Erstfeld – Rümlang – Basel – Erstfeld

Ein Blick auf die Uhr, die an dem blöden lärmenden Ding ist, verrät mir, es ist 1 Uhr. Freiwillig geht um diese Zeit niemand aus dem warmen Bett. Draussen hat der Winter mit den kalten Temperaturen das Land fest im Griff und motiviert auch nicht gerade. Es wäre ja so schön im warmen Bett und gestern hätte ich wohl doch etwas eher die Arbeiten abbrechen sollen. Jetzt ist es zu spät und ich sollte eigentlich das Bett verlassen.

Gestern Morgen sah alles noch ganz anders aus. Auf dem Programm hatte ich heute die Schiebelokomotive am langen Zug der Rola. Doch mit dem klingeln des Mobiltelefons änderte sich das. Statt von 1.23 Uhr bis 9.04 Uhr arbeite ich nun von 1.58 Uhr bis 11.39 Uhr. Ist ja fast das gleiche Programm! Nur, drei Stunden später Feierabend, war eigentlich nicht vorgesehen. Die Sitzung, die heute Nachmittag ansteht erreiche ich auch so noch? Nur die kurze Ruhe dazwischen muss wohl gestrichen werden.

Erneut wird es lärmig in meinem Schlafzimmer, der zweite Wecker, der zur Sicherheit gerichtet wurde, meldet sich lautstark. Ja, ich bin wach und entsteige nun meinem Bett. Es ist kühl im Schlafzimmer. Die modernen Heizsysteme mit Nachtabsenkungen sind nicht für Schichtarbeiter gedacht. An diese Gruppe von Leuten denkt niemand, denn es ist eine Randgruppe, die man ja nicht zu sehen bekommt, weil die ja am Arbeiten sind, wenn man schläft.

Dank den bereit liegenden Kleidern ist es etwas angenehmer. Im Bad wird der letzte Schlaf aus den Augen gewaschen. Langsam kommt mir die Person im Spiegel bekannt vor. Den habe ich gestern Morgen schon gesehen und auch da sah er nicht gerade wach aus. Ich liebe den Frühdienst nicht gerade, trotzdem gehört er zum Beruf und so beisst man in den sauren Apfel. Es sind ja nur noch zwei Tage. Dann geht es später los, was für mich und meine Stimmung gut ist.

So früh am Morgen ist man im Bad schnell fertig. Den Rasierer lasse ich dort liegen, wo er ist. Ich denke es käme nicht gut, wenn ich jetzt einen Versuch damit unternehmen würde. Ich bemühe lieber die Kaffeemaschine, als dass ich mein müdes Gesicht mit Pflaster tapeziere. So drücke ich den Knopf, damit auch die Kaffeemaschine erwacht. Die Zeit, bis es so weit ist, nutze ich um die Tasse und den Löffel in den Schränken zu holen und schliesslich mit warten.

Der Duft von frischem Kaffee entschädigt für die frühe Tagesstunde. Die Tasse ist mit der braunen bis schwarzen Flüssigkeit gefüllt. Ich kann am Computer noch ein paar Mails lesen. Viele kommen diesmal nicht herein. Neben Spam sind es nur drei Mails. Ein Kollege, der sich nach dem Wochenende erkundigt, ist dabei. Stimmt, an diesem Freitagabend haben wir besprochen, dass wir dem Verkehrshaus der Schweiz in Luzern helfen.

Die beiden anderen Mails verschwinden, wie die Spams, ungelesen im Papierkorb. Ich beantworte Anfragen wegen Führerstandsmitfahrten immer noch nicht und das wird auch nicht so schnell ändern. Es ist ja schon schön, wenn jeder seinen eigenen Nutzen sieht. Kann er nicht lesen, wenn er meint ein Recht zu haben? Er schreibt arrogant ein Mail, das früher noch gelesen wurde. Mittlerweile kann auch ich nicht mehr lesen, warum ich denn gefälligst auf meine Freizeit zu verzichten habe.

Damit Sie es erneut übersehen können. Führerstandsmitfahrten werden nur von den Bahnen selber angeboten. Dort können Sie die Sicht aus dem Führerstand geniessen. Eine billigere, weil illegale Aktion gibt es bei mir nicht. Wenn Ihnen die Fahrten zu teuer sind, kaufen Sie sich doch einen Simulator, dann können Sie ja noch Lokführer spielen. Ich biete weder Simulationen noch Führerstandsmitfahrten an.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, es ist Zeit, sich auf den Weg zu machen. Ich komme nun zu meiner Führerstandsmitfahrt. Nicht, weil ich das will, sondern weil es mein Job ist. Der Vorteil dabei ist, dass man dafür noch bezahlt wird. Aber dafür musste ich viele Ausbildungen abschliessen und viel Zeit ins lernen von Vorschriften investieren. Gratis wird man nicht Lokführer, auch wenn das immer mehr meinen. Leider auch die, die das Gehalt bezahlen.

Die warme Mütze auf dem Kopf ist, wie die warme Jacke gegen den Frost, der draussen herrscht. Es ist mittlerweile nicht mehr ganz so kalt, aber ohne Jacke und Mütze, käme das noch nicht gut.

Als ich die Türe passiere und das Haus verlasse schlägt gerade eine weit entfernte Kirchenuhr halb zwei Uhr. Es ist kalt, aber es ist Winter und dazu gehört auch das. Dagegen kann man sich nur warm anziehen. Die Strassen sind schneefrei und ich muss nicht mit Glatteis rechnen.

Zwar sind sie schneefrei, aber nicht sauber. Die Papierschnitzel und Konfetti der vergangenen Fasnacht liegen noch immer auf den Strassen und Plätzen. Die Fasnacht ging an mir vorbei. Morgenstreich in Erstfeld?

Kein Problem, um diese Zeit war ich schon lange in Richtung Basel unterwegs. Probleme gab es erst am Abend. Wer kann schlafen, während vor dem Haus eine Guggenmusik in den grössten Tönen ein kleines Monsterkonzert spielt? Dank guten Fenstern ging es mit dem Schlaf einigermassen.

Nun ruhen die Guggen und die Fastenzeit hat begonnen. Ein Vorbote auf den Frühling. Nur, der wartet etwas und so gehe ich warm eingepackt den Strassen entlang in Richtung Depot.

Viele Leute sind nicht unterwegs, vor ein paar Tagen begegneten mir auf diesem Weg die Schnapsleichen von irgendeinem Maskenball. Nun ist aber das Dorf wieder friedlich und ich kann ungehindert der Strasse entlang gehen.

Den Weg kenne ich und so komme ich ohne gross Gedanken zu verschwenden ins Depot. Noch immer begrüsst mich die Ce 6/8 II, die seit meinem Antritt hier, vor bald 21 Jahren, auf dem Sockel steht. Auch sie hatte schon bessere Zeiten. Damals dachte ich nicht, dass ich jemals mit so einer Lokomotive fahren würde. Es war eine eingeschworene Truppe, die sich mit den Lokomotiven auf den Weg machte. Dazu gehörte ich nicht. Doch auch diese Zeiten änderten sich.

Jetzt sollte die Lokomotive gehen und eine neue Zukunft beginnen. Das Personal soll ihr dann 2016 folgen. Man benötigt mit der NEAT in Erstfeld keine Lokführer mehr. Die Züge fahren nicht hier durch und so kommt das, was niemand gedacht hatte. Die Lokführer von Erstfeld verlieren ihren Job, ihr soziales Umfeld und vermutlich auch einen grossen Teil ihres Gehaltes. Hier findet man daher die grossen Verlierer des längsten Tunnels der Welt. Die Lokomotive symbolisiert daher ganz gut den Untergang.

Im warmen Dienstgebäude, das schon länger hier steht, suche ich meinen Kasten auf. Auch hier merke ich, dass ich lange dabei bin, der Stahlschrank im Keller von früher wurde durch einen Holzkasten im Parterre ersetzt. Gut, die vielen leeren Kasten verraten auch, dass es immer weniger Leute sind, die hier arbeiten. Noch entnehme auch ich meine Mappe einem dieser Schränke. Wann wird wohl mein Schild endgültig umgedreht werden?

Eigentlich möchte ich hier nicht wegziehen, aber die Leute, die meine Arbeit bezahlen sind da anderer Meinung. Nur, wohin wird es mit der Eröffnung der NEAT gehen? Basel, RBL oder gar ins Tessin? Fragen, die beschäftigen. Auch alternative Bahnen gäbe es. Nur, im Moment kann ich mich einfach nicht für eine Rigibahn entscheiden. SOB oder gar RhB wären auch noch Möglichkeiten. Auf jeden Fall habe ich mich damit abgefunden, dass ich hier keine Zukunft mehr habe. Schade, aber ändern wird sich kaum etwas.

Das zeigt sich auch in der Stimmung. Wer meint, dass man einem Arbeiter erklären kann, dass er seinen Job verliert und er dann noch zufrieden sein sollte, lebt in einer komischen Welt. Auch ich hatte schönere Tage verlebt, doch seit dem Entscheid ist die Stimmung kritischer geworden. Je näher der Tag rückt, desto bedrückter wird die Stimmung hier in Erstfeld. Nicht alle haben es so gut wie ich und können einfach umziehen, alle sozialen Bindungen kappen und einen Neustart im Ungewissen planen.

Egal, ich habe heute noch meine Arbeit und die werde ich fahren, auch wenn es nicht mehr so viel Spass macht, wie früher. Gerade am Morgen kurz vor 2 Uhr fragt man sich wirklich, ob man den richtigen Job hat. Bei anderen Bahnen ruht der Verkehr nun, das ist am Gotthard nicht der Fall und so haben wir die extremen Tageszeiten schon seit Jahren im Dienstplan. Gesund? Ich denke nicht, aber eine andere Wahl habe ich nicht, ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit.

 

Erstfeld – Wohlen

Meine neue LEA Cargo muss gestartet werden. Das dauert etwas länger, als das beim alten Gerät der Fall war. Die Daten für meine Tour werden angezeigt. Aha, eine Änderung ist vorhanden. Mal sehen, was hier los ist. Aha, mein Zug fährt nur bis Wohlen. Dort ändert dann die Nummer um an mein Ziel zu kommen. Das sieht ganz nach einer geplanten Umleitung aus. Angegeben ist ein Zirkular, das habe ich natürlich nicht im Kasten und muss selber noch suchen. Aber meine LEA ist ja gut, ist sie so gut?

Tatsächlich, ich finde die Fahrordnung mit der Umleitung. Aus Erfahrung weiss ich, dass man besser nachsieht, denn plötzlich steht man an einem Ort und fragt sich, wo der Weg hinführen wird. Diesmal ist das nicht so und ich kenne den Weg. Doch zuerst führt mein Weg nach Wohlen. Dort ändert dann die Zugnummer und ich fahre dann weiter nach Glattbrugg um dort die Wagen abzuliefern. Damit ist klar, ich habe wohl einen Ölzug am Haken.

Die LEA ist bereit und ich kann mich nach dem Zug umsehen. Die elektronischen Radarsysteme zeigen den Zug im Raum Gurtnellen an. Ein paar Minuten Verspätung, aber nicht so schlimm, dass man sich ärgern müsste. Die Zeit reicht aber noch um schnell nach der Vertretung der Firma mit den Automaten zu sehen. Doch komme ich zu meinem Kaffee. Zwar gibt es im Aufenthaltsraum eine Maschine, aber dort darf ich ja keinen Kaffee beziehen.

Eigentlich würde ich auch dort einen Kaffee bekommen, aber die nette Person, die diese Maschine betriebt, hat mir zu verstehen gegeben, dass es nicht erwünscht sei, wenn ich Kaffee auch dann beziehe, wenn er nicht gratis ist. So bleibt mir nichts anderes übrig, als die Maschinen der grossen Firma zu benutzen. Seit einigen Wochen ist diese zudem billiger. Die Marktwirtschaft funktioniert, auch wenn das noch nicht alle Leute so richtig kapiert haben.

Mittlerweile hat sich der Kaffee im meinem Bauch gemütlich gemacht und ich sehe, dass der Zug, den ich übernehmen muss, in den Bahnhof von Erstfeld einfahren kann. Es wird Zeit, dass ich mich auf den Weg mache. Ich benutze dazu die Wege und die vereisten Übergänge. Dank den Sicherheitsschuhen mit stichfester Sohle wird das zur Rutschpartie. Alles kann man nicht haben. Wichtig ist aber, dass wir im Gleisfeld nicht von einer Spritze verletzt werden. Es liegen ja so viele in den Rangierbahnhöfen herum.

Ohne Unfall habe ich den Bereich erreicht, wo ich den Zug erwarte. Die Fahrt wird dann für den Lokführer, der den Zug bisher führte, enden. So ist es, die Lokomotive kommt zum Stehen, die Tür wird geöffnet und die Griffstangen gereinigt. Da der Führerstand auf den Re 620 seit dem Einbau der Klimaanlage sehr eng geworden ist, warte ich neben der Lokomotive, bis der andere Lokführer ausgestiegen ist. Die Übernahme ist kurz und begleitet mit etwas Gefluche. Stimmt 10 Minuten Verspätung sind schon eine Frechheit.

