Erstfeld - Zug - Luzern

Kaum ein Tag im Jahr weckt bei den Leuten in Europa und sonst wo auf der Welt so viele Gefühle, wie der Heutige. Besonders gläubige Christen eifern immer wieder auf dieses grosse Ereignis hin. In den Geschäften wird eifrig entsprechend dekoriert, damit man auch gar nicht vergisst, dass ein Feiertag ansteht. Die Eisenbahn verkehrt an allen Tagen und so wird auch an solchen Tagen für jeden Zug ein Lokführer benötigt.

Trotzdem ist es für mich ein ganz normaler Tag mitten in meiner Arbeitswoche. Halbzeit ist durch und von meinen sechs Arbeitstagen in dieser Woche stehen nur noch drei Tage an. Somit ist auch rechnerisch die Hälfte durch, auch wenn Heute gemäss Fahrplan und Kalender Freitag ist. Unweigerlich bedeutet das, dass ich am Sonntag arbeite. Die Leute wollen auch an diesen Tagen im Zug nach Hause reisen, und so arbeiten wir Lokführer halt auch am Wochenende.

Ob es nun Reise- oder Güterzüge sind, die wir am Sonntag befördern, spielt eigentlich keine Rolle, denn beide Züge sind direkt für Sie da. Sie wollen am Montag in der Frühe einkaufen und dabei frische Produkte, wie Salat, Gemüse oder Milch erwerben. Im Winter kommen der Salat und das Gemüse halt mitunter aus den Gebieten südlich der Alpen. Aber auch die Post muss termingerecht zugestellt werden, denn Verzögerungen hier, erfreuen Sie gar nicht.

Den Transport in den Norden übernehmen dann die Eisenbahnen mit den Güterzügen. Diese sind also nicht nur laut und stören die Nachtruhe, sie haben auch einen wichtigen Auftrag. Die Versorgung der Schweiz hängt zu einem guten Teil an den Eisenbahnen. Gerade im alpenquerenden Verkehr sind die Bahnen mit von der Partie, auch sonntags.

Nach diesen drei Tagen habe ich dann zwei Tage frei und kann mich wieder etwas erholen. Früher waren Wochen mit sechs Arbeitstagen bei den Eisenbahnen üblich.

Ich hatte diese Zeit selber noch erlebt und dabei auch bis zu sieben Tage am Stück gearbeitet. Die Wochenenden wurden ab und zu auf einen einzigen Tag reduziert und dann ging es gleich wieder mit sechs Arbeitstagen weiter.

Leicht waren solche Wochen nie, aber man hat sie eingeteilt und daher auch gearbeitet. Dann kam aber der Wunsch nach den üblichen Wochen mit fünf Arbeitstagen und zwei freien Arbeitstagen auf.

Die Eisenbahner wollten etwas näher bei der normalen Bevölkerung sein und wünschten sich übliche Wochen mit fünf Arbeitstagen und mindestens zwei Freitagen.

Das ging im Kalender nicht auf, denn so hätte sich keine Verschiebung der Arbeitstage ergeben und der Lokführer hätte dauernd am Sonntag gearbeitet oder nie.

So blieben die Wochen mit sechs Arbeitstagen halt erhalten, wenn sie auch seltener wurden. Man schätzt dafür die arbeitsfreien Wochenenden mit vier oder sogar fünf freien Tagen. Dieses wird auch noch für mich kommen, aber erst im nächsten Jahr.

Wobei die aktuelle Schicht mit Nacht- und Spätdienst passt mir ganz gut. Ich arbeite gerne zu dieser Zeit, dann kann ich zu Hause nach Arbeitsschluss einfach ins Bett liegen und schlafen, benötige keinen Wecker und bei der Arbeit kämpfe ich weniger mit der Müdigkeit. Das erleichtert die Arbeit und schliesslich will auch ich es mir nicht unnötig schwer machen. Nur, Lokführer arbeiten auch, wenn es nicht zu ihrem Rhythmus passt.

Der Mensch hat eine innere Uhr, die sein Leben bestimmt und dabei wirklich fast alles regelt. Meine Uhr tickt wohl eher spät. Man spricht in diesem Zusammenhang von Eulen. Gut, die wenigsten arbeiten gerne Frühdienst, aber das gehört auch zum Beruf. So oder so, es ist nicht leicht in der Nacht zu arbeiten, denn dann schläft man wirklich überall, nur nicht bei der Eisenbahn und den anderen Schichtarbeitern.

Ich hatte gestern, nein es war heute, kurz nach Mitternacht Feierabend gemacht. Mein Zug, mit Lebensmittel für das Tessin, verkehrte pünktlich, denn schliesslich wollen die Leute am Morgen auch im Tessin frische Produkte kaufen. Nur, dazu müssen diese zuerst geliefert werden. Die Tage, als das ein LKW machte, sind offenbar vorbei und der Nachtsprung wurde zum Geschäft der Bahnen.

So arbeite ich in der Nacht, dass irgendwo die Leute frisches Gemüse, Obst und andere Lebensmittel kaufen können. Das ist die Folge davon, dass der Apfel jeden Tag frisch sein muss. Die regionalen Verteilzentren haben, die sonst notwendigen, Lager nicht mehr. Einspringen müssen dann die Züge und das im Nachtsprung zwischen Abend und frühem Morgen. Nur, das bedeutet für uns unweigerlich Arbeit in der Nacht und am frühen Morgen.

Ich mag es den Fernfahrern gönnen, dass sie in der Nacht nicht fahren dürfen. Nein, nicht direkt deswegen, aber so können sie in der Nacht schlafen. Das ist viel Wert und nach all den Jahren Schicht, weiss ich von was ich spreche. Erholsamer Schlaf in der Nacht ist viel wert und schätzen lernt man ihn erst, wenn man ihn nicht mehr hat. Man kann sie umgehen, aber vermissen wird man sie immer irgendwie, die viel gelobte Nachtruhe.

Die Schwierigkeiten sind da und immer weniger Leute sind heute bereit, Schicht zu arbeiten. Das spüren wir, denn mit Nachwuchssorgen lebt man in meinem Beruf schon lange. Die Leute im Land wurden aufgeklärt und jeder weiss, dass Schichtarbeit ungesund ist. Man lebt mittlerweile gesund und da sind ungesunde Handlungen verpönt, besonders dann, wenn der Arbeitgeber meint, es müsse sein. Gehört die Schicht und somit der Lokführer auch dazu?

 

Zurück in Erstfeld

Den Weg nach Hause konnte ich zu Fuss machen, da ich wieder Touren des Depots Erstfeld fahre. So ist mir dies wieder möglich. Vorbei ist der lange Arbeitsweg nach Arth-Goldau. Ich kann zu Fuss gehen und das gefällt mir. Ich habe diese Zeit, die ich nutze um den vergangenen Arbeitstag zu verarbeiten, im Depot Arth-Goldau vermisst. Bewusst wurde mir das erst, als ich es nicht mehr hatte.

Im Auto konnten keine Probleme verarbeitet werden, da musste ich mich auf die Strasse und den Verkehr konzentrieren. Die Sorgen des Tages wurden einfach verdrängt, blieben aber immer noch präsent und kamen wieder hervor, wenn es ruhig wurde. Ich nahm die Probleme mit nach Hause und das war für mich nicht gut, das weis ich jetzt.

Es war schön, in der kalten Luft durch Erstfeld zu gehen und sich mit ein paar Gedanken zu befassen. Die Zeit in Arth-Goldau ist für mich vorbei. Es war eine kurze Zeit, aber ich habe die Möglichkeit mit den Touren nach Mannheim ausgeschlagen. Zu Hause schlafen, ist für mich wichtig, das war auch ein Grund, warum ich nicht Fernfahrer wurde. Lokführer können zu Hause schlafen und das finde ich gut so. Man sollte diese Möglichkeit nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Andererseits hatte ich viel in die Ausbildung investiert und dafür sicherlich auch Opfer gebracht. Diese aufzugeben, und das nach so kurzer Zeit, ist auch nicht leicht. Daher hatte ich mir die Angelegenheit gut überlegt. Es gab viel dafür, aber auch dagegen und es gab Tage für und Tage gegen Mannheim. Letztlich siegten die Argumente dagegen und ich gab schweren Herzens, die ganze DB-Angelegenheit auf. So kam ich wieder nach Erstfeld.

Die Zeit den Strassen entlang, werden eben für solche Sachen, für diese Gedanken und für Probleme bei der Arbeit genutzt. Zu Hause angekommen, sind sie verschwunden und ich kann in die warme Wohnung treten, die Jacke an den Bügel hängen und mich aus den schweren Schuhen befreien. Das Ziel ist erreicht, die Probleme blieben irgendwo zwischen dem Depot und hier. In der Nacht werden sie dann verschwinden und ich sehe sie nie mehr.

Zu Hause erledigte ich noch ein paar Arbeiten. Dazu gehört zum Beispiel, dass ich ein paar Notizen zum vergangenen Tag notiere. Erstfeld - Härkingen - Olten - Oberbuchsiten - Erstfeld mit ein paar Zugnummern und Loknummern steht in den Notizen. Diese habe ich den ganzen Tag nachgeführt und mir auch die Zeiten notiert. Eine Angewohnheit, die ich vor vielen Jahren eingeführt hatte und daher auch weiter führen werde.

Die Notizen werden im Computer noch vermerkt, so liegen nicht viele kleine Zettel herum und es ist etwas Ordnung vorhanden. Da ich das schon länger mache, habe ich die Notizen von 10 Jahren gesammelt. So kann ich in meinem privaten Archiv nachforschen, an welchem Tag ich auf welcher Tour, mit welcher Lokomotive unterwegs war. Das sind jedoch noch lange nicht alle Angaben der Kollegen. Jeder hat hier sein eigenes System. Einige lassen es auch sein, wie gesagt, hier organisiert sich jeder Lokführer selber.

Das könnte eine Tour geben?! Doch in Härkingen waren wir ja schon und viel geändert hat ja auch nicht. Andere Loks neue Wagen, und geänderte Abläufe. Warum nicht, schliesslich ging es auch schon mehrmals nach Chiasso oder Basel. Ich werde mir das noch überlegen, jetzt ist so oder so nicht die Zeit an solche Angelegenheiten zu denken. Das kommt meist schnell und nie nach einem Arbeitstag.

Ich habe keine neuen Strecken mehr. Ich werde nicht in der ganzen Schweiz eingesetzt und habe halt nur ein beschränktes Rayon. Da kann ich beim besten Willen keine Fahrt durch das Lavaux oder entlang den Berner Seen beschreiben. Ich denke, dass es dort spannend und schön sein kann. Aber eben, keine Strecke für mich und meine Kollegen von Erstfeld.

Eine Tour, ohne spezielle Vorkommnisse ohne Leute, die reklamieren, der trostlose Alltag eines Lokführers des Depots Erstfeld wäre etwas. Keine Bergstrecke befindet sich darin, einfach nur eine Fahrt durch die Schweiz. Eben, der ganz normale Alltag, wie wir ihn meistens erleben. Für die Leser Langeweile pur, aber was soll's. Ich habe wieder eine Tour und nenne sie 24.

In der Küche bereite ich mir ein warmes Essen zu. Bei den kalten Temperaturen draussen sicherlich nicht falsch und zudem, es ist die einzige vernünftige Mahlzeit, die ich einnehmen kann, die Pause kann ich dazu leider nicht nutzen. Nach dem Essen kann ich mich noch frisch machen. Dann wird es schnell so weit sein, denn letztlich hatte ich diesmal keine lange Ruheschicht erhalten und muss um 13.52 zur Arbeit erscheinen.

 

Der Weg zur Arbeit

Mit der warmen Jacke beende ich meine Vorbereitungen, um vor die Türe zu treten. Ohne möchte ich das Haus nicht verlassen. Kurz nach dem ich die Türe aufgestossen habe, stelle ich fest, es ist kalt im Land und das am frühen Nachmittag. Wie kalt wird es dann erst sein, wenn ich nach Hause komme? Die vergangen Tage waren nicht so kalt, aber es ist Winter und dann dürfte es schon ein bisschen kälter sein.

Dafür habe ich ja eine warme Jacke und eine ebenso warme Mütze auf dem Kopf. So bekleidet, mache ich mich auf den Weg ins Depot. Den Weg dorthin finde ich mittlerweile im Schlaf. Es ist ein gewohnter Fussmarsch von gut 15 Minuten und führt hauptsächlich der Hauptstrasse entlang. Wenn es etwas schneller sein muss, geht es auch in 10 Minuten, aber ich lebe gerne gemütlich und spurte deshalb nicht auf die letzte Sekunde zur Arbeit.

Auf der Strasse herrscht emsiges treiben und es sind viele Autos unterwegs. Da die Strassen seit längerer Zeit wieder vom Schnee befreit wurden, können sie auch wieder schneller fahren. Nur vor wenigen Wochen war das anders, es lag Schnee und dann war es rutschig auf der Strasse. Gerade die Zufahrt zur Garage, wo ich meinen Wagen abstelle, ist im Winter immer wieder eisig und glatt und da fährt es sich dann nicht so leicht auf die Hauptstrasse.

Auch für heute wurde Schnee vorhergesagt, aber bisher merke ich nichts davon. Es ist einfach bedeckt. Vom Gefühl her, könnte sich aber das Wetter schnell ändern, denn die Wolken sind dicht und eigentlich überrascht es, dass es noch nicht regnet oder schneit. In den Alpen kann das Wetter schnell umschlagen und noch bin ich nicht sicher, ob ich noch trocken ins Depot komme.

Ich befinde mich auf dem Gehsteig oder wie man hier sagt auf den Trottoir und da wurde Split gestreut um den Weg etwas weniger rutschig zu machen. Dieser blieb liegen, als der Schnee durch das warme Wetter wieder verschwand und als Wasser im Abfluss verschwand. So liegen die kleinen Steine halt nun auf dem Asphalt und sorgen für ein spezielles Gefühl beim Gehen. In den schweren Schuhen verklemmt sich immer wieder ein Stein in der Sohle.

So gehe ich zu Fuss der Strasse entlang und bereite mich in Gedanken auf den heutigen Abend vor. So komme ich vorbereitet zur Arbeit und kann mich schon im Depot entsprechend einrichten. Ich bereite mich gerne in Ruhe auf die Arbeit vor. Zu Fuss geht das ganz gut, nur bei den Einmündungen der Seitenstrassen muss ich etwas aufpassen, denn nicht jeder Autofahrer hat die Zeit zu warten, bis der Fussgänger über die Strasse gegangen ist.

