Erstfeld - Zürich-Mülligen - Härkingen

Es ist Donnerstag und die Sonne erhellt den winterlichen Tag im Februar. Das Wetter ist kühl, aber für diese Jahreszeit recht angenehm. Die Uhr zeigt kurz nach 14.00 Uhr und ich bin soeben aus dem Bett gestiegen. Der Nachtdienst von letzter Nacht hatte etwas länger gedauert, denn ich hatte etwas Pech. Unmittelbar vor mir blieb ein Zug liegen. Ausweichen konnte ich nicht, da ich den vorhandenen Spurwechsel bereits passiert hatte.

Ausgerechnet knapp unterhalb Effingen, also dort wo der Bözberg am steilsten ist, blieb der Zug vor mir hängen. Scheinbar hatte er die rettende Ebene vom Bahnhof ganz knapp nicht erreicht. Als ich erfuhr, was passiert war, stand ich natürlich auch schon vor dem rot zeigenden Blocksignal und war allen Möglichkeiten beraubt worden.

Meine Freude hielt sich natürlich in Grenzen, aber machen konnte ich nichts. Nur ein paar Meter hätten es anscheinend sein sollen, meinte der Fahrdienstleiter. Nun, eigentlich hätte ich ja meine Lokomotive abhängen können und dem Zug den Schubs in den Bahnhof noch geben. Scheinbar ging das nicht, weil der Zug wegen einem Defekt an der Lokomotive am Ausrollen war. Die Ersatzlok sei zudem schon bald in Effingen und stamme von einem anderen Zug.

Nun, ich weiss aus Erfahrung, dass das lange bedeuten kann. Bald ist ein dehnbarer Begriff, der oft benutzt wird, um die Lokführer ruhig zu stellen. So richtete ich mich auf eine längere Warterei ein. Was beim Zug vor mir los war, erfuhr ich nicht näher. Zu welchem EVU er gehörte ist auch nicht bekannt, aber ich vermute, dass es ein Zug mit einer Lokomotive der DB war, denn mittlerweile fahren ja nur noch die regelmässig mit einer Lokomotive und schwerer Last über den Bözberg.

Mir blieb also nichts anderes übrig, als das rote Licht vor mir, wie ein Stier in Spanien anzustarren. Gut, so ernst starrte ich auch wieder nicht, aber ein paar kontrollierende Blicke gab es schon.

Ich machte es mir einfach bequem und döste etwas vor mich hin. Schliesslich bin ich nicht in Spanien. Ein Magazin zum Lesen habe ich immer in meiner Mappe. Das musste herhalten um zu verhindern, dass ich einschlief.

Nach 70 Minuten wurde das Signal vor mir grün. Die Blockade war weg und der Weg für mich scheinbar frei. Der Fahrdienstleiter informierte mich sogar darüber. Ein flotter Zug, der leider nicht oft vorkommt. Zeit das Magazin wegzulegen und selber wieder loszufahren. Auch für mich war es jedoch nicht leicht Schwung zu kriegen. Mit 1‘578 Tonnen am Haken und einer Re 10 geht es schon, aber eben auch nicht gerade schnell. Schliesslich soll die Kupplung heil bleiben.

So kam es, dass ich mit meinem Zug mit 1,5 Stunden Verspätung in Erstfeld ankam. Warum so viel? Ich war in Basel schon zu spät losgefahren und jetzt das. So kam ich erst gegen 4 Uhr morgens in Erstfeld an und hatte Feierabend. Bis ich im Bett war, zeigte die Uhr bald fünf Uhr. Schliesslich musste ich mich auch mental vom Tag verabschieden und das ging diesmal wegen der Störung nicht so leicht. Aber so gegen fünf Uhr konnte ich dann ins Bett gehen.

Wenn ich im Winter so lange schlafe, hat das nicht nur Vorteile. Zwar bin ich ausgeruht und wieder fit für den heutigen Abend, aber bei mir geht jetzt bereits die Sonne unter. Hohe Berge sorgen dafür, dass ich die Sonnenscheindauer von 4 Stunden verschlafen habe. Jetzt kann ich nur noch die letzten Sonnenstrahlen sehen, die so „Guten Abend, Erstfeld“ zu sagen scheinen. Für mich ist aber früher Morgen.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Dämmerung einsetzt und die Nacht wieder obsiegt. In einer Woche mit Nachtdienst lebt man an den Tagen vorbei. Besonders im Winter, wenn die Sonne wegen den hohen Bergen nur kurz scheint, gibt es dann Tage, wo man die Sonne nicht zu sehen bekommt. Vampire hätten wohl an so einem Leben Freude. Nur mir fehlt aber doch etwas das Tageslicht, denn schliesslich bin ich ein Mensch. Glaube ich zumindest noch.

Dumm dabei ist eigentlich nur, dass ich heute erneut eine lange Tour fahre und so auch der für morgen angekündigte schöne Tag an mir vorbei gehen wird, ohne dass ich davon etwas erlebt hätte. Danach sieht es für mich wieder besser aus. Vom Wetterbericht kann man das jedoch nicht sagen, aber ich nehme es wie es kommt. Die Tage, wo es mich besser treffen wird, werden auch noch kommen. So wird es aber auf meine freien Tage hin regnen oder schneien.

Die Zeit bis zum Beginn meiner Arbeit verbringe ich mit dem lesen der Zeitung vom Morgen. Erst danach schalte ich den Radio an und höre die Nachrichten. Natürlich mit dem Dementi, dessen, was ich in der Zeitung gelesen habe. Doch die Nachrichten in der Zeitung waren auch regional und das fehlt im staatlich organisierten Radio. Regionale Sender habe ich nicht eingestellt, das Musikprogramm trifft dort nicht gerade meinen Geschmack.

Die Arbeiten, die ich noch schnell machen wollte, muss ich jedoch bald einmal abbrechen, denn meine freie Zeit, die wir Ruheschicht nennen, ist bald vorbei. Ich kann mich dann warm einpacken und den Weg durch die dunkle Gemeinde auf mich nehmen. Bevor es aber soweit ist, bekämpfe ich das Hungergefühl mit einer warmen Mahlzeit. Etwas Warmes im Magen hilft die Kälte besser zu ertragen, denn die Nacht soll kalt werden. Das meinte zumindest der Wetterbericht.

Kurz nach 18.00 Uhr verlasse ich meine Wohnung durch die Haustür. Eingepackt mit warmer Jacke und ebenso warmer Mütze spüre ich Kälte kaum. So wird mir trotz schwindender Haarpracht im Winter nicht so schnell kalt. Was die Natur nimmt, gleicht ein Fell wieder aus. Auch wenn es keines von einem edlen geschützten Tier ist, es gibt warm und das reicht mir. Ich muss nicht elegant aussehen, wenn ich zur Arbeit gehe.

Die Strassen sind trocken, es hatte lange keinen Niederschlag mehr gegeben und der Winter war ausgesprochen arm an Schnee. Die wenigen Zentimeter, die vor einer Woche gefallen sind, liegen immer noch. Mir war es recht, viel Schnee brauche ich auch auf den Schienen nicht unbedingt. Diese Erfahrung hatte ich schon und zwei Meter Schnee im Bahnhof ist nicht mehr lustig, ich kenne das.

Der Weg durch die Gemeinde ist nicht neu und so kenne ich die gefährlichen Stellen, die Leute und die Zeit, die ich für den Weg benötigte. Mit der kurzen Diskussion habe ich nicht gerechnet, aber knapp wurde es nicht.

Meine LEA muss zwar noch neue Daten haben, aber dazu habe ich noch genug Zeit. Letztlich erreiche ich das Depot mit dem Krokodil, das noch hier steht. Nur wie lange das noch sein wird, weiss ich nicht.

Zuerst steuere ich den Kasten an. Im Fach sind neue Informationen gekommen. Die Entnehme ich, greife am Boden zur Mappe und schliesse den Kasten wieder.

Die Griffe werden jeden Tag wiederholt und so weiss ich, wo ich hin greifen muss, ohne dass ich danach sehe. Ich kann den Raum wieder verlassen und zum Aufenthaltsraum gehen. Dort stelle ich die Mappe auf den Tisch und verstaue die, dem Kasten entnommenen Dokumente.

Nachdem ich die Mappe geöffnet habe, kann ich die LEA aus der Mappe nehmen. Das Teil hat auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel und es treten immer häufiger Störungen auf. Das Update der Daten muss regelmässig gemacht werden. Nach einem Wochenende kann man bald kein normales Update mehr machen, weil die LEA dann blockiert. Nur mit einer neuen Datenbank kommt man dann weiter.

Ja, das Gerät hat seine besten Tage hinter sich, es wird Zeit, dass die Ablösung kommt. Schliesslich muss das Gerät funktionieren, wenn wir damit arbeiten müssen. Heute sollte ich aber keine Probleme haben, denn die Daten sind nicht so alt, dass ich Probleme beim Update erwarte. So bleibe ich auch noch Aktuell, wenn ich ins Wochenende gehe.

Was früher das Büro der Leitstelle war, ist nun die Stelle mit dem Update für die LEA. Hier treffen sich die Lokführer und können über diverse Sachen diskutieren. Während die LEA neue Daten lädt, schaue ich nach, ob meine Tour immer noch so ist, wie es geplant war. Das ist so und ich kann mich wieder um die LEA kümmern. Die Daten sind herunter geladen und das Gerät organisiert sich neu. Eine lästige Sache, die uns bei der Arbeit blockiert.

Ein Kollege erkundigt sich, ob ich denn die Tour schon gemacht hätte. Nein, das habe ich nicht, aber es ist ja auf dem Beschrieb gut angegeben. Wird wohl nicht so schwer sein, denn ich habe ja nur Züge im deutschsprachigen Raum. Ob er denn schon? Ein Kopfschütteln verrät mir, dass er die gleiche Hoffnung hatte, wie ich. Leider wurde nichts daraus. Zudem, muss ich langsam gehen, denn mein Zug wartet nicht auf mich.

 

Dienstfahrt

Ich muss zum Bahnhof gehen, denn meine Tour beginnt mit Dienstfahrt. Diese fährt, ob ich nun anwesend bin oder nicht. So muss ich zusehen, dass ich um 18.01 Uhr in der S-Bahn sitze. Es reichte, trotz dem Güterzug, der eingefahren ist. Die Ansage in der S-Bahn begrüsst die Leute in dem Moment, wo ich meine Jacke aufhänge. Auf dem Sitz liegt eine Abendzeitung. Diese lege ich auf den kleinen Tisch beim Abteil und setze mich.

Ich kann nun in aller Ruhe die Zeitung lesen und so erfahren, was am Tag so passiert ist. Viel war es wohl nicht, denn die Zeitung sorgt sich um dies und jenes, aber nichts, was wirklich von elementarer Wichtigkeit wäre. So liest sich eine Abendzeitung schnell. Ich hatte beinahe die Hälfte geschafft, als sich die Türe öffnet. Der Zug hat Flüelen erreicht und jemand steigt in der ersten Wagenklasse ein.

Es ist ein Lokführer von Arth-Goldau, der mit zwei Taschen bepackt einsteigt. Scheint, als mache er sich auf eine grössere Reise. Die Begrüssung ist knapp aber herzlich und auf meine Frage, ob er denn in den Urlaub fahre, bekomme ich die bissige Antwort, dass es nicht so sei. Er müsse morgen früh nach Mannheim fahren und da er kein Auto habe, müsse er diese Nacht in Goldau verbringen. Mit den Touren habe ich mich nicht befasst, ich fahre sie ja nicht mehr.