Auf der Lokomotive richte ich mich ein. Ein Blick nach vorne verrät mir, dass der Fahrdienstleiter den Wechsel beobachtet hat, denn das Signal leuchtet bereits grün und die obligatorische Abfahrerlaubnis leuchtet auch. Ich richte die LEA noch ein, passe die Zugreihe an und dann kann ich starten. Mit D 65 wird es gemütlich werden. Die Kesselwagen am Haken sorgen zusätzlich für eine ausgesprochen spannende Fahrt. Müde sollte ich damit nicht werden.

Der süsse Geruch, der mir in die Nase steigt, gefällt mir gar nicht. Das kommt nicht gut, denn auf solche Gerüche reagiere ich nicht immer gut. Ich beginne eine Aktion mit Lüften. Es wird in der Lokomotive kalt, eisig kalt. Ich bewaffne mich mit meiner Tabakpfeife. Der Geruch des Tabaks soll den anderen Geruch verdrängen, bevor ich mich über Kopfschmerzen erfreuen darf. Zudem irgendwann sollte ich wach werden, denn nun fährt es und Schlaf ist da nicht gut.

Schnell beschleunigen kann ich nicht. Die Ware in meinem Rücken ist etwas heikel. Flüssigkeiten haben so unangenehme Eigenschaften, dass sie träge auf Veränderungen der Geschwindigkeit reagieren. Die Fahrt wird dank dem Gefälle auch so schneller und so verlasse ich den Bahnhof Erstfeld in Richtung Norden und vorbei am Bett, dass ich immer noch vermisse. Wegen der Zugreihe D sind hier 80 Km/h angesagt.

Es wird Zeit, dass ich nun die Funktion der Bremsen prüfe. Ich bremse den Zug an und erwarte die Verzögerung. Zuerst bleibt sie aus, aber dann bremst der Zug. Aha die Flüssigkeit hat sich gemeldet. Da muss man etwas gefühlvoll bremsen, will man keine Probleme erhalten. Eine Information, die wichtig ist, denn gerade bei Güterzügen reagiert jeder Zug anders. Die neuen Bremsklötze aus Komposit verlangen eine andere Fahrweise, als das bei den bisherigen Bremsklötzen der Fall war.

Ein Blick auf die Belastung verrät mir, ich habe Gummiklötze, äh Kompositklötze, und das noch recht reichlich. Da ich aber nun grüne Signale antreffe, ist das noch nicht so wichtig. Gut, mit Grün habe ich etwas übertrieben, denn ich muss die Warnung quittieren. Der Spurwechsel Ried kann nur mit 90 km/h befahren werden. Daher wird das signalisiert. Da ich nur 80  km/h fahren darf, ist es für mich grün. Ich nähe mich dem Einspurabschnitt zwischen Erstfeld und Altdorf.

Die Brücke über den Schächenbach muss saniert werden. Zudem wird eine neue Unterführung für die Strasse gebaut. Es gab Zeiten, wo man mit Hilfsbrücken gearbeitet hat. Heute richtet man einfach für ein Jahr einen einspurigen Abschnitt ein.

Auf einer Nebenstrecke, wie das der Gotthard nun mal ist, führt das angeblich zu keinen Problemen. Ich befürchte aber, dass dem nicht so sein wird. Hatte ich gestern doch 30 Minuten Verspätung wegen diesem Abschnitt.

Aha, die Kilometertafel im Bahnhof Altdorf ist auch schon montiert worden. Die Änderung in unseren Unterlagen hatten wir bekommen, aber das dort erwähnte Signal fehlte.

Ist ja nicht so tragisch, wenn der Lokführer nicht weiss, wo er von 120 auf 80 abbremsen muss. Es ist ja gerade und so endet das nicht so tragisch, wie in Norwegen. Eine Woche dauerte es, bis die Firma Infrastruktur bemerkte, dass die Signale fehlen, die eigentlich stehen sollten.

Das ist schon ein Punkt, der nachdenklich macht. Wenn man aber erfährt, dass den Lokführern ab einem Bahnhof wegen dem fehlenden Signal Sammelformulare abgegeben wurden, fragt man sich, warum das ein Bahnhof kann und die restlichen nicht? Aber, wie ist es, die Infrastruktur stimmt nicht, schuld ist daher der Lokführer. Das ist etwa so, wie das Hauptsignal, das dem Betrieb übergeben wurde. Nur die Lokführer wussten nicht, dass dort ein neues Signal steht.

Weiter führt die Fahrt nach Flüelen und somit an den See. Die Geschwindigkeit des Zuges sinkt nun leicht, denn ich darf nur noch 75 fahren. Die Kurven sind etwas enger und so sinkt die Geschwindigkeit. Die Fahrt geht jedoch ungehindert weiter und ich passiere das Wärterhaus, das am Tag so schön gelb leuchtet. Danach folgt die Tellsplatte und mit einem letzten Tunnel erreichte ich Sisikon. Die Gemeinde, die die Axenstrecke in zwei Bereiche aufteilt.

Oh, eine Überraschung! Bei den Weichen geht es nicht gerade aus, sondern ich wechsle das Gleis. Weiter führt der Weg über das Berggleis. Hier erkennt man den Weg nicht an den Signalen. Die LEA muss umgestellt werden, denn nun sind vielleicht andere Geschwindigkeiten zugelassen. Gut, die offizielle Haltung wird natürlich bei meinem Zug nicht bestätigt, denn es bleibt bei 80 km/h. Nur, ich habe jetzt mehr Tunnel und sehe so nicht viel vom Urnersee, der in der fahlen Nacht schimmert.

Hoppla, auch Brunnen gerade durch. Ich bleibe auf dem rechten Gleis! Jetzt ist es wieder eine normale Doppelspur, die ich passiere. Vermutlich hängt das mit den Bauarbeiten zwischen Schwyz und Steinen zusammen. Das Frühjahr meldet sich und die Baustellen spriessen aus dem Boden. Dieses Jahr sogar schneller als die Blumen, die den Frühling einläuten. Die Brücken über die Muota passiere ich mit 80 km/h. und die Signale blieben grün, ich fahre weiterhin rechts.

Nach dem Bahnhof von Schwyz, der eigentlich Seewen heissen sollte, erkenne ich das Deckungssignal im Gleis. Einspurbetrieb ist angesagt, daher wohl auch mein Ausflug auf das rechte Gleis. In Sisikon konnte ich mit maximaler Geschwindigkeit wechseln, das wäre bei den späteren Weichen nicht möglich gewesen. Die Langsamfahrstellen melden sich. Gut mit 80 km/h muss ich nicht verzögern und so kommt die Fahrleitungsschutzstrecke ins Blickfeld.

Hauptschalter raus, Bügel tief und mit Schwung über den Abschnitt. Die Strecke hier ist so gebaut, dass es keine grosse Verzögerung gibt. Ich kann die Stromabnehmer wieder heben. Ach ja, im Prozess, den wir natürlich einhalten müssen, steht einschalten. Ich habe also die Stromabnehmer eingeschaltet. Was auch immer das bedeuten soll. Den Hauptschalter muss ich nicht heben, den kann man einschalten. Die Lokomotive hat wieder Strom und kann ihre Arbeit aufnehmen.

Erneut tauchen im fahlen Licht der Scheinwerfer wieder Vorsignale zu einer Langsamfahrstelle auf. Jetzt muss ich bremsen, denn hier sind nur 60 km/h zugelassen. Dank der Steigung ist das nicht zu schwer und so kann ich die Geschwindigkeit in der Langsamfahrstelle gut halten. Die Hilfsbrücken, die hier eingebaut wurden, können scheinbar noch nicht mit 80 km/h befahren werden. Beim anderen Gleis ist die Hilfsbrücke mittlerweile auch eingebaut worden.

Die Beschleunigung nach der Langsamfahrstelle kann ich mir ersparen. Das Vorsignal zum Spurwechsel in Steinen kündigt eine Geschwindigkeit von 60 km/h an. Da hier das System L verwendet wird, spricht man auch vom Fahrbegriff 3. Dem könnten abweichende Geschwindigkeiten zugewiesen sein. Hier ist das jedoch nicht der Fall und so kann ich mit 60 km/h über die ablenkenden Weichen fahren und so wieder auf das linke Gleis kommen.

Vor mir erscheinen die Zwergsignale zu den Weichen. Moment, da stimmt doch etwas nicht? Genau, da leuchtet ja nur eine Glühbirne. Es ist die untere, das ist nicht gut. Da das betreffende Signal nicht in meinem Fahrweg stand, musste ich nicht handeln, aber sonst, kann man in der Nacht nur schwer erkennen, welche der beiden Birnen noch leuchtet. Unweigerlich müssten wir dann anhalten. Auf jeden Fall melde ich das Signal dem Fahrdienstleiter, damit es repariert wird.

Ich greife zum Funk und drücke die 2. So gelange ich zum Fahrdienstleiter, der diesen Bereich betreut. Nach dem klingen meldet sich der Bahnhof mit seinem Namen. Ist für ihn nicht leicht zu erkennen, ob er von einem anderen Telefon oder von der Lokomotive mit Funk angerufen wird. Ich melde das Zwergsignal. Das „Hallo“ am Funk lässt mich jedoch etwas nachdenklich werden. Der Gedanke im Kopf geht in Richtung Scheiss-Funk.

Da der Zug nur kurz ist, habe ich die Weichen schnell passiert und kann wieder auf die erlaubte Geschwindigkeit beschleunigen. Nun liegt diese bei 75 km/h, so dass ich die Geschwindigkeit der Strecke fahren kann. Die Steigung macht es nicht leicht, den 1‘300 Tonnen schweren Zug zu beschleunigen. Mit der Re 10 klappt das recht gut, auch wenn sich auf den Schienen etwas Raureif gebildet hat. Am Gotthard selten, denn hier verkehren so viele Züge, dass die Zeit dazu kaum ausreicht.

Ich nähere mich Arth-Goldau. Die Steine des Bergsturzes sind in der Nacht nur schwach zu erkennen. Die Nacht ist klar, der Mond scheint und so gibt es etwas Licht, dass die Landschaft schwach erhellt. Wichtig für mich, sind die hell leuchtenden Punkte, die mir ab und zu begegnen. Die Südbahn könnte Nebel haben, das würde etwas gegen die Müdigkeit wirken. Doch noch dauert es ein paar Minuten, bis ich dies erfahre.

Ich kann ohne einen Halt durch den Bahnhof fahren. Ein Güterzug steht im Bahnhof und erinnert mich an jene Tage, wo ich noch ab hier Züge nach Offenburg führte.

Jetzt sind auch hier die Arbeit und die Zukunft nicht mehr gesichert und so befürchtet jeder, dass er wegziehen muss und so aus dem sozialen Umfeld gerissen wird.

Schichtarbeiter haben es so oder so nicht leicht, ein paar Freunde ausserhalb dieser Schicht zu finden, dann noch solche Entscheide und man wird einsam, ob man will oder nicht.

Die Tage, der Wahrheit werden kommen und dann heisst es Koffer packen. Ob dann Lokführer entlassen werden? Wissen tun wir das nicht und so fährt die Angst vor dem Verlust der Stelle bei jeder Fahrt mit.

Das ist eine gefährliche Situation, die bisher noch nicht zur Katastrophe geführt hat. Schnell in Gedanken und schon ist der Zug zu schnell. Wäre gut, wenn auch ich wieder nach meiner Geschwindigkeit sehe. Knapp 75 km/h, es stimmt noch alles.

Nach dem Bahnhof beginnt das Gefälle. Die elektrische Bremse wird den Zug nicht halten können. Auf jeden Fall wird es knapp werden. Hängt etwas davon ab, wie viel Kraft ich auf die Schienen übertragen kann. Die Funktion der Bremsen hatte ich vor der Langsamfahrstelle getestet und so kann ich nun zufahren. Hier wäre aber nun ein guter Punkt um dafür zu sorgen, dass die Bremsen auch wirklich warm bleiben und nicht einfrieren. Die entsprechende Vorschrift sollte nicht vergessen werden.

So bremse ich mit dem Zug und lasse ihn etwas verzögern. Dank den neuen Bremsklötzen dauert das lange, denn diese Klötze bremsen bei geringem Druck kaum. Nur wenn man mit höheren Bremskräften arbeitet, beginnen sie zu wirken. Daher bezeichne ich sie nur als Gummiklötze, weil man sie zuerst zusammenpressen muss, bis etwas geht. Klar, auch ich schlafe ruhiger neben der Bahn seit der Einführung, aber bei der Arbeit vermisse ich die alten Bremsklötze aus Grauguss.

Die Fahrt der Rigi entlang verlief ohne grössere Schwierigkeiten, so dass ich ungehindert nach Immensee gelange. Jetzt ändert sich ein Punkt klar, denn nun folgen die Strecken, die auch mit der Zugreihe D schneller befahren werden dürfen. Ab Immensee kann ich nach dem vorhandenen Bremsverhältnis fahren. Wegen den schlecht wirkenden Bremsen ist das aber nicht viel schneller. Die 100 km/h Maximalgeschwindigkeit werde ich nicht oft erreichen. Aber 90 km/h sind öfters möglich. Manchmal auch etwas weniger oder etwas mehr.

Mit dem Passieren des Kilometer 0 verlasse ich die Gotthardbahn. Ich befinde mich nun auf der aargauischen Südbahn. Diese Zeiten sind längst vorbei und nun ändert sich nur noch die Kilometrierung der Strecke. Die Station Immensee hatte aber nie eine grosse Bedeutung, denn die Lokomotiven wurden nie hier gewechselt. Oft war das Rotkreuz oder Arth-Goldau. Rotkreuz werde ich auf der Strecke, als nächstes erreichen. Die Lokomotive gewechselt wird hier natürlich auch nicht mehr.