Die Grossverteiler für Lebensmittel kommen ins Blickfeld. Obst, Gemüse und Brot liegt dort auf den Regalen, genau solche Produkte hatte ich gestern transportiert. Nur waren meine Wagen für das Tessin bestimmt gewesen. Im Kanton Uri liefert halt der LKW an. Wir sind noch vor den Alpen und so für den LKW am Morgen noch rechtzeitig erreichbar. Irgendwie ergänzen sich hier diese Verkehrsteilnehmer. Auch ich würde mit meinem Zug diese Arbeit gerne machen, doch hier gewann der LKW.

Die Parkplätze vor den Geschäften sind gut besetzt, und in den Läden bewegen sich die Leute, wie die Bienen in einem Schwarm. Die Einkäufe müssen noch vor Ladenschluss erledigt werden, denn morgen geht das nicht und am späteren Nachmittag sind die Produkte halt schon älter und das Brot nicht mehr ganz so frisch. Darum macht sich alles jetzt über die Geschäfte her.

Stimmt, die einzelnen Güter wurden ja am Morgen angeliefert und nicht erst am Nachmittag. Wobei die Lieferung des Brotes, erfolgt zweimal am Tag, so ist das Brot am Nachmittag auch noch frisch. Die Welt ist schon hektisch geworden, kaum findet man noch Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen, denn schon hupt ein Auto und zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

Neue Geschäfte beleben das Dorfleben. Immer wieder gab es solche Versuche, die aber oft am mangelnden Umsatz scheiterten. Die grosse Zeit des Eisenbahnerdorfes scheint langsam vorbei zu sein. Irgendwann werden die Eisenbahner hier sogar verschwunden sein. Die NEAT, bringt nicht nur Gutes, das wissen wir hier und eigentlich warten wir alle nur auf den Tag, wo es heisst, Koffer packen. Geblieben ist uns hier nur noch die Hoffnung, dass es anders kommt, als es geplant wurde.

Hoffnung macht man sich, das ist sicher, aber mit jedem Jahr, das zu Ende geht, schwindet die Hoffnung immer ein wenig. Wir scheinen hier keine Zukunft mehr zu haben. Droht uns die Arbeitslosigkeit oder wird uns einfach ein Zettel in die Finger gedrückt, wo dann steht, wo wir eine Zukunft haben werden? Basel, Bellinzona oder gar Hamburg? Soziale Netzwerke gelten dann nicht mehr, es geht nur noch um den Arbeitsplatz. Wechsle ich an den neuen Ort oder verlasse ich das Unternehmen?

Auch bei der Post, sind viele Leute. Die Zahlungen für diesen Monat müssen noch raus. Mancher muss warten, bis das Gehalt von der Firma überwiesen wurde, bis er die Rechnungen bezahlen kann. Das Gehalt vieler Leute reicht schon lange kaum mehr um einen Notgroschen anzulegen. Das sind die reichen Schweizer, die immer bangen müssen, ob das Geld bis Ende des Monats reicht. Die meisten Leute leben vor sich hin und können sich kaum etwas Luxus leisten.

Auf meiner Seite der Strasse steht das Gemeindehaus. Ein stattlicher Bau ist das Gebäude schon. Erbaut zu Zeiten der Gotthardbahn und daher etwas prunkvoller als es heute üblich ist. Die Fassade zieren die Wappen, wie es sie früher an den Ae 6/6 Lokomotiven gegeben hatte. So entsteht eine optische Verbindung zwischen Gemeinde und Eisenbahn. Spürbar war es hier schon immer, nur am Gemeindehaus kann man es sehen.

Die hängen hoch und über der Hauptstrasse, da werden sie nicht von Dieben oder von selbsternannten Rettern der Sache abgeschraubt. Gut, dass niemand weiss... Das lasse ich wohl besser so stehen, denn nicht alle teilen meine Ideen mit den Touren und den Einblicken in meinen Beruf. Ein Geheimnis solle man darum machen, doch diese Zeiten sind vorbei, heute will man sich informieren. 

Aber mit dem Gemeindehaus kommt auch der grosse Parkplatz, wo die Autos auf der Suche nach Parkplätzen sind. Anschliessend kommt dann die Unterführung zum Depot. Der Parkplatz ist alles andere als zeitgemäss, die Autos werden richtig durchgeschüttelt und an einigen Stellen platzte der Asphalt auf. Die Sanierung wurde beschlossen, nur wann die beginnt, weiss ich nicht. Ist mir auch egal, denn ich parkiere selten dort. Im Dorf bewege ich mich meistens zu Fuss.

Die Unterführung ist wohl der gefährlichste Punkt meines heutigen Tages. Die Strasse ist eng und die Autofahrer warten gar nicht gerne wegen einem Fussgänger. Da muss man schon aufpassen. Aber man weiss es ja und so schaffe ich den Weg durch diese Unterführung, ohne mich mit einem Auto anzulegen. So nähere ich mich meinen Arbeitsort, dem Lokdepot Erstfeld. Seit 20 Jahren bin ich hier Lokführer und sollte mich langsam um meine Karriere kümmern.

Gesucht wird ein neuer Chef für Lokführer. Wäre das ein Job für mich? Oder soll ich mich gewerkschaftlich stärker einbringen? Die Personalkommission steht vor neuen Wahlen, soll ich kandidieren? Funktionen hat es, nur so richtig begeistern dafür kann ich mich nicht, denn überall ist man wie ein Politiker gewählt und somit der Wählerschaft verbunden. Dazu benötigt man eine passende Lobby und die habe ich vermutlich nicht.

Irgendwann möchte ich mich jedoch in der Ausbildung einbringen. Den neuen Lokführern direkt vermitteln, auf was bei diesem Beruf geachtet werden muss, wäre vermutlich reizvoll. So finde ich womöglich noch meine Nachfolger. Für mich, will ich jedoch kein Denkmal schaffen, denn dazu bin ich zu bescheiden und richtig stolz sein, kann man auch, wenn die Leute an geschaffenem Freude haben.

Noch begrüsst mich das Krokodil auf dem Sockel, dessen Tage scheinbar auch gezählt sind. Die Lokomotive soll entfernt werden und im fernen Oerlikon daran erinnern, dass man dort einst Lokomotiven gebaut hatte. Man nennt das Kulturgeschichte. Nur, was ist hier, wird hier dereinst ein Wachsfigurenkabinett von Lokführern daran erinnern, dass hier einmal Lokführer gearbeitet haben? Die Lokomotiven erinnern ja neuerdings an die Hersteller, was erinnert denn an ein Depot?

Ich werde die Maschine, die mich seit bald 20 Jahren immer begrüsst hat, sicherlich schwer vermissen. Auch wenn heute die Lokomotive in einem traurigen Zustand ist, sie war da und stand dem Wetter trotzend zu wider. Insgeheim meinte man, die Lokomotive hätte einem eine gute Fahrt gewünscht. Auch sie wird hier weggehen, wie vermutlich die Lokführer und ihre Wege werden sich kaum mehr kreuzen.

Für mich heisst das aber, dass ich mein Ziel erreicht habe. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, es ist 13.30 Uhr. Ich bin etwas zu früh, das reicht noch für einen Kaffee und auch für einige Arbeiten zur Vorbereitung. Dazu gehört sicher das abholen der Mappe, denn die hat wieder ihren Platz im Kleiderschrank gefunden. Dort, wo sie seit vielen Jahren steht und hoffentlich auch bei meiner Pension noch stehen wird.

 

Erstfeld - Lindenpark - Erstfeld

Mit der Warnweste bestückt, schnappe ich mir meine Mappe und verlasse das Gebäude der Lokführer in Richtung Remise. Auch hier wurde es seit dem Wegzug der Leitstelle ruhiger und die neuen Mieter sind Angestellte von SBB Infrastruktur. Vor Jahren schon wurde die dauernde Bereithaltung von Reservelokführer aufgegeben und so komme ich, gehe zur Arbeit und niemand weiss sicher, ob ich das auch wirklich mache.

Ich begebe mich in die Remise, denn dort kann ich mich gleich noch um meine heutige Verpflegung kümmern. Die Vertretung der Firma für Automaten hat kaum vernünftige Sachen im Angebot. Ein umfangreiches Menu wird es heute also nicht mehr geben. Ich muss mich mit einem einfachen Snack begnügen. Der vollzogene Bezug wird mit einem leisen Piepsen bestätigt.

Mit dem Schaltwärter wechsle ich noch ein paar Worte, bevor ich weiter gehe. Er meint, dass er in wenigen Stunden Feierabend mache und dann ein paar freie Tage geniessen könne. Auf der Tafel in seinem kleinen Büro erkenne ich die historischen Lokomotiven. Darunter auch "meine" 11411, die friedlich hier steht und auf die Aufarbeitung wartet. Die Gesellschaft der anderen legendären Maschinen würde viele Fans erfreuen.

Lange kann ich mir diesen nostalgischen Eindruck nicht gönnen, denn ich muss zur Arbeit und da erwartet mich eines der modernsten Fahrzeuge des Unternehmens. Doch zuerst muss ich dorthin. So greife ich nach meiner Mappe und gehe los in Richtung Bahnhof. Dabei folge ich den offiziellen Fusswegen, denn diese existieren und die sollten wir benutzen. Nur so kommen wir zum Bahnhof, ohne die gefährliche Unterführung zu benutzen. Viel sicherer ist es auf den Geleisen auch nicht, aber hier arbeiten zum Glück Profis.

Auf dem Bahnsteig hat es ein paar Leute. Die warten wohl auch auf den Zug, der in wenigen Augenblicken hier eintreffen wird. Es wird der Zug sein, den ich übernehmen werde um mit der effektiven Arbeit zu beginnen. Die erste Arbeit vom heutigen Tag steht nun an. Der Zug wird pünktlich eintreffen, denn auf den Systemen im Depot sah ich, dass er pünktlich unterwegs ist.

So ist es, um die Ecke taucht er auf, der Zug aus dem Norden. Der RABe 523 beginnt zu bremsen und ich hebe meine linke Hand zum Gruss. Der im Führerstand hoch erhobene Daumen verrät mir, am Zug ist alles soweit in Ordnung. Ich bestätige diese Geste mit dem gleichen Zeichen. Diese Art der Übergabe ist schon lange aus der Mode gekommen, funktioniert aber auch heute noch ganz gut, dazu braucht man nicht einmal ein Handy.

Nachdem der Zug angehalten hat, öffnen sich die Türen und die Leute steigen aus. Einige Stimmen höre ich, so dass ich vermuten kann, dass nicht alle Leute mitreisen werden. Auf dem Bahnhof finden herzliche Begrüssungsszenen statt, als ich den Zug betrete und so in das Abteil der ersten Wagenklasse komme. Dort drehe ich ab, denn mein Weg führt ganz nach vorne.

Die Türe zum Führerstand ist mit einem speziellen Schloss verschlossen worden. Das musste man einführen, da nun wirklich jeder Spinner im Besitz eines Vierkants ist. So gingen diese dann in die Führerstände, sahen sich um und berührten Teile, wie wenn sie zu Hause wären. Mit Anstand hatte das nichts zu tun. Diese Leute meinen wohl, dass alles ihnen gehört und sie sich Zugang zu allem verschaffen dürfen.

Der Lokführer konnte dann meist zuerst verzweifelt versuchen die so eingebauten Störungen zu beheben. Der Zug fuhr dann nicht oder zu spät. Reklamiert haben dann meist jene Leute, die eigentlich dafür verantwortlich waren. So gab es ein spezielles Schloss und nur die Leute, die das Fahrzeug bedienen dürfen, haben diesen speziellen Schlüssel. Bekommen habe auch ich ihn nur, gegen Unterschrift.

Mit dem passenden Schlüssel öffnet sich die Türe und ich kann eintreten. Ein schmaler Gang führt durch den Maschinenraum zum Führerstand, der wie eine Kanzel an der Spitze eingebaut wurde. Die Jacke benötige ich nicht mehr und deshalb hänge ich sie an den einfachen Haken. Die warme Mütze kann ich aber nicht aufhängen, so dass diese in der Tasche der Jacke verschwindet.

Beim RABe 523 sitzt man nicht links und auch nicht rechts, sondern in der Mitte. Die Blickwinkel sind so auf beide Seiten gleich. Nachdem ich mich gesetzt habe, stelle ich den Stuhl optimal ein. Im Gegensatz zu den alten Lokomotiven können wir hier sehr bequem sitzen. Das erleichtert die Arbeit bei langen Fahrten. Die Kopfstütze schützt, wenn einmal ein Fahrzeug von hinten in den Zug knallen sollte.

Die Inbetriebnahme des Zuges erfolgt nach einem längst angeeigneten Ablauf. Die Zeiten für diese Arbeit konnten so massiv verkürzt werden. Besonders dann, wenn die Zeit zum Wechseln nur knapp ausreicht, ist das ein Vorteil. Jetzt habe ich Zeit und kann mich danach in Ruhe auf die Fahrt vorbereiten. Dazu gehören die Notizen in meiner Agenda. Daher notiere ich darin die Nummer des Fahrzeugs, es ist der RABe 523'033. Die lange Nummer, die aus elf Ziffern besteht, erspare ich mir, denn auch so kann ich das Fahrzeug identifizieren.

Die Zugnummern, die ich heute fahren werde, habe ich schon lange in der Agenda notiert. So habe ich auch gleich den Verlauf meiner Tour griffbereit und muss nicht immer in der LEA die Einteilung aufrufen und nach dem Arbeitsplan sehen. Man richtet sich so ein, wie es einem am besten passt. Das ist individuell und daher nicht bei jedem Lokführer gleich.

Der Kollege, der den Zug gebracht hatte, taucht am seitlichen Fenster auf. Er übergibt mir das unpersönliche Handy. Dieses spezielle Handy müssen wir auf den Reisezügen mitführen. Die Kollegen, die beim Personenverkehr arbeiten, haben diese Geräte persönlich erhalten und können sich daher diese Übergabe ersparen. Das erleichtert die Arbeit mit diesem Telefon sicherlich und hätte hier die Ablösung eleganter wirken lassen.

Wir bei SBB Cargo haben diese Geräte nicht persönlich erhalten und so benutzen wir diese Notlösung. Ich verabschiede mich vom Kollegen und tippe die Zugnummer mit einem speziellen Funktionscode im Gerät ein. Dadurch kann mich auf dem Gerät jemand anrufen, der die Nummer des Zuges kennt. Die Nummer des Handys ist nicht mehr so wichtig, wie früher. Der Lokführer hat keine persönliche Identifikation mehr, sondern ist nur noch eine spezielle Funktion auf dem Telefon.

Die LEA stellte ich an den vorgesehenen Platz. Dort ist jedoch nur noch der Stecker für die neue LEA II mit den grossen Geräten vorhanden. Ich kann mein altes Gerät in den Zügen des Personenverkehrs nicht mehr laden. Das bedeutet unweigerlich, dass wir uns schon am Tag zuvor, auf diese Touren vorbereiten müssen. So hatte ich die LEA gestern eingesteckt und kann mit einem vollgeladenen Akku starten.

