Erstfeld - Basel - Erstfeld

Nachdem ich zwei Wochen lang Frühdienst hatte, konnte ich mich an einem ausgesprochen langen Wochenende erfreuen. Die letzte Tour vor dem Freitag endete kurz nach 8 Uhr, dann folgten vier Tage zur Ruhe. Ja, selbst die privaten Termine konnte ich reduzieren, so dass ich die volle Zeit zum erholen hatte. Das Wetter spielte zudem auch noch mit und es war schön und heiss.

Ein Tagesausflug mit dem Raddampfer auf dem Vierwaldstättersee war der Höhepunkt dieses Wochenendes. Einfach so nach Luzern, mit dem Schiff nach Flüelen und wieder nach Hause. Das alles, weil man es will und nicht weil ein Nutzen dahinter steht. Vergnügen pur und das war es auch. Doch wie alles, hatte auch dieses Wochenende ein Ende.

Heute ist wieder ein Arbeitstag angesagt. Gut, man nennt es Arbeitstag, aber eigentlich ist es eine Arbeitsnacht. Schichtarbeit kennt aber die normalen Begriffe nicht, vielmehr nennen wir es Nachtschicht. Dafür habe ich heute keinen Wecker benötigt, ich konnte einfach liegen bleiben bis ich von selber erwachte. Die Hitze verhinderte gestern lange, dass ich einschlafen konnte. Aber ich nutzte die Zeit in der warmen Nacht für arbeiten am Computer.

So kam ich erst sehr spät ins Bett, was zwangsweise dazu führte, dass ich erst um die Mittagszeit aus dem Bett stieg. Den Nachmittag nutzte ich um zu Hause liegen gebliebene Arbeiten zu erledigen. Vielmehr mache ich an diesem Tag nicht. Vor mir steht nun das Nachtessen, das in den vergangenen Minuten zubereitet wurde. Ich geniesse es, denn eigentlich ist es ja ein Morgenessen, denn ich habe die Arbeit noch vor mir.

Kurz nach 20 Uhr klingelt mein Mobiltelefon, ich war gerade der Dusche entstiegen. Es ist das Depot! Eine Änderung gäbe es bei meiner Tour, ich solle nicht auf die Dienstfahrt gehen und mich bei Arbeitsbeginn melden. Schön, diese Info, die eigentlich immer in einer solchen Situation erfolgen sollte. Sie kommt meist nicht, dann ist der Lokführer schon weg und die Probleme beginnen. Schuld ist dann der Lokführer, aber das ist ja überall so, es ist immer der Kleine schuld.

Eine kühle Brise aus den Bergen macht den Abend angenehm. Es ist ein wunderbarer Sommerabend. Der Himmel ist wolkenlos und auch der Wetterbericht verspricht noch ein paar schöne Tage. Als ich mich fertig anziehe, klingelt das Telefon erneut. Diesmal ein Kollege aus einem anderen Depot. Er komme diese Nacht nach Erstfeld, ob ich zu Hause sei. Nein, ich bin auf dem Weg zur Arbeit. Diesmal klappt es nicht.

Bevor ich den Wohnungsschlüssel in die Hand nehme kontrolliere ich noch einmal, ob ich auch alles bei mir habe. Heute kontrolliere ich zudem, ob alle Fenster verschlossen sind. Es ist alles verschlossen und vorhanden, es kann losgehen. Der angenehme Abend lässt noch viele Leute aus dem Haus gehen. In der nahe gelegenen Gartenwirtschaft ist die Stimmung fröhlich. Gerne hätte ich mich zu einem Bier begeben, aber jetzt muss ich halt verzichten, meine Arbeit ruft.

Viele bekannte Gesichter begegnen mir, einige davon nur entfernt. Ab und zu ein kurzes Gespräch. Sonst nichts aussergewöhnliches auf der Strasse, wenn man davon absieht, dass die alten Traktoren für reichlich aufsehen sorgen. Da knattert es wild und einige Modelle sind reichlich geschmückt. Sicher ein riesiges Vergnügen für die Fahrer.

Beim Bahnhof verlasse ich die Hauptstrasse, ich biege in die Unterführung zum Depot ab. Die Sonne ist schon lange hinter den Bergen verschwunden, so dass nun die Dämmerung langsam beginnt. Aber es gibt immer noch genug Licht um auch ohne Strassenbeleuchtung genug zu sehen. Eingeschaltet ist sie, das ist sicherlich für die Sicherheit förderlich.

Es ist kurz vor 21 Uhr, als ich das Depot erreiche. Ein wenig zu früh bin ich schon, aber ich muss ja noch die LEA mit neuen Daten füttern und das braucht auch seine Zeit. Ein kurzes Gespräch lässt mein Ziel aber noch auf sich warten. Ein Besucher, der sich gerade vom Rosthaufen getrennt hat, spricht mich an. Er erkundigt sich, ob ich wisse, welche Loks am Samstag zu Fitnessfahrt eingesetzt würden.

Leider keine Ahnung, denn das hänge immer vom verfügbaren Personal ab. Der Besucher bedankt sich und ich kann die letzten Meter noch unter die Füsse nehmen. Stimmt ja, heute ist ja der erste des Monates August. Der Tag an dem die Schweizer den nationalen Feiertag begehen. Viele Reden werden gehalten und ein paar Spinner treffen auf andere Spinner. Feuerwerke und Höhenfeuer werden entfacht.

Überall wird grilliert und gefestet, aber das darf das Volk auch, denn es ist ja ein Feiertag, der nur in der Schweiz begangen wird. Darum muss ich arbeiten, denn im Ausland wird normal gearbeitet, und so treffen die Züge an der Grenze ein. Wir können dann nicht einfach sagen, stopp, wegen Feiertag geschlossen. Dafür werde ich auf meiner Fahrt mit dem schönsten Feuerwerk belohnt werden. Zahlen werden es zudem andere. Jeder Schweizer, der eine Rakete in den Himmel jagt, beschenkt jenen, der arbeitet.

Und was kann an einem so patriotischen Tag schöner sein, als mit dem Zeichen des Landes durch eben dieses Land zu fahren. Sozusagen die Fahne vor sich her tragend. Nicht viele können das, aber wer bei den SBB als Lokführer arbeitet, hat dieses Privileg.

 

Viel Papier im Kasten

Das Fach in meinem Kasten quillt vor Papier über. Eine erste Sortierung teilt den Stapel auf. Wichtig, Neugier und unnütz sind die Kategorien. Fahrplanänderungen sind wichtig und kommen gleich in die Mappe. Weniger wichtig die Zeitabrechnung, diese bleibt im Kasten, denn genau kontrollieren kann ich sie erst zu Hause. Was gibt es denn noch? Ah eine Einladung zum Personalfest. Zu dumm, dass ich schon etwas anderes vorhabe, deshalb direkt in die Rubrik unnütz.

So reduziert sich der Stapel langsam ohne eine grosse Unordnung in meiner Mappe zu hinterlassen. Im Reservezimmer schliesse ich die LEA an und entnehme die Warnweste meiner Mappe. Die neuen Daten werden auf meine LEA übertragen. In der Zwischenzeit kann ich meinen Dienstplan studieren. Was diese Woche ansteht, scheint der normalen Einteilung zu entsprechen.

Ich gehe zur Leitstelle und erkundige mich nach meinem Dienst. Ich müsse mit einem verspäteten Zug nach Basel fahren. Der Zug sei jetzt in Wassen und die Lokomotive werde auch noch gewechselt. Ich müsse mich aber nicht beeilen, ein Kollege stelle mir die Lok an den Zug. Ein Zug von Chiasso, der dort formiert wird mit fast 3 Stunden Verspätung? Was ist denn passiert? Nun, der Zug hätte unterhalb Lavorgo einen Lokdefekt erlitten. Es habe dann gedauert, bis endlich eine Ersatzlok gekommen sei.