Scheint aber mühsam, wenn er zweimal auswärts schlafen müsse. Ja, das sei es, denn er würde lieber zu Hause schlafen, aber es ginge nicht anders. Zudem sei der Aufenthalt in Mannheim auch nicht immer schön und besonders viel wisse er dort auch nicht anzufangen, denn dazu kenne er die Stadt zuwenig. Ich denke mir, dass meine Befürchtungen, den einen oder anderen Kollegen bereits eingeholt haben. Ich auf jeden Fall bin froh, muss ich nicht in Mannheim übernachten und kann morgen in mein eigenes Bett fallen.

Der Kollege erkundigt sich, was ich denn für eine Tour fahre. Ich erkläre ihm, dass ich nach Zürich fahre um mit dem Postzug nach Härkingen zu fahren. Er meint, dass er diese Tour schon gemacht hätte und er rate mir, dass ich mit dem Postzug, der 140 km/h fahren könne, auch so schnell fahre, sonst möge ich die Fahrzeit nicht einzuhalten. Ich bedanke mich für den Typ, denn so weiss ich, wie ich mich verhalten muss.

Wenn man so im Gespräch ist, erreicht eine S-Bahn den Bahnhof von Arth-Goldau schnell. Der Kollege verabschiedet sich und steigt aus. Er geht jetzt in den dafür bereit gestellten Räumen schlafen und ich mache mich wieder über die Zeitung her. Die Seite mit den Rätseln ist noch nicht ausgefüllt worden. Ich werde die Zeitung einpacken und das Rätsel später lösen. Ein Glücksfall für mich und eine Zeitung weniger, die herum liegt.

Walchwil wird erreicht. Der Zug hält und Leute steigen aus. Weiter fahren kann er noch nicht, es kommt noch ein Gegenzug. Ist der zu spät, bekommt die S-Bahn Verspätung und ich verpasse meinen näch-sten Zug in Richtung Zürich.

Ich muss dann zum alternativen Weg greifen, denn mit der S9 soll es auch reichen und die sollte ich noch erreichen können. Aber der Gegen-zug kommt und die S-Bahn fährt pünktlich los.

So erreicht die S-Bahn, die seit dem Fahrplan-wechsel bis nach Baar Lindenpark fährt, Zug pünktlich. Ich kann aussteigen und durch die Unterführung zum Gleis gehen, wo der Interregio von Luzern her einfährt.

 Viel Zeit dazu habe ich nicht, denn genau in dem Moment, wo ich die Treppe hoch komme, startet die Lautsprecherdurchsage. Der Zug nach Zürich fährt ein und ich muss nicht lange an der kalten Luft warten.

Da mit wenigen Ausnahmen alle Züge nach Zürich die Wagen der ersten Wagenklasse Seite Zürich haben, stehe ich etwas zu weit hinten um direkt in einen passenden Wagen einsteigen zu können. Ein paar Meter muss ich daher noch gehen. Aber ich erreiche den passenden Wagen rechtzeitig und kann mich wieder setzen. Der zweite Teil der Dienstfahrt steht an und schon setzt sich der Zug in Richtung Zürich in Bewegung.

Ich kann meine Zeit damit nutzen, mich auf die erste Fahrt vorzubereiten. Viel steht im Beschrieb der Tour, aber wo der Zug herkommt, wird brav verschwiegen. Ich schalte die Zugnummer auf und erkenne, dass mir das nicht weiter hilft. Der Zug kommt scheinbar aus Frauenfeld nur wann und wo, steht nirgends. Daher kann ich mich nicht gleich dorthin begeben, wo ich dann losfahren muss. Die Fahrordnung ist auch aufgeschaltet und ich erkenne, dass der Zug nach Zugreihe R verkehren soll.

Der IC 2000, der hier als Interregio verwendet wird, läuft sehr ruhig und ich bemerke kaum, dass wir in einem Tunnel unterwegs sind. Das muss wohl... Mein Handy meldet sich. Aha, hier hat man Empfang. Wer will denn etwas von mir? Eine Nummer eines Lokführers, aber mir völlig unbekannt. Ich nehme den Anruf an, es ist ein Lokführer aus Lausanne, der mir erklärt, ich müsse dann nicht auf ihn warten, er werde schon in Härkingen sein.

Alles klar, ich bedanke mich und wir verabschieden uns bis später. Ich werde ihm wohl den Zug bringen. Gut, dass die Info kommt, andere hätten nichts gesagt und wären einfach nicht gekommen. Ich hätte dann gewartet und womöglich den Zug verspätet, weil ich einen Lokführer erwartet hätte. Ich bin noch nicht einmal in Mülligen, schon habe ich für Olten Hammer eine Info. Ist wohl besser ich notiere mir das, man kann nie wissen.

Kaum bemerkbar hat der Zug den Tunnel wieder verlassen. Die Dunkelheit draussen lässt kaum einen Unterschied zum Tunnel erkennen. Die Fahrt führt durch Sihlbrugg und danach verschwindet der Zug sofort wieder im nächsten Tunnel.

Der Abstecher ins Sihltal war somit nur kurz, aber auch im Bahnhof von Sihlbrugg halten längst nicht mehr alle Züge, der Bahnhof ist zu weit von der nächsten Siedlung entfernt.

Aber auch der Tunnel ist nur kurz und schon erreicht der Interregio den Bahnhof von Horgen. Es ist der Bahnhof, der im Oberdorf steht und daher auch Horgen Oberdorf genannt wird.

Es ist einer von vielen Bahnhöfen auf dem Gelände diese Gemeinde. Mich interessiert das aktuell wenig, denn ich sitze als Reisender im Zug, der hier auch nur durchfährt. Die Tage, an denen ich jede Station notierte, sind längst vorbei.

Die Strecke hier durch kenne ich. mit einer Leistung fahren wir auch noch hier durch und halten dann sogar noch hier. Wie lange das noch so sein wird, weiss keiner, denn die Leistung möchten auch andere fahren und so gerät das Depot Erstfeld immer mehr in Bedrängnis. Aber wir haben uns daran gewöhnt, dass alle von uns Leistungen wollen. Nur, warum nie die wirklich mühsamen Züge?

Egal, Thalwil steht an. Hier verzweigt sich die Strecke nach Zürich, denn die schnellen Züge fahren durch den Tunnel und kommen so früher nach Zürich. Dem Zürichsee entlang, fahren nur noch S-Bahnen. Die Dunkelheit des Tunnels unterscheidet sich kaum noch von jener draussen. Die Nacht kommt und damit jene Zeit, in der die Güterzüge fahren und in der wir unsere Arbeit, die keiner will, verrichten.

Wie schnell der Zug Zürich erreicht, merke ich erst, als die Ansage am Lautsprecher erklingt. Der Zugführer gibt noch einige Anschlusszüge bekannt. Mein Anschluss ist nicht dabei, denn ich steige hier in Zürich auf die S-Bahn um. Die Züge, die genannt werden, halten nicht im Bahnhof, wo ich hin will. So bleibt die S-Bahn. Knapp ist auch die Zeit, die ich zum umsteigen zur Verfügung habe.

Es ist schon so, die minimalen Umsteigezeiten, die hier bei jedem Fahrplan angegeben werden, gelten für Lokführer nicht. So drängt die Zeit. Eigentlich ist es mir egal, ich nehme einfach den nächsten Zug, der dort hält, wo ich hin will. Zudem, ist es nicht einfach einen Wagen der ersten Wagenklasse zu verlassen. All die Leute, die meinen, wenn sie von der zweiten Wagenklasse nach vorne kommen, seien sie eher in Zürich, füllen den Bereich vor den Türen.

Als ich den Wagen verlasse, bemerke ich, wie gut der Zug geheizt war, denn in der zugigen Halle des Hauptbahnhofes Zürich ist es kalt. Die Mütze habe ich in einer Tasche der Jacke. Es wäre wohl besser gewesen, wenn ich sie aufgesetzt hätte. Aber die Hektik, die bei einem Eisenbahner aus den Bergen gemütlicher ist, als bei den Städtern hier, wirkt fremd. So rennen mich die Leute meistens über den Haufen.

Quer durch die Haupthalle, bei dem Chaos, das hier herrscht, ist immer mit kurzen Umwegen verbunden. Es ist schon ein Wunder, all die Leute, die sich in diesem Ameisenhaufen bewegen, finden immer ihr Ziel, wirklich endlos verlaufen hat sich hier noch niemand. Nur schon die Vorstellung, dass man in diesem Chaos eine Oper aufführen will, musste wohl einige überrascht haben. Nur man tat es und das bei laufendem Betrieb.

Wenn man sein Ziel nicht aus den Augen verliert und wenn man knapp ein paar Kollisionen mit reichen und armen, schönen und armseligen Menschen verhindert hat, kommt man schnell an sein Ziel. Hier sind wirklich alle gleich, ob es ein Direktor oder ein Hilfsarbeiter ist, alle müssen durch dieses Gewimmel und an ihr Ziel kommen. Wahrlich eine soziale Angelegenheit. Der reiche Bankdirektor kollidiert hier eventuell mit der Hilfskraft in einem Supermarkt.

Ich bin am Punkt, um in den Untergrund zu gelangen. Die Rolltreppen meide ich, denn die Treppe ist frei und man kann dort ohne sich an Leuten zu stossen schnell vorwärts kommen. Die wenigsten Leute nehmen die Treppe, wenn es daneben eine Rolltreppe hat. Die Leute sind bequem geworden. Ein junger Herr, der über die Treppe hastete, hat mich beinahe über den Haufen gerannt. Nur die wirklich Gehetzten nehmen scheinbar die Treppe.

Trotz aller Hindernisse, erreiche ich den unterirdischen Bahnhofsteil. Jetzt kann man das noch sagen, aber am zweiten unterirdischen Teil wird bereits gearbeitet. Genau genommen sprechen wir von Zürich Museumsstrasse und nicht von Zürich HB. Eine interne Unterteilung, die Klarheit schafft. Hier fahren die Züge im Minutentakt in alle Richtungen. Während in einem Zug die Leute einsteigen, fährt der andere los.

Also der Zug, in den ich gestiegen bin, als im Gleis nebenan eine S-Bahn losrauschte, fährt gerade ein Zug ein und der Zug, in dem ich stehe, verlässt den Bahnhof. Kompliziert? Einfacher ist, in einem Gleis steigen die Leute ein, im andern fährt der Zug aus. Jede Minute wechseln sich die Gleise ab und ein Zug fährt ein, wenn der andere losfährt. Rushhour herrscht hier den ganzen Tag.

Verzögerungen darf es in einem solchen Fall nicht geben, sonst gerät der ganze Fahrplan aus dem Ruder. Darum werden hier die Türen geschlossen, wenn das auch bedeutet, dass nicht alle eingestiegen sind. So klatscht einer entnervt an den Zug, weil er ihn verpasst hat. Er ist zu spät und Schuld hat der Zug, das ist ja immer so. Hätte er den Zug erreicht, wäre dann reklamiert worden, dass der Zug zu spät sei.

Die Haltestelle Hardbrücke wird angekündigt. Noch haben wir die ausgedehnten Gleisanlagen von Zürich neben uns und doch sind wir auf einer Strecke. Eine Strecke die extra für die S-Bahn gebaut wurde. Nebenan ist die Strecke für die Züge des Fernverkehrs. Dort fährt gerade ein ICE durch, er hat sich wohl auf die Reise nach Deutschland gemacht.

Der Zug fährt los und verlässt Hardbrücke. Nun fährt er direkt zu dem Bahnhof, wo ich hin will. Es ist Zürich Altstetten. Ich habe das Ziel meiner Dienstfahrt erreicht. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich wohl eine frühere S-Bahn erwischt habe, denn eigentlich sollte ich ja gar noch nicht hier sein. Auch hier folgen sich die Züge unmittelbar. Ich habe jenen erwischt, der nach Zug fährt, aber eigentlich hätte ich wohl jenen nach Aarau nehmen sollen. Egal ich bin hier und nicht zu spät, das ist wichtig.