Dieser Vorrat an Energie muss bis am Ende dieser Tour reichen, denn ich gehe nicht davon aus, dass ich einen Zug zu Gesicht bekomme, der für mein Gerät geeignet ist. Stromsparen ist daher angesagt, darum stelle ich das Gerät bis zur Abfahrt wieder ab. Ich kann es dann schnell starten, wenn ich losfahre. Die Zeit der Abfahrt, kenne ich schon lange, denn Lokführer kennen den Fahrplan meistens sehr gut.

Uns wurde immer wieder ein neues Gerät versprochen, aber es wurde immer weiter hinausgeschoben, da kein Geld vorhanden war. So wurde es 2010, doch das ist nun auch bald vorbei und von einem neuen Gerät fehlt jede Spur. Vertröstet wurden wir nun auf den Herbst 2011.

Das alte Gerät muss noch fast ein Jahr durchhalten. Die Probleme beim neuen Gerät scheinen zwar gelöst, aber es eilt mit der Beschaffung nicht sonderlich, denn schliesslich funktionieren die alten Geräte noch recht gut.

Eigentlich könnte ich nun die Rückspiegel des Zuges einstellen und so auch gleich nachsehen, ob hinten alles richtig zu und her geht. Nur, das dürfen wir ja nicht mehr, wenn das Signal rot ist. So muss ich dann die Spiegel während der Fahrt an meine Position anpassen.

Aber dann dürfte ich ja keine Handlungen vornehmen, die mich von der Fahrt ablenken. Die Rückspiegel werden so aber schnell nutzlos und etwas Praktisches verliert seine Berechtigung.

Hier in Erstfeld erübrigt sich die Kontrolle des Zuges somit eigentlichen, denn die Signale gehen immer sehr knapp auf Fahrt. Nicht, dass dafür heute ein Zug verantwortlich wäre, aber hier lebt man nach dem Motto, der Zug fährt los, wenn das Signal grün ist. Lokführer gelten bei gewissen Fahrdienstleitern nicht als so intelligent, dass sie auf eine Uhr blicken könnten. Die Uhr im Führerstand wäre so genau, dass ich die Zeit auf die Sekunde genau erkenne.

Die Ansage im Zug startet automatisch und die elektronische Stimme erklärt den Leuten im Zug, dass sie sich in der S2 nach Zug - Lindenpark befinden. Die Ansage, dass der Zug überall hält, fehlt. Das trifft seit dem Fahrplanwechsel auch nicht mehr zu. Die S2 aus Erstfeld fährt nun an einer einzigen Stelle durch und damit es für das Personal einfacher wird, gilt das natürlich nicht für alle Züge. So ist man froh, hat man die elektronische Dame bei sich, die einem sagt, wo man halten muss.

Noch 10 Sekunden, bis ich losfahren muss, das Signal machte bisher noch keine Anstalten, die Farbe zu wechseln, doch jetzt. Genau zur Abfahrt wird es grün. Jetzt können die Rückspiegel raus und dabei nur noch zeigen, dass die Trittbretter korrekt eingezogen werden. Das ist der Fall, da ich gleichzeitig die Verriegelung der Türen aktiviert habe. Das konnte ich nur, weil die Türen natürlich geschlossen waren. Bei offenen Türen lässt man es sein und schaut zuerst nach, was los ist.

Ich kann losfahren. Den Fahrschalter lege ich langsam nach vorne. So beginnt der Zug sanft mit der Beschleunigung und die Leute werden nicht zu sehr in die Sitze gepresst. Immer mehr schiebe ich den Hebel nach vorne und erhöhe so die Zugkraft. Der Zug beschleunigt so auf die eingestellte Geschwindigkeit. Diese steht auf 90 km/h. Eigentlich dürfte ich etwas schneller fahren, aber die Weichen sind so etwas angenehmer zum befahren und die Fahrzeit reicht aus.

Nun ist es aber an der Zeit, die Bremsen zu prüfen. Das müssen wir unmittelbar nach Abfahrt machen. Nur so wissen wir, wie der Zug bremst. Beim RABe 523 macht man das mit dem Bremsventil für die indirekte Bremse, denn ich muss ja diese Bremse prüfen. Die wirkt auch, wenn die Elektronik versagt und ich verzweifelt versuchen muss, den Zug zum Stehen zu bringen.

Diese arbeitet korrekt, ich kann wieder lösen und meine Fahrt fortsetzen. Das war es, denn auf der restlichen Fahrt, werde ich diese Bremse nicht mehr benötigen, denn die Elektronik dieses Zuges funktioniert zu gut. Ich weiss aber, dass sie funktionieren würde, wenn ich sie benutzen müsste. Nur hoffe ich natürlich, dass ich nie zur indirekten Bremse greifen muss, denn dann liefe wirklich viel schief.

Die Fahrt nach Altdorf würde maximal 140 km/h zulassen. Nur, kommt bald eine Langsamfahrstelle, die mich wieder einbremst. Daher beschleunige ich nicht ganz bis zum Maximum. Die Bauarbeiten für die NEAT sind weit fortgeschritten und im Bereich der Baustelle macht es sicherlich Sinn, wenn man etwas langsamer fährt. Wobei heute hier niemand arbeitet, denn die Bauarbeiten ruhen anscheinend auf der Baustelle, die nie ruht.

In Altdorf fahren wir an einen neuen Bahnsteig mit Halteorttafeln, die den korrekten Halteort bezeichnen und uns die Arbeit erleichtern. Der Mitarbeiter, der die Halteorttafeln montiert hat, hat wohl nicht viel studiert und diese dort montiert, wo sein Chef, der überhaupt keine Ahnung hatte, gesagt hat. Die Leute müssen dann ein gutes Stück zu den Türen gehen, weil der Zug nicht dort hält, wo sie stehen.

Nach kurzem Halt kann ich wieder losfahren und so nach Flüelen fahren. Dort erfolgt erneut ein Halt. Mit den RABe 523 ist es etwas schwer sanft anzuhalten aber nicht unmöglich. Hier sind viel Erfahrung und sehr viel Gefühl für den Zug nötig. Gerade das Gefühl für den Zug ist wichtig. Hier ist sicherlich der Lokführer vom Güterverkehr im Vorteil, denn dort gehört das zum Handwerk. Güterzüge reagieren unterschiedlich, da die Wagen nicht gleichmässig beladen und im Zug verteilt sind.

Weiter ging die Fahrt mit den Halten in Sisikon, Brunnen und Schwyz. Mit dem RABe 523 konnte ich die Fahrzeit, die vom Fahrplan vorgegeben wurde, ganz locker einhalten und musste nicht immer am Limit fahren. So konnte ich immer pünktlich losfahren. Etwas, was in der Schweiz genau genommen wird. Hier fahren die Züge pünktlich los und nicht irgendwann, wenn man gerade Lust dazu hat. Die grosse Zugkraft des Zuges ermöglicht dies und die Reserven können bei Verspätungen sehr hilfreich sein.

Auch jetzt kann ich das und der Zug beschleunigt dank meinem Befehl auf die eingestellten 100 km/h. Das erfolgt ohne rucken, denn ich habe nicht die volle Zugkraft eingestellt und so drehen die Räder nicht leer durch. Besonders bei feuchten Schienen muss man behutsam sein, denn die Räder drehen schnell leer durch. Das hört man dann im Zug und wirft kein so gutes Licht auf jene Person, die Fährt.

Nach der Schutzstrecke folgten dann die Halte in Steinen, Arth-Goldau und Walchwil. Doch beim letzten war eine etwas andere Ansage zu hören, denn hier sprach der Computer nicht nur vom nächsten Halt, sondern machte die Reisenden darauf aufmerksam, dass der Zug ohne Halt bis Zug Oberwil fährt. Diese S-Bahn bedient die neue Haltestelle Walchwil Hörndli also nicht.

Nachdem ich Hörndli ohne zu halten passiert habe, nähere ich mich nun dem Bahnhof Zug Oberwil. Bis vor wenigen Wochen war hier nur eine Haltestelle vorhanden, doch seit dem Fahrplanwechsel ist Oberwil zum Bahnhof geworden.

Der Grund dafür steht bereits dort, es ist ein RABe 523, der die halbstündliche S-Bahn nach Walchwil bedient. Den Zug werde ich dann auch noch in meine Finger bekommen, aber das dauert noch etwas.

Nun beginnt der Bereich der Stadtbahn Zug. Die Haltestellen folgen sich so nahe, dass mein RABe 523 gerade die Streckengeschwindigkeit erreicht um wieder zu bremsen.

Dafür wurde der Zug jedoch gebaut und bei einer Stadtbahn, die den Namen verdient, folgen sich die Haltestellen in kurzen Abständen.

Nur, immer ist die Strecke zwischen den Haltestellen nicht so kurz, denn es gibt auch längere Abschnitte, die nicht anders gelöst werden konnten.

Zwischen den Haltestellen Casino und Postplatz gibt es nur einen Tunnel und der bestimmte, wie nahe beisammen die beiden Haltestellen sein dürfen. Zum Abbremsen orientieren wir uns am Lichteinfall im Tunnel. So wissen wir, dass das Ende kommt und dahinter liegt die Haltestelle. In der Nacht ist es hingegen schon etwas schwerer, aber der RABe 523 verzeiht auch verpasste Bremspunkte.

Ich befinde mich also nun vor den Toren der Stadt Zug und somit im Kernbereich der Stadtbahn. Die Haltestelle Postplatz liegt unmittelbar vor dem Einfahrsignal des Bahnhofes Zug und so schon in der Stadt selber. Vom Bahnhof Zug trennt mich nur noch die Zuger Hochbahn, denn die Strecke führt über eine lange Brücke mitten durch die Häuser der Stadt.

Unter dem Einfahrsignal ist das Vorsignal zur Ausfahrt montiert worden. Dieses kündigt mir bereits eine Fahrtstellung des Ausfahrsignals von Zug an. Das ist auch neu, denn bisher endeten die Züge in Zug und die Leute verliessen das Fahrzeug und der Lokführer wechselte den Führerstand um dann auf die Zeit zur Abfahrt zu warten. Das waren gut 10 Minuten und bei Problemen mit dem Fahrzeug immer sehr hilfreich.

Jetzt aber führt die Fahrt mit der S2 noch weiter nach Baar Lindenpark. Ich bleibe also vorderhand noch auf meinem Stuhl sitzen. Im Rückspiegel beobachte ich, wie die Leute aussteigen. Danach folgen die Leute, die einsteigen. Es steigen viele Leute ein und ich bezweifle, dass diese alle nach Baar Lindenpark wollen. Denn zu dieser Haltestelle fährt auch die S1 und so bleiben nur wenige Leute für die S2, die wenig später losfährt.

Die Türen sind zu und die Zeit zur Abfahrt ist auch erreicht, ich kann die Türen verriegeln und mit dem Zug losfahren. Jedes Mal, wenn ich hier nach Baar Lindenpark losfahre, erwarte ich, dass die Notbremse gezogen wird, weil jemand meint, er sei im falschen Zug. Viele Leute steigen aus lauter Gewohnheit in den Zug und sind dann überrascht, wenn dieser in die andere Richtung losfährt.

Doch nichts ist passiert und ich erreiche nach kurzer Fahrt den Endbahnhof Baar Lindenpark. Eigentlich habe ich den Bahnhof Zug gar nicht verlassen und stehe nur an einer Haltestelle im Bahnhof von Zug. Nur, von den Namen her ist das nicht nachzuvollziehen, aber der Bahnhof Zug reicht halt bis in die Gemeinde Baar und so wurde Lindenpark zu Baar Lindenpark.

Ich kann nun meine Habseligkeiten einsammeln und den Führerstand verlassen, denn vor mir ist ein Signal, das nur Halt zeigen kann. Weiter geht es nicht mehr. Die nette Dame vom Ansagesystem hatte also Recht, wir haben unseren Endbahnhof erreicht und alle Reisenden wurden gebeten auszusteigen. Nur macht das niemand, scheinbar wollte niemand nach Baar Lindenpark.

Die Zeit reicht aus um an das andere Ende des Zuges zu kommen aber bei Verspätungen wird es ziemlich hektisch. Ich nehme dazu den Weg dem Triebzug entlang und verlasse diesen dazu durch die Türe, wie jeder Reisende der ersten Wagenklasse. Das natürlich nur, weil in dieser Fahrrichtung dieses Abteil hinter meinen Führerstand angeordnet war. In der anderen Fahrrichtung folgt dann das Abteil der zweiten Wagenklasse.

Mit der Mappe in der Hand ist es so etwas einfacher, denn im Fahrzeug sind die Durchgänge nicht besonders breit und die Mappe müsste ich dann vor mir hertragen, da die umgehängte Tasche quer läge und so gerade so durchpassen würde. Draussen ist es kühl und etwas frische Luft tut mir sicherlich auch gut. Eine Erfrischung kann nicht schaden, denn noch habe ich einen langen Arbeitstag vor mir.

Am anderen Ende öffne ich die Türe und betrete den Zug wieder. Eine junge Frau spricht mich an. Sie will wissen, ob das der Zug nach Erstfeld sei. Ja, das ist er, nur verkehrt dieser neu bereits ab Baar Lindenpark und nicht mehr ab Zug. Sie bedankt sich, geht davon und schüttelt irgendwie verständnislos mit dem Kopf. Die Leute haben sich halt daran gewöhnt, dass Züge in den Hauptbahnhöfen beginnen und enden.

Den Grund dafür verschwieg ich, denn nicht jeder Eisenbahner kennt ihn und auch ich stelle nur meine Vermutungen an. Die S-Bahn, die zur halben Stunde fährt, kann im Bahnhof Zug nicht warten, da die Geleise für die Züge des Fernverkehrs benötigt werden. Damit nicht eine S-Bahn nun bis Zug und die andere bis Baar Lindenpark fährt, fahren halt alle Züge so weit. Ob das stimmt oder nicht, ist mir eigentlich egal, ich fahre das Programm, das vorgegeben wurde und nicht mehr.

Erneut richte ich mich ein und habe noch etwas Zeit um den Betrieb im nahen Bahnhof Zug zu beobachten. Auch das ehemalige Depot von Zug gibt es nicht mehr, selbst die Remise wurde vor wenigen Wochen abgebrochen und durch einfache Abstellgeleise ersetzt. Einen geschützten Standort gibt es hier nicht mehr. Aber nur so können die Doppelstockzüge, die nicht ins alte Depot passten, abgestellt werden.

Nun sind die Gedanken aber verboten, denn vor mir geht das Signal auf Fahrt. Ich kann die Reise nach Erstfeld und somit zur Pause beginnen. Jetzt ist der Weg nur kurz und die Geschwindigkeit klein, aber trotzdem muss die Bremse des Zuges geprüft werden. Der nächste Halt im Bahnhof Zug ist in sichtweite und so komme ich nach kurzer Fahrt schon wieder zum Stehen und nun steigen die Leute auch in den Zug ein.