Ach so. Dann vergeht die Zeit schnell. Jetzt sei eben noch alles am Zug. Die defekte Lok könne nicht mehr selber fahren, deshalb würde sie mit der ankommenden weggestellt.

Eine neue Lok komme an den Zug, so dass ich weiterfahren könne. Nachdem ich mir alles notiert habe, gehe ich zurück zur LEA. Hier sind die Daten angekommen und bereits fertig verarbeitet. Ich kann sie in der Mappe verstauen. Ein kurzer Blick lässt mich erkennen, ich muss noch den Wasservorrat meiner Mappe ergänzen.

So führt mein Weg in Richtung Remise. Dort steht der Automat, der die begehrte Flüssigkeit in Flaschen bereithält. Ein Kaffee darf es auch noch sein. Ich begebe mich zum kleinen Büro des Schaltwärters.

Ein paar Worte werden gewechselt auf dem Computer sehe ich, dass mein Zug vor dem Einfahrsignal steht. Staulage im Bahnhof Erstfeld. Auch nichts neues, sondern tägliche Routine.

Endlich, der Zug kann einfahren. Jetzt weiss ich in welches Geleise er einfährt. Es ist das Geleise vier. Ich schultere meine Mappe, verabschiede mich und begebe mich auf den Weg zum Zug. Der fährt gerade, als ich das Depot verlasse, an mir vorbei. Drei Loks sind am Zug, wobei die letzte, eine Re 6/6 mit gesenkten Stromabnehmern verkehrt. Auch eine Re 6/6 geht ab und zu kaputt, wenn es dann noch den Gotthard hoch passiert, ist die Re 4/4 schnell überfordert.

 

Mit einer Lok nach Basel

Da ich noch einen Moment warten muss, bis sich die neue Lokomotive an den Zug begeben hat, kann ich schon mal die Papiere des Zuges studieren. Viel ist es nicht, denn ausser der Wagenliste und der Belastungsanzeige ist nichts vorhanden. Mich interessiert schliesslich nur die Belastungsanzeige. Der Zug ist fast 600 Meter lang und hat ein Gewicht von rund 1’200 Tonnen.

Die abgehende Lok erscheint vor dem Zug, es ist eine Re 6/6. Gross waren die Möglichkeiten auch nicht, denn mit dem Gewicht kann es nicht viel weniger sein. Wobei vor Überraschungen ist man nie sicher und nicht jeder Lokleiter versteht, wenn der Lokomotivführer meint, die Lok sei zu schwach für die Strecke.

Mit der Re 6/6 habe ich aber noch Reserven, denn mit 1’217 Tonnen, ist der Zug noch weit von den 1’600 Tonnen Normallast entfernt.

Ja, wenn ich sogar noch auf gewissen Abschnitten zufahren kann, gingen sogar 1’800 Tonnen. Nur, so schwer ist kein Zug am Gotthard, denn ein solcher Zug benötigt, sofern er nicht ganz spezielle Bedingungen erfüllt, eine Zwischen-lokomotive.

Zwischenloks können aber wegen dem fehlenden Personal nicht mehr geführt werden. Somit wird es kaum vorkommen, dass eine Re 6/6 überfordert ist. Ich betrete den Führerstand. Noch ist der Kollege, der die Lok an den Zug gestellt hat nicht eingetroffen.

Ich muss warten, denn er muss mir noch den Schlüssel zum Verriegelungskasten bringen. Ohne den kann ich die Lok nicht einschalten. Die Türe vom Maschinenraum öffnet sich gerade in dem Moment, als ich meine LEA an den vorgesehenen Platz stelle. Der Kollege erklärt, was er an der Lok schon gemacht hat, was er festgestellt hat und letztlich, dass er noch die Beleuchtung und die Kupplung kontrolliere.

Ein Blick aus dem Fenster lässt mich erkennen, dass der Bodenwärter gerne hätte, dass ich die Bremsen anziehe. Das mache ich, denn schliesslich will ich ja einmal abfahren. Kurz nachdem ich angezogen habe, kommt das Signal zum lösen der Bremse. Ich verbringe das Ventil in die Füllstellung. Der Druck in der Bremsleitung steigt bis auf 7 bar an. Nur kurz, denn er senkt sich schnell wieder auf den erlaubten Wert vom 5.4 bar.

Jetzt kann ich den Computer meiner Lok mit den notwendigen Daten füttern. Zuerst meine Personalnummer, die kenne ich mittlerweile auswendig, denn ohne diese Nummer geht nichts mehr. Die Systeme wollen keinen Namen, die wollen nur eine Nummer. Auch auf der Lok ist man nur noch eine Nummer. Genau wie beim Staat, wo man nur anhand seiner persönlichen Nummer identifiziert wird, Herr Büenzli wird dann zu 477.5.125.333.

Danach geht es an die Zugdaten. Zuerst jene für das ETCS-System. Zugreihe A, Bremsreihe R/P, Bremsverhältnis 85 % und eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Die Länge muss ich zuerst noch schnell berechnen. Der Zug hat eine Länge von 597 Metern, kommt noch die Lok hinzu, die mit 19 Metern auch nicht kurz ist. Zusammen ergibt das 620 Meter.

Klar, rechnen kann ich schon besser, aber für die Erfassung der Daten reicht das aus. Jede Lok ist einfach 25 Meter lang. So sollen Differenzen bei den Reisezugwagen, die auch mit 25 Metern gerechnet werden, ausgeglichen werden. Bei den Güterzügen und den elektronisch erfassten Zugdaten, stimmt die Länge jedoch genau, denn hier ist schliesslich jeder Wagen mit seiner Länge in der Datenbank hinterlegt. Identifiziert wird auch er nur über seine Nummer.

Auch die errechnete Länge ist eingegeben. Ich kann die Daten bestätigen. Der Kollege meldet sich, er habe alles wie besprochen kontrolliert und alles sei gut. Neben ihm steht der Bodenwärter, der mir mitteilt, dass die Bremsen gut seien. Danach fragt er noch, ob ich fahrbereit sei. Ja, das bin ich.

Stimmt zwar nicht, aber bis die Funkverbindung aufgebaut ist, der Fahrdienstleiter die Fahrstrasse eingestellt hat, bin ich auch so weit, denn der Computer verlangt nur noch nach der Zugnummer. Die gebe ich ein und kann danach den Fahrmodus im Streckendienst ohne ETCS eingeben. Jetzt sind die ZUB-Daten an der Reihe. Wäre schön, wenn die schon vorgegeben wären, denn ich benötige hier mir einer Ausnahme die gleichen Daten noch einmal.

Auch das ZUB 121 ist bereit. Ein Blick nach vorne verrät mir, dass das Signal mittlerweile Fahrt zeigt, nur abfahren darf ich noch nicht, denn noch fehlt die Abfahrerlaubnis. Ah da ist sie, es kann losgehen. Mit den ersten Stufen beginne ich den Zug zu strecken, denn bis bei so einem langen Zug der letzte Wagen verstanden hat, dass die Reise weitergeht, dauert es halt ein wenig.

Langsam gewinnt der Zug an Geschwindigkeit. Die Weichen lassen 60 km/h zu. Das erreiche ich dank dem Gefälle nach dem Bahnhof schnell. Eine gute Gelegenheit die Funktion der Bremse zu kontrollieren. Ich senke den Druck in der Hauptleitung auf 4.4 bar ab. Der Zug verzögert leicht. Das scheint zu passen, denn im Zug sind noch Wagen mit Kunststoff-Bremsklötzen, die reagieren anders.