Die Strecke ist hier nicht leicht zu befahren. Zuerst sinkt das Gleis mit grossem Gefälle ab um dann in einer Senke wieder mit der gleichen Steigung zu steigen. Leider ist das Gefälle zu lang, dass man die Züge einfach rollen lassen kann. Mit dem nähern an die Geschwindigkeit beginne ich mit der elektrischen Bremse zu verzögern. So kann ich die Geschwindigkeit halten und mich der Senke nähern, dann muss ich die Bremskraft wieder ausschalten.

In der Senke beginne ich zu ziehen. Immer mehr Wagen kommen in die Steigung und wegen dem kurzen schweren Zug, gelingt mir das nicht ganz wunschgemäss. Aber ich schaffe es, dass die Geschwindigkeit bei 80 km/h bleibt. Zwar nicht ganz so schnell, wie ich sollte, aber ideal für den weiteren Verlauf, denn vor Rotkreuz sinkt die Strecke wieder. Heute würde man hier einen Tunnel graben, aber vor über 100 Jahren baute man diese Berg- und Talbahn.

Rotkreuz erreiche ich pünktlich. Die Fahrt führt ungehindert wieder in Richtung Norden. Die Fahrt durch den Bahnhof nutze ich auch um wieder einmal nach meinem Zug zu sehen. Das Licht hilft, denn so kann ich etwas mehr erkennen, als dass nichts brennt. Gut, ein Brand bei diesem Zug hätte fatale Folgen, denn ich transportiere Treibstoff für die Flugzeuge ab Zürich Flughafen. Die sind von Natur aus brennbar, und wenn wir dann mit den Bremsklötzen darunter heizen, endet das möglicherweise nicht gut.

Alles ist gut und ich kann die Fahrt ungehindert fortsetzen. Mit einer Kurve verlasse ich Rotkreuz. Ab jetzt geht es nur noch in Richtung Norden. Fehlleitungen sind auf den nächsten Kilometern nicht möglich und da ich nicht gerade zu den schnellsten Zügen gehöre, sollte es mit orangen Signalen nicht sehr weit sein. Die ersten Signale in Oberrüti und Sins bestätigten meinen Verdacht. Nun kann ich erstmals mit 100 Km/h fahren.

Nebel behindert meine Sicht nicht. Zwar ist der Mond hinter einem Schleier verschwunden und die funkenden Stromabnehmer lassen erkennen, dass sich Raureif gebildet hat. Die Haftung der Lokomotiven ist jedoch gut, so dass ich die Zugkräfte übertragen kann. Die schöne ländliche Gegend ist in der Nacht nicht zu erkennen. Die Sicht über das breite Tal fehlt, aber trotzdem bin ich froh, dass ich überhaupt etwas erkennen kann, denn ich hatte hier schon andere Situationen.

Ohne Signale, die Bremsungen verlangen, kommt man schnell voran. So habe ich die Südbahn fast geschafft und nähere mich Wohlen. Es wird Zeit, der LEA die neue Zugnummer einzugeben. Die erscheint nun und ich sehe, dass ich in Wohlen abfahren muss. Mit der alten Fahrordnung muss ich aber nicht anhalten. Ein neuer Zug kann ja nur losfahren. Die Ausfahrt von Wohlen bleibt jedoch geschlossen. Ich muss verzögern.

Der Halt wäre nicht nötig gewesen. Nur, ändern kann ich es nicht, ich komme zum Stillstand und darf nun warten, bis das Signal grün wird. Zeit um mich der neuen Fahrordnung zu widmen. Der Weg führt über Abwege nach Glattbrugg. Nur, lange kann ich nicht in der Fahrordnung stöbern, denn das Signal vor mir hat die Farbe gewechselt und ich kann Wohlen verlassen. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, ich bin pünktlich unterwegs.

 

Wohlen – Tanklager Rümlang

Langsam beschleunigt mein Zug wieder. Es ist verständlich, dass ich hier anhalten musste. Ich fahre nun mit einer neuen Fahrordnung. Die hatte ich zwar schon und von meiner Seite aus, wären eine ungehinderte Fahrt und damit der Wechsel der Zugnummer kein Problem gewesen. Nur, was für mich gilt, muss nicht automatisch für die Zuglenkung gelten. Mit den Computern wurde nicht alles einfacher und zum Teil wird heute komplizierter gearbeitet, als früher, wo man noch mit Papier und Bleistift gearbeitet hatte.

Nach dem Bahnhof von Wohlen sinkt die Strecke gegen den Bahnhof von Dottikon-Dintikon ab. Die Geschwindigkeit wird so wieder steigen. Vorbei sind hier die Zeiten, wo der Teil als Umspannanlage bezeichnet wurde. Umgespannt wurde hier nie ein Zug, der Bahnhof erfüllte daher seinen Zweck nie. Das zeigt, dass politische Entscheide nicht immer richtig sein müssen. Betrieblich wird der Bahnhof nun für Überholungen und für das Abstellen von Zügen genutzt.

Innerhalb des Bahnhofes steigt es wieder an. Die Geschwindigkeit kann ich halten und erreiche nun den eigentlichen Bahnhof. Also das, was sie als Bahnhof bezeichnen würden. In der Ferne erkenne ich die Einfahrsignale von Hendschiken. Die Fahrt über die aargauische Südbahn wird dort enden. Ich zweige rechts ab und gelange so zur ehemaligen Nationalbahn. Doch zuerst muss ich Hendschiken und Othmarsingen passieren, was anhand der Signale nicht ungehindert möglich ist.

Die Ausfahrt Othmarsingen bleibt geschlossen. Ich verzögere mit dem Zug und fahre daher langsam. In der Ferne sehe ich ein Signal, das Fahrt zeigt. Ist es nun mein Signal oder nicht? Sicher bin ich noch nicht und so bleibe ich bei der tiefen Geschwindigkeit.

Meine Bremsen taugen nicht für Experimente. Je näher ich komme, desto klarer ist es, ich kann den Bahnhof mit 40 km/h verlassen und so nach Mägenwil fahren, wo ich in die Überholung muss.

Das Signal ist ein ganz besonderer Fall. Auf dem Weg, den ich jetzt benutze, ist es ein Ausfahrsignal. Würde ich auf dem ursprünglich für diesen Zug vorgesehenen Laufweg verkehren, wäre es ein Gleisabschnittsignal.

Im Bahnhof von Othmarsingen finden zudem Bauarbeiten statt. Die sind nicht in meinem Gleis, so dass ich nicht zu sehr auf die Arbeiter achten muss. Die Fahrt geht langsam aber ungehindert weiter.

Nur, lange wird das nicht andauern, denn in Mägenwil geht es in die Überholung. Die Bremsung klappt ganz gut und so komme ich vor dem Ausfahrsignal von Mägenwil zum Stehen. Wann wird die Fahrt wohl weiter gehen?

In drei Minuten werde ich dann den Fahrdienstleiter fragen. Das muss ich, weil das Signal ja nicht aus offensichtlichen Gründen rot ist. Gut, es kommen Gegenzüge, aber das bedeutet nicht viel, schliesslich gibt es hier zwei Geleise.

Die Wartezeit ist um und ich greife zum Funk. Ein herzhafter Druck auf die Taste mit dem 2 und dann warten. Der Fahrdienstleiter meldet sich. Ich frage, wenn es weiter gehen wird. Nun, auch hier erhalte ich als Antwort ein „Hallo“. Dann bricht die Verbindung ab. Jetzt ist es definitiv, mein Funkgerät ist im Eimer. Da hilft nur noch ein Eintrag im entsprechenden Buch und ein Telefonanruf. Die Reparatur muss gemeldet werden, denn so kann man nicht lange herumfahren.

Gut, ich bin so lange unterwegs, dass ich die Zeiten noch erlebte, wo wir nicht überall einen Funk hatten. Entweder fehlte auf der Lokomotive das Gerät, oder aber die Bahnhöfe waren nicht damit ausgerüstet. Dann ging man zum Signaltelefon und erkundigte sich dort. Ich lasse es jedoch sein und warte einfach in der Nacht. Die in der Fernsteuerung werden ja wissen, warum ich hier stehe. Vermutlich ist die Strecke, die ich befahren soll noch nicht mit einem Fahrdienstleiter besetzt.

Die Uhr zeigt 4 Uhr und dann ist meistens Schichtwechsel. Zudem werden Strecken, die in der Nacht normalerweise nicht benutzt werden, mit einem Fahrdienstleiter besetzt. Längst erfolgt das in einem entfernten Ort und nicht mehr in den Station. Irgendwo verrichtet ein Fahrdienstleiter einsam seinen Job und der einzige Kontakt nach draussen, sind die Lokführer. Zumindest dann, wenn deren Funk funktioniert.

Ich greife zum Telefon. Der Anruf muss sein, denn sonst wird nie etwas repariert. Die Person am anderen Ende nimmt ab. Ich melde den Schaden. Funk gestört, Sprechen nicht möglich, kein Kontakt zu Fahrdienst möglich. Die Meldung ist aufgenommen worden und wir können das Telefonat beenden. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, die Verspätung beträgt mittlerweile 20 Minuten. Weiter ansteigen wird diese jedoch nicht, denn das Signal vor mir wechselt die Farbe.

Auch jetzt kann ich das Gefälle zur Beschleunigung ausnutzen. Noch muss ich aber etwas zurückhalten, denn zuerst muss die ablenkende Weiche freigelegt sein. Erst dann kann ich weiter beschleunigen. Ich richte mich auf 80 km/h ein. Zwar könnte ich noch schneller fahren, aber vor mir erscheint ein Vorsignal, das mir den Fahrbegriff 5 ankündigt. Ich zweige jetzt von der Hauptbahn ab. Dort sind dann anfänglich nur 80 km/h zugelassen. Später wird es noch langsamer.

Mit der Brücke über die Reuss komme ich wieder auf die Seite des Flusses, wo ich gestartet bin. Danach steigt die Strecke wieder an und das nicht zu knapp. Die Weiche vor mir lässt mich nach links abzweigen. Fertig ist die Fahrt auf doppelspurigen Strecken. Nun geht es auf vermeintlichen Nebenlinien weiter. Der erste Abschnitt ist sogar klar eine Nebenlinie, fahren hier doch keine Reisezüge mehr.

Der Bahnhof, den ich nun passiere, heisst Mellingen. Auch hier enden oft Ölzüge. Jedoch nicht ich, denn ich habe mit meinem Zug aus Italien ein anderes Ziel. Die Fahrt wird jetzt etwas mühsamer. Ich bin der erste Zug, der heute hier durch fährt. Die Stromabnehmer funken wegen dem Raureif gewaltig und auch die Probleme mit der Adhäsion nehmen nun dramatisch zu. Dann noch eine Strecke, die ich nicht so gut kenne. Das ist anstrengende Arbeit, denn es ist ja noch Nacht.

Im Scheinwerfer taucht eine Pfeiftafel auf. Ich muss ein Achtungssignal geben. Die Lokpfeife schreit in die Nacht hinaus und ich hoffe, dass die Fahrzeuge, die nicht beim Übergang sind, auch angehalten haben. Die Verzögerung auf die Kurve stellte sich hingegen automatisch ein, denn nur mit Mühe konnte ich die Geschwindigkeit halten. Die Haftung war einfach zu mies. Nun ist aber der „Gipfel“ erreicht und die Strecke beginnt zu fallen.

Jetzt können auch die Wagen helfen. So nähere ich mich um die Ecken herum auf einer Strecke, die wirklich irgendwie in das Gelände gehämmert wurde, in Richtung Wettingen. Der Bahnhof hat hier zwei Teile und so beginnt er mit Baden Oberstadt und endet mit Wettingen. Die Einfahrt in den Teil Wettingen ist noch geschlossen und ich muss mit dem Zug abbremsen. Das wäre aber auch nötig gewesen, wenn ich hätte zufahren können, denn die Kurve darf nur mit 50 km/h befahren werden.

So komme ich mit dem Zug wieder zum Stehen. Die Zeitabweichung beträgt knapp 10 Minuten. Ich hätte so oder so warten müssen, aber nicht in Mägenwil und schon gar nicht hier in Wettingen. In Mellingen war wohl vorgesehen, dass ich auf die Freigabe der Strecke warte. Mit dem zweiten Halt hier vor der Einfahrt Wettingen steigt meine Verspätung an. So werde nicht mehr pünktlich ankommen, aber im Güterverkehr ist man sich das gewohnt.

Endlich die Einfahrt geht auf Fahrt. Einfahrt mit 40 km/h. Auch die Ausfahrt geht nicht schneller. Eigentlich wäre eine direktere Durchfahrt möglich gewesen. Aber als ich um die Ecke komme, sehe ich die Bauarbeiten. So muss ich um die Baustelle herum kurven. Danach steigt die Strecke an, was die Beschleunigung dank dem Raureif nicht erleichtert. Zudem folgt noch eine Schutzstrecke, so dass ich nicht durchgehend Zugkraft aufbauen kann.

Der Bahnhof von Wettingen ist geschafft und ich erhöhe die Zugkraft der Lokomotive. Diese bestätigt dies sogleich mit durchdrehenden Rädern. Etwas Quarzsand auf den Schienen verbessert die Situation. Nun befinde ich mich auf der Strecke, die als erstes mit dem Stromsystem elektrifiziert wurde, das meine Lokomotive mit Energie versorgt. Ob die damals auf dieser Steigung mit ihren Lokomotiven auch Probleme hatten?