Ich kann dank dem grünen Ausfahrsignal losfahren und mich den Haltestellen entlang nach Hause begeben. Beginnen werde ich somit mit den sich schnell folgenden Halten der Stadtbahn. Nach Oberwil beginnt dann die ländlichere Gegend und da sind die Distanzen von den Haltestellen grösser. Bringt ja nichts, wenn niemand einsteigen würde. Wobei jetzt die Leute meistens aussteigen.

In Arth-Goldau stiegen wieder Leute zu, denn hier kommen nun die Personen, die von Luzern her kamen und so auf die S-Bahn in Richtung Gotthard umsteigen. Zusammen mit den Interregio, die eine halbe Stunde verschoben verkehren, ergibt sich so ein Halbstundentakt. Wobei dieser natürlich nicht so genannt wird, weil es unterschiedliche Verbindungen sind. Aber man kommt alle halbe Stunde nach Zürich oder Luzern.

Die Fahrt verlief bis nach Flüelen ohne nennenswerte Vorkommnisse. Es war eine ruhige Fahrt und die Fahrgastwechsel verliefen zügig, so dass ich die Fahrzeit problemlos einhalten konnte. Auch jetzt ändert sich daran nichts, denn die Türen sind zu. Noch kann ich aber nicht losfahren, denn die Abfahrzeit ist erst in 20 Sekunden erreicht. Noch Altdorf und dann ab nach Erstfeld zur Pause. Alles in gewohnter Manier, ohne Besonderheiten.

So rüste ich den Zug nach der Ankunft in Erstfeld wieder ab und begebe mich auf die andere Seite des Zuges. Dort muss ich den Zug vorbereiten, bis der Kollege eintrifft. Das war aber schon der Fall, als ich beim anderen Führerstand angekommen bin. Die Zeiten sind so kurz, dass sich die Vorgaben für das Personal überschneiden und so jeder dem anderen etwas helfend zur Seite steht.

Ich übergebe meinem Kollegen das unpersönliche Handy und verabschiede mich mit den Worten.“ Ich wünsche Dir noch eine schöne Fahrt und angenehme Festtage.“ Weihnachten, ja morgen ist Weihnachten und die Christen feiern ihren Erlöser. Die heilige Zeit hat dann ein Ende und das Jahr zählt nur noch wenige Tage, dann beginnt wieder ein neues Jahr mit neuen Problemen und glücklichen Momenten.

 

Pause am Automaten

Der erste Teil meiner heutigen Tour ist beendet. Der Zug wird die restlichen Stunden des heutigen Tages nicht mehr meinen Weg kreuzen. Ich kann nun in die erste Pause gehen und mich erholen. Anstrengend war die Fahrt jedoch nicht, denn mit dem RABe 523 kann man die Arbeit entspannt erbringen, das lässt längere Fahrten ohne Pause zu, da man nicht so stark ermüdet.

Nach zwei Stunden Arbeit, eine Pause, davon können viele Leute nur träumen, doch auch wir haben andere Leistungen und da kann man froh sein, wenn man endlich eine Pause machen kann. Die Pause jetzt habe ich auch nur, weil ich auf den nächsten Zug warten muss und diese Zeit zahlt niemand. Da unterschieden sich die SBB nicht von anderen Arbeitgebern. Wer bezahlt schon freiwillig Geld für nicht getane Arbeit?

Habe ich also nichts zu tun, mache ich Pause. Beim Staatsbetrieb von früher war das anders, aber da die Lokführer zu teuer sind, wurde auch hier jede Sekunde nutzloser Zeit gestrichen. Billiger wurden wir jedoch nicht, ob es nicht an diesen Zeiten lag? Dann kamen die Touren mit vier bis fünf Stunden Pause in irgendeinem Güterbahnhof weit weg von der Zivilisation. Die aktuelle Regelung ist schon besser, denn jetzt dürfen es maximal zwei Stunden sein.

Die Milchküche, die ich sonst in einer solchen Situation aufsuche, hat geschlossen. Die Tage, als dieses Personalrestaurant nur an sehr wenigen Stunden am Sonntag geschlossen war, sind vorbei. Es zählt nur noch der erwirtschaftete Gewinn und der ist halt nicht gross, wenn kaum Züge verkehren. So schliesst man die Kantine vorsorglicherweise, das Personal bleibt dabei jedoch auf der Strecke. Ich muss dann in den nahe gelegenen Restaurants mein Glück versuchen oder nach Hause gehen.

Der Weg nach Hause ginge auch, aber dazu ist die Zeit wieder zu kurz. Meine Pause dauert kaum eine Stunde und das würde bedeuten, dass ich nach der Ankunft zu Hause die Türe öffne, schnell etwas herunterstürze und dann gleich wieder gehe. Nur sollte ich mich ja in der Pause erholen können und nicht den grösseren Stress haben, als bei der Arbeit selber. Ich stecke also in einem Dilemma.

Die beste Option wäre, wenn ich die Kosten tragen würde, nur jetzt sind auch die Restaurants geschlossen, denn jetzt will niemand mehr arbeiten. Ich beschliesse, den am Nachmittag vom Schaltwärter angebotenen Kaffee nun zu nutzen. So habe ich etwas Warmes im Magen und kann zudem mit jemandem sprechen. Zu oft haben wir mittlerweile Pausen, in denen man nicht mit einem Kollegen sprechen kann. Durch die geschlossenen Milchküchen, verteilen sich die Lokführer in den unterschiedlichen Gaststätten, so dass jeder seine Pause ohne Kollege verbringen kann.

Ich mache mich auf den Weg in die Remise. Das ist einfach, denn ich gehe einfach den Weg zurück, den ich vor zwei Stunden gegangen bin. Nur jetzt ist der Bahnhof nicht mehr so leer, wie am Nachmittag. In einem Gleis steht ein Güterzug, der abgestellt wurde. Die Lokomotive ist nicht mehr an den Wagen, sondern fährt gerade ins Depot. Eine neue Lokomotive gibt es nicht mehr, denn der Zug bleibt hier nun stehen.

An seinem Zielort, würde niemand den Zug abladen und so lassen die Besteller einfach den Zug zum Lager werden. Dieses Lager findet jedes Wochenende hier statt und ermöglicht es uns, dass wir am Montagmorgen Arbeit haben.

Diese wird benötigt, damit wir am Dienstag nach einem freien Tag nicht kurz nach Mitternacht beginnen müssen. Hier liegen die Probleme der Einteilung und die lassen sich leider nicht so leicht lösen.

Es scheint mir, dass es etwas kühler geworden ist. Kommt der von den Wetterfröschen angekündigte Schnee doch noch?

Die schweren Wolken lassen erahnen, dass sie Niederschlag bringen, nur, in welcher Form er dann hier unten ankommt, ist nicht sicher, denn aktuell regnet es leicht und von Schnee ist nichts zu sehen.

Doch die warme Remise empfängt mich und so kann mir das Wetter egal sein.

Erneut gehe ich an der 11'402 und an der 11'411 vorbei. Die beiden Ae 6/6 haben sich aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Sie gehören zum Bestand der historischen Maschinen. Während man das der 11'402 auch ansieht, macht die andere Lokomotive einen traurigen Eindruck. Warten auf Entscheide aus Bern heisst es hier. Es ist also Geduld gefragt, denn in Bern wird selten schnell gearbeitet, gelten die Berner doch landläufig als gemütliche Mitbewohner.

Die Zeit dieser Lokomotive wird noch kommen und wer weiss, vielleicht steht sie eines Tages im Museum, das aus dem Depot Erstfeld geworden ist. Ein Verkehrsmuseum der speziellen Art, mit aktiven Lokomotiven, Wagen, einer Werkstatt und wer weiss, vielleicht einem Hotel der besonderen Art. Die Besucher könnten zusehen, wie eine Lokomotive auf die Fahrt vorbereitet und unterhalten wird. Dabei könnten sie ihren Urlaub in einem Depot verbringen. Für mich eine grauenhafte Vorstellung, denn unter Urlaub verstehe ich etwas anderes.

Nur, das sind Träume, die man aktuell hat. Hier könnte sich jedoch die Zukunft entscheiden. Der Weg in diese Richtung könnte eingeschlagen werden. Doch wie bringt man Touristen in den Kanton Uri, wir sind nicht Luzern und Interlaken mit Eiger, Mönch und Jungfrau, die haben wir auch nicht. Wir haben nur eine Bahnlinie, die Gotthardbahn und so eine Bahnlinie wurde noch nie touristisch vermarktet.

Noch ist es aber ein ganz normales Depot mit Leuten, die hier arbeiten und mit Lokomotiven, die nach dem schweren Einsatz hier die Ruhe finden. Das kleine Büro des Schaltwärters habe ich mittlerweile auch erreicht und er freut sich über den Besuch. Er sitzt heute hier und kontrolliert, dass die wenigen noch verkehrenden Güterzüge mit genügend Lokomotiven bespannt wurden. Nur, der letzte Güterzug sei soeben angekommen und nun müsse er auf den Feierabend warten.

Wir geniessen unseren Kaffee und sprechen über viele Dinge, die uns beschäftigen, denn auch seine Zukunft ist nicht gesichert. Kein Depot, keine Lokomotiven und das bedeutet logischerweise auch kein Schaltwärter. Diese Rechnung ist schnell gemacht und Fehler sind hier schwer möglich. Diese Logik stimmt und so wird das Depot in Zukunft verwaist sein. Spezielle Schlösser ersetzen dann die Wache rund um die Uhr.

So vergeht die Zeit schnell und meine Pause, die nicht ganz eine Stunde lang war, ist fast vorbei. Es war eine kurze Zeit und ich kann mich nun mit einem Kaffee und dem passenden Gebäck im Magen auf den Rest meiner Tour machen. Die zweite Pause habe ich dann in ein paar Stunden in Zug. Es heisst nun, sich vom Schaltwärter verabschieden. Er wird in wenigen Stunden Feierabend machen und das Depot zurücklassen. Verschlossen mit den speziellen Schlössern, denn die sind schon montiert worden.

 

Das zweite Mal

Zum zweiten Mal begebe ich mich zum Bahnhof. Diesmal interessiere ich mich um die S-Bahn, die ich bei meinem ersten Ausflug nach Baar Lindenpark zweimal gekreuzt hatte. Es ist der zweite Zug, der heute zwischen diesen beiden Endbahnhöfen hin und her pendelt. Da ich mit diesem Zug aber nur mitreisen werde, kann ich beruhigt noch nicht am Bahnsteig sein, als der Zug in Erstfeld einfährt.

Ich kann so gleich im Abteil der ersten Wagenklasse einsteigen und mich im Zug niedersetzen. Die Zeit auf der Dienstfahrt nutze ich um ein paar Rätsel zu lösen. Diese habe ich immer bei mir, um die Wartezeit vor roten Signalen zu verkürzen. Solche gibt es ja im Güterverkehr mehr als genug. Schliesslich wird in der Nacht gebaut und da verkehren die Güterzüge. In dieser Nacht wird nicht gebaut, aber es fahren auch keine Güterzüge.

Der Lokführer für den Zug kommt ins Abteil. Er betrachtet mich kurz, grüsst leise und geht weiter. Ja, vor ein paar Jahren kannte man sich, denn schliesslich arbeiteten die Lokführer nebeneinander in der gleichen Firma und begegneten sich immer wieder. Heute kennt man sich nicht einmal mehr. Einen Zusammenhalt ergibt sich so beim Personal auch nicht mehr. Hier müssten die Gewerkschaften auch noch ihre Hausaufgaben erledigen.

Die Tage, wo man zwischen den Depots noch einen informellen Austausch vornahm, sind vorbei. In Luzern kam es sogar soweit, dass die Lokführer aus Erstfeld wie Aussätzige behandelt wurden und sie den Zugang zu den Aufenthaltsräumen nicht hatten. Missgunst und Neid, sind anscheinend auch beim Lokomotivpersonal nicht mehr nur Fremdworte. Gut finde ich das nicht, denn wenn man sich gegenseitig schon bekämpft, hat man gegen andere Bedrohungen keinen Schutz mehr.

Der Zug fährt los und wird schneller. Die Fahrt durch das Urner Reusstal interessiert mich wenig, denn ich kenne die Gegend nach all den Jahren auf dieser Strecke. Da ich nicht als einziger in der ersten Wagenklasse sitze, kann ich auch feststellen, ob es den Leuten auch so ergeht. Das scheint aber nicht der Fall, die Leute sprechen miteinander und blicken nicht aus dem Fenster. Der Abend steht an und heute gehe ich nicht davon aus, dass viele Leute am reisen sein werden.

Die Fahrt nach Arth-Goldau vergeht so kurz und der Zug verlässt den Bahnhof bereits wieder. Beim nächsten Halt muss ich aussteigen. Lokpersonalwechsel in Walchwil! Das war bis vor dem Fahrplanwechsel unvorstellbar, denn hier endete ja kein Zug, doch das ist nun anders und so habe ich nur bis Walchwil Dienstfahrt. An das muss man sich zuerst gewöhnen und beim ersten Mal habe ich gemeint, dass ich falsch gelesen habe.

Der Halt wird soeben angekündigt. Ich kann meine Jacke anziehen und meine Mappe greifen. Das Rätsel verschwindet in der Tasche, da es noch nicht fertig gelöst ist. Die Zeit war für das schwere Rätsel einfach zu kurz. Noch bleibe ich aber sitzen, denn ein paar Augenblicke dauert es noch, bis der Bahnhof auch erreicht wird. Schliesslich sollen sich die Leute nach der Ansage in Ruhe auf den Ausstieg vorbereiten können.

Nachdem der Zug angehalten hat, verlasse ich das Abteil, das nun ohne Leute ist, schliesslich stieg das Paar schon in Arth-Goldau aus. Der leichte Schneefall hatte bereits Folgen auf den Strassen, denn diese sind weiss.

Ein Schneepflug schiebt den Schnee zur Seite. Und die Wege werden wieder befahrbar. Die Glocken der nahen Kirche erklingen und viele Leute sind auf der Strasse unterwegs nach Hause.

Ein paar Minuten wird es noch dauern, bis mein Arbeitsplatz hier eintrifft. Zuerst muss der Zug, der hier auf den internationalen Zug nach Italien wartete, nach Oberwil fahren.

Dort begegnet ihm dann der Zug, den ich nehmen werde. Nur muss dieser natürlich auch noch den Weg hierher zurücklegen. Zeit, die ich nun warten muss und die zu kurz für eine Pause ist, daher wird diese Zeit nun bezahlt.