 

Zürich Altstetten - Zürich Mülligen

Ab nun gibt es keine Züge mehr. Ich muss zu Fuss gehen. Den Weg, den wir normalerweise dabei nehmen, ist nicht für die normalen Leute gedacht. Auch sonst ging man bei der Planung wohl kaum davon aus, dass hier viele Lokführer herumirren müssen. Egal, ich muss dorthin und das bedeutet, dass ich mich auf den Weg machen muss. Dazu begebe ich mich vom Bahnsteig zum Hausperron. Natürlich benutze ich dazu die Unterführung.

Eigentlich hätte ich nun einen halbe Stunde Pause. Aber die kann ich auch in Mülligen machen, dann kann ich auch gleich abklären, woher meine Lok kommt. So begebe ich mich dem Gleis eins entlang in Richtung Westen. Wenn wir diese Tour im Sommer machen, spazieren wir gegen den Sonnenuntergang. Nur, es ist Winter und die Sonne ist schon längst hinter dem Horizont verschwunden. Die Nacht macht das Gleisfeld noch etwas düsterer.

Trotzdem in dieses Gleisfeld muss ich, denn dort irgendwo werde ich dann meinen Zug übernehmen. Mit diesen Gedanken erreiche ich nun das Ende des Bahnsteigs, das Verbot vor mir macht mich darauf aufmerksam, dass hier kein Durchgang sei. Ich habe aber ein Mittel, das dieses Verbot aufhebt. Meine Warnweste mit meinem Namensschild und mein Auftrag erlauben mir, hier weiter zu gehen. Würde etwas davon fehlen, dürfte auch ich nicht hier durch.

Die ersten Meter im unwegsamen Gelände des Gleisfeldes sind schnell geschafft. Es war mehr ein Balanceakt auf dem Kabelkanal, als ein normales Gehen. Ich muss nun die Geleise nach Affoltern am Albis überqueren. Das mache ich auf dem kürzesten Weg, denn nun befinde ich mich in einem gefährlichen Bereich. Die Schulung, die ich vor Jahren genossen habe, wirkt, denn bevor ich ein Gleis betrete, schaue ich zweimal, ob auch wirklich nichts kommt.

Zudem schaue ich mir die Zwergsignale an. Zeigt eines kein Halt, bedeutet das, dass nächstens etwas gefahren kommt. Nützlich sind hier die bei diesen Signalen vorhandenen rückseitigen Anzeigen. Alle Kontrollen bestätigten mir, es kommt nichts gefahren. In der Todeszone ist es relativ sicher. Ich kann den Schritt wagen und so die andere Seite dieser gefährlichen Passage gesund erreichen.

So überquere ich die Geleise, blicke aber immer auf beide Seiten, ob auch wirklich kein Zug gefahren kommt und ob auch wirklich immer noch alles ruhig ist. Weichen meide ich grundsätzlich, da sich diese ohne Vorwarnung bewegen können. Es kam nichts, nichts veränderte sich und ich bin gesund auf der anderen Seite der Streckengleise angekommen. Ich kann nun weiter seitlich der Geleise in Richtung Mülligen gehen.

Auch jetzt, wo ich neben dem Gleis gehe, achte ich genau darauf, was die Signale machen und ob keine Fahrzeuge gefahren kommen. Auch meine Warnweste und mein Gehör will ich mich auf keinen Fall verlassen. Schon mancher Kollege hat sein Leben verloren, weil er unachtsam war. Auch wenn wir nicht auf der Lok sind, müssen wir wachsam sein, denn schnell ist etwas passiert, besonders dann, wenn der Fluchtweg fehlt.

Die Halle, wo früher das Schnellgut verladen wurde, ist sehr nahe zum Gleis und ich befinde mich nicht unbedingt auf sicherem Gelände. Es gibt zwar Nischen, aber die sollte ich ja erreichen können, bevor die Gefahr mit erreicht hat. Letztlich habe ich das Ende der Halle erreicht und ich kann wieder etwas mehr Platz zu den befahrenen Geleisen schaffen. Nur, jetzt fahren hier auch Rangierlokomotiven rum und der Verkehr nimmt zu. Eine davon hält soeben in meiner Nähe an.

Der Lokführer im Führerstand ruft nach mir. Er erkundigt sich, wo ich hin wolle. Meine Antwort ist klar, ich will zum Stellwerk. Er meint, dass er dort hin fahre und ich zusteigen solle. Schön, wenn es ein Taxi gibt und in der Lokomotive ist es immer noch besser als draussen in der Kälte. So kann ich die letzten Meter in der geheizten Lokomotive zurücklegen. Ach ja, das waren noch Zeiten, wo auch ich noch eine Bm 4/4 bedienen durfte.

 

Pause am Automaten

Natürlich bin viel zu früh angekommen. Die Rangierarbeiter machen gerade Pause. Am Automaten drücke ich die Taste, die mir einen wohlschmeckenden Kaffee in die Tasse laufen lässt. Zumindest vermittelt einem das Bild am Automaten diese Variante. Ausser einem Plastikbecher wird es wohl nicht viel geben, denn die hübsche Dame, die abgebildet ist, gibt es ja auch nicht. Die Herren können da nicht aushelfen. So kann nur noch der Kaffee punkten.

So ist es dann auch, der Kaffee wird in einem Becher serviert. Schlecht ist er nicht, zumindest dieser Punkt hatte gepasst. Nur eben, wer am Abend arbeitet, hätte auch gerne eine nette Bedienung und eine Tasse. Nur, diese Zeiten sind längst vorbei. Heute machen Lokführer mit einem Becher in der Hand inmitten der gut gelaunten Rangierarbeiter Pause. Irgendwie fühle ich mich nun als Exot unter den Eisenbahnern, denn deren Probleme kenne ich nicht und kann daher auch nicht mitreden.

Ein Rangierarbeiter spricht mich an, was ich denn für einen Zug nehme. ich sage im die Nummer. Daraufhin meint er, dass ich mich gleich ihm anschliessen könne, denn er mache das Manöver. Alles klar, jetzt weiss ich, wie ich zu meiner Lokomotive komme. Die Zeit vergeht schnell, wenn man über Gott und die Welt diskutiert. Der Lokführer aus den Alpen ist schon etwas anderes, als der Rangierarbeiter aus der grossen Stadt Zürich.

Der Rangierarbeiter meint, ich könne mitkommen. Meine 30 Minuten Pause sind somit bereits wieder fertig, die Arbeit ruft. Diesmal sogar akustisch. Das ist selten, wir sind uns gewohnt, dass wir die Zeit immer im Blick haben, denn ein Lokführer arbeitet mit der Uhr und lebt auch damit, denn alles dreht sich irgendwie um diese Zeiger, die sich im Kreis bewegen. Daher ist es selten, dass man in einer Pause nicht dauernd auf der Uhr kontrollieren muss, ob man wieder weiter muss.

In ein paar Stunden werde ich den Automaten wieder ansehen können. Dann habe ich eine längere Pause als jetzt, nur die Uhr bleibt. Nun geht es aber mit der Mappe in der Hand wieder raus an die frische Luft. Ein paar Abklärungen zum bevorstehenden Manöver treffen ich und der Rangierarbeiter noch. Eigentlich müsste ich das nicht machen. Aber ein Kollege meinte, ich solle diese Lösung wählen, sonst gäbe es einen längeren Fussmarsch.

Die Luft ist kalt und von Schnee kann hier auch nicht gesprochen werden. Trotzdem, die Arbeit ruft und dann muss man raus, ob man will oder nicht. Es überrascht immer wieder, wie viel Zeit Lokführer im freien verbringen. Die Fahrt in der Lokomotive ist halt nicht alles, was wir machen. Schliesslich müssen wir zuerst zur Lokomotive kommen und die steht nicht immer im Depot. Immer weniger würde es besser ausdrücken, denn wir müssen die Lokomotiven immer mehr im Gleisfeld suchen.

 

Zürich Mülligen - Härkingen

Der Lokführer, der aus der Ostschweiz stammt, ist überrascht, dass ich schon hier sei, denn eigentlich müsste er das Manöver machen. Gut, er könnte es ja machen, aber der Weg in die Wärme sei jetzt kürzer. Das überzeugt und er verlässt die Lokomotive mit seinen Habseligkeiten. Wir verabschieden uns mit den Worten, bis später. Genau, denn er hat jetzt Pause, bis ich wieder hier ankomme. Auch keine kurze Pause, denn ich bin schon etwas unterwegs.

Das Manöver ist nicht kompliziert. Ich stehe mit der Lokomotive recht bald vor den Wagen, die ich mitnehmen muss. Sie hat gerade zwischen dem ersten Wagen und dem Signal platz. Jetzt kann ich warten, denn am Zug muss eine Bremsprobe gemacht werden. Während dieser Zeit werden die Postwagen mit Briefen und Wurfsendungen verladen. Ob ein Brief für mich dabei ist? Wer weiss, man kann nie ganz sicher sein.

Die Papiere habe ich. Ich kann die Daten des Zuges im ZUB 121 eingeben. Für einen Güterzug hat er sehr sportliche Daten, denn der Zug hat 135 Bremsprozent, fährt nach Zugreihe R und kann maximal 140 km/h schnell fahren. Üblicherweise ist bei Güterzügen bei 120 km/h das Maximum erreicht. Besonders lange Züge schaffen es sogar nur bis 100 km/h. Das ist meistens der Fall, so dass für Lokführer von SBB Cargo schnellere Züge schon eine Besonderheit darstellen.

Heute wird der Zug aber nicht mit 140 km/h fahren können, denn meine Lokomotive darf nur 125 km/h fahren. Wie war das noch, ich müsse die 140 voll ausfahren? Wie denn, denn dies die Lokomotive nicht schafft? Dann ist wohl können gefragt.

Wobei die Re 4/4 III mit etwas mehr Zugkraft schneller auf Geschwindigkeit kommt. Ein Vorteil, der bei Kurven sicherlich genutzt werden kann. Viel ist es nicht, aber das muss reichen.

Mit der Meldung „Bremse gut“ erhalte ich auch den Auftrag die Zugsammelschiene einzuschalten. Noch immer spricht man hier jedoch von Heizung einschalten.

Auch das ist bei Güterzügen nur selten der Fall, denn Container werden nicht geheizt oder versorgen sich autonom. Bei Postwagen ist das jedoch anders, denn einige besitzen eine Heizung. Wobei das nicht bei allen der Fall sein wird, aber die Zugsammelschiene wird trotzdem eingeschaltet.

Die Bremse ist gut und ich bin fahrbereit. Ich muss nun warten, bis mir die Post den Abschluss der Verladearbeiten mitteilt. Das wir kurz vor der Abfahrzeit sein, denn verladen wird bis zum letzten möglichen Augenblick. Die Zeit zur Abfahrt ist in knapp vier Minuten erreicht. Zeit um meine persönlichen Notizen zu notieren. Diese bestehen aus der Loknummer und einigen Angaben zum Zug. Seit Jahren eine Angewohnheit um die ich auch schon froh war.

Da, die Meldung "Post fertig" kommt. Der Zug kann nun abfahren, nur muss dazu zuerst das Signal grün werden und das erfolgt erst, wenn die Meldung auch beim Fahrdienstleiter vorhanden ist. Dazu bin ich verantwortlich. Ich melde mich beim Fahrdienstleiter und teile meine Fahrbereitschaft mit. Die schnelle Fahrt durch die kalte Nacht kann nun beginnen. Das ist sogar jetzt schon der Fall, das Signal zeigt Fahrt.