Trotz den über 10'000 PS würde es lange dauern, bis ich 100 km/h erreiche. Was jedoch nicht sinnvoll ist, denn bei der Brücke über den Schächenbach muss ich so oder so wieder auf 80 km/h verzögern. Deshalb begnüge ich mich mit 80 km/h. Es geht auch so voran und alles andere wäre unnötige Energieverschwendung. Nach der Brücke neigt sich die Strecke. Ich lasse den Zug einfach rollen, schön, wenn man die Schwerkraft für sich arbeiten lassen kann.

Der Zug erreicht auch so 100 km/h. In Flüelen muss ich dann wieder abbremsen, jetzt aber mit der elektrischen Bremse der Lokomotive. Ich beginne schon früh, denn nur mit einer Lok dauert es halt ein wenig länger. Die Strecke lässt eine abgestufte Geschwindigkeit zu. Mit ein wenig Kenntnis der Strecke kann man das auch zur Verzögerung nutzen, so dass die letztlich erlaubte Geschwindigkeit am richtigen Ort erreicht wird. Jetzt muss ich wieder ziehen, denn die Strecke steigt an, um danach gleich wieder zu fallen.

Da sich mittlerweile die Nacht über dem Kanton Uri breit gemacht hat, gibt es keine grosse Veränderung, als ich in den ersten Tunnel fahre. Dunkel ist nun mal dunkel, zumindest meint man das für gewöhnlich, als Lokführer denkt man da schon eher in dunkel und dunkler. Der Tunnel, der bei den nördlichen Einfahrweichen des Bahnhofes Flüelen liegt, ist schnell passiert.

Die Fahrt führt weiter dem Urnersee entlang nach Sisikon. Man kann sich gut vorstellen, wie der See, der nun ruhig in der Nacht liegt, sich vom nachmittäglichen Grossverkehr erholt. Gerade jetzt in den Sommermonaten ist der See und die Tellsplatte ein beliebtes Ziel für Surfer und Wanderer. Mich interessiert aber sehr schnell etwas anderes, denn das Signal, das soeben aufgetaucht ist leuchtet orange.

Die Bremsung verlief wie gewünscht, ich nähere mich gemütlich der Stahlbrücke über den Gumpischbach. Das Hauptsignal liegt kurz nach dem Portal im Tunnel. Da darf man nicht zu schnell fahren, denn durch die enge Röhre sieht man das Signal erst sehr spät. Es ist wie ich es erwartete, immer noch rot. Etwa 10 Meter vor dem Signal halte ich an. Jetzt habe ich Zeit meine Notizen noch nachzutragen und die Eintragungen in den Unterlagen der Lok zu tätigen.

Vor mir wechselt das Signal auf orange. Eigentlich dürfte ich nun losfahren, doch die Geschwindigkeit würde durch die Vorschriften auf 40 km/h beschränkt. Noch sind nicht alle Notizen gemacht. Ich beende meine Arbeiten. Gerade in dem Moment, als ich die Lok in Bewegung setze, wechselt das Signal erneut die Farbe. Es ist nun grün. Die Beschränkung ist aufgehoben, ich kann normal beschleunigen und dadurch zügiger fahren.

Ein Blick über den See lässt mich erkennen, dass die Höhenfeuer vieler Gemeinden entfacht wurden, einige Raketen steigen über dem Rütli hoch. Die Feierlichkeiten scheinen in die Endphase übergegangen zu sein. Sieht immer wieder schön aus, wenn auf nahezu jedem Höhenzug ein Mahnfeuer leuchtet, das an die Zeit erinnert, als hier weder Eisenbahn noch Mobiltelefone bekannt waren.

In Brunnen besänftigt die Polizei gerade jene, die es mit dem Patriotismus etwas zu genau nehmen. Eben jene, die eigentlich nie ganz den grundlegenden Sinn unseres Landes verstanden haben, denn wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, davon erkenne ich in den wenigen Augenblicken, die ich sehe wenig. Blinde Zerstörungswut, zahlen dürfen es dann die einig Brüder.

Durch den schweren Zug muss die Lok auf den Steigungen schwer arbeiten. Auch die Beschleunigung ist nicht so gut, wie bei zwei Lokomotiven. Heute ist das eher ungewohnt, aber vor bald 20 Jahren, als ich mit der Ausbildung begonnen habe, war das so üblich. Die Re 6/6 waren zudem auf dem Weg nach Basel selten, hier gehörte die Hauptlast den Ae 6/6 Lokomotiven. Mit 1'200 Tonnen ging es dann halt noch ein wenig gemütlicher voran.

Bei der Schutzstrecke in Schwyz kann ich den Stromabnehmer oben lassen, die Beschränkung, die das senken verlangt, ist bei einer Lokomotive nicht gültig. So kann ich schnell wieder einschalten. Durch die angrenzende Steigung gewinne ich kaum Geschwindigkeit. Klar, ich könnte die hohen Leistungen der Lokomotive verwenden, brächte dann den Zug vermutlich auf 100 km/h, nur müsste ich dann in Steinen wieder mit der Luft abbremsen.

Ja, die Fahrt mit einer Lok verlangt ein wenig mehr. Man muss sich überlegen, wo es bergauf geht und wo hinunter. Ein kleiner Fehler bei der Wahl der Zugkraft kann nicht so einfach ausgebügelt werden. Die Geschwindigkeit fällt zusammen und muss dann mit sehr viel Zugkraft erneut ergänzt werden. Aber im Lauf der Jahre kennt man die Strecken, die oft befahren werden sehr gut, da passieren solche Fehler selten.

Nachdem ich nun die Südbahn passiert habe, komme ich in den Bereich des Birrfeldes. Ich kontrolliere, wie ich in der Zeit liege. Klar, pünktlich bin ich keineswegs, denn der Zug hätte ja schon in Basel sein sollen, als ich in Erstfeld abgefahren bin. Ein paar Minuten habe ich zwar eingeholt, aber das spielt keine grosse Rolle. Ich kontrolliere noch schnell, wie ich im Fahrplan der anderen Züge liege.

Gerade diese Kontrollen sind wichtig, man weiss mit der Zeit in etwa, wo welcher Reisezug gerade unterwegs ist. Brugg ist so ein Punkt, wo es wichtig ist, dass man früh genug weiss, wie man zum IR liegt. Fährt man zu schnell nach Brugg, kommt man zu stehen und muss in die Steigung beschleunigen. Verzögert man, kann es sein, dass man gerade deswegen zum stehen kommt, weil man nicht vor den IR kommt.

Für mich eigentlich kein Problem, denn ich bin genug vor dem IR, aber es gibt immer Güterzüge, die von Zürich her kommen und auch über den Bözberg fahren. Dann wird es auf der Verbindungslinie immer etwas eng. Ich habe Glück, die Signale sind grün, und ich kann die Steigung bereits mit 80 km/h in Angriff nehmen. Das geht schneller, als wenn ich anfahren müsste.

Auch so benötige ich nun die höheren Zugkräfte, denn es steigt hier stark an und auch eine Re 6/6 muss hier arbeiten. Ich erinnere mich jetzt an jenen Tag, als ich bei starkem Regen mit einer Re 460 und einem ein wenig schwereren Zug hier hochfuhr. Im letzten Moment tauchte damals der rettende Bözbergtunnel auf. Die Geschwindigkeit war auf 20 km/h abgesunken. Kein Vergleich, denn jetzt kann ich den Tunnel mit den erlaubten 75 km/h in Angriff nehmen.

So, den letzten Tunnel bei dieser Fahrt ist auch geschafft und mit Effingen habe ich zudem den höchsten Punkt der Linie über den Bözberg erreicht. Die Strecke fällt nun stetig ab. Erst in Eiken wird es wieder flacher. Die Lokomotive kann sich aber nicht erholen, sie muss nun mit voller Leistung elektrisch bremsen. Auch so vermag ich den Zug nicht in der erlaubten Geschwindigkeit zu halten, ich muss ab und zu die Luftbremsen der Wagen zur Hilfe nehmen.

