert fortsetzen, denn auch der Interregio sollte nun genug Abstand haben.

Airolo kündigt sich an und wie ich vermutet habe, kann ich ungehindert zufahren. Die Steigung ist geschafft. Nach dem Bahnhof wird es dann dunkel werden und das für ein paar Minuten. Ich verlasse somit das Tessin für den heutigen Tag. Im Tunnel werde ich dann die Sprachgrenze überqueren und somit wieder mit meiner Muttersprache funken können. Doch noch ist es nicht soweit und die Dunkelheit hat mich.

15‘003 Meter lang soll er sein, der Tunnel, den ich nun befahre. Einst war er der längste Tunnel der Welt, und immer noch ist es ein Meisterwerk der Baukunst. 15 Kilometer gerade Strecke. Das ist der längste gerade Abschnitt auf der ganzen Strecke. Die Signale sind weit sichtbar und ich könnte sogar schneller fahren, als es mein Zug zulässt. So bleibe ich etwas langsamer und überschreite die die erlaubte Geschwindigkeit nicht.

Viel kann man von einer geraden dunklen Strecke ohne Aussicht nicht sagen. Aber es wird noch schlimmer werden, dann werden es 57 Kilometer sein, die ebenso dunkel sind und wo es nicht einmal mehr Signale zu bewundern gibt. Gegenzüge die nicht kapieren, dass Scheinwerfer aufgeblendet, blenden können, gibt es hingegen auch nicht. Endlich, er hat es kapiert. Die Sicht verbessert sich wieder. Eine weiss leuchtende Tafel mit der Ziffer 4 huscht an mir vorbei.

Noch vier Kilometer bis Göschenen! In einem Kilometer werde ich mich dann auf die Talfahrt vorbereiten. Bis es soweit ist, überlege ich, was ich von diesem Zug erwarten kann. Besonders die Wirkung der Bremsen ist nun ein entscheidendes Kriterium. Daher sind sie die ersten Bauteile, die ich prüfen werde. Ich benutze dazu immer den Kilometer 3, der sich nun nähert. Es wird Zeit, die obligatorischen Prüfungen zu machen.

Ich bremse den Zug an. Die erwartete Verzögerung tritt ein und die Geschwindigkeit sinkt. Ich kann die Bremsen wieder lösen. Dazu benutze ich die Fahrstellung. Ich kann nun auch ein paar Rückschlüsse auf das Löseverhalten des Zuges schliessen. So stelle ich mir das Programm für die Talfahrt zusammen. Ich stelle mir eine Geschwindigkeit vor, bis zu der ich verzögere und dann sollte es mit dem Sägezahn klappen.

Die verlorene Geschwindigkeit ergänze ich nicht mehr, denn ich kann nicht mit der aktuellen Geschwindigkeit aus dem Tunnel fahren. Für die letzte noch notwendige Verzögerung benutze ich die elektrische Bremse der Lokomotiven. Auch diese muss ich vor der Einfahrt ins Gefälle prüfen. Sie funktioniert gut und ich kann die Talfahrt antreten. Auch die Signale lassen das zu und so wird der kleine helle Punkt zu einem Loch, wo bald ein Zug durchpasst.

Ich überlege schnell, wie ich mich verhalten muss, wenn bei der Talfahrt die elektrische Bremse ausfällt. Die Bremsreihe ist hoch genug und mehr Wagen als Lokomotiven führe ich auch mit. Im Notfall könnte ich bis Erstfeld fahren. Das erwarte ich zwar nicht, aber ich weiss jetzt, dass ich dann nicht noch nachschauen muss. Sei vorbereitet, lautet hier die Devise. Es ist eine lange und steile Talfahrt, die ich in wenigen Sekunden in Angriff nehme.

Göschenen ist erreicht und das Tageslicht hat mich wieder. Die Sonne ist längst hinter den Bergen verschwunden, aber es ist noch hell. Die elektrische Bremse arbeitet nun mit der vollen Leistung. Der Zug verzögert noch, da er noch nicht im Gefälle ist. Das wird sich jedoch schnell ändern und dann steigt die Geschwindigkeit wieder an. Irgendwann erreicht sie dann den Wert, den ich mir zu Recht gelegt habe und dann bremse ich die Wagen.

Es ist soweit, ich bremse die Wagen. Es dauert einen Moment, bis auch der letzte Wagen weiss, dass er bremsen muss. Bis es soweit ist, steigt die Geschwindigkeit einen kurzen Moment noch an. Wichtig ist, dass ich nun möglichst genau an der erlaubten Geschwindigkeit bin. Etwas später hätte ich mit der Bremsung beginnen können, aber nicht viel. Nun kommt der zweite Wert, den ich mir zu Recht gelegt habe.

Auch der ist erreicht und ich löse wieder. Nun sollte es länger als 90 Sekunden brauchen, bis ich wieder bremsen muss.

Der Zug verzögert immer noch, denn noch haben nicht alle Bremsen gelöst. Das berechnete ich ein, so dass nun die Zeit läuft.

Ich blicke natürlich nicht immer auf die Uhr, denn eigentlich muss ich ja die Strecke beobachten. Ich kann aber ausrechnen, wann ich wieder bremsen sollte.

Da mein Zug lange ist, werde ich eine eher höhere Lösezeit anstreben.

Ich muss einfach immer wissen, in welchem Zustand meine Bremsen sind. Wichtig ist es besonders dann, wenn orange Lichter auftauchen.

Meine Lösezeit habe ich gut berechnet und die Methode stimmt. Auch orange Lichter habe ich keine gesehen und so passiere ich Gurtnellen.