Ich beschleunige mit der Lokomotive den Zug. Zuerst bin ich noch langsam unterwegs, aber ab dem Bahnhof Schlieren kann ich dann beschleunigen. Die Lokomotive erreicht die Höchstgeschwindigkeit dank der guten Zugkraft schnell. Man merkt die etwas höhere Zugkraft der Re 4/4 III schon. Doch zu schnell darf ich auch nicht werden, denn vor Dietikon kommt eine Kurve, die ich nicht mit der maximalen Geschwindigkeit befahren darf.

Der Bahnhof von Dietikon ist erreicht, ich biege um die Kurve und sehe eine Person am Rand des Bahnsteigs stehen. Das kommt nicht gut, ich komme da mit über 100 Sachen um die Ecke und der steht seelenruhig auf der Bahnsteigkante. Ich pfeife, die Reaktion, die ich erhofft habe, fällt jedoch aus. Kein Wank macht die Person auf dem Bahnsteig. Dank mobilen Abspielgeräten für Musik, sind unsere Lokpfeifen kaum zu hören. Die Situation wird so aber gefährlich, ich habe keine andere Wahl.

So greife ich zur Bremse und drehe den Hebel bis zum Anschlag. Die Schnellbremse tritt in Aktion. Der Zug geht in die Knie und verzögert, gleichzeitig betätige ich die Lokpfeife dauernd. Noch immer keine Reaktion, ich ahne schon das Schlimmste. Vorbereiten kann man sich auf so eine Situation nicht, die kommt und die Nerven liegen blank. Nervös bin ich schon und von Ruhepuls kann keine Rede sein. Kommt nun der gefürchtete Tag für mich?

Kurz bevor ich an der Person vorbeifahre, macht diese einen Schritt zur Mitte. Ich hätte in diesem Augenblick zum Mörder werden können, denn mein Puls war wohl aktuell auf einem rekordverdächtigen Wert. Solche Vollidioten könnte ich erwürgen. Die sind sich einfach nicht bewusst, wie es aus unserer Position aussieht. Das blöde grinsen im Gesicht habe ich noch erkennen können, als er neben der Lokomotive verschwand. Vollidiot schreie ich in den Führerstand. Schade, dass er das nicht hört.

Ein Hochdruckfüllstoss löst die Bremsen des Zuges langsam wieder. Bis der ganze Zug wieder gelöst war, stand ich aber fast still. Das braucht es einfach nicht, denn so kann ich den Fahrplan nicht einhalten und die Post kommt zu spät beim Empfänger an. Nur, letztlich sollte ich ja über mein Glück glücklich sein, aber daran denke ich im Moment kein bisschen, denn ich muss weiterfahren und mich wieder konzentrieren, was nicht leicht fällt.

Ich kann wieder beschleunigen und irgendwann erreiche ich 125 km/h und somit die Höchstgeschwindigkeit. Die Ruhe ist jedoch immer noch nicht eingekehrt. Ein paar Minuten braucht es, bis ich mich wieder beruhigt habe und dann die Fahrt durch die Nacht geniessen kann. Der Heitersbergtunnel beruhigt dann, denn im Tunnel hat es ja keine Idioten und keine Bahnsteige, die diese benutzen könnten.

Bei so hoher Geschwindigkeit kommt man schnell vorwärts und schon ist Mägenwil erreicht. Ich nähere mich schnell dem einzigen Abschnitt, den wir nur sehr selten befahren. Die Kurve von Othmarsingen kümmert mich nicht, meine Lokomotive ist nicht so schnell, dass ich verzögern müsste. Mit dem Bahnhof erreiche ich auch die Strecke in Richtung Lenzburg. Ein Güterzug macht sich gerade daran nach Hendschiken und Richtung Gotthard zu fahren.

Normalerweise fahren wir auch dort durch, nur heute geht es oben durch und der Zufall will es, dass ich mit meiner Lokomotive auf der Brücke genau über seine Maschinen hinweg fahre. Nur, das kümmert mich nur am Rande, denn vor mir tauchen zwei orange Lichter auf. Es geht wieder zu Boden, wie wir solche Situation nennen. Bremsburg, äh Lenzburg steht an. So gesehen kein Sonderfall, ich hätte es eigentlich ahnen müssen.

Als ich die Kurve hinter mir habe, stelle ich fest, dass die Signale vor mir grün zeigen. Nur, sind es wirklich meine Signale? Ich warte mit der Beschleunigung zu, denn schnell ist in einer solchen Situation ein Fehler passiert. Je mehr ich mich dem Signal nähere, desto sicherer bin ich mir. Die Ausfahrt ist für mich auf Fahrt. Die Reise kann weiter gehen. Noch muss ich die ablenkenden Weichen passiert haben und dann kann ich wieder zufahren.

Die Geschwindigkeit von 125 km/h ist schnell erreicht, denn es geht leicht bergab und dank dem Gefälle hilft die Schwerkraft. Ich muss schon fast aufpassen, dass ich nicht zu schnell werde. So ist auch Rupperswil schnell erreicht. Die Strecke, die nun kommt, kann mit 160 km/h befahren werden. Bisher erreichte ich das hier einmal mit einem Intercity. Auch diese Tage sind längst vorbei, denn wir fahren nur noch mit Güterzügen hier durch.

Aarau, die Stadt meiner Heimat! Als Kind war ich oft hier und habe den Zügen zugeschaut. Damals war hier noch alles anders und von den Gebäuden damals steht nichts mehr hier. Der Bahnhof wurde in den vergangenen Jahren deutlich umgebaut. Auch das Depot, das ich als Kind besuchte, ist weg, nun fährt eine andere Bahn hier durch. Mit 125 km/h ist auch der Bahnhof schnell vergessen und der Kanton Aargau vorbei.

Die Strecke nach Olten hat wieder etwas engere Kurven, so dass ich wieder mit der Streckengeschwindigkeit fahren kann. Ein Blick in die LEA verrät mir, dass ich etwas vor dem Fahrplan liege. Gut so, denn durch Olten wird es wohl etwas klemmen, denn viele Züge wollen hier durch. Nun, ich werde es gleich sehen, denn ich habe soeben das Einfahrsignal passiert und muss abbremsen, da der Bahnhof etwas langsamer befahren werden muss.

Ich glaubte es kaum, aber durch Olten kam ich ohne unnötig abbremsen zu müssen. In Olten Hammer muss ich nun anhalten. Nur, der Kollege aus der Westschweiz hat mich ja informiert, dass er nicht zusteigen wird. So greife ich zum Funk und rufe den Fahrdienstleiter auf. Nachdem er sich gemeldet hat, teile ich ihm mit, dass der Lokführer heute ausnahmsweise nicht zusteigen wird. Ich könne in Olten Hammer durchfahren.

Kaum habe ich den Hörer aufgelegt, wechseln die Signale die Farbe. Die Reise geht nun mit ein paar Minuten Vorsprung weiter. Die Strecke hier kenne ich mittlerweile auch etwas besser, so dass ich die maximalen Geschwindigkeiten ausfahren kann. Die Stationen fliegen nur so an mir vorbei. Schon erreiche ich den Punkt, wo ich bremsen muss um mein Ziel zu erreichen. Zum Glück hält sich der Nebel in Grenzen.

Einfahrt in das Briefpostzentrum Härkingen! Die Halle ist neu und wir fahren mit unseren Zügen direkt in die Halle. Die Signale lassen das sogar mit 60 km/h zu. Nun, ich fahre etwas gemütlicher, denn vor dem Signal am Ende der Halle muss ich anhalten. So komme ich mit etwa 40 km/h in das grelle Licht der Halle. Schon ein komisches Gefühl, wenn man zwischen zwei Rampen mit so hoher Geschwindigkeit durchfährt.

Genau an der gewollten Stelle komme ich zum Stehen. Dort warten zwei Personen. Eine ist der Rangierarbeiter und der andere wohl der Kollege aus Lausanne. Früher hätte es das kaum gegeben, dass ein Lokführer aus Erstfeld auf einen aus Lausanne trifft. Straff durchdacht waren damals die Dienstpläne und der Weg aus Lausanne hierher zu weit. Auch waren wir damals noch gar nicht hier, denn Olten war der westlichste Bahnhof im Netz der Lokführer von Erstfeld.

Nun beginnen die Probleme, denn französisch spreche ich nicht und so bleibt nur Deutsch. Aber es wird schon gehen, denn der Kollege sollte ja etwas Deutsch sprechen. In Erstfeld mussten wir wegen dem Tessin italienisch lernen, an solche Situationen hat niemand gedacht, als er die Vorschrift mit den Sprachen geschaffen hat. Nur Lokführer sind keine Sprachgenie und sind sogar froh, wenn sie ihre Muttersprache schriftlich einigermassen beherrschen.

Kaum hat der Kollege aus Lausanne die Lokomotive bestiegen geht es los. Was ich denn da für einen Mistbock habe. Die Re 4/4 III könne ich gut und gerne wieder an den Gotthard mitnehmen. Mit der Lokomotive könne er die Fahrzeit nicht einhalten und habe dann zu spät Feierabend. Nun, ich bin vorzeitig angekommen so schlimm wird es wohl auch nicht sein, denn die höhere Zugkraft macht vieles wieder gut. Mit Verspätungen macht man einem Lokführer aus Erstfeld keinen Eindruck.

Ich verlasse die Lokomotive mit meiner Mappe und muss nun meinen nächsten Zug suchen. Das ist überraschend einfach, denn der Rangierarbeiter meint, dass ich nur durch die Halle gehen muss, mein Zug werde im anderen Geleise aufgestellt. Ich könnte dort dann warten, bis er komme. So habe ich die Info und kann mich auf den Weg machen.

 

Härkingen Briefpost

Dank einer Treppe komme ich vom Gleisfeld auf die Höhe der Rampe. Ich bin nun wieder unter einem Dach. Nur dank der offenen Bauweise ist es hier nicht viel wärmer als draussen. Aber dank der Jacke und der warmen Mütze spüre ich das nicht, denn ich bin ja auch für offene Bereiche gerüstet und solche erwarten mich noch ein paar Mal. Erst zu Hause kann ich dann eine Erleichterung der Bekleidung für längere Zeit vornehmen.

Die Arbeiter der Post bewegen Stapel von Prospekten mit ihren Gefährten in der Halle herum, immer wieder muss ich aufpassen, dass ich im hektischen Treiben nicht im Weg stehe. Am anderen Ende erkenne ich zudem, dass ein Zug ins das noch freie Gleis geschoben wird. Das wir wohl mein Zug sein, denn meine Informationen lauteten ja in diese Richtung. Nur, durch die Halle ist der Weg etwas länger, so dass noch nicht dort angelangt bin, wo die Lokomotive zu stehen kommt.

Die Türen an den Wagen werden geöffnet und kaum ist ein Blech hingelegt worden, um die Lücke zu überbrücken, werden Rollwagen hin und her geschoben. Post raus und wieder rein und das an mehreren Stellen zur gleichen Zeit. Ich gehe daran vorbei und achte darauf, dass ich sicher an mein Ziel komme und die Arbeiter nicht behindere. Der Weg um diese Hindernisse, die sich bewegen, erinnert mich irgendwie an Zürich. Nur hier sind es Güter und nicht Menschen.

Als ich die Lokomotive erreiche, verlässt mein Kollege mit einem kurzen winken die Lokomotive und geht. Er scheint keine Zeit zu haben und muss wieder an seinen nächsten Einsatz. Im Gehen ruft er mir zu, dass alles in Ordnung sei. Eine Übergabe im fliegen, nennen wir so etwas. Das kennen wir von den Kollegen aus dem Tessin schon lange. Warten will heute wirklich niemand und der SBB-Mensch aus den Bergen wirkt etwas fremd in dieser Hektik.