Da ich nicht frieren will, benutzte ich die Bank im Wartesaal. Zum Glück gibt es hier einen solchen, denn überall gibt es keine solchen warmen Warteräume. Richtig warm wird mir dabei nicht, aber immer noch besser, als draussen in der Kälte eine Viertelstunde auf den Zug zu warten. Viel findet in dieser Zeit im Bahnhof nicht statt, denn soeben ist der Neigezug durchgefahren und der RABe 523 konnte seine Fahrt fortsetzen. Das nächste Fahrzeug, das hier ankommt, ist dann mein Arbeitsplatz.

Der Bahnhof von Walchwil ist eine einfache Kreuzungsstelle zwischen Zug und Arth-Goldau. Zur Zeit des Bahnbaus wurde sie benötigt um die Fahrzeiten der Züge zu verkürzen, denn man musste nicht in Zug oder Arth-Goldau warten, bis der Zug angekommen war. Die Zeit, als hier am Schuppen noch Güter ausgeladen wurden, erlebte ich als aktiver Lokführer nicht mehr. Aber früher war es auch hier vorhanden und so kamen einige Güter mit der Eisenbahn an. Diese Romantik gibt es heute nicht mehr, denn der LKW kommt und fährt wieder weiter.

Immer noch versuche ich dieses störrische Rätsel zu lösen. Es ist schwer und fordert meine geistigen Fähigkeiten heraus. Hirntraining für Lokführer? Nein, einfach ein Rätsel, das ich gerne löse. Manche schaffe ich schnell und an anderen beisse ich mir die Zähne aus. Dieses hier gehört zur Kategorie Zahnbrecher. Wobei langsam komme ich der Lösung auf die Spur.

Die Zeit ging so schnell vorbei und ich erkennte, wie vor mir ein RABe 523 eingefahren ist. Oh, das ist ja mein Zug, ich muss mich auf den Weg an die Spitze machen. Diese war bisher der Schluss und wird nun zur Spitze, den Kollegen werde ich wohl kaum sehen, denn auch er wird sich hier setzen und warten. Auch er will nicht zu lange hier bleiben und wird wohl mit dem nächsten Zug nach Arth-Goldau fahren.

Die Zeit dazu reicht jedoch noch lange, denn der Zug fährt erst in ein paar Minuten los. Ich verstaue das Rätsel und nehme meine Mappe zur Hand. Die Luft draussen ist kalt, der Wartesaal war wohl doch wärmer, als ich gemeint habe. Ich gehe dem Zug entlang und sehe, wie ein paar Leute, die Jacke ausziehen und an den Haken hängen. Sie richten sich schon auf die Fahrt ein und warten lieber im warmen Zug darauf.

Erneut begebe ich mich durch die enge Türe und den Maschinenraum zu meinem Arbeitsplatz. Die Inbetriebnahme, die längst routiniert abläuft, ist schnell erledigt und ich kann mich wieder um meine Notizen kümmern. Diesmal notiere ich 523'040 auf meinem Zettel. Diesen Zug werde ich in nächster Zeit behalten. So kann ich die Nummer gleich bei allen betroffenen Zügen notieren. Es hat auch Vorteile, wenn man die Lokumläufe etwas kennt.

Eine angezeigte Störung weckt mein Interesse. Der Text ist sehr kurz gefasst, es steht nur "Störung Klimaanlage B". Ich rufe am Bildschirm das entsprechende Menü auf um mehr Informationen zu erhalten. Aha, im Fahrzeugteil B ist das Heizregister der Klimaanlage ausgefallen und die Heizleistung ist eingeschränkt. Eine wunderbare Störung, wenn es draussen unter null Grad hat. Zum Glück kommen die Leute ja mit einer Jacke zum Zug.

Diese Störung hat zwar Auswirkungen auf jene Leute, die in der ersten Wagenklasse reisen wollen, jedoch nicht auf den Zug selber. Eine Anleitung zur Behebung der Störung ist auch vorhanden. Nur, die Zeit dazu habe ich jetzt kaum. Ich schaue im Buch mit den notierten Störungen nach, ob sie bereits gemeldet worden ist. Das ist sie schon, also kann ich vermutlich hier nichts mehr machen und der Defekt hat ein grösseres Ausmass angenommen.

Das Signal vor mir geht auf Fahrt. Ich darf nun die Rückspiegel ausklappen und den Griff zum Wendeschalter in die Fahrposition verbringen. Die Fahrsperre, wegen der offenen Türe und ein Druckknopf verhindert noch, dass ich losfahren kann. Da aber die Zeit noch nicht erreicht wurde, muss ich warten, denn zu früh sollte ich ja nicht losfahren. Noch sprach die nette Dame vom Computer nicht zu den Fahrgästen.

Doch, jetzt kommen die Begrüssung und die Angabe über den Fahrweg. Die Fahrt kann also in 30 Sekunden losgehen. Wenn man etwas liest, ist diese Ansage sehr hilfreich, denn sie erinnert, dass man gleich losfahren muss. So hat man noch Zeit, das Heft wegzulegen und sich auf die Fahrt zu konzentrieren. Bei den Zügen der SOB ist das hingegen nicht der Fall. Diese Leistungen auf der SOB werde ich vermissen, aber man kann nicht alles haben und vorhanden sind sie so oder so nicht mehr.

In den geöffneten Rückspiegeln erkenne ich, dass noch eine junge Frau gelaufen kommt und einsteigen will. Sie war wohl etwas spät dran, denn sie beeilt sich sehr, um den Zug noch zu erwischen. Noch darf ich nicht losfahren, die Eile ist vergebens. Auch auf den Herrn warte ich noch, schliesslich ist heute so ein friedlicher Abend, da will ich gnädig sein und auch den Nachzüglern eine Chance geben. Pünktlich kann ich dadurch zwar nicht mehr losfahren.

Die normalerweise hier aktive Beschränkung durch das ZUB 121 habe ich nun nicht, da ich den Zug ja aufgerüstet habe und die entsprechende Spule nicht befahren habe. So kann ich viel zügiger beschleunigen, als das sonst der Fall war, die paar Sekunden Rückstand sind so schnell aufgeholt. Die Bremsprobe auf Wirkung darf natürlich auch jetzt nicht fehlen. Vorschriften sind Vorschriften und müssen eingehalten werden.

Die Fahrt mit dem Zug ist aber nur kurz, denn nun muss ich in Walchwil Hörndli anhalten. Die Bremspunkte für diese neue Haltestelle müssen zuerst noch gefunden werden. Da ich etwas zu früh war, fahre ich nur langsam den Bahnsteig entlang und halte an dessen Ende an. Die üblichen Bremswege stimmten mit diesen Zügen nicht, aber man findet den richtigen Bremspunkt schnell. Erfahrung hilft hier sicherlich mit.

Früher darf ich nicht halten, denn sonst ist die letzte Türe nicht am Bahnsteig. Die Haltestellen hier sind gerade so lang, wie ein RABe 523. Ein zweiter Zug ginge schlicht nicht mehr. So knapp bemessene Haltestellen sind neu, aber mit dem RABe 523 leicht zu beherrschen. Wenn man aber mit dem Interregio an so einer Stelle anhalten muss, wird es schon schwerer und den notwendigen Platz hat man ja nicht.

Die Türen blieben zu, es wollte niemand einsteigen und den Zug verlassen wollte auch niemand. Scheinbar vertrauen die Fahrgäste meinen Fahrkünsten. Ich kann durch die Nacht nach Oberwil fahren und dort den Gegenzug begrüssen. Es ist jener Zug, mit dem ich vor wenigen Minuten auf Dienstfahrt war. Die Türen öffnen sich und eine ältere Frau steigt zu. Ein Fahrgast mehr, wird wohl das automatische Zählsystem dieses Zuges notiert haben.

Der Flugschnee macht dem Zug etwas zu schaffen und ich kann nur schwer beschleunigen. Beim anhalten in Oberwil hatte ich schon bemerkt, dass die Luftbremsen auch arbeiteten. So ist es nicht leicht, komfortabel zu fahren, denn die neuen Züge regeln diese Situationen automatisch. Als Lokführer kann ich nur versuchen, so zu fahren, dass die Regelung nicht wirkt. Nur, pünktlich ist man so nicht mehr und das wünscht der Fahrgast ja auch. Ein Hochseilakt, den man hier vollführen muss.

In Zug Friedbach steigen zwei Jugendliche aus und entfernen sich mit schnellen Schritten vom Zug. Sie sind wohl recht spät dran und werden zu Hause oder bei Freunden erwartet. Die Türen sind zu und ich kann sie verriegeln. Weiter geht es ins Casino, äh nein, nach Zug Casino der nächsten Haltestelle. Das Signal, das sie ankündigt, sehe ich bereits von Friedbach aus. So nahe sind die Haltestellen im Bereich der Stadtbahn.

Durch den Tunnel komme ich zur Haltestelle Zug Postplatz. Nun geht es nur noch über Zug nach Baar Lindenpark, wo meine Fahrt mit diesem Zug vor dem gleichen Signal, wie vor einigen Stunden endet. Erneut muss ich die Fahrrichtung wechseln und dann fahre ich zurück nach Walchwil. Ich habe aber nun etwas mehr Zeit um die Seite zu wechseln, so kann ich den Zug etwas aufräumen.

 

Der Geisterzug?

Die Rückfahrt nach Walchwil verlief sehr ruhig, ein paar wenige Fahrgäste stiegen an den einzelnen Haltestellen ein und wieder aus. Viele waren es jedoch nicht und so konnte ich problemlos die Fahrzeit einhalten. Nur in Zug Oberwil fuhr ich etwas zu spät los, weil ich auf den Gegenzug warten musste. Aber sonst war es eine ruhige Fahrt und so stehe ich erneut in Walchwil.

So stehe nur eine Stunde später wieder im Bahnhof von Walchwil und kann die Fahrrichtung erneut wechseln. Der Weg über den Bahnsteig erfrischt, denn in der kühlen Luft wird auch der letzte Hauch von Müdigkeit verschwinden. Die kurzen Nächte der vergangenen Tage machen sich langsam bemerkbar und ich bemerke etwas Müdigkeit. Die sonst in einer solchen Situation angefachte Pfeife ist beim RABe 523 nicht möglich, da die Löschanlage daran keine Freude hat.

Beim Abschreiten des Zuges blicke ich durch die Fenster in die Abteile. Niemand sitzt im Zug und hat den letzten Halt verpasst. Zudem erkenne ich auch, dass es im Zug ziemlich ordentlich aussieht. Die sonst im ganzen Zug verteilen Zeitungen und Zeitschriften fehlen und auch sonst liegt nicht viel Unrat herum. Wenn es immer so wäre, aber unter der Woche sammeln wir einen stattlichen Stapel Papier zusammen. Die Papierbehälter in den Zügen werden nur vom Bahnpersonal gefüllt.

Ich drücke den Knopf für die Türöffnung und sehe, wie das Trittbrett ausgefahren wird und sich anschliessend die Türe öffnet. Das dauert ein paar Sekunden, aber ich habe ja Zeit und der Zug fährt erst in 15 Minuten wieder los. Ich kann eintreten, denn eine Stufe gibt es hier nicht mehr. Die Bahnsteighöhe passt zum Triebzug. Eintreten statt einsteigen stimmt so sehr gut. Die modernen Züge erleichtern das Leben der Leute.

Ich richte mich in meinem Führerstand wieder ein. Das KIS zeigt mir die neue Zugnummer an und ich erledige die Inbetriebsetzung mit den routinierten Handgriffen schnell. Ich profitiere hier sicherlich von meiner Erfahrung mit dem Fahrzeug. Die Kollegen, die neu mit dem Triebzug fahren, kennen die Schritte noch nicht so gut. Nachdem ich damit fertig war, kontrollierte ich, ob alle Eingaben wirklich korrekt sind und stellte die LEA an ihren Platz.

Auch dort werden der Zug und sein Fahrweg nun angezeigt. Von Walchwil nach Baar Lindenpark muss ich fahren. Das hatte ich doch schon und nun kommt die Wiederholung. Anhand der Einteilung weiss ich das natürlich schon lange und darin steht auch geschrieben, dass ich in einer Stunde wieder hier sein werde. Pendelzüge fahren halt solche Linien immer wieder und das bedeutet, dass auch der Lokführer dies macht.

Noch bin ich nicht einmal abgefahren und der zweite Umlauf steht mir noch bevor. Ein paar Minuten muss ich noch warten, denn die Abfahrzeit ist noch nicht erreicht. Ich kann die Zeit dazu nutzen um mein Rätsel endlich zu beenden. Das KIS wird mir dann mitteilen, wenn es wieder Zeit ist, sich um die Fahrt zu kümmern. Fahrbereit bin ich, ich darf aber nicht losfahren, weil ich an einen Fahrplan gebunden bin und so auch auf jene Leute warten muss, die exakt zur Abfahrzeit eintreffen.

Auf den Strassen rund um den Bahnhof Walchwil herrscht leere, keine Menschenseele die sich auf den Weg zum Bahnhof macht. Auch kein Auto, das sich hierher verirrt hat. Der Ort ist menschenleer und wirkt etwas gespenstisch. Wurde in der Schweiz eine Ausgangssperre verhängt und dem Bahnpersonal nicht gemeldet? Nein, die Leute blieben jetzt wohl freiwillig zu Hause, denn es ist kalt und schneit leicht.

Vor mir wechselt das Signal auf Fahrt. Der Computer, der diese Aufgabe übernimmt, führte diese Aufgabe aus, ohne dass jemand die Tasten bedienen musste. Ich klappe die Rückspiegel aus und blicke dem Zug entlang nach hinten. Alles ruhig, nur bei zwei Türen ist das Trittbrett ausgefahren. Es sind die beiden Türen, die ich benutzt hatte um die Seite zu wechseln. Dauernd muss ich nicht nach hinten blicken, denn eine offene Türe wird mir angezeigt.

Es wird langsam Zeit, mich auf die Fahrt vorzubereiten, denn die automatische Ansage startet und begrüsst die nicht vorhandenen Reisenden in der S-Bahn nach Baar Lindenpark. Ausser der Computerstimme und mir ist niemand im Zug anwesend. Würde die Ansage nicht auch im Führerstand abgespielt, hätte niemand bemerkt, wenn sie nicht funktioniert hätte. So aber konnte ich feststellen, die Ansage funktioniert einwandfrei.

In wenigen Sekunden geht es los und der zweite Umlauf beginnt. Die Strecke kenne ich ja nun ganz gut, schliesslich fahre ich sie heute zum dritten Mal. Solche Liniendienste, gab es früher weniger, aber seit das die Züge konsequent machen, macht das auch das Lokomotivpersonal. Wenn die Fahrwege kurz sind, erfolgen die Fahrten mehrmals bis zur Pause. Strenger Liniendienst kann man das nennen. Wichtig ist nur, dass man immer weiss, in welche Richtung man fährt.