Die Schutzstrecke nähert sich. Es ist nur eine kurze Version und ich kann auf das Senken der Stromabnehmer verzichten. Nur, die gewünschte Zugkraft fällt aus, was der Beschleunigung nicht gut bekommt und so rolle ich mit 70 km/h mit Schwung durch die Schutzstrecke.

Als ich wieder einschalten kann, ist die Geschwindigkeit etwas zusammengefallen. Da aber vorne am Vorsignal der Fahrbegriff 3 mit 60 km/h angekündigt wird, belasse ich es dabei.

Es ist Würenlos. Hier trifft die Zufahrt zum RBL auf die Strecke. Die direktere Version führt in den RBL. So muss ich über ablenkende Weichen fahren.

Dankbarerweise natürlich die auf der Seite der Ausfahrt, so dass ich dann wieder in die Steigung beschleunigen darf. Die Probleme mit der Adhäsion lassen nicht nach, aber ich erreiche nach dem Bahnhof doch noch die erlaubte Geschwindigkeit. Nur, es dauerte recht lange, bis es soweit war.

Die Stationen im Tal der Furt passiere ich dank fehlendem Gegenverkehr auf der einspurigen Strecke ohne Behinderungen. So erreiche ich schliesslich Regensdorf.

Dort endet vorerst der einspurige Abschnitt und Gegenzüge können mich ohne Probleme kreuzen. Speziell an dieser Strecke ist, dass ich rechts fahre und das normal ist. So komme ich vorwärts und erreiche Zürich Affoltern, wo Erinnerungen wach werden.

Heute ist es eine Haltestelle, aber damals noch nicht. Die Rauchfahne des entgleisten Benzinzuges konnte ich mit eigenen Augen sehen. Die Bilder in den Nachrichten waren ebenfalls eindrücklich. Gerade jetzt, als ich mit einem ähnlichen Zug hier durch fahre, erinnere ich mich daran. Es wird Zeit, beim Zug wieder einmal nach dem Rechten zu sehen. Es scheint alles friedlich zu folgen. Ich kann beruhigt weiterfahren.

So nähere ich mich Zürich Seebach. Die Strecke fällt nun und ich muss mit dem Zug bremsen. Eigentlich spielt das keine Rolle, denn ich habe mein Ziel beinahe erreicht und muss dann so oder so anhalten. So ist es, die ersten Signale von Glattbrugg erscheinen in meinem Blickfeld. Das Ziel ist nah und in der LEA sehe ich, denn Satz, das die Lokomotive durch den Lokführer entkuppelt werden muss. Zudem steht dort, dass ich auch den Zug sichern muss.

Den eigentlichen Bahnhof von Glattbrugg kann ich passieren, ich fahre in den Bahnhofteil Tanklager ein. Vor dem nächsten Signal endet die Fahrt mit dem Ölzug. Es sind nur noch wenige Meter. Vorne sehe ich den Stationstraktor stehen. Das wird wohl bedeuten, dass ich den Satz in der LEA vergessen kann. Ich werde es gleich erfahren, denn ich habe die Haltebremsung eingeleitet und komme in Tanklager Rümlang mit 15 Minuten Verspätung zum Stehen.

 

Geändertes Programm

Nachdem ich angehalten habe, wird mir das Funkgerät der Station überreicht. Anschliessend folgt eine kurze Begrüssung. Am Morgen um 4 Uhr mag man nicht viele Worte, da geht als zackig mit knappen Worten. Mit dem Funk werde ich auch informiert, wie das anstehende Manöver abläuft. So kann ich den Satz in der LEA nun endgültig vergessen, der Zug wird mit Hilfe eines Rangierarbeiters weggestellt und die Sicherung ist damit nicht mehr mein Problem.

Der Rangierarbeiter bittet mich, bei der hinteren Lokomotive den vorderen Stromabnehmer zu heben. Das hätte ich ja eigentlich bei einem meiner Halte, zum Beispiel in Mägenwil machen können. Dann wäre nun alles etwas zügiger verlaufen. Aber man kann nicht immer an alles denken, auch wenn das erwartet wird. Zudem einen Fehler habe ich nicht gemacht, aber es hätte nun die Arbeit beschleunigt. Aber so geht das natürlich nicht.

Ich wechsle daher nun den Stromabnehmer, denn nur so kann ich die Wagen bis in die Anlage hinein schieben, ohne dass ich mit dem Ende der Fahrleitung in Konflikt gerate und die Stromabnehmer beschädige. Ich schalte die Lokomotiven aus und begebe mich auf die zweite Lokomotive, wo ich den Schalter zum Wechseln des Stromabnehmers drehe. Die Lokomotive hebt nun den vorderen Stromabnehmer und gleichzeitig wird der hintere Bügel gesenkt.

Ich kann wieder zu meinem Arbeitsplatz gehen und die Lokomotiven einschalten. Bis ich bei der Lokomotive bin, sind auch wieder alle benötigten Stromabnehmer am Fahrdraht angelegt. Gleichzeitig kann ich den Zug lösen und dem Rangierarbeiter mitteilen, dass ich für das anstehende Manöver bereit bin. Am losrollen hindern mich nun nur noch die Rangierbremse, die zur Sicherung des Zuges angezogen blieb und das Zwergsignal vor mir.

Der Rangierarbeiter verlangt beim Stellwerk die Fahrstrasse. Die Antwort bekommt er vom Fahrdienstleiter, der nicht hier in Glattbrugg zu finden ist. Ob er schon beim Flughafen sitzt, wie das geplant war? Die Gleisangaben klingen für mich sonderbar, denn so gut kenne ich den Bahnhof nicht. Die Anfrage wird bestätigt und vor mir geht das Zwergsignal auf Fahrt. Es wird gleich losgehen und ich mache mich bereit.

Am Funk erhalte ich den Auftrag in den Auszug vorzuziehen. Das quittiere ich und schalte die Fahrstufen zu. Schnell fahre ich nicht, denn mit dem schweren Zug am Haken und den rutschigen Schienen ist man schnell im Prellbock und kommt nicht mehr weg. Die Massangaben, die ich am Funk bekomme, helfen mir bei der Verzögerung. Das ist gut, denn so kann ich starke Bremskräfte vermeiden und komme nicht ins Rutschen.

Mit der Aufforderung anzuhalten, halte ich an. Am Funk erklingt die Aufforderung rückwärts ins Tanklager mit V.max. 10! Es ist ein Anschlussgleis und da darf nicht schneller gefahren werden. Die Bestätigung von mir, wird mit dem Kontrollton bestätigt und ich kann den Zug zurückschieben. Achten muss ich nun auf die Kräfte, die ich auf die Puffer gebe. Schnell ist ein Wagen aus den Schienen gedrückt, was natürlich nicht passieren darf.

Behutsam drücke ich den Zug rückwärts. 10 km/h sind nicht schnell, aber wenn man zwischen zwei Anlagen zum Abpumpen des Inhaltes hindurch fährt, ist das schnell genug. Den genauen Weg kann ich nicht erkennen, denn ich sehe wegen der Dunkelheit nicht viel und die Kurven besorgen noch den Rest. Ich bin auf die Arbeit des Rangierarbeiters angewiesen, denn er hat meine Augen um den Fahrweg zu beobachten.

Die erste Massangabe Wagenlang quittiere ich. Ich schalte gleichzeitig die Zugkraft ab. Wegen den engen Radien verzögert der Zug auch ohne grosse Bremsung. Die weiteren Massangaben muss ich nicht quittieren, aber die Fahrt immer etwas verlangsamen. Bei einem Meter fahre ich noch mit rund 2 km/h. So genau zeigt der Geschwindigkeitsmesser den Wert nicht mehr an. Am Funk höre ich „Halt“ und halte mit dem Zug an. Die Wagen scheinen dort zu sein, wo sie hin sollten.

Ich bin meinen Ölzug losgeworden. Die Wagen stehen in der Anlage und wenn die Arbeiter am Morgen kommen, können sie mit dem Entladen der Wagen beginnen. Der Flugbetrieb am Flughafen Zürich kann ein paar Stunden weiter betrieben werden. Wie weit wohl die Menge reicht, die ich hergebracht habe? Im Gegensatz zu den anderen Zügen ist meiner mit 15 Wagen nur kurz. Das reicht vermutlich nicht sehr weit. Nur, so haben wir immer noch Arbeit.

Am Funk höre ich, dass ich einen Meter vorziehen soll. Das mache ich und so muss sich der Rangierarbeiter nicht unter den Puffer durchquetschen um herauszutreten. Auch er versucht sich seine Arbeit zu bequem wie möglich einzurichten. Ich denke, dass ich heute nicht der einzige Zug bin, der hier ankommt. Die vier Geleise lassen erkennen, dass mehr Züge Platz finden, als nur einer. Doch nun höre ich die Stimme des Rangierarbeiters. Er steht neben meinem Führerstand.

Ich könne ihm den Funk abgeben. Was ich mit der Lokomotive mache? Ich melde, dass ich mit den Lokomotiven über Seebach nach Basel fahre. Ergänzt mit der Zugnummer ist er gut informiert. In meinem Rücken erkenne ich das geöffnete Zwergsignal. Der Rangierarbeiter meint, ich könne wieder in den Auszug und dort wechseln. Wenn ich dann im Abfahrgleis stehe, melde er mich beim Fahrdienstleiter. Wir wünschen uns einen schönen Tag, obwohl dieser um 4 Uhr optisch noch gar nicht begonnen hat.

Nun habe ich nur noch die Lokomotiven, daher muss ich aufpassen, dass ich nicht zu schnell werde, denn auch jetzt darf in der Anlage nur mit 10 km/h gefahren werden. Der Fahrweg ist zudem nur kurz, da bringt es nicht viel, wenn man zu schnell wird. Die letzten Meter in diesem Führerstand. Ich halte an, packe meine sieben Sachen und verlasse den Führerstand. Ausserdem beleuchte ich die rote Lampe für das Zugschlusssignal. Ist eigentlich nicht viel anders, als bei jedem Wechsel der Fahrrichtung.

Im neuen Führerstand richte ich mich ein. Dazu gehören die Daten für ZUB 121. Die Lokomotiven verkehren jetzt als Lokzug und können daher auch schneller fahren. Ich gebe die Zug- und Bremsreihe ein. Die Höchstgeschwindigkeit liegt nun bei 140 km/h. Schneller fahren meine Lokomotiven nicht mehr. Die Angaben werden auch bei der LEA gemacht. Nach der Kontrolle der Bremsen kann ich ins Abfahrgleis fahren. Dabei passiere ich den Traktor mit dem Rangierarbeiter, der auch wieder in der Wärme ist.

Nur kurz ist die Fahrt, denn vor dem ersten roten Signal muss ich anhalten. Noch schnell kontrollieren, ob auch alle Lampen so leuchten, wie ich es mir gedacht habe. Lange brauche ich dazu nicht. Gerade als ich zurück komme, wechselt das Signal seine Farbe. Ich kann mit dem Lokzug nach Basel abfahren und das Gleis im Tanklager Rümlang wieder frei geben, der nächste Ölzug kommt bestimmt. Vermutlich wird er mir noch begegnen.

 

Lokzug nach Basel

Die Lokomotiven beschleunigen schnell. Die rutschigen Schienen machen bei der Beschleunigung keine grossen Probleme. Die ersten Kilometer fahre ich wieder auf der Strecke, auf der ich gekommen bin. Das heisst, ich verlasse Glattbrugg in Richtung Zürich Seebach. Zumindest eine meiner beiden Lokomotiven hatte hier ihre ersten Gehversuche unternommen. Seebach, das war der Ort, wo Jahrzehnte die Lokomotiven der Schweiz übergeben wurden.

Wie muss das wohl gewesen sein, als hier die MFO Nummer 1 ihre Gehversuche machte? Sicher fuhr die nicht mit 90 km/h durch den Bahnhof.

Die Geschwindigkeit kann ich nicht höher ansetzen, da ich noch keine Zugkraft aufgebaut habe. Ich kann aber beschleunigen und so schneller werden. Die Strecke ist jetzt wieder doppelspurig, so dass ich wieder das rechte Gleis benutze. Es ist hier normal, falls Zweifel aufgekommen wären.

Die Einfahrt in Regensdorf ist nur mit 90 km/h möglich. Langsam rein und schnell raus. Die Alternative wäre schnell rein und langsam raus. Es spielt keine Rolle, ich kann zufahren und bin nur wenigen Minuten zu spät.

Die Zeit sollte eigentlich aufgeholt werden. Nur, der Weg ist noch lange und man kann nie sicher sein, ob nicht doch plötzlich ein rotes Licht auftaucht. Im Furttal war das nicht der Fall und erst die Einfahrt von Wettingen blieb geschlossen.

Ich komme daher zum Stehen. Ich könnte mich jetzt ja noch erkundigen, was mit meinen Lokomotiven in Basel passiert. Ich rufe daher die Lokleitung an.

Dem Mitarbeiter erkläre ich, dass die hintere Lokomotive ohne Funk sinnvollerweise nicht eingesetzt werden sollte. Er meint, das sei ein Problem, denn die Lokomotive müsse nach Chiasso, er habe keine andere Lokomotive. Ohne Funk? Das ist am Gotthard nicht sinnvoll.