Im Führerstand richte ich mich ein und richte mich auf die anstehende Fahrt ein. Das wird in knapp 20 Minuten der Fall sein. Die Zeit drängt nicht und ich kann gemütlich die LEA einstellen, die Daten eingeben und aus der Lokomotive in die Halle treten. Dank der Rampe ist es auch für mich bequem. Am Ende der Halle sehe ich, wie ein LKW-Fahrer seinen Wagen entlädt. Ich gehe ein paar Meter von der Lokomotive weg um in einem sicheren Bereich zu stehen.

Ich werde bemerkt und der Fernfahrer auf der anderen Seite des Gleises ruft mich. Ich gebe Antwort und so kommen wir ins Gespräch. Das erfolgt in dieser Region auf Italienisch und der Gesprächspartner merkt, dass es nicht meine Muttersprache ist, aber er ist sehr zuvorkommende und erwähnt auch ein paar Worte auf Deutsch. Irgendwie scheinen wir uns aber zu verstehen. Nur, was macht ein Fernfahrer, der kaum Deutsch spricht um diese Zeit hier?

Ich erfahre auf die Frage auch, dass er mit der Ladung in der Nacht ins Tessin fährt. Schon komisch, er muss in der Nacht arbeiten, obwohl in gut 30 Minuten ein Postzug nach dem Tessin hier losfährt. Der Befördert die Pakete für das Tessin. Die Briefpost kann nicht mit dem gleichen Zug reisen, wie die Paketpost.

Verstehen kann ich das zwar nicht, aber so haben zwei Leute Arbeit und die Kosten sind sicherlich nicht billiger. Aber die Geschäftspolitik der Neuzeit habe ich noch nie richtig verstanden.

Der Fahrer will wissen, wo ich denn herkomme. Erstfeld sage ich. Es trifft die Reaktion ein, die erwartet habe, denn er kennt die Gemeinde. Nur, als Fernfahrer natürlich nicht nur im Guten, denn Erstfeld ist der Ort, wo die LKW regelmässig auf Fehler kontrolliert werden. Eine Kontrolle, die natürlich nicht beliebt ist und wenn dann Schäden festgestellt werden, ist die Busse da und die Fahrt zu Ende. Wer will schon defekte Fahrzeuge auf der Strasse.

So ergeht es den Zügen in den Bahnhöfen auch. Denn auch wir haben unsere Kontrollen und haben daran keine Freude. Auch bei uns geht es darum, ob die Wagen keine Defekte haben, ob der Lokführer mit aktuellen Daten versehen ist und ob die Ladung, soweit sichtbar, korrekt gesichert wurde. Bei einem Zug dauert es nur länger, als bei einem LKW. Die Folgen sind nicht minder ärgerlich, denn was kann der Lokführer dafür, dass der LKW-Fahrer die Planen nicht korrekt verzurrt hat?

Bei dem LKW ist es die Polizei, bei uns das BAV, das Ergebnis ist das Gleiche. In beiden Fällen hoffen wir nervös, dass die Kontrolleure keine Mängel finden. Die Unterschiede sind dabei nicht gross, denn stimmt alles, ist die Welt in Ordnung, hat man etwas zu verbergen und es wird entdeckt, sind dann die Kontrolleure die Bösen. Dabei spielt es dann keine Rolle mehr, ob man auf der Strasse oder der Bahn unterwegs ist. Ich habe dabei nichts zu befürchten, denn meine Daten sind aktuell und ich kenne das Arbeitszeitgesetz gut.

Der Fahrer bekommt seine Ladung und kann sich endlich auf die Reise durch die Alpen machen. Im Winter ist das sicher keine leichte Aufgabe, wenn die Prognosen stimmen und es leicht schneien wird, hat er es dann schwer und riskiert sein Leben auf den steilen Strassen. Ich kämpfe mit der schlechten Adhäsion, er aber damit, die Strasse nicht zu verlassen. Ja, auch wenn ich weiss, dass Fernfahrer auch schöne Momente haben, wechseln möchte ich nicht, denn mir gefällt mein Beruf.

Vielen Fernfahrer geht es ähnlich, denn wenn es Nebel hat und sie etwas langsamer fahren, suchen wir uns den Weg mit maximaler Geschwindigkeit durch eine weisse Wand. Dabei langsamer werden dürfen wir eigentlich nicht. Fahrten im Nebel sind immer schwer und fordern die volle Konzentration, denn die Signale tauchen immer sehr knapp auf. Diese Nacht sollte das jedoch kein Problem sein, denn vorher habe ich keinen dichten Nebel bemerkt.

Da diese Gegend davon stark betroffen ist, erwarte ich auf meiner weiteren Reise keine nennenswerten Probleme damit. Nur, sicher sein kann ich nicht, denn leichter Nebel ist vorhanden und die Nacht für mich noch lange. Da kann sich das Wetter ändern und auf dem Heimweg befahre ich eine der in diesem Punkt schlimmsten Strecken, die wir kennen. Aber das interessiert mich noch nicht, denn zuerst muss ich ja diesen Zug machen und damit komme ich nicht nach Hause.

Ich gehe wieder zur Lokomotive in der Halle ist es nicht gerade warm und der Führerstand ist geheizt. Ich kann ja noch meine Notizen machen, dann fehlt nur noch die Fahrzeit. Diesmal habe ich eine Re 4/4 II. Nur 140 km/h fahren kann ich auch jetzt nicht, denn ein Wagen im Zug lässt nur die Zugreihe A zu und die ist auf 120 km/h beschränkt. Es gibt kaum Güterzüge, die nicht nach dieser Zugreihe fahren und so ist das für mich schon im gewohnten Rahmen gehalten.

 

Härkingen - Zürich Mülligen

Der Rangierarbeiter kommt zu mir und meldet „Post fertig“. Ich antworte ihm, dass er dem Tower meine Bereitschaft zum Abflug melden kann. Etwas Luftfahrt und spezielle Bezeichnungen lockern den harten Nachtdienst etwas auf. So wird der Zug zu einem tief fliegenden Flieger, oder der Zug ins Tessin zum „Südlandexpress“. Man kann es nicht immer genau nehmen, etwas Humor darf nicht fehlen und lächelnde Gesichter sind sympathischer.

Er macht das mit seinem Funkgerät und pünktlich auf die Minute wechselt das Signal vor mir die Farbe. Ich kann den Bahnhof oder die Halle mit 60 km/h verlassen. Der Ernst des Lebens hat mich wieder, der vermeintliche Flieger wird zum Zug und die Fahrt findet auf dem Boden statt. Die Lokomotive beschleunigt den Zug, der etwas schwerer ist, als der Letzte. Die geringere Zugkraft merke ich so sofort und so geht es etwas gemütlicher los.

Es wird keine leichte Fahrt geben, denn jetzt muss ich wirklich mit dem Messer zwischen den Zähnen fahren, denn die Fahrordnung wäre auch für Zugreihe R gerechnet. Ich kann aber nicht so schnell fahren und ich kann die Fahrzeit nur knapp halten. In einem solchen Fall sind die Geschicke des Lokführers gefragt. Wenn man die Strecke gut kennt ist es aber einfacher als jetzt, wo ich nur genügende Kenntnisse habe und die Sicht nicht perfekt ist. Wie gesagt, auch bei Nebel fahren wir die maximale Geschwindigkeit und das muss ich jetzt, will ich pünktlich sein.

Kaum habe ich die Stecke erreicht, mache ich die Bremsprobe auf Wirkung. Vorschriften sind da um eingehalten zu werden, auch wenn man diese gerne nicht befolgen möchte. Der Zug bremst erfreulich gut, dass kann ich ausnutzen und so etwas später in die Eisen steigen, wenn ich mich einer Kurve nähere. Das nennen wir Schnellfahrt, die mit schneller fahren nichts am Hut hat, denn die Vorgaben dürfen natürlich nicht überschritten werden. Eine Busse müsste ich zwar nicht befürchten, aber meinen Job und da passe ich auf.

Doch nun heisst es zuerst wieder Schwung holen und den Zug auf die maximale Geschwindigkeit beschleunigen. Die Fahrt wird wohl noch ein paar Überraschungen für mich bereithalten. Mal sehen, was auf mich zukommt. Vorerst sind die Signale grün, einer Beschleunigung steht nichts im Weg. Die Re 4/4 II kämpft etwas mit der Last und die Fahrmotorströme sind am oberen Limit um auch den letzten Bissen Zugkraft hervorzuholen. Wie gerne hätte ich jetzt die Re 4/4 III von vorher.

Kaum als ich die erlaubte Geschwindigkeit erreicht habe, nähere ich mich wieder einem Vorsignal, das nicht eine beliebte Farbe zeigt es ist bereits Olten Hammer. Die Bahnhöfe Hägendorf und Wangen bei Olten, war gutmütig, aber Olten Hammer bleibt zu, das heisst, die Fahrt kann nicht mehr so weiter gehen, denn ich bin bald beim Vorsignal und muss handeln. Die Vorschriften wollen es so und ich halte mich daran, keine Zeit mehr um sich lange an vergangene Scherze zu erinnern.

Ich leite die Bremsung ein, betätige die Zugsicherung und achte mich, wie sich der Zug verhält. Die Verzögerung ist gut und so kann ich mit langsamer Fahrt das Einfahrsignal suchen. Es ist etwas versteckt aufgestellt worden, so dass ich es nicht sehr früh erkennen kann. So bleibt die Geschwindigkeit tief und der Zug benötigt viel Zeit, bis er den Weg zurückgelegt hat. Immer noch keine Sicht auf das Signal! Ich verzögere noch etwas mehr, hier sollte es doch sein?

Natürlich hatte dieses Signal die Farbe bereits gewechselt, aber das sah ich erst knapp davor. Zudem ist auch das Ausfahrsignal auf Fahrt gegangen. Ich kann wieder beschleunigen. Wertvolle Zeit ging verloren, denn wer langsam fährt, kommt nicht vorwärts. So beschleunige ich den Zug wieder auf die angekündigte Geschwindigkeit. 60 km/h sind das, wie von den 120 km/h, die fahren könnte, entfernt.

So fahre ich gemütlich durch Olten Hammer. Olten ist nicht mehr weit, denn die beiden Bahnhöfe werden kaum durch mehr als eine Brücke über die Aare voneinander getrennt. Ich werde mich dann wieder südlich der Aare bewegen und so einen der grössten Flüsse der Schweiz wieder in meinen Erinnerungen speichern. Erinnerungen, die dazu recht gross sind, bin ich doch in der Nähe dieses Flusses aufgewachsen.

Die Einfahrt in den Bahnhof Olten ist von Olten Hammer her nicht einfach. Der Zug drückt wegen dem Gefälle kräftig gegen die Lokomotive und dank den tiefen signalisierten Geschwindigkeiten darf ich die elektrische Bremse nicht benutzen.

Die Fahrt durch Olten ist aber möglich und so erreiche ich dann bei der Ausfahrt wieder etwas höhere Geschwindig-keiten. Ein Blick in die LEA zeigt, dass ich trotz den Bremsungen pünkt-lich bin.

Nach Olten steigt die Geschwindigkeit. Zuerst 90 km/h, dann wieder die erlaubten 120 km/h. Die Reise nach Osten geht weiter und links von mir begleitet mit der knapp zu erkennende Kühlturm des Atomkraftwerkes in Gösgen. Beachten kann ich ihn kaum, denn mein Interesse gilt der Strecke und den Signale. Aber Däniken ist gütig und ich sehe nur grüne Signale. So komme ich recht flott voran und nähere mich wieder meiner ursprünglichen Heimat. Die, wo ich lebte, bevor ich in die Berge zog.