Niemand hastet mehr auf den Zug und ich kann die Türen verriegeln. Im Rückspiegel erkenne ich, wie die Trittbretter eingezogen werden. Die rote Lampe im Führerstand erlischt und ich kann losfahren. Am Triebzug ist alles in Ordnung und einer Fahrt steht nichts mehr im Weg. Zeit gut, ZUB 121 gut und Zug gut, was hält mich hier noch fest, nichts, es wird höchste Zeit, die Fahrt zu beginnen.

Die Fahrsperre ist nicht mehr aktiv und der Zug reagiert auf meinen Befehl mit dem Fahrschalter. Er beschleunigt und wird schneller. Nur die eingestellte Geschwindigkeit von 75 km/h verhindert, dass ich zu schnell werde. Die Station Walchwil wird so schnell zur Vergangenheit und auch die letzte oder einzige Weiche ist passiert. Die dunkle Strecke hat mich mit dem Zug wieder. Ich schalte um etwas mehr zu erkennen die Scheinwerfer ein.

Die Fahrt bis Walchwil Hörndli verlief ohne nennenswerte Probleme. Der Schneefall hat nachgelassen und die Schienen sind wieder etwas griffiger geworden. Ich halte in Walchwil Hörndli an und gebe die Türen frei. Im Rückspiegel erkenne ich, dass sich kein Trittbrett zeigt und auch keine Türe geöffnet wird. Scheinbar will niemand aussteigen. Ich glaube auch so, dass niemand ausser mir im Zug sitzt und einsteigen wird auch niemand.

Nach einer Wartezeit von 15 Sekunden verriegle ich die Türen wieder. Dadurch hebt sich die Fahrsperre auf und ich kann wieder beschleunigen. Durch die Nacht dem Zugersee entlang, strebe ich dem Bahnhof von Zug Oberwil entgegen. Auf der weit entfernten Strasse gibt es keine Autos die fahren, und auch im Quartier ist es ruhig auf den Strassen. Die Gegend hier wirkt wie ausgestorben.

Da, Oberwil, etwas Bewegung. Nein, keine Kundschaft, sondern der Gegenzug, der im Bahnhof auf mich wartet und der nach Erstfeld fahren will. Der Bahnsteig ist menschenleer. Erneut warte ich 15 Sekunden, verriegle die Türen und kann wieder losfahren. Auch Oberwil brachte mir keine Kunden. Der Zug ist immer noch menschenleer, nur ein Lokführer sorgt für die pünktliche Fahrt eines Zuges, den niemand benutzen will.

Die Fahrt geht weiter und der nächste Halt heisst Zug Friedbach. Nur, ein Halt, der auch ausfallen könnte, denn niemand wollte meine Fahrdienste in Anspruch nehmen. In Zug Casino musste ich sogar noch warten, damit ich nicht zu früh losfahre, denn ohne Kundschaft fährt sich der Fahrplan sehr leicht und die Fahrzeiten werden eingehalten. So verkehrt die SBB pünktlicher als pünktlich. Auf die Sekunde genau, setze ich die Fahrt fort.

Ich kann durch den Tunnel nach Zug Postplatz fahren. Es ist somit noch etwas dunkler als draussen, wo die Beleuchtung für etwas hellere Verhält-nisse sorgt. Auch im Postplatz halte ich vergebens an, denn auch hier steigt niemand zu. Niemand, der auf meinen Zug wartet oder sich auch nur am Bahnhof zeigen würde. Die Fahrt kann also ungehindert weiter gehen. Ob die Türen noch funktionie-ren? Habe ich wirklich die richtigen Tasten bedient? Zweifel gibt es immer wieder, bemerkt hätte meinen Fehler jedoch niemand.

Zug, ein grosser Bahnhof, mit Schnell-zügen, aber ohne Leute. Die Stadt wirkt ausgestorben, kein Auto, kein Mensch einfach nur leer. Die fahrenden Züge wirken so irgendwie verloren. Eine Geisterbahn, die vermutlich auch von denen benutzt wird, ich weiss es nicht, denn in meinem Zug sitzt ausser mir keine Seele. Das bin ich mir ja gewohnt, denn bei den Güterzügen ist das ja normal. Nur dort hält man nicht einfach an, weil man hofft, dass ein Wagen den Weg zum Zug finden könnte.

Die restliche Strecke zum Endbahnhof fahre ich ebenso leer, wie bisher, denn wo niemand wartet, steigt auch niemand ein. Die Stimmung wirkt friedlich, aber auch etwas bedrückt, denn wenn es keine Menschen auf dem Bahnhof gibt, muss etwas sehr einschneidendes passiert sein, denn das ist nicht normal. In der Schweiz fährt nun wirklich immer jemand mit dem Zug. In Baar Lindenpark habe ich aber mein Ziel ohne Kundschaft erreicht.

Ich mache eine Innenrevision. Das bedeutet, ich sammle die Zeitungen und den Abfall zusammen. Nur, der Zug ist sauber, das ist selten, denn die Leute lassen ihren Dreck leider einfach liegen, kümmern sich nicht mehr um den Müll. Dabei gehen sie beim Aussteigen an einem Abfalleimer vorbei. Nur, es ist halt schwer, den Unrat dort hineinzuwerfen. Dafür gibt es ja das Bahnpersonal, das sich in diesem Zug als Lokführer entpuppt. Wenn uns die Zeit fehlt, bleiben die Becher einfach stehen und andere Fahrgäste empören sich deswegen.

Es fällt mir nun ein, wir haben ja den 24. Dezember und um 19.00 ist die Schweiz an diesem Tag wie ausgestorben, man feiert nun überall das christliche Fest. Ein paar einsame Züge rollen noch durch das Land. Das ist es aber auch schon, der öffentliche Verkehr funktioniert auch dann, wenn ihn niemand nutzen will. Pflichtbewusst zu jeder Zeit sind wir für Sie da und fahren mit unseren Zügen vom Bahnhof A zum Bahnhof B und wieder zurück.

Die S1, die an mir vorbei fuhr, hatte ausser dem, äh Weihnachtsmann?!, keinen Menschen im Zug. Das war doch eine Mütze des Weihnachtsmannes auf dem Kopf des Lokführers. Ob das ausser mir jemand bemerkt hatte? Ich weiss es nicht, aber ich habe meine Freude daran. Wenn schon niemand mit uns fahren will, können wir nun die Fahrt so richtig nach unseren Vorstellungen gestalten. Die Stunde der Lokführer ist gekommen.

Das KIS ist schnell manipuliert und so steht an einem Zug nun "Frohes Fest" angeschrieben. Die Leute, die eventuell doch noch ohne Anschluss sind, würden sich daran sicherlich freuen. Ein Weihnachtsgruss vom Zug kann man doch nicht übel nehmen. Nur, wer fährt jetzt schon nach Walchwil? Niemand, denn der Bahnhof ist ja leer. Ein paar Züge, aber sonst nichts. Wie eine Modelleisenbahn, bei der man auf die kleinen Leute verzichtet hatte.

Das vom Computer gestellte Signal geht auf Fahrt und ich kann nach frohes Fest, äh Walchwil fahren. Die Türen würden wohl auch kaum geöffnet werden und so sieht das nur eine einzige Person, der Lokführer, der mir in Zug Oberwil begegnet. Ein Scherz, der niemand sieht, aber der im Herzen entstanden ist. Warum muss es immer korrekt sein und warum soll man nicht einmal freundlich sein. Eben, ein frohes Fest den Gästen wünschen, auch wenn sie gar nicht da sind.

Die Fahrt durch die Nacht hatte eine spezielle Stimmung und in den Quartieren meinte man die Weihnachtslieder in den Wohnzimmern zu hören und scheinbar leuchteten einige Fenster etwas heller. Erhellt von den strahlenden Augen der Kinder, die nun endlich ihre Geschenke bekommen haben. Überall erstrahlen nun die Kerzen der Weihnachtsbäume. Die Menschen sind zufrieden und glücklich, weil das Christkind gekommen ist.

Doch schnell sind auch diese letzten Häuser vorbei und die Nacht hat mich wieder. Kein Mensch verirrte sich in die Natur. Nur ein Reh und der Zugersee, sind dabei meine Begleiter. Der Zug rollt friedlich durch die Landschaft, die hier noch unberührt scheint. Am Tag sieht es dann wieder etwas anders aus, aber in der Nacht ist es nur eine ruhige und friedliche Landschaft. Ein Traum hier zu fahren.

So erreiche ich mit dem Zug Walchwil, ohne dass sich irgendeine Türe bewegt hätte. Ich normalisiere die Beschriftung am Zug wieder und lasse so den Dienstzug und die Anschrift "Bitte nicht einsteigen" erscheinen. Denn jetzt steht der echte Geisterzug an. Bisher war es nur ein Reisezug ohne Kundschaft, aber ein im Fahrplan veröffentlichter Zug. Nutzen wollte ihn einfach niemand.

Die Beleuchtung im Abteil schalte ich nun aus, denn der Zug ist nicht mehr für die Leute zugänglich. Damit das auch wirklich so bleibt, verriegle ich die Türen noch bevor ich den Führerstand wechsle. Immer noch erkennt man keine Person. Wenn man sich als Lokführer je einmal einsam fühlen wollte, ist das wohl der richtige Zeitpunkt dazu. Niemand hätte bemerkt, wenn die Züge nicht gefahren wären. Aber wir fuhren, weil wir das ganze Jahr nichts anderes machen.

Mit dem Geisterzug, hätte ich eigentlich nach Goldau fahren müssen. Da es aber morgen nicht Samstag, sondern Sonntag ist, muss der Triebzug nach Zug und nicht nach Arth-Goldau. So wechsle ich den Führerstand und begebe mich ans andere Ende des Zuges. Die Nacht wird mich gleich wieder verschlucken, denn das Signal vor mir zeigt Fahrt. Ich muss mich nun nicht mehr an einen Fahrplan halten, denn ich befördere ja keine Reisenden.

Die Fahrt ohne Halt nach Zug war kurz und nur in Oberwil musste ich anhalten, da der Gegenzug noch nicht eingetroffen war. Ich erkannte im Gegenzug sogar wieder ein oder zwei Personen. Die Gäste kommen wieder und wir erledigen unsere Arbeit nun wieder sehr gewissenhaft und die Züge sind so angeschrieben, wie sie sollten, auch wird wohl überall ein Lokführer im Führerstand sitzen.

Nach der Ankunft in Zug muss ich den RABe 523 noch in ein anderes Gleis stellen und dann kann ich zur verdienten Pause gehen. Ein kurzes Manöver, das mich mit dem Zug bis nach Baar Lindenpark brachte. Nur, war ich jetzt kein Zug, sondern eine Rangierfahrt. Ich musste aber soweit fahren um in das zugedachte Gleis zu fahren, eine andere Weichenverbindung gab es nicht.

 

Pause in Zug

Die ersten Leute haben sich wieder auf den Bahnhof begeben. Die Feiern wurden beendet und die Gäste fahren nun mit ihren Geschenken bestückt nach Hause. Dazu nutzen sie immer öfters die Bahnen. So füllen sich die Züge nun langsam wieder. Irgendwie wirken die Leute auf dem Bahnsteig beruhigter und weniger hektisch als sonst. Es ist Weihnachten und so hat man die täglichen Geschäfte vergessen.

Ich mache mich nun auf den Weg zur zweiten Pause. Lange Pause werde ich nicht haben, es reicht aber um sich etwas zu erholen, denn ich bin schon lange im Einsatz und habe noch nicht das Ende erreicht. Die Gasthäuser um den Bahnhof haben geschlossen und auch sonst geöffnete Geschäfte sind nun zu. Ich begebe mich daher hier in Zug in die Aufenthaltsräume für das Personal.

Den Weg dorthin kenne ich, denn wir haben schon seit längerem hier in Zug Pause. Früher war das nicht der Fall und so musste ich mich einfach durchschlagen. Bevor ich die Aufenthaltsräume aufsuche und mir dort einen Kaffee gönne, besuche das WC. Auch meine Blase muss einmal entleert werden und die Hände sollten auch gewaschen werden, denn Züge sind nicht so sauber, wie man oft meint.

Im Aufenthaltsraum sind einige Kollegen versammelt. Auch sie geniessen hier ihre verdiente Pause. Andere Möglichkeiten stehen auch ihnen nicht zur Verfügung. In einer Ecke flimmert ein Fernseher vor sich hin und darin läuft irgendeine Weihnachtssendung, die ausgestrahlt wird, weil man das von den Anstalten so erwartet. Kümmern darum tut sich jedoch niemand, der Fernseher wurde einfach einmal eingeschaltet und ging dann wohl vergessen.

Auf dem Tisch sind Nüsse, Früchte und Schokolade ausgebreitet. Ich werfe etwas Geld in die Kaffeemaschine und gönne mir einen heissen Kaffee. In dieser kalten Nacht ist ein warmes Getränk eine Wohltat. Ich suche mir einen Stuhl und hänge die Jacke an die Lehne. Die Stimmung ist gelassen und man diskutiert über die Fahrten und über die Beobachtungen der vergangenen Stunde.

Die Stadt Zürich und deren Hauptbahnhof schafft es wirklich, dass an einem Tag keine Menschenseele draussen ist. Und als der Weihnachtsmann kommt, wissen alle, wer das war. Die Stimmung wirkt locker und immer wieder greift man zu einem Stück Schokolade oder zu einer Nuss und gönnt sich diese. Ja und dann ist da ja noch der Exot im Bunde, der Lokführer aus Erstfeld.

Tja, meine Firma hat nun Feierabend, bei SBB Cargo arbeiten jetzt nur noch eine Handvoll Leute. Die meisten davon sind im Depot Erstfeld Lokführer. Weihnachten ist der einzige Tag im Jahr, wo am Gotthard kein einziger Güterwagen am rollen ist. So benötigt man keine Leute für die Güterzüge. Viele hätten frei bekommen und nur wenigen ergeht es so wie mir und müssen die ganzen Festtage arbeiten.

Vor Jahren meinte einmal ein älterer Lokführer, dass Weihnachten in Erstfeld nur jene Lokführer arbeiten, die nicht gehorsam waren. Strafarbeit nannte er das. Mag sein, aber ich hätte ja Freitage eingeben können und mein Wunsch für den 26. Dezember wurde auch berücksichtigt, so gesehen, wohl eher normal, als Strafarbeit. Die Tage sind halt schon etwas speziell und jeder begründet seine Arbeit zu dieser Zeit mit einer anderen Ausrede.

Die Diskussion um die Arbeit geht weiter. So stand in der Zeitung des Betriebes, dass viele Eisenbahner, die an Weihnachten arbeiten, dafür Silvester frei bekommen. Nur, das gilt nicht für Lokführer und die meisten in diesem Raum arbeiten auch in der Nacht zu Neujahr wieder mit den Zügen. Lokführer arbeiten nach dem Dienstplan, spezielle Regelung für diese Berufgruppe gab es nie und wird es wohl nie geben.