Wir kommen zum Entschluss, dass ich in Basel die Lokomotiven auswechseln werde. Da ich anscheinend die beiden Lokomotiven für meine Rückleistung übernehme, stelle ich die Lokomotive Re 4/4 II so um, dass sie auch für den Heimweg an der Spitze steht. Ich habe meine Informationen und kann mich wieder um das rote Licht vor meiner Nase kümmern. Eigentlich hätte ich ja schon längst mit dem Fahrdienstleiter von Wettingen in Kontakt treten müssen.

Das erübrigt sich nun aber, da das Signal seine Farbe wechselt. Ich kann in den Bahnhof fahren. Scheinbar wurden die Bauarbeiten beendet, denn ich kann den schnelleren Weg benutzen. Das bringt mir zwar nichts, da ich so oder so nur mit 40 km/h fahren darf, denn die Ausfahrt ist geschlossen. Im Bahnhof haben sich nun die ersten Reisezüge eingerichtet. Der Personenverkehr rüstet sich langsam auf den morgendlichen Ansturm und die ersten Züge fahren bereits.

Die Nacht der Güterzüge endet nun und jetzt wird es immer enger für Güterzüge und Lokomotiven. Der Ansturm auf die Züge beginnt und da hat kaum etwas anderes auf den Strecken Platz. Mein Vorteil ist, dass ich auf den ersten Kilometer gegen den Strom fahre. Nur, hier muss ich nun das Gleis der Gegenrichtung kreuzen und dort folgen sich die Züge. Es wird im Raum Wettingen eng, denn irgendwann wird auch mein Gleis für einen Reisezug benötigt und dann sollte ich weg sein.

So ist es auch, ich kann ausfahren. Die Weichen lassen nur 40 km/h zu. Aber mit der kurzen Lokomotive ist das kein zu grosses Problem. Ich kann nun die Limmat überqueren. So kann ich einen der drei Flüsse abhaken, die hier in der Nähe zusammenfliessen. Zuerst muss ich aber noch Baden passieren. Die Bäderstadt sorgte 1847 mit ihrem Gebäck dafür, dass es zur ersten Bahnlinie kam. Der Bahnhof veränderte sich zwar, aber er hat immer noch eine enge Ausfahrt.

In einer Kurve nach der anderen fahre ich nun gegen Turgi. Hier gibt es wirklich kaum einen geraden Abschnitt und in dem Labyrinth mit Kurven begegnet mir ein Ölzug. Er ist vermutlich auf dem Weg ins Tanklager von Rümlang. Die Züge rollen nun an, so dass die Arbeiter dort immer einen Zug zum entladen haben. Die Flugzeuge müssen fliegen, dann bringen wir den Treibstoff für die einzelnen Fluggesellschaften.

Turgi erscheint langsam vor mir. Hier ändert sich der Charakter der Strecke, denn es beginnt nach dem Bahnhof anzusteigen. Dabei überquere ich den zweiten Fluss. Es ist die Reuss, die unmittelbar bei der Brücke in die Aare fliesst. Wäre es hell gewesen, hätte man vom Zug aus, auch den Zusammenfluss mit der Limmat gesehen. Ich befinde mich im Wasserschloss der Schweiz. Mehr Zeit dafür habe ich nicht, denn Brugg hat die Einfahrt noch geschlossen.

So komme ich erneut vor einem roten Signal zum Stehen. Der Grund ist klar, der Bahnhof wird von einem Arbeiterpullman verlassen und der kreuzt meinen Fahrweg. Die Doppelstockzüge platzen bald aus allen Nähten. Ich mit meinen beiden Lokomotiven wirke gegen die dreier Kompositionen eher mickrig. Nur, vor wenigen Stunden war ich mit 1‘300 Tonnen am Haken einer der schweren Züge in dieser Gegend. So ändert sich die Zeit.

Auch die Farbe des Signals ändert sich. Ich kann Brugg passieren und ohne zusätzlichen Halt in Richtung Bözberg weiter fahren. Die Station darf mit 80 km/h befahren werden. Ich sollte darauf achten, dass ich nicht zu schnell werde, denn mit dem ZUB 121 ist in Sachen Geschwindigkeit nicht zu spassen. Die Bahnsteige sind noch nicht voll von Leuten, die auf den Zug warten. Ich muss trotzdem aufpassen, dass sich niemand in den gefährlichen Bereich begibt.

Es ist selten, dass wir mit einer Lokomotive in diese Richtung durch Brugg fahren. Normalerweise befahren wir die Verbindungslinie um direkt nach dem Gotthard zu kommen. Nun befahre ich die Ausfahrt von Brugg für einmal in Richtung Bözberg. Der direkte Weg führt dabei über das Gleis zwei. So muss ich keine ablenkenden Weichen befahren und kann mit 80 km/h durch den Bahnhof fahren. Mit der Steigung gewinne ich die Höhe, dass ich zur Verbindungslinie hoch komme.

Nun befinde ich mich wieder auf einer Strecke, die ich gut kenne, denn die Rampen des Bözbergs befahren wir mit fast allen Zügen nach Basel und zurück.

Umleitungen über Olten sind selten geworden. Anders ist eigentlich nur, dass ich jetzt nach der Zugreihe R verkehre und so etwas schneller fahren kann.

Nur bin ich zu einer Zeit unterwegs, wo auch im Raum Basel die Rushhour langsam beginnt. Gut der grösste Andrang kommt noch, aber jetzt geht es langsam los.

Immer mehr gewinne ich an Höhe und kann über das Tal der Aare blicken. Die Burgen in dieser Gegend zeugen von den Tagen, als hier noch die Vögte der Habsburger regierten.

Die Schlimmsten kamen für die Schweizer von der Burg, die hoch auf dem Hügel steht. Es ist die Habsburg und somit der ursprünglichen Sitz der Feinde.

Heute will man hier den Atommüll deponieren. Zumindest steht das auf beiden Seiten der Strecke auf grossen Plakaten.

Irgendwie wirkt das Plakat neben den Reben etwas fremd. Klar ist, dass niemand den Müll will. Ich will den Lärm des Verkehrs auch nicht vor meinem Fenster. Nur, ich mache den Lärm selber, also darf ich nicht gegen diesen Lärm schimpfen. Der Atommüll in der Nähe der Kraftwerke verhindert lange Transportwege, der Teil, der wohl am gefährlichsten ist. Zumindest wenn man das den so genannten Experten glauben will.

Mit Schinznach Dorf, dem Bahnhof, der weit vom Dorf entfernt steht, drehe ich vom Tal weg und tauche in den Bözbergtunnel ein. Die völlige Dunkelheit hat mich wieder. Ich kann nach dem engen Bahnhof wieder beschleunigen und schneller fahren. Mal sehen, wie weit ich so komme. Hier kann ich noch zufahren, denn Regionalzüge gibt es nicht mehr, denn die Dörfer werden mit dem Bus besser erschlossen, als mit der Bahn, die zum Teil auf der anderen Talseite halten würde.

Lange ist der Tunnel nicht und ich verlasse ihn in Effingen. Auch hier ist die grosse Zeit längst vorbei. Reisezüge halten hier keine und das nahe Restaurant ist vermutlich auch nicht mehr lange in Betrieb. Viel Kundschaft sieht man nicht und auch die Ausbildung des Militärs im Dienst der Eisenbahnsappeure ist längst selten geworden, wenn die Gruppe nicht bereits aufgehoben wurde. Der kalte Krieg ist vorbei, die Schweiz muss sich nicht mehr um die eigenen Bahnlinien fürchten.

Das Gefälle beginnt. Ich kann nun die elektrische Bremse meiner Lokomotiven nutzen um die Geschwindigkeit zu halten. Die Neigungen sind zwar etwas steiler, aber mit der alleine fahrenden Lokomotive ist das kein Problem. Im schlimmsten Fall reicht die Nutzstrombremse auch noch aus um den Zug vor einem roten Signal zum Stehen zu bringen. Die elektrische Bremse ist eine gute Einrichtung um die Bremsklötze der Lokomotive zu schonen.

Jedoch gelingt es mir, die Fahrt ohne unnötige Bremsungen fortzuführen. Bei der ehemaligen Station Hornussen wird noch kein Schrott verarbeitet. Der kleine Schrottplatz hier hält sich hartnäckig gegen die grosse Konkurrenz. Erneut begegnet mir ein Ölzug. Auch er scheint Glattbrugg anzusteuern und wird von einem anderen EVU geführt. Die Zeiten, wo diese Züge ausschliesslich von Re 6/6 gezogen wurden, sind vorbei und jeder versucht mit diesen Zügen etwas Geld zu verdienen.

Das Tal öffnet sich immer mehr und ich nähere mich Frick. Die Kreisstadt im gleichnamigen Tal, befindet sich an den Strassenverzweigungen in Richtung der wichtigen Übergänge im Jura. Wobei hier in erster Linie die Strasse profitiert.

Die Pässe, die zwar nicht mit jenen in den Alpen mithalten können, haben jedoch wegen der Autobahn ihre Bedeutung verloren. Für mich ändert sich eigentlich nichts. Nur die S-Bahnen verkehren ab hier wieder.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich eigentlich die S-Bahnen nicht zu fürchten habe. Ich befinde mich ziemlich genau zwischen den beiden Zügen, die halbstündlich verkehren. Die Fahrt nach Basel sollte eigentlich ohne grössere Probleme möglich sein.

Die letzten Gefälle des Bözbergs stehen nach Frick an und zur rechten Hand stehen die Wagen des Zirkus Nock, der hier sein Winterquartier hat.

Jetzt, wo ich wieder schneller unterwegs bin und die Geschwindigkeiten auf 125 km/h angestiegen sind, verfliegt die Landschaft schnell.

Eiken ist passiert und schon muss ich für die engeren Bögen bei Stein-Säckingen abbremsen. Ich bin am Rhein angelangt. Das Wasser, das bei Turgi vereinigt wurde, ist hier nun ein Teil des Flusses, der die Schweiz von Deutschland trennt. Die Fahrt über dem Talboden bietet für mich noch die Schutzstrecke, so dass ich ausschalten muss.

Nach Mumpf sind auch die engeren Bögen geschafft und die Strecke wird nun gerader. Hier verkehren die Züge mit bis zu 140 km/h. Ich richte mich auf 125 km/h ein. Auch so komme ich gut nach Basel und vor mir befindet sich eine S-Bahn, die will ich eigentlich nicht mehr einholen. Die Fahrt kann ich so auch etwas entspannter angehen. Es gibt genug Tage, wo mit dem Messer zwischen den Zähnen gefahren werden muss.

Nachdem ich Möhlin passiert habe, nähere ich mich nun Rheinfelden. Eigentlich bieten sich hier keine zu grossen Schwierigkeiten, wenn man sich mit den Lärmschutzwänden nicht wieder der Aktion „Wie versteckte ich gekonnt ein Signal“ anvertraut hätte. Das Einfahrsignal mit dem Vorsignal zum Ausfahrsignal wird nur im allerletzten Moment erkannt. Gerade in dem Moment, wo ich schon fast panisch die elektrische Bremse aktivieren wollte, wird es grün. Ein Schreckmoment, den man hätte verhindern können.

Die Brauerei, die hier wohl zur Gemeinde gehört. Steht über dem Talboden. Der Aufbau der Gebäude erinnert an ein Schloss, so dass der Name des Getränks, das wohl immer noch dort gebraut wird, nicht erwähnt werden muss. Ich hingegen sehne mich nach einem Frühstück. Da Basel nicht sehr weit entfernt ist, stehen meine Chancen gut, dass mein Wunsch innerhalb der nächsten Stunde erfüllt werden könnte. Wobei ich etwas Zeit benötige, bis ich meine Lokomotive parkiert habe.

Bei Kaiseraugst verlasse ich den Kanton Aargau wieder. Die Geschwindigkeit sinkt langsam, denn ich nähere mich meinem Ziel und auch die Flugzeuge verringern dann die Höhe. Ich befinde mich sozusagen im Landeanflug auf Basel SBB RB. Noch bin ich jedoch für die Kurve zu schnell. Mit der Bremse verzögere ich die Fahrzeuge so, dass die Geschwindigkeit stimmt und mit Pratteln erreiche ich den vorletzten Bahnhof dieser Fahrt.

Die Einfahrt in Basel Rangierbahnhof ist jedoch nicht möglich. Es verwundert mich immer wieder, da kann man problemlos zufahren und die Einfahrt in den RB ist geschlossen. So regelmässig können keine Rangierlokomotiven im Weg stehen. Mit der Lokomotive mag das ja noch gehen, aber die schweren Züge müssen wieder beschleunigt werden. Die Energie, die dabei vernichtet würde, täte meiner Stromrechnung sicherlich gut.

 

Basel RB mit Parkplatzproblemen

Fahrplanmässig fahre ich in der E-Gruppe ein. Dort endet mein Zug und ich kann danach als Rangierfahrt zu meinem vorgesehenen Standplatz fahren. Beim Wechselsprecher in der E-Gruppe halte ich an. Ich melde mich und gebe an, mit welchem Zug ich gekommen bin, was ich für eine Lokomotive habe und dass ich heute im Westen einen Spezialwunsch habe. Meine Angaben wurden aufgenommen und mir mitgeteilt, dass ich meinen speziellen Wunsch direkt mit dem Stellwerk im Westen regeln soll.