Die weitere Fahrt dem Rhein entlang nach Basel verlief ohne nennenswerte Probleme. Mein Zug endet in der Einfahrgruppe des Rangierbahnhofes Basel. Das Gleisfeld mit der Bezeichnung E-Feld neigt sich leicht gegen den Ablaufberg, der hier eigentlich nur aus einer steileren Rampe besteht. Die Wagen, die zur Ablaufanlage rollen, tun das hier mit Hilfe der Schwerkraft. Für die einfahrenden Züge ist das hingegen zu berücksichtigen, denn der Zug reagiert beim bremsen leicht anderes, als in einer ebenen Station.

Der Halt muss zudem sehr genau erfolgen, der erste Wagen muss noch in der Gleisbremse liegen. Die Lok jedoch nicht, was einen Halt auf wenige Meter genau erfordert. Heute gelingt es, ich hatte auch schon andere Tage, da klappte es erst im zweiten Anlauf. Aber ein Meister ist je noch nie vom Himmel gefallen. Hier müssen wir die Lok nicht selber abhängen. Der Grund ist ziemlich banal, aber die Lokführer dürfen die Gleisbremse nicht bedienen.

Viele Raketen habe ich schon gesehen, aber meistens musste ich mich auf den Eisenbahnverkehr konzentrieren. Auch einige Höhenfeuer loderten in den Himmel und verkündeten weit herum das, was vor mehreren hundert Jahren statt gefunden hat, die Eidgenossenschaft ist gegründet. Schön, wenn das dann im Gebiet erfolgt, das der grosse Feind von damals seine Heimat nannte.

 

Die Fahrt zum Parkplatz

Die ersten Meter kann ich fahren, die Zwergsignale vor mir zeigen fahrt. Ich rücke mit der Lok zum Wechselsprecher vor. Eine Säule im Gleisfeld, die mit schwarzen und orangen Streifen verziert wurde. Hoch oben sind dann ein Bediengerät, ein Mikrofon und ein Lautsprecher montiert. Wir nennen diese Sprechstellen Giraffe, da der lange Hals zutreffend sei.

Ich habe kaum gehalten, als ich im Lautsprecher die Stimme des Fahrdienstleiters höre. Er erkundigt sich nach Zugnummer und Lok. Ich gebe sie ihm an, dabei wäre mir beinahe ein Fehler passiert, denn beinahe hätte ich statt einer Re 6/6 eine Re 10 angegeben. Die Macht der Gewohnheit hat erbarmungslos zugeschlagen, etwas, was wir Lokführer nicht gerne haben. Gewohnheiten sind gefährlich, aber der Mensch neigt nun mal dazu.

Der Fahrdienstleiter bedankt sich und vor mir wechseln die Signalbilder. Ich kann mit der Lok zum Parkplatz fahren. Das geht sogar direkt, so dass ich ohne einen weiteren Halt im richtigen Gleis stehe. Schön, wenn man in einer grösseren Stadt so einfach einen Parkplatz findet. Mit dem Auto ist das in Basel nicht so einfach, mit einer 120 Tonnen schweren Lok geht es ohne Problem, zumindest meistens.

Nachdem ich den Luftvorrat noch ergänzt habe, schalte ich die Lok aus. Ich räume meine Sachen zusammen und beginne mit den notwendigen Kontrollen. Die Relais haben nicht angesprochen, die Fenster öffne ich leicht und das Couvert für die Belastungsanzeigen habe ich in der Hand. Mein Weg führt nun in den Maschinenraum, der wie immer im Sommer sehr heiss ist. Mit den neuen Klimaanlagen merkt man die Hitze der Lok nicht mehr so gut. Am Thermometer kann ich die Temperatur des Transformators ablesen. Hier herrschen angenehme 55°C.

Der Schweiss fliest jetzt, auch wenn man keine Anstrengung vollbringt, für diese Wärme ist der Mensch nicht unbedingt gebaut. Ich auf jeden Fall bin froh, dass ich den Maschinenraum wieder verlassen kann und mich nicht mehr lange um Registrierstreifen und Farbscheibe kümmern muss. Ein dankbarer Vorteil von ETCS, nur wenn man dann Störungen mit dem neuen System hat, ist man länger im Maschinenraum, als einem lieb ist.

Im hinteren Führerstand ist es nicht besser, denn hier war die Klimaanlage glücklicherweise ausgeschaltet. Irgendwie verstehe ich es nicht ganz, da baut man eine Klimaanlage in die Lok ein, und dann programmiert man sie so, dass sie über längere Fahrten nicht arbeitet und jedes Mal manuell eingeschaltet werden muss. Danach muss die Klimaanlage mit voller Leistung die Wärme wieder aus dem Führerstand bringen.

Auch im zweiten Führerstand sind die Kontrollen erfolgreich beendet worden. Die Handbremse habe ich festgezogen und nun kann ich die Lok verlassen. Die Aussenkontrolle der Lok beginnt. Zuerst die Griffstangen reinigen, damit der eitle Lokführer keine schmutzigen Hände bekommt. Nach ein paar Stufen habe ich den festen Boden unter den Füssen wieder erreicht. Ich kann nun mit meinem Rundgang um die Lok beginnen.

Ich kontrolliere die Laufwerke und die Elemente am Kasten auf Beschädigungen oder übermässige Abnützung. Aus Gewohnheit kontrolliere ich auch die Stirnseite der Lok. Zuerst ist es jene der vorherigen Fahrrichtung. Kupplungen, Schläuche, aber auch Steckdosen sind hier zu kontrollieren. Ein defekter Schlauch kann jetzt einfacher gewechselt werden, wie wenn er dann auf der Strecke versagt.

Da eine andere Lok den Weg um den Führerstand versperrt, muss ich den soeben zurück gelegten Weg unter die Füsse nehmen. Zurück auf der anderen Seite der Lok kontrolliere ich die andere Frontpartie. Was ich hier sehe, lässt mich zum einen erschaudern aber auch ein leichtes lächeln kommt über meine Lippen.

Ich kann nur sagen, dass es ein Volltreffer sondergleichen war, der dafür sorgte, dass der Holzstab einer Rakete genau die Lücke im Scheibenwischer traf. Ich hatte das aus dem Führerstand nicht gesehen, da die Storen gesenkt waren und ich keinen Grund sah, sie zu heben. Am besten entferne ich das Teil, das so nicht dahin gehört. Die restliche Kontrolle beende ich mit dem reinigen des zweiten Stangenpaares. Ich schnappe meine Mappe und verlasse die Lok endgültig. Ein Blick auf die Uhr, dann geht es in die Pause.

 

Pause in Basel, kein Erlebnis

Auf der Uhr konnte ich erkennen, dass es gerade Mitternacht ist. Die Zeit notiere ich in meinen Unterlagen und kontrolliere, wie ich zur geplanten Tour liege. Eigentlich ganz gut, denn in wenigen Minuten wäre ich auch hier angekommen. Normalerweise würde mein Weg nun zum Personalrestaurant führen. Ein Weg, der jeder hungriger Mitarbeiter einlegen würde. Nur, gestern war ja ein nationaler Feiertag, daher ist es hier in Basel nichts mit Milchküche, wegen Feiertag geschlossen würde an der Türe stehen.

Ein Hohn, denn um diese Zeit ist das immer so. Eigentlich schon schlimm, dass in der heutigen Zeit alles nach dem Motto, es muss rentieren, gerechnet wird. Klar eigentlich würde ich mich auch darüber freuen, wenn meine Firma schwarze Zahlen schreiben würde. Aber, wenn das nun heisst, dass aus Kostengründen die Personalrestaurants geschlossen werden, bekomme ich ein beklemmendes Gefühl.