Dort stand auch geschrieben, dass man ein spezielles Essen organisiere und so in der Firma Weihnachten feiert. Für die Lokführer bleiben dabei halt nur noch ein paar Nüsse und etwas Schokolade übrig. Immerhin dankt jemand für die Arbeit mit einer Karte. Nüsse, Schokolade und ein Kaffee aus einem Becher sind das Weihnachtsessen der Lokführer, kann man dieses Fest mit mehr Bescheidenheit begehen?

Man diskutiert über all die Probleme und man bekommt das Gefühl, dass jener, der nun gerne zu Hause mit Frau und Kindern gefeiert hätte, vergessen hatte, dass er nicht bei seinen Liebsten war. Es ist schon ein spezieller Menschenschlag, der so zusammengewürfelt den Abend bei der Arbeit verbringt und mit wenig zufrieden ist. Spezielle Essen oder gar festliche Musik gab es dabei nicht, nur ein paar Nüsse und Seelenverwandte. Ist das der berühmte Geist von Weihnachten?

Die Zeit bei einer so aufgestellten und angeregten Diskussion vergeht schnell. In ein paar Minuten muss ich weiter, denn meine Pause ist nicht sehr lange. So verlasse ich den Raum, mit den Lokführern, die mittlerweile kaum mehr jenen vom Anfang entsprachen. Ein steter Wechsel fand statt und immer wieder freute man sich, wenn man Kollegen fand, die an diesem Abend der Abende arbeiten. Die angeregten Gespräche gehen sicher weiter.

Doch nun ist es für mich Zeit, ich muss zur Arbeit und mein Zug wartet nicht auf mich, denn ich muss mich mit einer Dienstfahrt nach Luzern verschieben. Ich ziehe die Jacke an und verabschiede mich. Alle sollten noch einen schönen Abend haben. Dann bin ich weg und der normale Alltag hat mich wieder, die Züge fahren schliesslich auch an Heiligabend und an Weihnachten pünktlich.

 

Zug - Luzern - Erstfeld

Die Dienstfahrt ist eingetroffen und ich kann einsteigen. Das kleine Abteil der ersten Wagenklasse ist nur schwach besucht. Ein fröhliches Paar spricht vom schönen Abend bei Freunden. Schräg gegenüber hat sich eine ältere Frau in ihrem Mantel vergraben. Sie scheint wohl zu frieren. Dabei empfinde ich das Abteil als angenehm warm. Aber hier ist nicht jeder Mensch gleich. Niemand merkt, dass das Abteil nun mit jemandem ergänzt wurde, der einfach nur arbeitet.

Die Fahrt nach Luzern dauert schon ein paar Minuten, da kann ich die Zeit mit einer Zeitschrift nutzen. Eigentlich wollte ich den Artikel, der mich interessiert, schon in der Pause lesen, doch bisher hatte ich keine Pause, in der ich das in Ruhe gekonnt hätte. Die Ruhe ist hier vorhanden, denn das Paar hat schon einen Halt später das Abteil verlassen. So blieben nur noch die Dame und ich übrig. Endlich Ruhe!

So, jetzt geht es an den Artikel. Die technischen Informationen, die dort erwähnt werden, kenne ich, denn ich lese eine Fachzeitschrift. Will ich mein Wissen immer aktuell halten, muss ich mich weiterbilden und da gehören auch Fachzeitschriften dazu. Eine andere Betrachtungsweise eines Themas, kann das Verständnis dafür verbessern und besonders neue Entwicklungen faszinieren immer wieder.

Die Infos kann ich brauchen, oder aber ich weiss später, wo ich sie nachschlagen kann. So eignet man sich ein grosses Wissen an, das dann irgendwann abgerufen werden kann. Genau das wird einst mit meiner DB-Ausbildung passieren. Ich verliere zwar die Zulassung und den Ausweis, aber das Wissen in meinem Kopf, verliere ich nicht. Das habe ich und auf dem kann ich auch in Zukunft aufbauen.

Ich weiss, von was man spricht, wenn man in Deutschland von einer Oberstrombegrenzung spricht. In der Schweiz gibt es die aber nicht und so habe ich dieses Wissen nur dank der Ausbildung. Aktuell kann ich damit sicher nichts anfangen. Nur was die Zukunft bringen wird, kann niemand mit Sicherheit genau vorhersagen. Es sind Vermutungen und diese habe auch ich, denn ich rechne mit einem pünktlichen Feierabend.

Ein Blick aus dem Fenster verrät mir, es ist dunkle Nacht und der Zug ist daher auf der Strecke unterwegs. Wäre die elektronische Stimme nicht, die immer wieder einen Halt ankündigt, würde man die Orientierung schnell verlieren. Wo sich der Zug gerade befindet weiss ich jetzt nicht, aber in Luzern ist er sicher noch nicht, denn dort endet der Zug schliesslich.

Schon kommt die Stimme aus dem Computer wieder und kündigt den Halt in Rotkreuz an. Ich weiss jetzt wieder, wo der Zug ist. Die ältere Dame hat das auch gehört und steht auf. Den Mantel, der ihr Festkleid bedeckte, zieht sie nun an. Sie ist scheinbar an ihrem Ziel angekommen und wird den Zug in wenigen Augenblicken verlassen, dann habe ich das ganze Abteil für mich alleine. Nur ob diese Vermutung wirklich eintrifft, ist fraglich.

Die Türe öffnet sich, nachdem der Zug angehalten hat. Die Frau verlässt das Abteil und zwei Personen steigen ein. Scheint ein Paar zu sein, denn normalerweise hält man nicht Händchen, wenn man einsteigt. Sie setzen sich dort, wo vorher noch die Dame sass und sitzen einander gegenüber. Die Fahrt geht nach dem kurzen Halt weiter. Scheinbar planen diese Leute keine lange Fahrt, denn sie behalten die warmen Jacken an.

So ist es, sie steigen aus, und ich bin nun alleine im Abteil. Die erste Wagenklasse ist fast leer, die Mehrheit sitzt auf Holz. Das las ich einmal in einem Gedicht, denn auch Dichter fanden den Weg zur Eisenbahn. Die Mehrheit muss sich heute auch nicht mehr mit Holzbänken begnügen. Auch der rauchende Herr vom Gedicht gibt es nicht mehr, denn in den RABe 523 kommt das gar nicht gut. Die Löschanlage ist scharf und Raucher werden geduscht. Beim kalten Wetter sicher alles andere als angenehm.

Zudem, ich habe meine Rauchersachen zu Hause gelassen. Bei Touren mit den RABe 523 schleppte ich diese nicht mit. Da ich nun drei Tage nur mit diesen Zügen arbeite, wird wohl während drei Tagen nicht geraucht. Was soll's, ich kann verzichten und so auch etwas für meine Gesundheit tun. Nur, wenn dann die langen eintönigen Fahrten durch die Nacht wieder kommen, sieht es anders aus.

Der Zug hat soeben die Station Ebikon erreicht. Es ist der letzte offizielle Halt vor Luzern. Das habe ich bemerkt, weil ich den Artikel gelesen habe und nun abklären wollte, ob ich noch mit einem weiteren Artikel beginnen soll. Da wir aber bald in Luzern sind, lasse ich das. Ich lese einen Text lieber ganz durch, als später im Text den Faden wieder zu finden. Man verliert so einfach den Zusammenhang.

Das Heft verschwindet wieder in der Mappe. Ich blicke etwas im Abteil herum. Leer ist es, das stimmt, aber die Leute halten nicht viel von Aufräumen. So blieben Flaschen stehen und eine Zeitschrift liegt auf dem Polster. Ich stehe auf, und räume diese Sachen weg. Schliesslich soll man ja mit gutem Beispiel voran gehen und die Leute so animieren. Leider sieht das nun aber niemand. Nur, das Abteil wirkt aufgeräumt, wenn die nächsten Fahrgäste eintreffen. Ordnung in den Zügen finde ich eine einfache Sache, wenn alle anpacken würden.

So erreicht der Zug nun Luzern und die nette Dame vom Computer teilt mit, dass wir wirklich in Luzern eintreffen werden. Früher, als die Ansage noch von den Lokführern gemacht wurde, gab es hier vielleicht noch ein „schöne Festtage“ oder „eine gute Nacht“. Die Zeiten sind vorbei und ich schätze diese automatische Ansage, nur wird alles so etwas unpersönlicher. Aber vergangenen Zeiten sollte man nicht nachtrauern. Nicht alles war damals wirklich besser.

Der Zug bremst ab. Aha, wir treffen wirklich in Luzern ein, denn der Zug muss langsamer fahren. An den Perrons entlang fahren die Züge mit 30 km/h auf den Prellbock zu. Kurz vor dem Prellbock bremst dann der Lokführer und hält vor dem Ende des Gleises normal an. Ich kann und muss den Zug nun verlassen. Dazu muss ich aber der Türe beibringen, sich zu öffnen. Dank der Taste klappt das ganz gut. Nur wüsste ich auch, wie sie aufgehen wird, wenn das nicht klappen würde.

Auf dem Weg zu meiner nächsten Arbeit fällt mir ein, dass man nur in der Schweiz so auf einen Prellbock zu fährt. Andere Länder bremsen den Zug und ziehen ihn gegen das Gleisende. Die Kollegen in Deutschland haben meist ein Signal vor dem Prellbock, so dass sie in sicherem Abstand anhalten. Wir in der Schweiz fahren einfach auf den Prellbock zu und bremsen dann gewohnt ab um knapp vor dem Prellbock anzuhalten. Steht man zu früh zeigen es einem die Kunden mit Kopfschütteln.

Die Hoffnung, dass die Bremsen dabei funktionieren ist berechtigt, denn schliesslich müssen wir sie vor der Einfahrt testen. Doch auch so könnte es dazu kommen, dass der Zug in den Prellbock fährt um das zu verhindern wurde hier ein Gleis mit einer Überwachung mit ZUB 121 ausgerüstet. Wenn der Raddurchmesser nicht genau stimmt, sorgt die Zugsicherung dafür, dass der Zug zu früh anhält. Wir werden dann die vorwurfsvollen Blicke der Kunden zu sehen bekommen.

Der Weg zu meinem Zug ist nicht lange und ich sehe an den Anschriften, dass ich bei dem Gleis angekommen bin, wo der Interregio nach Arth-Goldau fährt. Diesen zu führen ist nun meine Aufgabe. Es ist der einzige nicht als S-Bahn bezeichnete Zug in meiner heutigen Tour. Nur, wird er später noch zur S-Bahn, aber jetzt in Luzern ist es der Interregio nach Arth-Goldau. Zumindest wird das so angeschrieben.

Es ist ein RABe 523, der diesen Zug bedient. Statt einem gewohnten Zug mit Lokomotive und Wagen und steht ein im Nahverkehr eingesetzter Triebzug hier. Aber die RABe 523 sind auch in der Lage solche Züge zu übernehmen. Trotzdem ist das etwas ungewöhnlich und vermutlich für die Fahrgäste nicht logisch zu verstehen.

Auf dem Bahnsteig wartet bereits das Zugpersonal und einige Fahrgäste erkundigen sich dort, ob denn der Zug nicht zugänglich sei. Das Kopfschütteln verrät mir, dass sie keine Ahnung haben, wie man diese Türen öffnen könnte. Der Lokführer muss dafür kommen. Da die Kollegen vom Zugpersonal mich kennen, erkundigen sie sich, ob der RABe 523 nicht für den Interregio vorgesehen sei?

Doch doch, ich komme, und gleich sei der Zug zugänglich. Der Kollege schloss die Türen ab. Niemand, auch das Zugpersonal wusste, wie man diese Verriegelung lösen kann. Das ist etwas, was man nur bei der Schulung erfährt und so sind meine Handgriffe schnell zu Routine geworden. Die Türe öffnet sich und ich kann in den Zug einsteigen und mich in den Führerstand begeben. Wie das ging? Keine Angst, von mir werden Sie es nicht erfahren.

Der bisher dunkle Zug, schaltet die Sparbeleuchtung ein. Dadurch habe ich etwas Licht, wenn ich den Weg zu meinen Führerstand unter die Füsse nehme. Die Türe zum Führerstand ist verschlossen und ich muss mit meinem Schlüssel den Zugang frei geben. Schon kann ich in meiner Kabine verschwinden und den Zug aufrüsten. Die normalen Vorgänge erfahren nun aber eine kleine Änderung.

Bevor ich den Zug so weit startklar mache, sorge ich mit einer Taste dafür, dass es in den Abteilen hell wird. Danach gebe ich die Türen frei und die Leute können nun einsteigen. Die Plätze sind nun bereit. War nicht unbedingt eine gute Planung, den Lokführer so knapp vor Abfahrt an den Zug zu bringen, die Leute mussten so unnötig lange in der kalten Halle ausharren. Da müsste man vermutlich etwas verbessern.

Ich habe jetzt noch Zeit um den Rest zu erledigen. Dazu gehört auch das Ablegen der Jacke, die ich noch an habe. Die Fahrgäste können sich nun im warmen Zug hinsetzen und das war das dringendste Problem, das gelöst werden musste. Auch das Zugpersonal kann nun in den Zug einsteigen. Stimmt, ich mache ja einen Interregio und da bin ich begleitet. Nur, ist im Zug kein Platz vorgesehen, wo sie ihr Gepäck verstauen können.

An das muss ich denken, wenn die Abfahrzeit erreicht ist, denn mit dem Triebzug können wir alleine fahren und das machen wir täglich mit der S-Bahn. Doch nun wird der Zug für einen Interregio verwendet und diese sind mit Zugpersonal begleitet. Die Arbeiten im Führerstand wurden auch beendet und ich kann meine LEA aus der Mappe nehmen. In der Fahrordnung erkenne ich den Stern für die Erteilung der Abfahrerlaubnis durch das Zugpersonal.

Dieser Zug hat ja noch einen Ladestecker für mein altes Gerät! Ich kann die schon recht stark entladenen Akkus auf der Fahrt nach Hause laden. Das ist gut, denn so habe ich morgen wieder volle Akkus und kann so auf das Ladegerät, das ich von zu Hause mitnahm, verzichten. Die Zeiten, als diese Züge auch für uns ohne Probleme zu bedienen waren, sind vorbei und den Strom für unsere alte LEA müssen wir selber besorgen.

Die automatische Ansage kommt und die Leute werden im Interregio begrüsst. Das Signal vor mir geht auf Fahrt und ich kann die Rückspiegel ausklappen. Die Zeit zur Abfahrt ist gekommen und weit hinten hastet eine Person zum Zug. Vor mir leuchtet die Abfahrerlaubnis und ich kann die Türen verriegeln und dann losfahren. Der nächste Halt ist Arth-Goldau und zugleich der Endbahnhof dieses Interregios.