Die weitere Fahrt erfolgt nach den Regeln des Rangierdienstes. Das heisst, ich fahre nur anhand der Zwergsignale weiter. Als diese Fahrt zeigen, mache ich das und kann so in Richtung Westen verschieben. Nun nehme ich den Funk und rufe das Stellwerk im Westen. Als ich Antwort erhalte, erkläre ich dem Stellwerk, dass ich irgendwo hin muss, wo ich meine Lokomotiven umstellen könne. Die Kleine müsse an die andere Seite, da die Re 6/6 nicht zuführend sein darf.

Ich erfahre, dass ich ins Gleis 51 gelassen werde. Dort störe ich nicht gross und kann meine Arbeiten erledigen. Eigentlich reicht die planmässige Nachbearbeitung für solche Übungen nicht, aber ich habe genug Pause und dann gibt es notfalls etwas Überzeit. Die Hoffnung, dass jemand mitgedacht hat und ich mit Hilfe rechnen kann, habe ich schon vor Jahren aufgegeben. Hilfe erwarten konnte ein Lokführer aus Erstfeld in Basel noch nie.

Nach dem Halt im Gleis 51 bremse ich so, dass ich hoffe, dass die Kupplung nicht mehr gestreckt ist. Sonst habe ich noch zusätzliche Arbeiten zu erledigen. Ich ziehe bei der ersten Lokomotive die Handbremse an. Danach bekleide ich mich mit dem Überkleid, den Handschuhen und, oh Wunder, es hat einen Helm, auch mit diesem. Gut, es ist ja die Zeit der Fasnacht, da kann man sich ja verkleiden. Wobei es sicher Leute gibt, die den Lokführer gerne so sehen würden.

Vor Jahren hatte man für die Arbeit noch Rangierpersonal. Das reklamierte immer wieder, dass wir faule Säcke seien und keine schmutzigen Hände wollen. Ich kann meine Hände waschen, wie der andere seine Familie ernährt, ist mir egal. Leider wurde dieses Szenario hier in Basel real. Wie gesagt, ich kann die Hände waschen. Der Rangierarbeiter ist nicht mehr hier. Der Lokführer hat gewonnen, auch wenn er jetzt schmutzig wird.

Nun, meine Stimmung ändert sich schlagartig, als ich versuche die Kupplung zu lösen. Die ist unter voller Spannung, meine Hoffnung wurde beerdigt. Erneut unter den Puffern durch, auf die Lokomotive und einschalten. Jetzt kann ich andrücken und die Kupplung entlasten. Danach darf ich dann wieder unter den Puffern durch schlüpfen um die Kupplung noch zu trennen. Danach darf ich dann erneut unter den Puffern durch um in die Lokomotive zu gelangen.

Ich greife zum Funk, melde mich mit der alten Zugnummer und erkläre, dass ich mit der einten Lokomotive bereit bin und um die andere Maschine herumfahren möchte. Das wird bestätigt und vor mir geht der Zwerg auf Fahrt. Die Rangierfahrt um die Lokomotive herum gelingt ohne grosse Verzögerung. Auf jeden Fall stehe ich plötzlich wieder vor einer Re 6/6, die mir sehr bekannt vorkommt. Ich habe mein Ziel erreicht und kann die Lokomotiven wieder kuppeln.

Da ich zuvor schon das Kabel bei der stehen gebliebenen Lokomotive eingesteckt habe, kann ich es mir ersparen, dass ich es unter den Puffer durch schleppen muss.

Um an der Lokomotive anfahren zu dürfen, benötige ich einen Befehl. Das steht in den Vorschriften so, nur ich muss mir den Befehl dazu selber geben.

Also fahre ich direkt an der Lokomotive an. Die Vorschriften mögen manchmal nicht mit dem Personalabbau mithalten.

Jetzt kann ich die Lokomotiven wieder kuppeln. Da wir das mittlerweile bald täglich machen, haben auch wir die Routine, die dazu nötig ist und die Kupplung ist daher nicht mehr ganz so schwer.

Ich verbinde nach der Kupplung, die mir natürlich jetzt im Weg ist, die Luftleitungen und das Kabel der Vielfachsteuerung.

Das UIC-Kabel kann ich mir dank einer neuen Weisung ersparen. Damit sind die beiden Lokomotiven wieder verbunden.

Ich darf wieder einschalten. Auch hier wurden die Anweisungen vereinfacht. Die Inbetriebnahme der Vielfachsteuerung erfolgt nun überall nach der Methode des Tessins. Die Lokomotive wird eingeschaltet. Schalten alle Lokomotiven ein, funktioniert die Vielfachsteuerung. Die Aktion mit Stufenschalter und Heizhüpfer prüfen sind entfallen. Wenn es funktioniert, ist gut, wenn nicht, kann man immer noch suchen. Zu gut funktioniert die Vielfachsteuerung und vorbei sind die Zeiten einer Ae 4/6.

Jetzt muss ich die Bremsprobe noch machen. Das kann ich ohne Helm und Handschuhe machen. Die Bremsen müssen geprüft werden, wenn man zwei Fahrzeuge neu formiert. Das mache ich und so funktioniert neben der automatischen Bremse auch die Rangierbremse einwandfrei. Ich bin mit den Lokomotiven bereit um zum Parkplatz zu fahren. Dieser ist mir bekannt und ich kenne den Bahnhof so gut, dass ich weiss, wo ich mich einrichten muss um nicht zu oft den Führerstand zu wechseln.

Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass fast 20 Minuten vergangen sind. Mit Hilfe, wäre das in der halben Zeit möglich gewesen. Ein Rangierarbeiter hätte die Zeit vermutlich noch mehr verkürzt. Die ähnliche Arbeit in Lupfig konnte ich vor wenigen Tagen innerhalb von 5 Minuten dank der guten Mithilfe des dortigen Rangierteams erledigen. Aber eben, Lokführer kann man nicht abbauen, zumindest noch nicht. Aber ich denke, die Pläne sind bereits vorhanden, nur fehlt der Mut.

Ich melde mich wieder beim Stellwerk. So stellen sich erneut Probleme ein, denn in meinem Gleis steht schon eine Lokomotive. Was ich denn mit meiner Lokomotive mache. Ich erkläre, an welchen Zug meine Lokomotive geht und dass das in zwei Stunden der Fall sein wird. Die Antwort freut, dann gebe es kein Problem, die andere Lok fahre später. Ich kann endlich zum Parkplatz fahren und die Lokomotiven verlassen.

Es wird Zeit, dass ich meine Hände wasche und mit dem Geld, das ich jetzt verdient habe, ein Frühstück esse. Die Zeit dazu ist reif, denn auf meiner Uhr steht 6 Uhr. Die Zeit für das Frühstück ist gekommen. Der Tag wird noch lange dauern und ich weiss nicht, wann ich ein Mittagessen bekommen werde. Eigentlich hätte ich kurz vor Mittag Feierabend, aber im Güterverkehr weiss man nie. Die Lokomotiven sind auf jeden Fall hier und korrekt abgestellt, ich freue mich auf das Frühstück.

 

Pause ohne Ende

Den Weg in das Personalrestaurant kenne ich mittlerweile ganz gut. Doch zuerst schaue ich mich im Personalraum um. Die Lokomotivführer, die dort die grosse Diskussion führen sind vermutlich international tätig und durften mir daher nicht helfen. Nur, ich will hier den Kollegen aus Basel keinen Vorwurf machen, es ist im Tessin nicht anders. Wenn ein Lokführer aus Erstfeld kommt, ist niemand zur Stelle.

Aber das wird sich in wenigen Jahren ändern, denn das Depot Erstfeld wird auf Ende 2016 geschlossen. Dann gibt es keine Lokführer von dort mehr und auch ich bin dann einer aus Basel oder Zürich, oder wo ich sonst landen werde. Die Zeit am Gotthard endet, alle werden an die weiteren Standorte verteilt werden, oder aber auf der Strasse landen. Die Entlassung von Lokführern ist durchaus ein Szenario auf das sich das Land einstellen sollte.

Noch habe ich hier Pause und daher geniesse ich mein Frühstück in der nahen Kantine. Die Diskussion um dieses und jenes Problem lasse ich sein. Ich hatte ein Problem, habe es gelöst und die Lokomotive kann zumindest noch für einen Zug eingesetzt werden. Notfalls muss man etwas mitdenken und sich selber um gewisse Angelegenheiten kümmern. Ich hätte ja nach Hilfe betteln können, nur, das mache ich aus Prinzip nicht.

Die Mappe wird bei der Garderobe hingestellt und die Jacke aufgehängt. Danach geht es zum Waschen der Hände. Ich esse mit sauberen Händen mein Frühstück. Jeder im Büro macht das auch. Etwas Seife wäre hingegen hilfreich. Nur, wo es keine hat, kann man nur noch die Reste zusammenklauben. Mit einer Mischung aus drei Spendern, gelingt es mir doch noch zu sauberen Händen zu kommen. Auch hier wurden die Stellen gestrichen, die für den täglichen Service sorgten.

Ich kann mein Frühstück zusammenstellen. Kaffee, Brot, Butter und etwas Honig. Das gehört einfach zum Frühstück. Auch wenn ich jetzt eigentlich Mittag hätte und durchaus auch eine Rösti vertilgen könnte. Ich bleibe beim normalen Frühstück und dank den neuen Gratiszeitungen kann ich mich in der Pause informieren, was wo passiert ist. Doch bis es so weit ist, sollte ich mein Frühstück noch bezahlen. Mein vorhandenes Kleingeld reicht dazu gerade noch aus.

Am Tisch, wo sich die Lokführer treffen, setze ich mich auf einen Stuhl und bestreiche mein Brot mit Butter und Honig. Die Gratiszeitung liegt so, dass ich die Schlagzeilen lesen kann. Vor Jahren waren hier noch mehrere Lokführer am Tisch und man konnte Diskutieren. Heute ist man selbst in der Pause allein und beschäftigt sich mit den Problemen. Ob das wirklich besser ist, mag ich bezweifeln, aber die andere Wahl wäre der Verzicht auf das Essen gewesen.

Obwohl die Zeitung angibt in 20 Minuten gelesen zu sein, schaffe ich es in 10. Bin wohl etwas schneller oder die Themen interessierten mich nicht gross. Die ersten beiden Bissen Brot schmeckten gut und auch der Kaffee rinnt wohlgesonnen die Kehle hinunter. Die Zeit verrinnt nur langsam. Was will ich machen, will ich die zwei Stunden hier sitzen, mich etwas hinlegen oder aber einen Spaziergang im kühlen Morgen machen?

Meine Entscheidung wird abgenommen, es erscheint ein Kollege, der ebenfalls Pause hat. So kommt man ins Gespräch und klärt die Probleme, die nicht sein sollten. Ein Funk, der nicht geht und mit dem wir auch am Gotthard unsere Probleme haben. So sollten wir mit der Konferenz fahren, nur fällt diese immer wieder aus und muss neu aufgebaut werden. Nebenbei fahren wir aber noch mit einem Zug.

Der Kollege meint, dass er im badischen Bahnhof vergeblich versucht hat, dem Funkgerät beizubringen, wo es sich befindet. Der Fehler sei bekannt, aber behoben werde er wohl nicht mehr. Warum auch, ist ja nicht so wichtig, dass die Funkgeräte funktionieren, denn schliesslich hätten wir ja alle Mobiltelefone. Etwas Sarkasmus ist bei solchen Bemerkung enthalten, aber es wirkt frustrierend, wenn man seit Monaten die gleichen Probleme meldet und diese nicht behoben werden.

Ein zweiter Kaffee ist sicherlich nicht schlecht. Die Idee findet Anklang und so gehen wir zu zweit an die nette Maschine, die uns den Kaffee spendet. Die Bedienung war auch schon freundlicher, aber auch die können einen schlechten Tag erwischen. Das kennen wir und dann sind wir meistens froh, wenn wir heil zu Hause ankommen. Immer klappt nicht alles perfekt und das Glück wurde arg strapaziert.

So vergeht die Zeit und die zwei Stunden sind schnell um. Das mit wechselnden Gesprächspartnern. Es ist ja schön, wenn sich zwei Lokführer aus Erstfeld in der Pause treffen. Nicht gerade erbaulich, wenn dann der, der später kommt, als erster wieder geht. Nur, einer fährt National und einer International. Gelitten haben bei dieser Entscheidung wieder einmal die Lokführer, die noch eintönigere Arbeit machen müssen.

Dank meiner speziellen Streckenkenntnis, habe ich heute eine nationale Tour. Eigentlich hätte ich heute Morgen mit der Schiebelokomotive nach Bellinzona fahren müssen. Dann mit einem Zug nach Arth-Goldau. Wenn der Zug pünktlich ist, wäre ich bald in Arth-Goldau. Nun verlasse ich Basel um die Zeit, wo ich eigentlich Feierabend hatte. Nicht immer sind spezielle Kenntnisse von Vorteil, aber ändern kann ich das jetzt auch nicht mehr.

Aber dank den angeregten Gesprächen mit Kollegen endet auch meine Pause bald. Ich kann mir meine Lokomotive wieder holen. Gross ist die Auswahl nicht, denn ich habe eine einzige passende Lokomotive hier in Basel. Ist die kaputt, muss ich warten, obwohl zahlreiche Lokomotiven gleicher Bauart hier stehen. Die gehören International und ich darf sie nicht benutzen. Wie gesagt, die Verlierer bei diesem Entscheid waren wieder einmal die Lokführer und einer davon geht jetzt auf die Suche nach der Lok.