Nun, eine Wahl habe ich ja nicht, in den öffentlichen Verpflegungsstellen wird jetzt das Licht gelöscht, da muss ich es nicht mehr versuchen. Die Milchküche ist geschlossen, weil ja selbst die permanent leeren Automaten nicht rentiert haben. Wer wirft denn schon freiwillig Geld in einen leeren Automaten? Genau, wir Lokführer auch nicht, so ist klar, das Ding kann nicht rentieren.

Deshalb gehe ich hier in Basel zum Aufenthaltslokal des Lokomotivpersonals. Einige liebe Kollegen von Basel haben aus eigener Hand versucht, dass für uns Lokführer aus den anderen Standorten mindest einige Snacks vorhanden sind. Der Zettel am entsprechenden Schrank wundert mich nicht. Es gibt anscheinend Kollegen, die nicht daran denken das zu zahlen, was sie bezogen haben. Eine Frechheit!

Auch hier ist das Aufenthaltslokal nicht gross bevölkert. Normale Leute würden es vermutlich als leer bezeichnen, aber als Lokführer hat man sich daran gewöhnt, dass selbst die Pausen alleine verbracht werden. Eine Überraschung gibt es doch noch, denn der Kaffee ist gratis. Ein Mitarbeiter von hier verlässt das Unternehmen. Immer öfter kommen wir in den Genuss von Gratiskaffee, daran könnte man sich sicherlich gewöhnen, nur ob das wirklich gut ist…

Der aufgestellte Schrank mit den Esswaren ist noch leerer, als das Lokal. Stimmt nicht, denn es hat Messer und Gabeln aus Plastik im Kasten, sind die vielleicht essbar? So bleibt mir nichts anderes übrig, als einen Kaffee zu trinken und mir das Gebäck dazu zu denken. Die gesunde Verpflegung, die vom medizinischen Dienst so hoch gelobt wird, bleibt wieder einmal auf der Strecke, eine 0 Diät ist angesagt.

Zumindest gibt es hier keinen allzu schlechten Kaffee. Mit dem Becher in der Hand setze ich mich. An die Becher haben wir uns längst gewöhnt, denn auch die üblichen Kaffeetassen verschwinden mit den offenen Milchküchen. Irgendwann fragt der Automat, zumindest dort, wo es noch einen gibt, ist alles zum Mitnehmen? In Chiasso ist es schon seit Jahren so, nur für einige Automaten reicht hier das Geld noch. In Basel muss halt in der Nacht ein Kaffee reichen.

Mit knurrendem Magen wird es eine lange Heimfahrt geben. Aber ändern kann ich es nicht. Es kommt noch die Zeit, wo man feststellt, dass es sinnvoll ist, dass der Lokführer sein Essen selber mitnimmt. Dann kann man die Pause ja irgendwie vor einem roten Signal mitten in der Natur einteilen. Dass man die Pausen auch dazu nutzt um zivilisiert seine Notdurft zu verrichten interessiert wirklich niemanden mehr. Lokführer sind dann den Landstreichern gleichgestellt, die nur mal schnell hinter einen Baum gehen um zu pinkeln. Gut, in den Bahnhöfen hat es keine Bäume, da müssen andere Lösungen gefunden werden.

Ein zweiter Kaffee fliesst in meinen Magen und es dauert eine Ewigkeit, bis die Pause fertig ist, denn ich muss erst um 1.40 Uhr wieder an die Arbeit. Wie gerne würde ich nun freundliche Literatur lesen, aber mir bleiben nur die Anschläge der Gewerkschaften. Aha, da steht es ja schon, die Pause solle in Zukunft auch auf der Dienstfahrt möglich sein. Der erste Schritt ist also schon getan.

Ein Apfel reiche für die Errichtung eines Dienstes, der ständige Konzentration verlangt, völlig aus. Ein Blick in den Schrank, verleitet mich jedoch zum Gedanken. Ein Apfel wäre ein Apfel und zudem, Bananen würden für die Menschen auf der Lok besser passen, denn schliesslich essen Affen ja Bananen. Das letzte Wort scheint aber noch nicht gesprochen sein, ist ja klar, dass das den betroffenen Tieren nicht gefällt, denn auch Affen essen Äpfel.

Ein Kollege aus Erstfeld erscheint, schaut in den leeren Kasten und hat die gleichen Gedanken wie ich. Er meint nur, dass er das bis weit in den Morgen kaum aushalten werde. Im knurre der Magen jetzt schon. Ich kann ihm nicht widersprechen, denn mir geht es ja gleich. Die Kaffees in meinem Magen mögen da keine Beruhigung bringen.

Es dauerte, aber es ist endlich so weit, ich kann Basel wieder verlassen, zwar habe ich seit fast 7 Stunden nichts mehr gegessen, aber es kommt ein Lichtblick auf mich zu, der Heimweg lockt. Zumindest der Flaschenautomat gibt noch ein paar Süssgetränke aus. Nun, wenn ich schon hier bin, kann ich mich auch direkt nach der Lok erkundigen.

 

Keine Überraschung, eine Re 10 ohne

Es ist wie immer, eine Re 10 ohne ETCS. Ich rufe im Stellwerk an, dort kann man mir sagen, wo die Lok steht. Nach ein paar Klingeltönen bekomme ich eine Verbindung. Ich melde mich, erkläre, was ich will, danach muss ich warten. Nach ein paar Momenten bekomme ich dann die Antwort. Nur nicht die, die ich erwartet habe. Es sei in Basel keine Lok nach meinem Wunsch vorhanden. Sonderlich überrascht bin ich nicht.

Innerlich fluche ich vor mich hin, denn zu dieser Zeit wartet man nicht gerne auf eine Lok. Jedoch meint der Mitarbeiter, dass er mehr als genug Re 10 mit ETCS habe. Ich bedanke mich und beende das Telefonat. Jetzt kann ich mich wieder der ersten Stelle zuwenden, ich erkläre das Problem. Es dauert ein wenig, bis ich endlich die Erlaubnis bekomme, eine Re 10 mit ETCS zu nehmen.

Erneut rufe ich im Stellwerk an, ich könne auch eine Re 10 mit ETCS nehmen. Jetzt bekomme ich meine Lok doch noch. Sie steht, wie könnte es auch anders sein im Haufen. Der Weg ist etwas länger, aber letztlich erreiche ich den Abstellort doch noch. Schön ruhig steht die Lok an der vorgesehenen Stelle. Nur ETCS hat die Lok vorne nicht, denn diese Re 6/6 hat kein ETCS, es sei denn, die Lok habe in der Mitte einen Riss bekommen.

Ich teile noch die Nummern der Lokomotive mit. Es sei etwas schief gelaufen meine ich, denn die Lok stehe zwar dort, wo die ETCS Maschinen abgestellt seien, es sei aber klar eine ohne, denn die 11602 hat kein ETCS und wird es vermutlich auch nicht bekommen. Der Mitarbeiter bedankt sich für die Info, wird die notierte Nummer im System eingeben und dann zur nächsten Arbeit übergehen. Jetzt kann ich die Lokomotiven übernehmen. Da es ein neuer Tag ist, muss ich noch zusätzliche Kontrollen machen.

Nur schon durch die Verzögerung bei der Lokauswahl hat mich genug in zeitliche Bedrängnis gebracht. Die Bremse der Lok muss ich auch noch kontrollieren. Das wird nicht reichen, denn die Zeiten sind so knapp bemessen, dass nur schon die kleinste Verzögerung unweigerlich zu Verspätungen führt. So eine Verzögerung tritt nun ein, denn die Bremse der hinteren Lok ist noch nicht angezogen, ich muss erneut mit der Bremsprobe beginnen. Ich wollte zu schnell arbeiten und wurde sogleich bestraft, es geht einfach nicht schneller, das System braucht seine Zeit.