Dank den grünen Signalen, die ich passiert habe, nähere ich mich nun Aarau. Von Olten her hat man einen schönen Blick auf die Altstadt mit der beleuchteten reformierten Kirche in der Altstadt. Eine Altstadt, die ich schon oft kennen gelernt habe und die schöne Giebel hat. Berühmt ist Aarau deswegen und etwas Stolz darauf ist man, wenn man im Aargau aufgewachsen ist und dort seine Wurzeln hat. Mein ursprünglicher Wohnort ist nicht weit entfernt und liegt salopp ausgedrückt um die Ecke.

Meine Gedanken an die Stadt und die jungen Jahre werden blitzartig unterbrochen, denn vor erscheinen die ersten Signale des Bahnhofes Aarau. Nur wollen diese Signale von grün nichts wissen. Eine Reduktion, die ich dank der Zugreihe A nicht ausführen muss, wird signalisiert. So gesehen ist es eine harmlose Sache, aber ich kenne die Strecke und weiss so, dass das keine gute Sache ist, denn auf solche Signale folgen andere, die tiefere Geschwindigkeiten ankündigen.

Ich verzögere den Zug trotzdem leicht. Dazu schalte ich einfach die Zugkraft aus. Die Steigung wird dann den Schwung vernichten und so den Zug verzögern. Wenn Güterzüge, wie hier herabsignalisiert werden, ist keine Eile mehr geboten. Die viel träger wirkenden Bremsen können dann schnell zu kritischen Situationen führen. Erfahrungen diesbezüglich macht jeder und handelt danach entsprechen. Wenn sie wollen, dass Güterzüge schnell fahren, sollen sie grüne Signale montieren.

Die Fahrt durch den Bahnhof von Aarau verlief dann wieder etwas flotter. Die Signale besinnten sich und erlaubten höhere Geschwindigkeiten. Vermutlich war ich einem Reisezug, der hier in Aarau einen halt einlegte aufgelaufen. Ja, sobald ein Reisezug regelmässig hält, sind schnelle Güterzüge schon behindert. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten sind in der Schweiz auf normalen Strecken einfach zu nahe.

Ich kann mit maximaler Geschwindigkeit über den vierspurigen Abschnitt fahren. Die Zugkraft der Lokomotive wird erhöht und die Geschwindigkeit steigt wieder. Kurz nach dem ich 100 km/h überschritten hatte, konnte ich das Zuschalten der Fahrstufen lassen, die Lokomotive hatte die letzte Stufe geschaltet und arbeitete nun mit voller Leistung. Ich habe die Leistungsgrenze erreicht. Nur die Geschwindigkeit steigt schnell, so dass ich nicht lange diese Stufe eingeschaltet haben werde.

Vor mir liegt Rupperswil, wo die Strecke nach Brugg abzweigt. Mit 120 km/h nähere ich mich dem Bahnhof sehr schnell. Hier zweigt die Strecke nach Brugg ab. Auch dort durch könnte ich meinen Endbahnhof erreichen. Eine Umleitung, die möglich wäre, aber mir grössere Probleme bereiten würde. Denn die Strecke kenne ich nicht mehr. Zwar weiss ich noch, wie die Landschaft aussieht, aber die Strecke mit Kurven und Signalen kenne ich nicht mehr.

Kundig war ich einmal, denn in der Ausbildung hatten wir Heizer eine spezielle Tour, die uns hier durch, geführt hatte. Mit der Prüfung verschwanden diese Touren und die Jahre vergingen. Das sind jetzt schon bald 20 Jahre her. Eine lange Zeit und so gilt das Depot Erstfeld auf dieser Strecke nicht mehr als kundig. Mein geplanter Weg führt jedoch nach Lenzburg. Auch die Weichen stimmen und ich gelange auf das Gleis, das nach Lenzburg führt. Alles wieder in Ordnung.

Lenzburg erlaubte mir erfreulicherweise die freie Durchfahrt und erforderte so keine Bremsungen. Wenig später, im Bahnhof von Mägenwil war das nicht mehr so, denn hier komme ich vor dem roten Ausfahrsignal im Überholgleis zum Stehen. Hier warten wir oft mit den Güterzügen, wenn die Reisezüge nach Zürich anstehen. Auch jetzt ist dieser Halt geplant, denn im Fahrplan habe ich die entsprechenden Informationen gesehen.

Nun kommen die schnellen Züge, die hier doch einiges flotter unterwegs sind, als ich. Meine Fahrt wird danach weitergehen, so dass ich wieder normal zufahren kann. Nur zuerst müssen die Reisezüge kommen. Einer nach dem anderen donnert an mir vorbei in Richtung Zürich. Alle drei Minuten ein Zug mit 140 km/h nach Zürich. Nach dem vierten, wird auch mein Signal wieder grün. Ich kann beschleunigen. Das Gefälle hilft dabei und so komme ich schnell in Schwung.

So ist es auch, und auf den letzten Kilometern nach Zürich Mülligen gab es keine Behinderungen. Ein Halt an der Rampe für die Briefpost ist vorgesehen und ich komme letztlich dort zum stehen, wo ich das sollte. Der Ausflug nach Härkingen ist beendet, ich bin wieder dort, wo ich vorher war. Ein Blick auf die Uhr zeigt, es ist Mitternacht. Die meisten Leute schlafen und hoffen, dass ihre Post morgen ankommt. Die Post für Zürich war pünktlich und wird ausgeladen.

Ich kann den Kollegen sehen, der nun die Lokomotive übernimmt. Es ist jener Lokführer, der mir vorher die Lokomotive gebracht hatte. So treffen sich zwei Männer in einer Nacht zweimal. Bei Lokführern ist das recht selten der Fall, denn im Güterverkehr fahren wir normalerweise so lange Strecken, dass der Kollege nicht warten will und kann. Ein Ausflug, der knapp drei Stunden dauert, gibt es eigentlich nicht, oder nur bei Schiebedienst am Gotthard.

 

Die grosse Pause

Nun kann ich meine sieben Sachen packen, die Lokomotive verlassen und meine Pause am Automat antreten. Nur, ich bin noch nicht an der richtigen Stelle und habe einen Fussweg vor mir. Jetzt mache ich den Weg, den ich vor dem Ausflug nicht machte. Die Wege kenne ich nicht so gut, aber in allgemeine Richtung ist bekannt. So werde ich das Stellwerk finden. Die Anlagen sind ja nicht so unübersichtlich.

Ein paar Hindernisse hatte ich zu bewältigen, aber jetzt bin ich wieder in der Wärme. Die Nacht wird doch etwas frisch, denn eine kühle Brise wehte im Bahnhof. Ich merkte sie im Gesicht. So lange bei den Lokomotiven die Heizungen funktionieren, wird das erträglich sein. Jetzt aber betrete ich die geheizten Räume und kann mich aufwärmen. 90 Minuten Pause stehen an. Mitten in der Nacht in einem Rangierbahnhof ist das nicht besonders spannend.

Der Kaffee, der ebenfalls etwas Wärme in den Magen bringen soll, entstammt dem Automaten, wird immer noch im Plastikbecher serviert und schmeckt nicht gerade wie ein italienischer Espresso. Nur, eine grössere Auswahl habe ich nicht und von einem warmen Menü kann auch keine Rede sein. So begnüge ich mich mit ein paar Schokoladeriegel und einem Kaffee. Nicht viel und schon gar nicht gesund, aber mehr hat es nicht. Viel Wärme kommt dabei freilich nicht in den Magen.

Ich setze mich in den bequemen Ledersessel mit Heizkissen und Beinstütze. Gut, träumen darf man, ein harter unbequemer Stuhl muss herhalten. Der steht an einem Tisch, auf dem Zeitungen vom Vortag liegen und der Geruch im Raum, zeigt, dass hier die Leute vom Rangierdienst ihre Pause verbringen. Der typische Geruch der Schmiermittel steigt mir fein in die Nase. Schuld haben die Männer nicht, denn bei der Arbeit kommen sie damit in Berührung und die Hosen ausziehen gilt ja auch nicht als schicklich.

Meiner Mappe entnehme ich noch ein Magazin. Aktuell ist es auch nicht, aber immerhin enthält es einen Artikel, der mich interessiert. So bleibe ich wach, kann mich etwas weiterbilden und die Zeit vergeht. Ab und zu noch ein Schluck Kaffee, der auch nicht wärmer wird und ein Bissen in den Schokoriegel. Irgendwie warm werden will mir so nicht. Die Zeit verrinnt auch nur langsam und der Artikel ist nicht besonders lang.

Das ist sicherlich die Traumvorstellung eines Lokführers. Die Arbeit auf der Lokomotive macht man alleine, dann kommt die Pause, die man in einem kühlen und herzlosen Raum verbringt und dann geht es wieder auf die Lokomotive. Am Morgen, wenn man dann heim kommt, findet man ein leeres Bett vor, weil die Frau sich nicht an die Schicht gewöhnen konnte. Geschichten, die man immer wieder hört, und die mit einem glorreichen Beruf sicherlich nichts gemein haben.

Dass wir deshalb Probleme mit dem Nachwuchs haben, verwundert mich nicht. Trotzdem liebe ich meinen Beruf und möchte ihn nicht mehr missen. Nur, auch ich kann nicht alles ausblenden, denn ich bin ein Mensch, der auch gerne etwas Gesellschaft in der Pause hätte. Nur, das ist heute nicht der Fall und so muss ich mich mit der Situation zufrieden geben. Ob es mir passt, wird nicht gefragt. Es ist zulässig und daher wird es umgesetzt, das menschliche blieb im modernen Geschäftsleben auf der Strecke.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, es sind 40 Minuten der Pause vorbei. Der Artikel ist gelesen, neue finde ich im Heft keine und so kann ich nun zusehen, was ich in den verbleibenden 50 Minuten mache. Wenn die Tour nicht so viele Lokwechsel hätte, hätte ich mein Notebook mitgenommen. Dann wären ein paar Worte einer Tour geschrieben worden. So fülle ich diese endlos wirkenden Zeiten. Die Pausen werden so etwas erträglicher.

Nur jetzt muss ich zuwarten. Ein zweiter Becher mit Kaffee soll etwas erheiternd wirken. Die Stunde ist bald geschafft und dann geht es weiter. Die letzte Etappe der Tour steht an. Ich greife zum Telefon und rufe das Stellwerk an und erkundige mich nach meiner Dienstfahrt. Ich möchte wissen, wo ich warten muss. Die Antwort ist so unfreundlich, dass ich meinen Anruf schon bereue. Die Info, die ich benötigt hätte, kam nicht. Egal irgendwann werde ich dann bei meiner Dienstfahrt sein, dann weiss ich wo. Ob der Zug dann noch pünktlich fährt, ist mir jetzt egal, denn im Moment empfinde ich nur noch Frust.

 

Zürich-Mülligen - RBL

Die weitere Reise beginnt mit einer Dienstfahrt. Für mich gibt es keinen Zug nach dem Rangierbahnhof Limmattal. Dort muss ich aber den nächsten Zug übernehmen. Daher wurde eine Dienstfahrt mit einer Lokomotive eingeteilt. Reisezüge verkehren schon lange nicht mehr und nur die letzten Lumpensammler erreichen um diese Zeit ihre Endbahnhöfe. Die Nacht gehört dem Güterverkehr und so muss ich eine Lokomotive für die Dienstfahrt nehmen.

Dazu muss ich aber die Lokomotive zuerst finden. Im Beschrieb zur Tour erfuhr ich, dass sich diese auf der Seite Altstätten befindet. Das ist speziell, denn ich habe ja eine Dienstfahrt auf die andere Seite. Eine Info, die ich benötige, denn sonst warte ich am falschen Ende der Gleisgruppe. Nur, wenn man statt informiert nur angeschnauzt wird, steht man dann plötzlich falsch. Schuld ist dann der, der von gar nichts weiss. Das ist normal und so trifft es meistens den Lokführer. Auch an das gewöhnt man sich nie so richtig.