Ein paar Minuten Rückstand habe ich, aber es ist nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe. Der ICN ist noch hinter mir und das wird sich nun kaum mehr ändern. Es gibt keinen Bahnhof mehr, wo ich mit dem Zug Platz hätte.

So war es auch, ich erreiche Erstfeld noch vor dem ICN. Die Bremsen der Wagen waren mir gnädig und so komme ich rund vier Meter vor dem Signal zum Stehen. Erstfeld ist erreicht und der abgehende Lokführer wartet bereits. So können wir die Übergabe mündlich machen. Alle wichtigen Punkte erkläre ich dem Kollegen. Das hörte sich etwa so an. „Alles in Ordnung“. Dann packe ich meine sieben Sachen zusammen und verlasse die Lokomotive. Ich habe mein Ziel erreicht.

Nachdem ich den Gleisbereich verlassen habe, gehe ich auf dem dafür vorgesehen Weg zurück zum Depot. Jetzt kann ich schnell auf die Uhr blicken. Knapp 10 Minuten beträgt die Verspätung dieses Zuges. Das nur, weil sich der Fahrdienstleiter nicht getraute einen Güterzug in seinem vorgesehenen Trassee fahren zu lassen. Ein Qualifikationssystem, das solche Aktionen unbestraft zulässt, ist nicht sauber aufgebaut. Aber im Tessin haben die S-Bahnen vor sämtlichen Zügen Vortritt, auch wenn die pünktlich verkehren könnten.

 

Fertig und Tschüss

Jetzt muss ich die Änderung der Tour noch der Leitstelle melden und dann schnell nach Hause, denn der Tag war lang genug und ich bin durchgeschwitzt. Der Tag war heiss und die Klimaanlagen meiner Lokomotiven streikten. Nur das Gewitter sorgte dafür, dass es einen Moment schön kühl war. Auf jeden Fall ist der Liter Wasser, den ich in der Mappe hatte, leer und in Schweiss umgewandelt worden. So trete ich durch die Türe des Depots.

Die Leitstelle ist schon lange nicht mehr hier in Erstfeld. Wo sie ist, weiss ich eigentlich nicht. Das kann Arth-Goldau sein, oder Bellinzona. Ich greife einfach zu meinem Handy und rufe die gespeicherte Nummer an. Es klingelt und irgendwann wird sich vermutlich jemand melden. Wann das sein wird, weiss ich nicht, aber so lange warte ich auf den Feierabend. Schliesslich wurde mir einmal erklärt, dass es nicht gewünscht wird, wenn man Vorschriften einhält.

Je länger es klingelt, desto eher kann ich die Tour am nächsten Tag nicht mehr fahren. Ich habe so schon eine verkürzte Ruheschicht. Diese liegt noch auf knapp über elf Stunden. Kürzer Ruheschichten sind zulässig, aber dann muss ich dieser Kürzung zustimmen. Das wird nach 10 Minuten warten am Telefon, wohl kaum der Fall sein. Aha, die Leitstelle meldet sich, es ist die in Bellinzona. Ich melde 10 Minuten Verspätung und 10 Minuten Nacharbeit, ergibt 20 Minuten.

Die Änderung habe ich nun angegeben und meine Warnweste verstaue ich in der Mappe, wo sich die mittlerweile ausgeschaltete LEA befindet. Viel Platz habe ich nicht mehr, denn wir müssen viel Material mitnehmen und auch das nötigste Material wiegt in der Mappe knapp 15 Kilogramm. Als ich die Mappe verschlossen habe, begebe ich mich zum Kasten, stelle die Mappe in den Schrank und kann das Depot verlassen.

An einem schönen warmen Sommerabend gehe ich auf den Weg nach Hause. Die Sonne hat sich schon lange aus dem Kanton Uri verabschiedet. Die Wärme hält sich aber im Tal. Auch wenn die Thermik aus den Bergen schon eine leichte Abkühlung schaffte. Es ist so ein Abend zum Geniessen entstanden. Zwar ist es schon bald 9 Uhr am Abend, aber den Grill anwerfen sollte noch möglich sein. Etwas geniessen will ich den heutigen Abend auch noch, auch wenn ich um 7 Uhr wieder aus dem Bett muss.

Der Ärger und der Frust des heutigen Tages verschwinden auf dem Weg nach Hause. Die Zeit nutze ich um einfach abschalten zu können. Die Situation im Tessin war nicht neu und immer wieder werden die Güterzüge systematisch ausgebremst. Dass da die Kunden des Güterverkehrs erbost reagieren, kann ich verstehen. Wenn ich dann dafür noch verantwortlich gemacht werde, finde ich es schon mühsam und der Frust steigt einfach.

Zu Hause angekommen liegt dann der Brief vom Unternehmen im Briefkasten. Dort wünscht man, dass man eine Umfrage über die Zufriedenheit ausfüllt. Wen ich jetzt mache, wird die Auswertung eine Katastrophe zeigen, denn jetzt ist der dümmste Zeitpunkt für so eine Umfrage. Wer sich nun fragt, warum das Lokomotivpersonal unzufrieden ist, hat vermutlich nicht verstanden, wo die Probleme beim modernen Betrieb liegen.

Defekte Klimaanlagen, unbegründete Verspätungen, endlose Pausen und Schuldzuweisungen, heben die Moral auf keinen Fall. Wenn dann das Personal nicht zufrieden ist, ist wohl klar. Schafft man dem Personal angenehme Arbeitsplätze, versteht dessen Sorgen und Probleme, steigt die Moral und damit wieder das Vertrauen in das Unternehmen. Heute Abend, ist davon jedoch nicht viel zu spüren und meine Moral steigt mit den guten Stück Fleisch vom Grill und dem Bier. Auch wenn dieses keinen Alkohol enthält.

 

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