Als ich letztlich mit meinen Lokomotiven an den Zug fahren kann, hätte ich den Bahnhof bereits verlassen müssen. Noch ist der Zug nicht gekuppelt und die Bremsen sind auch nicht kontrolliert. Ich ziehe Überkleid, Handschuhe und einen Helm an. Danach hänge ich den Zug an die Lok. Arbeiten, die bis vor wenigen Jahren ein schlecht bezahlter Mitarbeiter gemacht hat, nun ist es Aufgabe des Lokführers.

Bevor ich mich von der Kuppelstelle entferne, kontrolliere ich noch einmal, ob auch alles stimmt. Das ist vorgeschrieben und letztlich meine Lebensversicherung. Nur die wenigsten Leute kontrollieren genau ob sie auch alles korrekt gemacht haben, denn bei den eigenen Fehlern schaut man gerne darüber hinweg. Fehler, die an solchen Stellen einfach nicht passieren dürfen. Unfälle bei der Bahn enden oft mit schlimmsten Folgen für die Menschen.

Es steht noch die Bremsprobe an. Die erste Achse des Zuges ist gelöst, ich kann wieder auf die Lok gehen und die Bremsen der Wagen anziehen. Erneut am Zug, kontrolliere ich, ob die Bremsen fest anliegen. Das machen sie, zumindest an der Achse, die ich kontrolliert habe. Mehr muss ich auch nicht kontrollieren. Die Vorschriften erlauben das, nur ganz sicher kann man ja nie sein.

Bevor ich nun auf die Lok gehe und die Bremsen löse, begebe ich mich auf den Weg zu den Frachtpapieren. Dieser Weg führt mich quer über die Geleise, die auch von Zügen befahren werden. Das heisst aufpassen, denn schnell ist man vor einer Lok. Die Papiere liegen schon bereit. Ich kann schnell die Belastungsanzeige kontrollieren. Das mache ich hier, denn bei einem Fehler muss ich nicht erneut über die Geleise laufen. Mit 1500 Tonnen ist es für den August ein stattlicher Zug.

Zurück auf der Lok löse ich die Bremsen wieder. Da das einen Moment dauert, kann ich die ZUB-Daten noch eintippen. Als das erledigt ist, begebe ich mich erneut an den Zug. Ein Tritt mit dem Schuh bestätigt, was ich optisch schon vermutet habe, die Bremsen sind los. Ich bin mit dem Zug fahrbereit. Auf dem Weg an die Spitze drücke ich noch die Taste für die Fahrbereitschaft. Es kann los gehen.

Auf der Lok passe ich an der LEA noch die Bremsreihe an. Eigentlich hätte ich das vorher schon machen können, nur habe ich das schlicht vergessen. Nachdem die angepasste Fahrordnung aufgeschaltet wurde, erkenne ich, dass ich mit dem Zug bereits in Rheinfelden sein sollte. Nur, das Signal vor mir ist immer noch rot.

 

Endlich geht es los, aber...

Das Signal vor mir geht auf Fahrt. Nur, das nächste Signal ist noch rot. Das darf eigentlich nicht sein. Erst jetzt erkenne ich, dass das Signal grün ist, das eigentlich für den Weg nach Olten genutzt wird. Werde ich umgeleitet und weiss nichts davon? Es könnte auch sein, dass in Pratteln gebaut wird und so das normale Gleis gesperrt wurde. Langsam beschleunigt mein Zug, ich werde noch früh genug erkennen, wo mein Weg durchführt.

Gerade als ich die letzte Weiche des Rangierbahnhofs passiere, wird meine Zugnummer am Funk aufgerufen. Ich gebe Antwort. Es ist das OBZ in Basel, das mir mitteilt, dass ich umgeleitet werde und ich schnell fahren soll. Ich antworte, und erkläre, dass er aber wissen müsste, dass ich in Pratteln anhalten dürfe. Davon will er nichts wissen, er meint nur, mit der LEA sei das ja kein Problem und ich solle endlich Tempo machen.

So nicht mein lieber! Mit 1’500 Tonnen am Haken geht es nun mal nicht sonderlich schnell, zudem habe ich das Gefühl, dass die Fahrleitung nicht eine besonders gute Spannung hat, denn mit jeder Stufe sinkt die Anzeige leicht und liegt nun bei 13.5 kV. Auf der LEA klicke ich den entsprechenden Link an. Nach einem kurzen Moment habe ich die notwendigen Angaben für die Umleitung vor mir. Es geht wirklich leicht mit der LEA, aber die Kollegen, die dieses Instrument nicht haben, müssen notfalls ausserordentlich anhalten.

Nun, wenn ich ganz bös wollte, hätte auch ich das Recht zum halten, denn in den entsprechenden Regelwerken ist keine Erleichterung für die LEA vorgesehen. Nur, allzu sehr ärgern will ich das Fernsteuerzentrum nicht, es grenzt ja schon an ein Wunder, dass ich ohne zu fragen verständigt wurde. Aber es ist schon schlimm, dass immer wieder angenommen wird, dass wir mit den schweren Zügen flott anfahren können. Klar, die notwendige Zugkraft habe ich, daran besteht kein Zweifel. Aber die Kupplung hält dann nicht mehr mit.

Es dauert, trotz der maximal erlaubten Zugkraft bis nach Pratteln. Aber letztlich erreiche ich die erlaubten 100 km/h doch noch, nicht so schnell wie erwartet, aber so schnell wie es nun mal ging. Frenkendorf-Füllinsdorf kündigt sich mit dem Einfahrsignal an. Das an gleicher Stelle montierte Vorsignal zeigt jedoch nicht freie Fahrt. Ich muss die mühsam gewonnene Geschwindigkeit mit den Bremsen der Wagen vernichten. Soweit zum schnell fahren, kaum ist man bereit, gibt es immer wieder ein Signal, das nicht mitspielt.

So auch hier, denn gerade in dem Moment als ich am Ausfahrsignal vorbei fahre erkenne ich noch knapp, wie der Fahrbegriff 1 aufleuchtet. Ich kann wieder beschleunigen. Nur, die Bremsen der Wagen müssen zuerst gelöst werden, auch das dauert bei einem über 500 Meter langen Zug, seine Zeit. Ich habe etwa 55 km/h, als die Bremsen wieder gelöst sind.

Ich bin wieder bereit um an Geschwindigkeit zuzulegen. Dank der Steigung geht es halt wieder nicht sonderlich schnell. Der liebe Kollege auf dem OBZ muss vermutlich am ausrasten sein, aber ich kann einfach nicht noch mehr ziehen. Langsam steigt die Anzeige der Geschwindigkeit wieder an. 70, 80, ja es geht langsam vorwärts, nur von 100 km/h bin ich noch weit entfernt.

In Liestal kann ich durchfahren, was auch nicht immer der Fall ist, weil hier zwei Strecken zu einer vereinigt werden. Es folgt danach die Station Lausen, die schon lange umgebaut wird und jetzt dann endlich fertig sein sollte, dann verschwinden auch die Lang-samfahrstelle und die bisherige Kurve aus dem Fahrplan.

Hingegen bleibt die Schutzstrecke. Ich muss meine Lokomotiven ausschalten, die Bügel senken und dann wieder heben. Das dauert eine gewisse Zeit. Durch die Steigung sinkt die Geschwindigkeit gegen 80 km/h, was gerade genug für die Langsamfahrstelle ist.

Nach der Schutzstrecke beschleunige ich nicht wieder und sogleich kommt der Funkspruch. Aha, man will mich wieder sprechen.

Ich gebe Antwort. Man will von mir wissen, warum ich denn nicht schneller fahre. Ich atme tief durch und dann erkläre ich, dass die Physik leider nicht alles zulässt, was gefordert wird.