Ein Rangierarbeiter trifft mich und erkundigt sich, ob ich der Lokführer sei, der Dienstfahrt habe? Ja, der bin ich. Er meint, dass mein Kollege im Gleis auf mich warte. Die Lokomotive stehe halt etwas entfernt, aber so nahe wie möglich. Ich bedanke mich für die Information. Es gibt im Raum Zürich doch noch freundliche und hilfsbereite Leute. Ich mache mich auf den Weg zur Lokomotive, wo der Kollege auf mich wartet. Zumindest ging ich nicht vergessen, was schon mal schön ist, denn sonst wäre ich auf immer und ewig hier verschollen.

Die Begrüssung ist kurz. Der Lokführer meint, dass er sich nun beim Stellwerk melden werde. Mein Kommentar, dann viel Glück, die sind heute unfreundlich und arrogant. Der Kollege meldet sich und siehe da, das Stellwerk erkundigt sich, ob die Dienstfahrt denn zugestiegen sei. Der Kollege meint, dass er einen ziellos im Gleisfeld herumirrenden Kollegen aufgegriffen habe. Es werde schon der sein. Da alles recht freundlich war, könnte ich fast annehmen, dass da jemand etwas gegen die Leute aus den Bergen hatte? In Zukunft warte ich, bis sie mich vermissen, denn langsam habe ich es wirklich satt.

Nun habe ich Zeit, mich mit dem erlebten zu befassen, denn ich wechsle den Führerstand nicht und bleibe in der hinteren Kabine. Nicht, weil ich etwas gegen den Lokführer vom RBL hätte, sondern weil es so vorgeschrieben ist. Vorschriften sind ja dazu da um eingehalten zu werden. Auch wenn wir das bei den Dienstfahrten oft etwas lockerer sehen. Nur ich will mich in Ruhe auf meinen nächsten Einsatz vorbereiten und das vergangene Revue passieren lassen.

Kollegen, die eine Re 4/4 III nicht schätzen und Leute, die an Bahnhöfen gerne ihr Leben riskieren, sind das Fazit der letzten Fahrt. Leute im Stellwerk die scheinbar gar keine Freude an den Leuten aus Erstfeld haben und trostlose Minuten an Orten, wo man nicht sein wollte. Alles in allem eigentlich ganz normal, denn eine Seltenheit ist das nun wirklich nicht. Lokführer werden gerne angeschnauzt. Ob von den Reisenden, vom Stellwerk oder von den Vorgesetzten, der dumme ist der Lokführer. Das ist seit Jahren so und wird sich kaum ändern.

Viel Zeit dafür habe ich nicht, denn bis zum RBL ist es nicht weit und mit der Lokomotive geht das sehr schnell. Dort angekommen muss ich dann meine zugeteilten Lokomotiven suchen und mit denen an den Zug fahren. Pause habe ich keine mehr. Jetzt geht es auf direktem Weg nach Hause. Zurück nach Erstfeld, wo die Zukunft schon lange gestorben ist. Die NEAT wird kommen und damit unser Ende! Der RBL ist erreicht, ob ich in Zukunft hier Feierabend habe?

Mit Hilfe des Handys frage ich nach der Lokomotive. Natürlich steht sie an einem ganz anderen Ort, als ich bin. Aber die Information erfolgt freundlich mit Hinweisen zur Nummer und zum Zustand der Lokomotive. Eingeschaltet und ein Kollege hätte die notwendigen Prüfungen gemacht, da das Gespann neu formiert worden sei. Nicht normal, aber heute sei es so. Das sind Informationen, die hilfreich sind, denn so kann man sich vorbereiten.

Erneut kann ich durch die kalte Nacht wandern. Dabei muss ich die Geleise überqueren und aufpassen, dass mich keine Rangierfahrt oder gar ein Zug überrollt. Beides wäre recht ungesund und trotz allem Frust, so enden will ich nicht. So beginnt ein Tanz auf den vereisen Wegen durch den spärlich ausgeleuchteten Bahnhof. Das kennen wir und es grenzt an ein Wunder, dass in der Nacht, wo die Leute weniger konzentriert sind, nicht mehr passiert. Jeder passt auf den anderen auf.

Die Prüfungen der Sicherheitseinrichtungen sind tatsächlich schon erfolgt. Zumindest die, die man im Stillstand machen kann. Auf einem kleinen Zettel steht auch, dass die Funktionskontrolle und die Bremsprobe um 0 Uhr 30 erfolgt sei. Meine Arbeiten reduzieren sich damit deutlich, denn ich muss nur noch eine normale Übernahme machen. Selten, dass man so gut vorbereitete Lokomotiven antrifft und man zudem die Infos dazu erhält.

Die Zeit für alle benötigten Prüfungen wäre im Dienstplan nicht vorgesehen und  so wäre ich zeitlich recht knapp dran gewesen. Nun aber habe ich genug Zeit um alles Eintragungen zu machen, die Notizen zu führen und um auch dem ETCS der Re 620 die Fahrinformationen einzugeben. Ohne diese komme ich nicht weit, denn das System ist so ausgelegt, dass ich meine Fahrt angeben muss. Ohne kommt es zur Zwangsbremsung.

Fertig, alle Notizen sind gemacht und alle Eingaben erfolgt, ich kann die Fahrbereitschaft melden. Es dauert nicht lange, bis das Zwergsignal vor mit Fahrt zeigt und ich losfahren kann.

Eine Rollprobe verhindert, dass ich eine vergessene Handbremse oder angefrorene Bremsklötze nicht bemerke. Die mit der Handbremse gebremsten Achsen könnten angefrorene Brems-klötze haben und dann blockieren.

Die Rollprobe soll Flachstellen verhindern. Meine Lokomotiven rollen sehr gut und alle Achsen drehen.

Die Fahrt durch die Weichenverbindungen endete nach einem Wechsel des Führerstandes vor dem Zug und somit im Abfahrgleis. Zug ist gut, denn ausser einem einzigen Wagen kann ich nicht viel erkennen.

Ob ich wirklich richtig bin? Etwas unsicher bin ich schon, denn ich hätte doch etwas mehr erwartet. Schliesslich fährt der Zug ins Tessin.

Egal, ich wechsle wieder die Fahrrichtung, dann erkenne ich es schnell. Das erfolgt ohne Mappe, denn die ist ja schon dort, wo ich hin will.

Ich bin wirklich vor dem richtigen Zug, denn mir wird die Belastung übergeben. Vier Achsen und 80 Tonnen gelten für den Zug. Dazu kommen 200 Tonnen Lokomotive. Ein gutes Bremsverhältnis, aber nur eine geringe Höchstgeschwindigkeit. Ich kann nur mit 100 km/h nach Hause fahren. Die Geschwindigkeit, kann ich aber nahezu überall ausfahren, nur in den Voralpen, wird es gemütlicher, aber dann bin ich ja bald zu Hause.

Speziell ist mein Zug schon, denn der Wagen ist auch nicht normal. Es ist ein Dienstwagen, der zum Eichen der Gleiswaagen benötigt wird. Dazu führt er in seinem inneren geeichte Rollen mit vorgegebenen Gewichten mit. Dadurch wird der Wagen natürlich schwer und erreicht 80 Tonnen. Bei 16‘000 PS keine schwere Aufgabe für die Lokomotiven. Ein Lokzug mit Rucksack, könnte man fast meinen.

Da nun die Bremse an dem Wagen kontrolliert wird, verkommt die durchgeführte Zusatzbremsprobe zur Hauptbremsprobe, denn es wurden alle Achsen am Zug kontrolliert. Nicht kontrollierte Achsen gibt es nur an der Lokomotive, aber die wurden ja kontrolliert, als die Re 10 formiert wurde. So ist es nun eine einzige Lokomotive mit zehn Achsen und gilt nicht für die Unterscheidung der Bremsproben. Egal, die Bremse ist gut und ich bin fahrbereit.

 

RBL - Erstfeld

Ich bin mit dem Zug fahrbereit und sollte planmässig in fünf Minuten losfahren. Zeit um in der LEA die korrekte Fahrordnung aufzuschalten und um meine Notizen zu ergänzen. Dann kann die Fahrt losgehen. Leistungen ab dem RBL sind nicht unbeliebt, da man hier meistens pünktlich losfahren kann. Im Transit von Basel nach Chiasso ist das leider zu selten der Fall und dann muss auf der Fahrt wieder versucht werden, das vorgesehene Trassee zu erreichen. Keine leichte Aufgabe.

Vermutlich bemerkte der Fahrdienstleiter, dass ich mit meinen Arbeiten fertig bin, denn als ich aufblickte, erkannte ich, dass ich losfahren darf. Das Signal vor mit ist grün, der Fahrweg bis dorthin stimmt und kann die Rangierbremse lösen. Der Zug rollt bereits mit der ersten Stufe los, die zweite und schon geht es flott voran. Lange warten, bis der Zug gestreckt ist, muss ich jetzt auch nicht, denn wenn die Lokomotiven fahren, folgt der Wagen und der Zug ist gestreckt.

Die Fahrt beginnt zunächst gemütlich. Die Weichen lassen nur 40 km/h zu. Eine Kontrolle im Rückspiegel zeigt, der Wagen folgt willig den Lokomotiven. Die Weichen sind schnell vorbei und ein Vorsignal kündigt mir an, dass ich nun mit 60 km/h fahren kann. Zeit um die Wirkung der Bremse zu prüfen. Die Vorschrift ist klar, ich muss die Bremswirkung ohne die Lokomotiven prüfen. Die 80 Tonnen Wagen haben bei 200 Tonnen Lokomotive keine Chance, so bemerke ich kaum eine Bremswirkung.

Mit 16000 PS und 80 Tonnen am Haken, kommt man aber schnell auf die erlaubten Geschwindigkeiten, so dass ich fast unverzüglich 60 km/h erreiche. Die Anlagen des Rangierbahnhofs sind so nicht schwer zum befahren und so verschwindet auch der beleuchtete Bereich schnell. Ich bin nun bald auf der Strecke und kann dann auf die normale Geschwindigkeit beschleunigen. Doch zuerst muss ich Killwangen-Spreitenbach erreichen.

Lange wird das nicht dauern und die Signale sind grün, so kann ich beschleunigen und kaum habe ich die Einfahrt hinter mir, schalte ich zu und die Lokomotiven beschleunigen unverzüglich auf 90 km/h. Bald sind auch diese Weichen passiert und dann wird die normale Reisegeschwindigkeit von 100 km/h erreicht. Doch noch muss ich aufpassen, denn nur eine Fahrstufe zu hoch eingestellt und die Geschwindigkeit wird überschritten.

Die Nacht hat mich nun und ausser an den veränderten Geräuschen gibt es kaum Unterschiede zwischen Tunnel und freier Strecke. Dunkel ist dunkel und so wird es bleiben, bis ich Erstfeld erreicht habe. Die Uhr hat längst einen neuen Tag, aber der ist noch dunkel und die Leute schlafen. Gut, die nicht, wo mir immer wieder begegnen. Im Sommer ist es etwas anders, denn dann beginnt der Tag, wenn ich Feierabend habe. Ins Bett, wenn die Vögel zwitschern und der Verkehr beginnt.

Die Stationen Mägenwil und Othmarsingen waren, wie die Haltestelle Mellingen-Heitersberg ein paar Lichtblicke in der sonst dunklen Nacht. Die Bahnhöfe und Haltestellen sind in der Nacht auch beleuchtet, wenn keine Reisezüge fahren. Einerseits ist das für uns gut, denn wir können dank dem Licht den Zug kontrollieren, andererseits wird unnötig Energie verschwendet. Bei meinem Zug werde ich das hingegen kaum machen, denn die gesamte Bremsleistung kann mit der elektrischen Bremse erbracht werden und die erzeugt bekanntlich Energie.