 

Basel RB – Erstfeld

Im Aufenthaltsraum der Lokführer kann ich in den elektronischen Systemen nachsehen, welche Lokomotive ich nehmen muss. Es sind jene, die ich schon auf dem Hinweg hatte. Gut, dann funktionieren sie soweit, was schon beruhigend wirkt. Der Zug steht auch schon in der D-Gruppe und wartet auf mich. Es wird Zeit, dass ich zur Lokomotive gehe. Wo sie steht weiss ich eigentlich, aber in Informiere den Bahnhof trotzdem noch.

Die Inbetriebnahme erfolgt schnell. Die Lokomotiven sind wegen der Temperatur eingeschaltet und die Kontrollen hatte ich schon gemacht, als ich die Lokomotiven hinstellte. So muss ich nur die Punkte kontrollieren, die auch im Stillstand ansprechen können. Das sind ein paar mechanische Teile und die Relais. Aber es ist noch alles so, wie ich es verlassen habe. Die Lokomotive ist gut und ich denke, dass ich damit ohne grössere Probleme nach Hause kommen werde.

Ich greife zum Funk und melde meine Fahrbereitschaft. Auf diesem Führerstand scheint er zu funktionieren. Danach folge ich den Zwergsignalen und nach zweimaligem Wechsel des Führerstandes bin ich am Ziel angekommen. Ich stehe vor dem Zug. Es sind Wagen, die für den Transport von Blechrollen vorgesehen sind. Lang wird der Zug daher auch nicht sein. So habe ich heute nur kurze Züge, was aber nicht heisst, dass sie leicht waren. Auch hier gehe ich von einem grösseren Gewicht aus.

Erneut verkleide ich mich als Rangierarbeiter. Die Lokomotive muss ich selber anhängen. Das ist auch üblich und die Zeit dazu habe ich. Der Rangierarbeiter hat dafür Zeit, die Stellenanzeiger zu lesen. Die Arbeiten sind bekannt und jeder folgt einer eigenen Linie, die er für gut und praktisch findet. Aktionen wie Kaizen und andere fremdländische Begriffe wirken beim Lokomotivpersonal nicht ganz so, wie sich das die Chefetage vorstellt.

Es dauert noch ein paar Jahre, bis man auch auf den Lokomotiven den gut ausgebildeten und teuren Facharbeiter durch einen verblödeten und billigen Halbroboter ersetzt hat. Wichtig bei der Idee ist jedoch nicht die Sicherheit, denn die wird nur vorgeschoben, wenn es gilt die Leute zu beruhigen. Wichtig ist, dass der Mitarbeiter möglichst billig ist und die Chefetage möglichst hohe Gehälter beziehen kann. Wenn das beim Lokomotivpersonal nicht ganz funktioniert, ist das ein Problem. Nur, das Problem liegt beim Land und nicht beim Arbeitgeber Bahn.

Die Wagen sind angekuppelt und ich kann zur Lokomotive gehen. Ich löse den Zug, bremse die Lokomotive mit der Rangierbremse und der Handbremse. Schliesslich verlasse ich ja die Lokomotive und dann muss die gesichert sein. Ich gehe nach hinten und sehe nach, ob beim ersten Wagen die Bremse gelöst ist. Das ist sie und ich kann wieder zur Lokomotive zurückkehren und die automatische Bremse des Zuges anziehen.

Nun gehe ich wieder zum Wagen und kontrolliere, ob die Bremsklötze fest am Rad anliegen. Ein paar Meter sind es schon, bis ich am Ende der Lokomotive ankomme. Die Hilfsmittel sind vorhanden, also nutze ich sie und stosse mit dem Stab gegen den Bremsklotz. Keine Regung, der scheint sich festgefressen zu haben. Das ist gut, denn für mich bedeutet das, dass die Bremse anliegt. Ich kann mich um den nächsten Schritt kümmern.

Papiere sind auch nötig, denn ohne fährt kein Güterzug. Die habe ich noch nicht und so mache ich mich auf den Weg zu den Ablagen. Den Zug kann ich gut stehen lassen, er ist mit der automatischen Bremse gebremst, bei den Lokomotiven sind zusätzlich die Rangierbremse und eine Handbremse angezogen. Da muss viel schief gehen, dass der Zug zu rollen beginnt. So kann ich beruhigt zu den Schriften gehen. Die Fächer sind beschriftet, so dass ich meinen Bund schnell finde.

Neben den Zolldokumenten gehört auch die Belastung für mich dazu. Die fehlt nicht und liegt auf den Schriften. So sehe ich gleich, was mich erwartet. Die Wagen haben ein Gewicht von 1320 Tonnen und sind wohl sehr gut beladen, denn das Bremsverhältnis ist nicht besonders gut. Einfach gesagt, genau gleich, wie beim Ölzug am frühen Morgen. D 65 steht auf dem Papier. Das ist zwar wenig, aber reicht trotzdem für angenehme Geschwindigkeiten.

Ich kann zu meinen Zug zurückkehren. Der Weg führt über Geleise, die natürlich von Rangierlokomotiven und Zügen befahren werden. Man muss schon aufpassen, denn schnell steht man vor einem Zug und dann ist es passiert. Die knirschenden Bremsen und das panische Hupen sind dann wohl das Letzte, das man hört. Gut, Lokführer sind Verbrauchsmaterial und der Ersatz ist schnell da. Zumindest dann, wenn nicht alle nein Danke sagen und die Informationen unbeantwortet lassen.

Auf der Lokomotive füttere ich ZUB 121 mit den notwenigen Daten. Das ist nötig, denn ohne diese kann ich nicht fahren. Bei Lokomotiven mit ETCS wären weitere Daten zu füttern. Ich bin schon fast überrascht, wie schnell das geht. Auf jeden Fall ist es gemacht und ich widme mich der LEA, denn auch dort werden die Angaben eingegeben. So weiss ich nun, wie schnell ich fahren kann. Da ich die Bremsen des Zuges löste, bevor ich die Daten eingab, kann ich nun nachsehen, ob die Bremsen wieder gelöst haben.

Erneut verlasse ich die Lokomotive und begebe mich zu den Wagen. Den Stab schlage ich gegen den Bremsklotz. Der Bewegt sich nur schwach. Kein sehr gutes Zeichen. Da hilft nur ein Schlag gegen das Rad. Ein helles Klingen ertönt. Aha, die Bremsklötze liegen knapp an, sind aber lose. Die Bremse ist gut! Der Zug ist fahrbereit, ich kann am entsprechenden Kasten den Schalter drücken. Zug Fahrbereit leuchtet und ich kann mich wieder an meinen Arbeitsplatz begeben und die Handbremse lösen.

Nun heisst es warten, bis das Signal vor mir auf Fahrt geht. Ob das vorzeitig sein wird, oder pünktlich, weiss ich nicht. Zumindest habe ich noch 15 Minuten Zeit, bis ich Verspätung habe. Ein Problem damit gibt es aber nicht, denn vor mir wechselt das Signal die Farbe. Grün ist eine schöne Farbe. Besonders dann, wenn man nach Hause will. Der Zug startet vorzeitig, wie lange das so sein wird, weiss ich nicht, denn es ist eine lange Reise nach Hause.

Den Weg kenne ich, ich kenne auch den Fahrplan und weiss, wann ich wo sein muss, damit ich optimal in die Reisezüge passe.

Wäre schön, wenn das vom Fahrdienstleiter positiv aufgenommen würde und wir nicht unnötig abbremsen müssten. Weil das Personal oft versagt, soll eine elektronische Lösung her.

Dann sollten die Züge optimal verkehren, was die Kosten für die Energie senkt. Auf jeden Fall benötige ich jetzt eine grosse Menge davon, denn ich muss beschleunigen.

Langsam wird der Zug schneller. Im Bahnhof ist es zwar noch flach, aber da kann ich nur auf 40 km/h beschleunigen. Wenn ich dann schneller werden muss, befindet sich der grösste Teil in der Steigung.

Da ich auch jetzt wieder die Re 4/4 II an der Spitze habe, kann ich nur auf der Seite des Heizers den Zug mit dem Spiegel kontrollieren.

Ich muss daher aus dem Fenster sehen, denn die Wagen sehe ich nur auf meiner Seite. Die rollen aber friedlich hinter der Lokomotive her. Der kalte Fahrtwind weht um meine Ohren.

Pratteln ist eigentlich erreicht und ich könnte schon länger mit 80 km/h fahren. Ich erreichte bisher gerade einmal 60 km/h. Der Zug ist schwer und die Steigung steil, da erreicht man auch mit zwei Lokomotiven keine Wunder. Dem Bahnsteig entlang kann ich dann langsam auf 80 km/h beschleunigen. Schneller darf ich nicht werden, denn nach dem Bahnhof folgt eine enge Kurve, die nicht schneller befahren werden darf.

Nach der Kurve kann ich dann auf 100 km/h beschleunigen. Das ist die Reisegeschwindigkeit dieses Zuges. Selten werden diese Werte nicht unterschritten und es gibt sogar Abschnitte, wo ich so oder so auf 80 km/h beschränkt bin. Nur, wenn die dann kommen, bin ich bald zu Hause. Was ich auch wäre, wenn ich meine ursprüngliche Tour gehabt hätte, so aber bleibt mir nur der Heimweg, der soeben begonnen hat. Mit 8 Minuten Vorsprung kein ausreichendes Polster.

Die Bahnhöfe Kaiseraugst, Rheinfelden und Möhlin waren kein Problem. Jetzt sinkt die Geschwindigkeit etwas. Zwar bekomme ich mit dem Bremsweg nur im nachfolgenden Gefälle Probleme, aber auch in der Steigung muss ich langsamer fahren. Das ist nun mal so und ich hoffe sogar, dass niemand auf die Idee kommt und das Land mit einer Vielzahl von Geschwindigkeitsschwellen zu zupflastert. Es reicht, wenn wir wesentlich mehr Signale beachten müssen.

Es spielt bei einem schweren Güterzug auch keine grosse Rolle, denn ab dem nächsten Bahnhof fahre ich wieder mit der Geschwindigkeit der Strecke. Dann merkt das niemand und zudem, ich bin gut in der Zeit. Eilig habe ich es nicht, ich muss pünktlich in Erstfeld sein und nicht zu früh. Was bringt es, wenn ich zu früh bin und ich dann noch dafür bestraft werde? Genau nichts, und so lasse ich es lockerer angehen. Ich fahre, wenn ich fahre, wenn das mit dem Fahrplan passt ist gut, oder etwa nicht?

Zudem kann ich nur schnell fahren, wenn ich mich in Steigungen befinde. Geht es wieder hinunter, muss ich langsamer fahren. Scheinbar bin ich auch so schnell genug, denn ich fahre mit 15 Minuten Vorsprung durch Stein-Säckingen. Vor der S-Bahn sind wir mit den Güterzügen halt sehr schnell. Dahinter wird es gemütlicher. Mal sehen, wo ich das erfahren werde. Eine S-Bahn auf meinem weiteren Weg wird mich einbremsen. Das ist fast so sicher, wie das Amen in der Kirche.

Mit der Durchfahrt in Frick sind auch die S-Bahnen vorerst vom Tisch. Bis Brugg gibt es keine und daher kann ich zufahren. In der Steigung ist das gut, denn ich möchte den Zug nicht beschleunigen. Die Zeit dazu hätte ich zwar, aber die Energie sollte doch nicht verschwendet werden. Ich reguliere meine Zugkraft so, dass ich die Geschwindigkeit halten kann. Nicht immer liege ich damit aber beim maximal möglichen. Die Lust zu rasen ist mir vergangen.

Viel bot der Bözberg eigentlich nicht. Ausgenommen davon, dass ich etwas langsamer zu Tal fahren musste. Die elektrische Bremse reichte nahezu aus, aber ich musste trotzdem noch auf eine Kurve bremsen, so dass ich das gleich mit dem Sägezahn, der auch hier gemacht werden sollte, verbinden konnte. Besser gelang es mir eigentlich noch nie, aber es gibt auch die Momente, wo man mächtig stolz auf sich sein kann. Sie sind zu selten.

Brugg VL mit genau 80 km/h das ist schon fast perfekt. Nun steigt die Geschwindigkeit wieder, ich beschleunige den Zug mit maximalem Strom. Damit gewinne ich im flachen Abschnitt einen grossen Teil der Geschwindigkeit. Die Strecke nach Lupfig ist zu steil um mit den schweren Zügen zu beschleunigen. Es gelang mir, den Zug auf maximal Geschwindigkeit zu beschleunigen. Viel gebracht hat es mir nicht, denn die Einfahrt von Lupfig ist geschlossen. Nein, war geschlossen, aber gebremst hatte ich schon.

Der Schwung wurde gebrochen. Bis ich die verlorene Geschwindigkeit wieder ergänzt habe, dauert es. Distanz habe ich kaum, denn orange Signale sehe ich auf den nächsten Kilometer keine mehr. Wenn ich nicht wüsste, dass man nicht absehen konnte, dass die Rangierlok in Lupfig nicht rechtzeitig aus dem Weg kommt, hätte man den Güterzug ja informieren können. So wird Energie vernichtet, die ich zum Glück nicht bezahlen muss, ich wäre vermutlich längst pleite.