Ich gebe mir Mühe, aber mehr ginge einfach nicht, und zudem, wenn sie wollen, dass wir schnell fahren, dann sollen sie gefälligst für grüne Signale sorgen. Wie oft mussten wir uns schon rechtfertigen, aber die Physik ist nun mal keine Erfindung von faulen Lokführern, sondern ein Naturgesetz, das selbst die SBB nicht ausser Kraft setzen kann.

Dem knurren am Funk nach, ist das wohl nicht die Antwort, die erwartet wurde. Ich machte sicher nicht unnötig langsam, denn ich will ja auch nach Hause. Mittlerweile ist die Langsamfahrstelle passiert und ich kann weiter beschleunigen. Die Zugkraft steigt auf das Maximum und die Geschwindigkeit folgt gemütlich. In Sissach habe ich die erlaubte Geschwindigkeit dann doch noch erreicht. Kaum habe ich den Bahnhof verlassen, entdecke ich das Vorsignal. Die zwei orangen Lampen geben einen klaren Auftrag. Ich atme tief, sehr tief durch.

Die Zugkraft raus, die Bremsen anziehen, die elektrische Bremse aufschalten. Dabei natürlich wieder an die geforderte Schnellfahrt denken. Am Funk erklingt erneut meine Zugnummer. Jetzt kann gewartet werden, beim bremsen darf ich nicht antworten, das sollte eigentlich im ganzen Land bekannt sein. Aha, ich muss nicht antworten, die Station teilt mir nur mit, dass das Signal rot sei. Ist eine gewaltige Überraschung ich dachte schon, dass ich meinen Augen nicht trauen konnte.

Es kommt, wie es kommen muss, in der Steigung stehe ich vor dem Signal. Die Zeit nutze ich um das System Taktfahrplan zu überdenken. Sicher bin ich nicht, aber vor mir könnte eigentlich nur die S-Bahn sein, die hier am Wochenende und an Feiertagen neuerdings auch in der Nacht fährt. Dann ist alles klar, 60 hätten ohne Probleme gereicht. Schnellfahrt, dass ich nicht lache. Das Signal wechselt von rot auf orange, langsam beschleunige ich den Zug. Dank der Steigung logischerweise sehr gemütlich.

Eilig habe ich es nicht, denn ich darf nicht schneller wie 40 km/h fahren. Klar, ich hätte ja warten können, bis das Signal grün ist, aber allzu sehr will ich das OBZ nicht reizen. So vergeht viel Zeit, sehr viel Zeit. Genug Zeit, dass dem nervösen Menschen auf der Zentrale die Nerven blank liegen. Ich weiss, aber schneller darf ich nicht fahren, das verbieten die Fahrdienstvorschriften. Ja, jetzt sehe ich auch, dass das Signal offen ist, ich werde weiter beschleunigen, aber schnell wird das nicht gehen. Auch dieses Funkgespräch ist wieder beendet, wann kommt das nächste?

Ich bin kein guter Lokführer, das weiss ich, denn anscheinend können meine Berufskollegen um Kurven blicken, Signale erkennen, die nicht sichtbar sind. Nun, um meinen Job zu machen reicht das. Der Zug wird schneller. Letztlich komme ich wieder nahe an die erlaubte Geschwindigkeit. Gebracht hat es nichts, denn vor mir taucht erneut ein oranges Licht auf, nur es ist von zwei grünen Lichtern begleitet.

In Tecknau komme ich zum stehen. Neben mir geht das Signal auf Fahrt. Es dauert eine Zeit, dann werde ich durch den Nachtschnellzug überholt, wohl der Grund, warum ich schnell fahren sollte. Aber jetzt spielt es ja keine Rolle mehr, denn ich stehe im Überholgleis und da störe ich wenig. Mal sehen, wie lange ich hier stehen werde, denn das Signal neben mir wird erneut grün. Ich muss wie ein Eishockeyspieler auf der Strafbank sitzen, nur ich gehe nicht davon aus, dass es nur eine 2 Minuten Strafe ist.

Nach vier weiteren Zügen der BLS und einem von SBB Cargo, wird auch mein Signal wieder grün. Ich sehe es, mache mich wieder bereit und beschleunige erneut. Der Hauensteintunnel nimmt mich und meinen Zug auf. Eilig habe ich es hingegen nicht mehr. Ich fahre bald wieder die erlaubte Geschwindigkeit, bummeln liegt einfach nicht drin. Und so nähere ich mich Olten, das ich umfahre und so in Richtung Aarau weiter fahre. Plötzlich kann man friedlich vor sich hinrollen und den Zug mit kleinen Zugkräften im erlaubten Geschwindigkeitsbereich halten.

Da ich wegen der Umleitung keine Durchfahrzeiten habe, weiss ich nicht genau, wie ich zum Fahrplan stehe, aber so schlecht wie es bisher gelaufen ist, vermute ich nichts gutes. Der Weg über Olten ist zwar ein wenig kürzer, aber wenn es so mies läuft, ist dieser Vorteil schnell verspielt. Gut, ja gut gelaufen ist es bisher nicht, ich ahne schlimmes.

Es ist so, denn als ich in Hendschiken wieder auf meinen angestammten Weg einbiege, zeigt meine LEA eine Abweichung von 35 Minuten an. Leider nicht zu meinen Gunsten. Nun, eigentlich bin ich schon ein wenig überrascht, denn ich hätte mehr vermutet, aber so ist es auch recht. Zwar nicht angenehm, aber in einem vertretbaren Rahmen.

 

Eine Aufholjagd?

Jetzt wo ich weiss, wie ich zum Fahrplan liege, kann ich eine Aufholjagd starten. Da mein Zug 100 km/h schnell fahren kann, sollten ein paar Minuten möglich sein. Natürlich immer vorausgesetzt, die Signale bleiben grün. Da es nach dem Bahnhof leicht bergab geht, beschleunigt der Zug leichter. Das ist gut, denn anschliessend erfolgt gleich eine Steigung, die ich so nicht mehr zum beschleunigen benötige.

Bis Wohlen zeichnet sich die Strecke durch die Abfolge von Gefällen und Steigungen aus. Die stetigen Wechsel machen meinen Versuch immer 100 auf dem Tachograph zu sehen nicht einfach. Es folgt ein steter Wechsel zwischen Zugkraft und Bremskraft. Im Fahrplan sehe ich, dass ich zudem in Dottikon-Dintikon Umspannanlage 10 Minuten hätte warten sollen. Vermutlich wäre nun der Nachtschnellzug vorbei gefahren.

Dank der unterschiedlichen Durchfahrzeit habe ich bereits nur noch 20 Minuten. 10 Minuten der geplante Halt und weitere 5 Minuten wegen der weggefallenen Verzögerung und Beschleunigung. Auch die Signale von Wohlen, die ich von hier aus erkennen kann, zeigen eine beliebte Farbe. Grün, so weit das Auge reicht. Wenn es so weiter geht, kann es mit der Verspätung doch noch gut kommen.

Dank der nach Wohlen eingebauten Schutzstrecke verliere ich ein wenig Geschwindigkeit, die ich sogleich wieder ergänze. Selbst das Signal, das kaum einmal grün angetroffen wird, ist grün. Die Kapazitätsbremse zwischen Boswil-Bünzen und Muri hat schon oft genervt. Warum nur fehlt hier das dringend benötigte Blocksignal. So wird hier immer unnötige Energie verschwendet, weil die Züge sich bis hier zu nah folgen.

Eigentlich habe ich ja keine Zeit um mich mit solchen Gedanken zu befassen, die Geschwindigkeit muss ständig beobachtet werden, wenn man am Limit unterwegs ist. Zudem knurrt mein Magen mangels Beschäftigung auch schon recht laut. Die Dunkelheit sorgt zudem, dass die Müdigkeit erbarmungslos zuschlägt. Wenn jetzt nur kurz die Konzentration nachlässt, ist der Zug schon zu schnell, was dann dem Gefahrgut in meinem Zug nicht mehr passen könnte.