Jetzt, wo ich mich Hendschiken nähere, bin ich wieder auf der Achse unterwegs, die ich meisten befahre, wenn ich gegen Norden eingesetzt werde. Die Strecke durch den Aargau ist im Winter nicht immer leicht zu befahren, denn Nebel behindert die Sicht und lässt die Signale kaum erkennen.

Heute ist davon leider wieder mal keine Ausnahme zu erwarten, denn die Sicht verschlechtert sich mit jedem Meter, den ich zurücklege.

Im Raum Wohlen beträgt dann die Sichtweite gleich Null. Die farbigen Punkte, die von Zeit zu Zeit an meinem Führerstand vorbei huschen, gehören wohl zu Signalen.

Dank grüner Farbe, machen sie mich nicht nervös. Nur, wo ich bin, weiss ich nicht so genau, denn vor mir gibt es nur eine weisse Wand. Schienen wird es wohl geben, erkennen kann ich sie noch recht knapp. Eine dichte Suppe, die hier durchfahren werden muss.

Ab und zu geben Stationen wieder einen Hinweis. Nun sind die beleuchteten Stationen ein guter Hinweis, den das Licht lässt etwas mehr erkennen. Diesmal war es Muri im Freiamt. Das steht so zwar nicht an der Anschrift, aber mit Muri AG wird darauf hingewiesen, dass es in der Schweiz noch andere Muri geben wird. Zwar weiss ich, wo die ungefähr sind, aber dort mit einem Zug fahren, werde ich wohl kaum.

Nun folgen die Wälder und die Fahrt durch eine schöne Landschaft. Nur, erkennen kann ich davon nicht viel, denn es ist und bleibt eine weisse Wand vor mir. Die Signale sind schemenhaft zu erkennen und langsam spüre ich die Müdigkeit in mir. Ich bin schon lange unterwegs und in der Nacht ist es nicht leicht, gegen den Schlaf zu kämpfen. Im Nebel fährt man voll konzentriert und ermüdet so noch etwas schneller. Nur, ich habe den Feierabend vor Augen und das lässt mich wach bleiben.

So bin ich dann doch froh, als sich die Nebel im Raum Immensee lichten. Dass das erst kurz vor Arth-Goldau war, stört mich jetzt nicht mehr, denn die Zeiger meiner Uhr zeigen 3:30 an und ich bin pünktlich unterwegs. Noch folge ich aber der Rigi und links erkenne ich den Zugersee. Auf der anderen Seite fuhr die S-Bahn, mit der ich Dienstfahrt hatte. Der Kreis, der zwar eher ein Tropfen mit Schleier war, wird sich bald schliessen. Noch wenige Minuten bis Arth-Goldau.

Nach Arth-Goldau schliesst sich der Kreis wieder, ich befahre wieder jenen Abschnitt, denn ich zu Beginn auf meiner Dienstfahrt zu-rückgelegt habe. Die Durchfahrzeit ist auf der LEA zu erkennen. Ich bin Pünktlich unterwegs.

Im Bahnhof Schwyz könnte sich das aber ändern. Dort ist eine Durchfahrt mit unter-schiedlicher Minutenzahl vorgesehen. Mal sehen, was mich dort erwartet, aber zuerst muss ich Arth-Goldau verlassen. Eine gute Gelegenheit meinen Zug wieder zu kontrollieren.

Im Nebel konnte ich das nicht. In den Rückspiegel sah ich gerade noch die zweite Lokomotive, vom Wagen war nicht viel zu sehen. Jetzt ist die Sicht klar, und ich kann kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Ja, der Wagen folgt meinen Lokomotiven friedlich. Die Kontrolle ist abgeschlossen und die Nacht hat mich wieder. So ist auch Arth-Goldau vergessen und nur die Steine entlang der Strecke lassen erkennen, wo man sich befindet.

Steine vom Bergsturz. Diese enden und sind auch vorbei, als ich Steinen erreiche. Ein Wortspiel, das oft gemacht wird, denn mit Steinen in Steinen kann man viel anstellen. Die Fahrt führt nun direkt zum Bahnhof Schwyz. Ein Bahnhof der nun über meinen Feierabend entscheidet. Zuvor folgt unmittelbar vor der Einfahrt noch die Fahrleitungsschutzstrecke, die ich im Gegensatz zur anderen vor einigen Minuten gut erkennen kann.

Die Signale sind grün und grün ist die Hoffnung. Ich kann durchfahren und bin daher einige Minuten vorzeitig unterwegs. Wie weit das sein wird, weiss ich nicht, aber ich habe dank dem kurzen Zug gute Karten. Etwa 4 Uhr sollte möglich sein. Das ist gut, denn dann beginnt die Zeit, die nur einmal pro Woche überschritten werden darf. Gestern schrammte ich knapp daran vorbei. Feierabend 3 Uhr 55. Heute geht es planmässig darüber.

Auch die Axenstrecke mit ihren zwei unterschiedlichen Geleisen, stellt nach über 20 Jahren keine Herausforderung mehr dar. Diese spezielle Strecke ist so gesehen, meine Hausstrecke und da kennt man die Situation sehr genau. Die Signale sind dort, wo sie sein müssen und zeigen zudem noch das, was ich will, grün und grüner. So kommt man in den Kanton Uri und bei Sisikon hat man die Hälfte der Strecke dem Urnersee entlang geschafft. Der Mond hüllt die Landschaft nun in schwaches und fahles Licht.

Flüelen durch, das ist gut, ja sogar sehr gut, denn hier war der letzte Bahnhof, wo Züge parkiert werden können. Feierabend in Sicht und bei Tag würde ich erkennen, dass über allem der Bristen wacht. Auch jetzt ist er schwach zu erkennen. Einer der wenigen Berge im Kanton, den ich kenne. Ich hatte in der Schule andere Berge, die im Vergleich zu denen hier nur Hügel sind. Aber so lernt jeder seine Heimat kennen und wenn er umzieht, ist er fremd, auch in der Geografie.

Nur noch Altdorf und dann kommt Erstfeld, der lange ersehnte Bahnhof. Dort, wo ich einen Schrank habe und meine Mappe ihren platz finden wird. Bis dort sind es noch wenige Minuten. Die Fahrt führt entlang der Baustelle zur NEAT. Bereits liegen hier erste Geleise. Die Tage der alten Strecke sind auch gezählt und so verändert sich hier alles. In ein paar Jahren könnte Erstfeld bedeuten, dass ich nun in den Tunnel fahre um in Bellinzona ein Frühstück einzunehmen. Nur, würde ich dann nicht in Erstfeld beginnen. Tempi Passati würde es dort heissen, wo ich nun einfahre.

Letztlich stand ich im Gleis sechs neben dem Depot, zog die Handbremse an und verliess die Lokomotiven. Die Ventilation beider Lokomotiven stellte ich auf stumm, der Zug wird nun 20 Minuten auf den nächsten Lokführer warten. Das ist ein Kollege von Erstfeld, der natürlich nicht früher aufsteht, als das erforderlich ist. Frühdienst hat er und er wird im Tessin zum Morgenessen gehen. Nur, für mich heisst es nun Feierabend.

 

Der Weg zum Bett

Nun begegne ich in der Remise dem Krokodil, das noch fahren kann und das auf neue Arbeit wartet. Die Gedanken gehen in jene Tage zurück, wo diese Lokomotiven noch planmässig fuhren. Wie fühlten sich die Lokführer, wenn sie nach getaner Arbeit wieder hier waren? Sicher ist, dass sie wohl keine so lange Reise hatten, denn wegen den geringen Geschwindigkeiten reisten sie nicht so weit. Mit 40 oder 50 km/h durch die Landschaften. Ich fuhr 125 und war damit nicht so schnell, wie die Reisezüge.

Der Nebel ist vergessen und lange Worte verlor ich im Depot auch nicht. Nun habe ich nur noch einen Wunsch und der ist ein paar Fussminuten entfernt. Es ist meine Wohnung mit dem Bett, das ich nun gerne aufsuchen werde. Bevor ich das aber machen kann, melde ich mich bei der Leitstelle, denn zu früh gehe ich nicht nach Hause, ohne dass ich es gemeldet habe. Mache ich ja auch nicht, wenn ich zu spät war.

Alles ist erledigt, ich kann die Mappe verstauen, die Jacke schliessen, die Mütze aufsetzen und nach Hause gehen. Vorbei an der Lokomotive, die daran erinnert, dass die Zeit vergeht und alles einmal ein Ende findet. Sie fand das Ende des Betriebs auf dem Sockel und nun ist auch der gefährdet. Die grossen Zeiten des Depots Erstfeld sind längst vorbei. Die Tage für die Krokodile sind vorbei, wann werden ihnen die Lokführer folgen? Abgefunden hat man sich damit, aber die Angst sitzt doch etwas im Nacken.

Der Weg durch die Strassen dient dazu, den Tag zu verarbeiten. Die frisch duftenden Brote der Bäckerei lassen erkennen, dass der Tag langsam erwacht und die Leute sich bald bereit machen um zur Arbeit zu fahren.

Frühstück, das bei mir zum Nachtessen würde und all das, was normale Leute eben tun. Ich sehe das anders, denn ich habe meine Arbeit getan und kann nun zum verdienten Schlaf gehen. Auch wenn mir Leute begegnen, die das sicher nicht so sehen.

Bevor ich das Haus betrete, entnehme ich dem Briefkasten die Zeitung. Die Schlagzeilen lese ich noch, aber für mehr fehlt mir die Lust. Ich öffne mit dem Schlüssel die Türe und kann ins Haus treten.

Im Treppenhaus gibt es gerade in dem Moment Licht. Einen Schalter habe ich nicht betätigt. Scheinbar befindet sich noch jemand im Treppenhaus. Wohl ein Frühaufsteher. Für Schichtarbeiter, wäre er zu spät dran und als Lokführer wohne ich alleine in diesem Haus.

Auf der Treppe begegnet mir der Nachbar. Mein Wunsch nach kurzen Worten der Begrüssung, wurde schnell beendet, denn den Spruch, dass es schön sei um diese Zeit Feierabend zu haben erwartete ich nicht. Das brauche ich nach 9 Stunden in der Nacht nicht, denn ich bin müde und nicht für Scherze aufgelegt. Meine Antwort war klar, denn als ich zur Arbeit ging, brannte bei ihm noch Licht. So hat er nun etwas zum Nachdenken.

Ich habe meinen Frieden und viel werde ich jetzt nicht mehr machen, denn nun fallen mir die Augen zu und das machen sie am besten im Bett. Die Wärme in der Wohnung besorgt noch den Rest und auch die Emails und die Zeitung lasse ist sein, was es ist, nicht wichtig, Aus den Kleidern und dann ab ins Bett. Schnell schlummere ich ein und verschlafe den Tag und vermutlich die hellen Stunden des winterlichen Tages wieder.

Doch was dann kam, erfreute mich nicht, denn ich erfuhr, dass es mir in Zürich Altstetten noch auf die letzte S-Bahn gereicht hätte. Kein angeschnauze, keine trostlosen Räume. ach wäre das schön gewesen. Nur, jetzt ist es zu spät und es kam, wie es kommen musste, die Tour kam weg und so unglücklich ist damit niemand gewesen. Irgend jemand im Büro scheint bemerkt zu haben, dass wir auf der Umleitungsstrecke nicht kundig sind. Das wohl am Tag im gut geheizten Büro. So machte ich diese Tour drei mal, das erste, einzige und letzte Mal.

 

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