Erst in Othmarsingen habe ich mich wieder an die erlaubte Geschwindigkeit herangetastet. Ich kann in die Südbahn einschwenken und das ist eine gute Zeit um zu schauen, wo denn die S-Bahnen sind. Eine liegt 10 Minuten hinter mir und die andere 20 Minuten vor mir, so kann ich vermutlich normal zufahren. Es sei denn, irgendwo wird gebaut und der Zug muss anhalten. Eine Vorwarnung, das dem so sein wird, wird es nicht geben. Auf jeden Fall fahre ich voll zu, denn als Lokführer braucht es Nerven wie Drahtseile, auch wenn die recht dünn sind.

Es war schon fast überraschend, ich bekam die Information, konnte mich optimal einrichten und benötigte die automatische Bremse nur um zu kontrollieren, ob sie noch funktioniert. So fährt der Zug optimal und die Strecke kann zudem auch bei Schwierigkeiten optimal ausgelastet werden. Dem Abschnitt zwischen Sins und Oberrüti schaffte ich so gut und die S-Bahn in Gegenrichtung muss nicht wegen dem Güterzug warten.

Rotkreuz bietet wieder die Möglichkeit zu prüfen, wie man unterwegs ist. Ich liege etwa 20 Minuten vor dem Fahrplan. Wie lange das noch so sein wird, weiss ich nicht. Die Fahrt führt nun nach Immensee, wo ich wieder auf die Strecke der Gotthardbahn komme. Arth-Goldau könnte noch heikel werden, denn dort sind die schnellen Züge, die ankommen und wegfahren. Mit dem Güterzug die richtige Lücke zu treffen ist schwer.

Dass es mir nicht gelungen ist, merke ich in Arth-Goldau. Ich komme vor dem Ausfahrsignal zum Stehen. Neben mir steht noch ein anderer Güterzug, der mit gemieteten Lokomotiven bespannt ist.

Wer mit diesen Zügen fährt, weiss ich nicht. Ich auf jeden Fall noch nicht. Die Minuten verrinnen nicht sehr lange ich kann dem Zug mit der BR 189 folgen. Der wird ja wohl schneller sein als ich. Nur, nach dem Bahnhof wirkt sich das noch nicht aus.

Ich schaffte es, dass ich ohne Verzögerung beschleunigen konnte. Die Strecke wird jetzt mit 75 befahren, dann darf ich auf 80 beschleunigen. Die Langsamfahrstellen, die nur 80 km/h zulassen kümmern mich daher nicht besonders, denn schneller fahren darf ich nicht.

Moment, war am Morgen nicht eine mit 60 km/h vorhanden? Genau, hier wurde die Geschwindigkeit vor zwei Stunden geändert. Erkennen kann ich das an den Angaben in der LEA.

Auf jeden Fall fährt der Lokführer auf der BR 189 sehr gut, denn ich merke ihn nicht und kann bis zur Schutzstrecke vor Schwyz ungehindert zufahren. Es ist die letzte Schutzstrecke am heutigen Tag, die ich passiere. Die Uhr zeigt gerade ein paar Minuten vor 11 Uhr an. Noch habe ich einen kleinen Vorsprung auf den Fahrplan.

Auch Schwyz, Brunnen und Sisikon sind längst passiert, als ich mich Flüelen nähere. Ein Punkt, der immer wieder für Überraschungen sorgt. Wieso dem so ist? Seit die Bauarbeiten soweit fortgeschritten sind, dass ausgerechnet auf einer der wichtigsten Nord-Süd-Achse ein dauernder einspuriger Abschnitt von einem Jahr Dauer, eingerichtet wird, grenzt an Wahnsinn. Dort durchzukommen grenzt schon fast an ein Wunder, doch es gelingt mir, so dass ich sogar noch mit 30 Minuten Vorsprung durch fahren kann. Feierabend ich komme!

Eigentlich hat alles geklappt und ich glaubte an ein Wunder. Auf dem Boden der Realität lande ich vor dem Einfahrsignal von Erstfeld. Es ist ja klar, wenn man es in den Bahnhof schafft, hat man Glück, oder arbeitet sicher nicht bei SBB Cargo. Nirgends in der Schweiz ist die Diskriminierung von SBB Cargo gegenüber anderen EVU so offensichtlich, wie hier. Ob das damit zusammenhängt, dass der Bahnhofvorstand und der Chef der BLS Erstfeld Nachbarn sind?

Es ändert sich nichts, ich komme vor dem Einfahrsignal zum Stehen. Das bedeutet, ich befinde mich gerade einmal 500 Meter von meinem Bett entfernt. Dort entstieg ich vor bald 12 Stunden und nun muss ich warten, bis es dem Bahnhof angenehm ist, einzufahren. Wäre ja schön gewesen, ich hätte vor der Sitzung noch ein oder zwei Minuten Schlaf gekriegt. Noch ist es nicht so schlimm, denn ich stehe erst seit 2 Minuten und 55 Sekunden.

Gerade hier wird pingelig genau auf die Uhr geschaut. 2 Minuten 57, ich drücke auf die Taste 2 und rufe den Fahrdienstleiter. Die Antwort überrascht mich keineswegs, denn erstens ist eine Stimme, die man kennt, leider nicht von der guten Seite. Andererseits die Aussage, dass ich nicht einfahren kann, weil ein anderes EVU beschlossen hat, den Zug im Bahnhof stehen zu lassen, ärgert ein wenig. Aber in Erstfeld erwarte ich eigentlich keine andere Antwort.

Ich richte es mir auf der Lokomotive bequem ein. Immer nur auf das rote Signal starren, macht wenig Sinn. So kann ich etwas ausruhen. Die Minuten und mein Vorsprung verrinnen. Es dauert und dauert und dauert. Nur, grün wird es bei mir nicht. Die Reisezüge verkehren neben mir und sogar ein Güterzug ist in Richtung Norden ausgefahren. Ich stehe vor dem Signal und bewundere ein rotes Licht. Farbwechsel gibt es keinen.

Endlich, das Signal wechselt die Farbe. Ich habe eine Verspätung von 20 Minuten. 45 Minuten stand der Zug von SBB Cargo vor dem Einfahrsignal. Die Nerven wurden arg strapaziert. Kaum habe ich beschleunigt, kommt der Fahrdienstleiter am Funk. Ich müsse vor dem Mittelzwerg anhalten. Hm, das kommt gar nicht gut, denn mein Zug ist kurz, aber nicht so kurz und warum muss ich Mitte Gleis anhalten? Die Übersicht habe ich ja, denn der Bahnhof ist ja beinahe leer. Es fährt nur ein Güterzug von Basel her ein.

Die Idee mit dem Mittelzwerg lasse ich sein, denn so behindere ich zwar nicht mich, aber den Kollegen, der oben beim Abschnittsignal wartet. So ziehe ich vor, bis ich beim Kollegen stehe. Damit halte ich nicht vor dem Mittelzwerg, aber zumindest so, dass der Zug im Bahnhof angekommen ist. Die Fahrt hat ein Ende gefunden. Die Uhr wird bald 12 Uhr schlagen und ich bin doch etwas genervt, aber das passiert nun wirklich nur in diesem Bahnhof und unser Problem ist, dass es immer unser Feierabend ist, der sich in die Länge zieht.

Die Worte des Kollegen aus dem Tessin, der mich ablöste, schreibe ich nicht nieder. Erstens ist es nicht jugendfrei und zweitens verstand ich davon nur die Hälfte. Auch er verleiht seiner Begeisterung Ausdruck. Ich kann absteigen und meine Sachen wegräumen. 20 Minuten Plus. Grund Bahnhof Erstfeld. Das klingt immer gut. Leider für uns zu oft, aber eben, 2016 ist es vorbei, der Bahnhof wird ferngesteuert und die Lokführer sind die Stelle los.

 

Ach, wenn ich nur ins Bett könnte

Der Morgen war lang, die Nacht kurz und ich bin soeben ab der Lokomotive gestiegen. Somit kann ich mich auf den Rückweg machen. Nur, ich muss lange warten, bis ich etwas Schlaf erreichen kann, denn am Nachmittag steht noch eine Sitzung an. Was diese bringen soll, weiss ich noch nicht, aber sie bringt mich um meine wohlverdiente Ruhe. Aber zuerst muss ich den Weg ins Depot finden. Schwer ist er nicht und ich muss keine Hauptgeleise überqueren.

In der Remise gehe ich an den Lokomotiven vorbei, die zum historischen Bestand gehören. Hatten die Kollegen damals auch solche Frühdienste? Wie lösten die das mit den fehlenden Lokomotiven und wie um alles in der Welt funktionierte die Eisenbahn ohne Funk und Mobiltelefon. Das gab es damals nicht und man musste andere Lösungen suchen. Die fand man indem man die Lokomotiven ins Depot schickte.

Dort gab es die Ansprechstellen, die einem Lokführer weiter helfen konnten. Heute rund 100 Jahre später weiss ich nicht genau, wo mein Ansprechpartner ist und ausser einer Nummer ist er für mich nur eine Stimme. Persönlicher Kontakt ist scheinbar nicht mehr gefragt, denn auch die letzte Bastillion von Personal vor Ort wird nächstens abgebaut. Wer International arbeitet, findet die Ansprechstelle in Olten. Natürlich unter der Nummer 012 345 67 89.

National ist eine andere Stelle irgendwo in der weiten Welt mit einer anderen Telefonnummer zuständig. So arbeitet der Lokführer ohne persönlichen Kontakt und die Eisenbahn wird einsamer. Statt, dass man die Person sieht, bekommt man eine Telefonnummer und ein Foto. Das ist wichtig, denn so kann ich der Stimme ein Gesicht zuordnen, auch wenn ich es nie zu sehen bekomme. Modern geworden ist die Eisenbahn.

Ich bin beim Schaltwärter. Sie werden in den nächsten Monaten verschwinden, dann sehe ich meine Lokomotive in einem System und suche sie dann. Bei Fragen rufe ich die Nummer an, die dann ebenfalls keine Ahnung hat. Nur, würden die Lokführer nicht die halbe Zeit in der Pause damit aufbringen zu managen, würde vermutlich schon lange nichts mehr gehen. Wie soll ein Mensch am anderen Ende der Schweiz wissen, was hier wo ist?

Ein paar Lokführer stehen beim Schaltwärter. Ich werde angesprochen. Ja, die Schichten, die sind ein Thema. Besonders Arth-Goldau hat einen Dienstplan bekommen, den auch ich nicht gut finde. Andere Lösungen gab es nicht und die Stellen, die eigentlich zu entscheiden hatten, machten alles, nur nicht ihre Arbeit. Wir von der Fachgruppe dürfen nicht entscheiden, was richtig und was falsch ist. Reklamationen sind daher sicher nicht an mich zu richten.

Ist ja schön, am Nachmittag soll es genau um dieses Thema gehen. Ein Morgen, bei dem ich wieder mit den Lokomotiven kämpfte, an dem ein Bahnhof nicht genau das machte, was er sollte, geht zu Ende. Am Nachmittag soll ich noch erfahren, was bei der Einteilung passiert ist und wie man das Problem lösen soll. Fehler haben wir auf jeden Fall gemacht, aber für die grössten Probleme können wir von der Fachgruppe nichts. Irgendwie fühle ich mich als Sündenbock für alle Probleme der Welt.

Was letztlich bei der Sitzung herausgekommen ist, lasse ich offen. Die Probleme des Depots wurden damit auf jeden Fall nicht gelöst. Das Problem ist, dass die Dienste sehr stark in der Nacht liegen und dass die Stimmung mit dem Entscheid, dass hier die Tore geschlossen werden, so oder so mies ist. Da wird man nie zufriedene Leute haben, denn wer wartet schon gerne darauf, dass er den Job los wird?

Ach ja, ich habe erfahren, dass seit Stunden die Mobiltelefone der Lokführer nicht mehr funktionieren. Beim Anbieter ist eine Panne aufgetreten, die dazu geführt hatte, dass alle Anschlüsse gekappt wurden. Bemerkt hatte ich das nicht, nur wie soll ich dann meine Ansprechpartner irgendwo im Land erreichen? Ohne Mobiltelefon geht nicht mehr viel, wenn dann der Anbieter dieser Telefone ein Problem hat, steht die Bahn vielleicht eines Tages still und kann dafür nichts.

Bis es so weit ist, muss ich aber wieder das Bett aufsuchen, denn morgen habe ich den nächsten Frühdienst und der geht ebenfalls sehr früh los. So lege ich mich nach dem Essen ins Bett und versuche genügend Schlaf zu bekommen. Freizeit an diesem Arbeitstag hatte ich gerade um etwas zu essen und mich um die Post zu kümmern. Die Tage bei Frühdienst sind einfach lang und die Nächte kurz. Auf jeden Fall freue ich mich auf die erste Woche Nachtdienst.

Doch damit ich überhaupt schlafen kann, begebe ich mich zum Schrank mit den Medikamenten. Dort greife ich nach einer Schmerztablette. Der Geruch des Tabaks konnte den süsslichen Geruch im Führerstand nicht verdrängen. Seit Stunden kämpfe ich mit Kopfschmerzen, die nicht sein sollten. Erst als diese wirkt schlafe ich ein und der Tag ist vorbei und wird durch den nächsten Tag abgelöst werden, was dann passieren wird, weiss ich jetzt noch nicht.

 

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