Im Wald zwischen Muri und Benzenschwil habe ich es dann geschafft, die höchste Stelle dieser Strecke ist erreicht, jetzt geht es nur noch bergab. Da ich schon länger keine Bremsung durchgeführt habe, kontrolliere ich, ob die Wagen noch richtig bremsen. Die Geschwindigkeit am Tachograph sinkt, es scheint noch alles in Ordnung zu sein.

Nachdem ich gelöst habe, beschleunigt der Zug dank dem Gefälle wieder, so dass ich mich wieder um die Einhaltung der Geschwindigkeit kümmern muss. In Sins werde ich dann die Durchfahrzeit erneut kontrollieren. Aber bis es so weit ist, benötige ich die volle elektrische Bremskraft der Lok, sonst werde ich zu schnell. Weiterhin sind die Signale grün, es läuft friedlich, ein Traum des Lokführers.

Sins ist erreicht und ein Blick auf die Uhr verrät, 15 Minuten sind es immer noch. Langsam komme ich wieder in den Bereich, den wir als normal bezeichnen. 15 Minuten Verspätung sind im Güterverkehr an der Tagesordnung. Die Strecke ist jetzt etwas flacher, so dass ich die elektrische Bremse abschalten kann. Der Zug rollt nun und ich muss wieder Zugkraft aufschalten, sonst werde ich zu langsam.

Nach Oberrüti steigt die Strecke dann wieder an. Dank den weiten Kurven kann ich den Zug gut kontrollieren. Nun, gut ist etwas übertrieben, denn in der Nacht heisst kontrollieren, in etwa so viel, wie schauen ob nichts brennt. Alles andere sieht man nicht. Deshalb ist es wichtig, dass man den Gegenzug kontrolliert. Da dieser aber fehlt, kann ich nicht auf die Hilfe der Kollegen vertrauen.

Es kommt, wie es kommen musste, die Aufholjagd wie jäh beendet. In Rotkreuz ist das Ausfahrsignal geschlossen. Die elektrische Bremse wird aktiviert, die Bremsen der Wagen zum Arbeiten angeregt und dann die Zugsicherung quittiert. Wie schön wäre eine Info gewesen, dann hätte ich die Steigung schon zum abbremsen genutzt, aber so bleibt mir halt nichts anderes übrig.

Es ist bereits kurz nach halbfünf Uhr morgens, als das Ausfahrsignal wieder auf Fahrt geht. Die Verspätung beträgt nun wieder 20 Minuten. Langsam setzt die Dämmerung ein. Der neue Tag zeigt sich mit einem leicht helleren Himmel. Dunkel ist es immer noch und meine Fahrt führt nun wieder flüssig nach Arth-Goldau. Der Himmel wird immer heller, so dass die Umrisse der Berge erkannt werden können.

Die letzten 20 Minuten verlief die Fahrt ohne Probleme, ich konnte die Bahnhöfe bis Schwyz ohne orange Lichter befahren. Jetzt steht der Einspurabschnitt vor der Türe, wäre wirklich schön, wenn ich auch hier gleich durchfahren kann. Langsam kämpfe ich nun wirklich gegen den Schlaf, denn ich sollte eigentlich schon in Erstfeld sein. Meine Wünsche werden erfüllt, ich kann durch den Einspurabschnitt fahren.

Ein letzter Zwischenbericht auf meine Fahrplanlage erfolgt in Flüelen. Die Abweichung beträgt genau 18 Minuten. Das kann ich nicht mehr einholen, denn der Zug hätte soeben Erstfeld verlassen sollen.

Da die Signale weiterhin grün sind, kann ich gegen Süden rollen. Weit im Hintergrund leuchtet die Spitze des Bristen bereits rötlich auf. Die Berge beginnen nun langsam zu brennen, denn in den nächsten Minuten wird die Spitze immer röter. Ebenso rot, wie das Einfahrsignal von Erstfeld.

Ich halte vor dem Signal an. Nun heisst es warten. So knapp vor dem Feierabend warten, das ist nicht motivierend. Lange werde ich nicht warten, denn sobald die 3 Minuten Wartefrist abgelaufen sind, werde ich mich erkundigen. Klar, ich kann mir schon denken, warum das Signal nicht auf Fahrt geht.

Er kommt, der Grund, denn eine BR 185 verlässt den Bahnhof in Richtung Norden. Wenn die BLS im Bahnhof steht, wartet SBB Cargo einfach vor dem Bahnhof, egal wie viel zu spät wir sind.

Anhand der Stimme am Funk konnte ich es auch ahnen, denn bei der betreffenden Person darf sich im Bahnhof Erstfeld nie mehr als ein Fahrzeug bewegen. Auf jeden Fall scheint mein Hinweis auf das sehr nahe liegende Bett mit dem Pyjama gewirkt zu haben, ich kann die letzten Meter meiner Fahrt doch noch fahren. Nach dem Halt blicke ich auf die Uhr, es ist genau 5.20 Uhr. 25 Minuten Verspätung sind es wieder geworden.

 

Der Heimweg am frühen Morgen

Nachdem ich die Verspätung angegeben habe, mache ich schnell. Lust um Diskussionen habe ich keine, denn ich will nur noch so schnell wie möglich nach Hause. So kommt es, dass ich das Depot sehr schnell verlasse und nach Hause gehe. Heute Abend muss ich dann um 19.00 Uhr zum Dienst erscheinen. Mehr wollte ich nicht mehr wissen.

Mittlerweile ist die Dämmerung auch in die Täler vorgedrungen, die Vögel zwitschern und die nahe beim Depot liegende Bäckerei duftet wunderbar nach frischem Brot. So macht sich der Hunger erneut bemerkbar. Die Gedanken sind zwiespältig, denn soll ich nun noch schnell bei der Milchküche vorbei und etwas essen, oder soll ich nach Hause ins Bett.

Nun, ich habe einen Kompromiss gefunden, ich gehe nach Hause, esse dort noch etwas und gehe dann ins Bett, denn ich will wirklich nur noch nach Hause. Die LKW der Post und der Grossverteiler fahren durchs Dorf, das nun langsam erwacht. Und wenn man das Bild von Aussen betrachten würde, passt der müde Schichtarbeiter nicht so recht ins Bild.

Überall wird eifrig dafür gesorgt, dass die Leute, die ein normales Leben führen auch alle Annehmlichkeiten geniessen können. Frisches Brot am frühen morgen, damit der Start in den Tag so gut wie möglich erfolgt. Kein Vergleich mit der Nachtschicht ohne Verpflegung, weil es sich einfach nicht rentiert ein paar Leuten etwas anzubieten, die grosse Masse lebt halt ein anderes Leben.

Da hat es für Schichtarbeiter keinen Platz mehr. Ja, auch die Tageszeitung liegt im Briefkasten. Frisch gedruckt, damit alle wissen, was passiert ist, wenn sie bei der Arbeit erscheinen. Ich lese die Schlagzeilen noch schnell durch, während ich ein halt nicht mehr so frisches Stück Brot in den Mund schiebe, damit mein Magen endlich etwas zu tun bekommt. Gedruckt hat auch diese Zeitung ein Schichtarbeiter wie ich.

Zwar lese ich in der Zeitung, was dort aber geschrieben steht, verstehe ich nicht mehr, denn ich kann mich kaum mehr konzentrieren. Es ist genug, ich gehe ins Bett, draussen ist mittlerweile ein schöner Sommertag angebrochen, davon werde ich in den nächsten Stunden nichts mitbekommen. Zumindest hoffe ich das, als ich mich hinlege.

 

                       
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