Schnell gewinnt der Zug an Fahrt. Die Zugkraft lasse ich bewusst etwas tiefer, denn die Leute sollten sich auch in einem Interregio fühlen und zudem bin ich pünktlich gestartet. Etwas Komfort sollte den Leuten im Interregio geboten werden. Das kann aber nur noch der Lokführer, denn der Triebzug ist für den Nahverkehr ausgelegt worden. Die Planung der Züge konnte hier jedoch darauf keine Rücksicht nehmen.

Die Strecken hier im Raum Luzern sind stark beansprucht und so muss ich schon die maximal erlaubte Geschwindigkeit fahren. Die zwei Geleise zur Station Gütsch werden von allen Zügen der Normalspur benützt und in der Dienststation Gütsch auf nicht weniger als vier verschiedene Richtungen verteilt. Ich benutze dabei den Ast, der dem Rootsee entlang führt, also die Strecke, auf der ich nach Luzern kam.

Mit dem Einfahrsignal von Ebikon endet der Engpass, mit dem einspurigen Abschnitt. Ich bin jetzt auf einer doppelspurigen Strecke und habe nun den Flaschenhals hinter mir. Jetzt muss ich nicht mehr am Limit fahren und kann es auch etwas gemütlicher angehen lassen. Einzig den Fahrplan sollte ich dabei einhalten. Der Fahrkomfort wird dadurch jedoch verbessert und das spüren die Kunden.

Mit 140 km/h geht es vorbei an den Haltestellen und Bahnhöfen, wo man normalerweise mit diesen Triebzügen anhalten müsste. In Erstfeld haben wir S-Bahnen auf dieser Strecke. Aber eben, ein Interregio hält nicht in Root D4. Die Fahrzeit mag ich mit dem leichten Zug gut einhalten. Sie ist auf die schweren Interregio, die hier normalerweise verwendet werden, abgestimmt.

Seit Gisikon - Root lasse ich den Zug nur noch rollen. Der Zugkraftschalter ist in der neutralen Mittelstellung und so wird keine Zugkraft aufgebaut. So verzögert der Zug leicht und ich muss in Rotkreuz nicht abbremsen. Dabei kann ich auch etwas Energie sparen. Lokführer haben schon immer versucht so sparsam wie möglich zu fahren. Ich lernte in meiner Ausbildung den Satz, Sicherheit, Pünktlichkeit und Wirtschaftlichkeit seien in dieser Reihenfolge einzuhalten. Doch Rotkreuz ist zu und bleibt es auch!

Der Hebel geht nach hinten und der Zug verzögert mit der elektrischen Bremse. Die Bremsen des RABe 523 wirken sehr gut und ich kann so den Zug ohne Schwierigkeiten mit der elektrischen Bremse verzögern. Das Signal vor mir ist immer noch rot, als ich es erkenne. Mit einer entsprechenden Information hätte ich früher rollen können und so diese Bremsung vielleicht verhindert oder zumindest etwa angenehmer vollziehen können. Dabei erzeugte ich zum Glück noch Energie.

Ein Zug kommt entgegen. Ein Blick auf die Uhr zeigt dann den Grund, ich war etwas zu früh und so musste ich wegen dem Gegenzug, der im Bahnhof das gleiche Gleis benutzen musste, wie ich, abbremsen. Jetzt kann ich wieder beschleunigen und meine Fahrt ungehindert in Richtung Arth-Goldau fortsetzen. Die sonst hier hinzustossenden Güterzüge fehlen nun schlicht und einfach.

Als ich den Bahnhof von Rotkreuz verlasse, befinde ich mich auf der ehemaligen Gotthardbahn. Diese Strecke nach Immensee wurde ebenfalls von dieser Bahngesellschaft erbaut, wurde aber nicht in die Kilometrierung der GB aufgenommen. So begann die Gotthardbahn effektiv in Rotkreuz, aber gemessen wurde erst ab Immensee, das ich in wenigen Minuten erreichen werde.

Der Rigilehne entlang führt mein Weg nun nach Arth-Goldau. Kurz vor Arth-Goldau erfolgt die automatische Ansage. Die Leute werden nun darüber informiert, dass der Interregio Arth-Goldau erreicht und ab dort als S-Bahn nach Erstfeld weiterfahren wird. Die Leute, die vielleicht noch verunsichert über den Anschluss waren, wissen nun, dass sie sitzen bleiben können. Die elektronischen Ausdrucke nennen eine Umsteigeverbindung. Das passiert, weil der Zug nun seine Nummer ändert.

Die Einfahrt ist möglich und so kommt der Interregio aus Luzern pünktlich im Gleis fünf zum stehen. Die Anzeige am Zug wechselt nun automatisch und aus dem Interregio wird so die S2, die nun nach Erstfeld fährt. Das erkenne ich am Bediengerät für das KIS, die Ansage über diesen Wechsel war aber schon erfolgt. Das System wusste, wie die Verbindung aufgebaut wurde, das ist gut so. Für die Kunden wäre es sicher auch schön, wenn das der Fahrplan auch wüsste.

Auch die Zugnummer ändert und ich muss diese am Funk, am Handy und an der LEA neu einstellen. Die Zeit dazu habe ich, denn ich muss nun einen Anschluss von Zürich her abwarten. Das ist im Fahrplan so vorgesehen, ich kann also die Änderungen gemütlich vornehmen und habe keine Hektik. Nicht immer haben wir diese Zeit und dann müssen solche Einstellungen noch während der Fahrt erledigt werden. Besonders das Handy geht dann schnell vergessen.

Wer nun mit dem Onlinefahrplan eine Verbindung gesucht hat, stieg hier aus, um dann festzustellen, dass es ja der gleiche Zug ist. Dank der Ansage wäre er dabei aber selber Schuld, denn die Information war erfolgt und eine Ausrede gibt es nicht mehr. Da aber nur wenige Leute aussteigen, gehe ich davon aus, dass das Zugpersonal gute Arbeit geleistet hatte und einigen Reisenden eine bessere Verbindung empfohlen hat.

Das Zugpersonal benötige ich nun nicht mehr, denn ich bin eine S-Bahn und die verkehrt schon seit Jahren ohne Zugführer. Der einzige Interregio vom heutigen Tag ist Geschichte. Ab nun gibt es in diesem Zug nur noch einen Lokführer, auch wenn es ein Triebzug ist. Die Berufsbezeichnung bleibt halt immer gleich, unabhängig davon, was für ein Fahrzeug bedient wird. Die Leute von Presse und Fernsehen kennen aber den Unterschied auch nach Jahren noch nicht.

Noch kann ich mit der S-Bahn nicht losfahren, denn der Interregio aus Zürich kommt noch mit Leuten, die in meinen Zug steigen wollen. Der Interregio wird dann ohne Halt bis nach Erstfeld fahren. So wird er mir die Leute abnehmen, die dorthin wollen, denn schneller kommen sie nicht mehr nach Hause. Ich bediene dafür die Bahnhöfe davor und so steigen doch recht viele Leute in meinen Zug ein.

Nachdem der Interregio seine lange Fahrt ins Tessin aufgenommen hatte, konnte ich drei Minuten später meine Fahrt auch fortsetzen und mich so am alten Depot von Arth-Goldau vorbei nach Steinen begeben. Die Strecke mit den vielen Kurven kann mit 80 km/h befahren werden. Das reicht aus, dass die Rückspiegel automatisch eingeklappt werden. Von nun an gibt es aber nur noch den Weg nach Erstfeld und somit zu meinem Feierabend.

Ich muss die Rückspiegel beim Halt in Steinen wieder öffnen um den Zug zu kontrollieren. So erkenne ich, dass ein paar Leute ausgestiegen sind und sich vom Zug entfernen. Die Türen kann ich nur zur Hälfte erkennen, da der Zug in einer leichten Kurve steht. Ich bin auf die Anzeigen im Führerstand angewiesen. Die gelbe Lampe hört auf zu blinken, die Türen sind zu. Ich kann verriegeln.

Der Zug kann nun wieder auf 120 km/h beschleunigt werden. Für die Kurve vor Schwyz muss ich aber etwas früher abbremsen, da die elektrische Bremse wegen der Schutzstrecke ausfällt. Den Zug lasse ich nach der notwendigen Verzögerung rollen, ich komme auch so noch schnell genug nach Schwyz, der Halt war etwas ruppig, aber langsam kommt die Müdigkeit hoch, aber ich sitze ja auch im letzten Zug.

Die Fahrt nach Brunnen verlief ohne Probleme und diesmal war der Halt auch etwas besser geraten. Eine grosse Anzahl Leute steigt aus und begibt sich zum Ausgang. Sie sind zu Hause angekommen. Vermutlich waren sie bei Verwandten zum Nachtessen eingeladen. Die Kinder darunter freuen sich sicherlich, dass sie so lange aufbleiben durften. Schliesslich ist schon bald Mitternacht, denn vor wenigen Minuten hat die letzte Stunde des Tages begonnen.

Ich habe aber keine Zeit mehr, um mich an den Leuten zu erfreuen, denn die Zeit blieb nicht stehen und ich muss losfahren. Die Tunnel am Axen verschlingen den Zug. Die Leute bemerken das vermutlich kaum, denn dunkel ist jetzt überall. Das Berggleis kann schneller befahren werden, als jenes auf der Seite des Sees. Für Lokführer die diesen Abschnitt nicht kennen immer wieder eine ungewohnte Situation. Nach bald 20 Jahren kenne ich diese Strecke sehr gut, da ist es für mich kein Problem mehr.

Die erlaubten Geschwindigkeiten muss ich so nicht mehr dauernd nachsehen und daher blieb meine LEA in Arth-Goldau stehen. Es wird Zeit, sie nachzuführen und so auf den aktuellen Stand zu bringen. Mit ein paar Klicks auf der Tastatur ist das auch erledigt. Ich beschleunige den Zug auf die erlaubten 125 km/h und nähere mich schnell dem Vorsignal zur Kurve vor Sisikon. Die Ansage im Zug kündigt den nächsten Halt Sisikon an. Ich befinde mich nun wieder im Kanton Uri.

Ich muss bremsen um nicht zu schnell in die Kurve zu fahren. Seit man hier ZUB 121 montiert hat, fahren wir etwas defensiver auf die Kurve los. Die Bremspunkte von damals sind längst vergessen, denn wenn man mit diesen arbeiten würde, hätte vermutlich ZUB etwas dagegen. Aber die Kurve ist so gesichert, dass der Zug nicht zu schnell in die Kurve fährt, wenn der Lokführer die Orientierung verlieren sollte.

In Sisikon muss ich so anhalten, dass die Leute am richtigen Ort aussteigen können. Dadurch habe ich aber keine freie Sicht auf das nächste Signal. Die Vorschriften meinen nun, dass ich mich beim Fahrdienstleiter melden sollte. Mache ich das, meint der ungehalten, dass ich das ja am Vorsignal sah. Nur eben, wegen dem Halt gilt das nicht mehr. Ich verschiebe mich vom Stuhl zur Seite und kann so das Signal knapp sehen.

Grün! Der Weiterfahrt steht nichts im Weg. Die Fahrt durch den Tunnel ist nur kurz und schon befinden wir uns in Flüelen. Die Seenlandschaft ist nun vorbei, die Urner Reussebene hat uns nun übernommen und mit dem Halt in Flüelen habe ich den See endgültig im Rücken. Nur, jetzt ist mir nicht nach See zu mute. Das Ziel ist in der LEA gut zu erkennen und das Bett lockt langsam.

Die Leute haben den Zug verlassen, ich kann die Türen verriegeln. Die Fahrt beginnt, als ich den Hebel nach vorne schiebe. Diesen schiebe ich langsam ganz nach vorne, die Zugkraft wird so langsam erhöht und es ist für die Leute etwas angenehmer. Der Zeiger für die V-Soll steht bei 140 km/h und der Zug beschleunigt schnell. Sehr schnell, wie ich meine.

Der Bahnhof darf nur mit 125 km/h befahren werden, wenn ich jetzt die Zugkraft nicht reduziere, wird das für die letzten Achsen zu knapp. Nur mit dem RABe 523 ist es möglich, in Flüelen zu beschleunigen und dabei die Stationsgeschwindigkeit noch vor dem Ende des Bahnhofes zu erreichen. Erst jetzt kann ich auf 140 km/h beschleunigen. Das ist jedoch für den Zug auch kein zu grosses Problem.

So erreiche ich schnell Altdorf und somit meinen nächsten Halt. Seit dem Zwischenperron halten nur noch die Züge nach Süden unmittelbar vor dem Aufnahmegebäude. Hier ist der neue Perron noch nicht gebaut worden und die Leute haben so eine Trittstufe zu benutzen. Die wenigen Jugendlichen haben damit jedoch keine Probleme und nur der ältere Herr benötigt etwas mehr Zeit. Ich kann aber pünktlich nach Erstfeld fahren.

Alle Signale sind grün und so erreiche ich meinen letzten Halt für diese Nacht. Für heute könnte ich ja auch sagen, denn es ist noch nicht Mitternacht. Die Zeit verging heute schnell. Auch der letzte Halt gelang noch ganz gut. Die letzten Leute können meinen Zug nun verlassen. Feierabend habe ich aber noch nicht, denn ich muss den Zug noch wegstellen und ein paar Kontrollen durchführen. Erst dann ist auch wirklich Schluss.

Der Fahrdienstleiter kommt zum Führerstand. Er meint, ich solle vorziehen, so dass der Zug am Ende des Perrons stehe. Die anderen Züge würden dann hinter meinem Zug aufgestellt werden. Es ist Weihnachten und da wird das Gleis 1 in Erstfeld nicht für lange Güterzüge genutzt. Die Triebzüge bleiben so im Gleis 1 stehen. Ich danke für die Auskunft und schliesse das Fenster wieder.

 

Endarbeiten

Es sind nur ein paar Meter, die ich noch fahren muss. Ich verriegle die Türen und fahre an das Ende des Bahnsteigs. Sollten noch Leute im Zug sein, könnten sie diesen auch dort noch richtig verlassen. Etwas Strafe muss schliesslich sein, wenn man im Zug verschläft. Der Halt am Ende des Bahnsteigs ist soeben erfolgt, ich kann den Zug nun parkieren und die notwendigen Kontrollen am Zug vornehmen.

Zuerst schaue ich nach, ob auch wirklich alle Leute ausgestiegen sind. Das sind sie, zurückgelassen hatten sie nur ihren Schmutz. Die Reinigungstruppe wird sich sicherlich daran erfreuen. Nur sehen werde ich diese nicht, denn die hat gar noch nicht mit der Arbeit an meinem Zug begonnen und ist wohl am Interregio beschäftigt, der in einem anderen Gleis steht. In den Wagen leuchtet auf jeden Fall das Licht.

Ich räume meine sieben Sachen zusammen, verstaue die LEA in meiner Mappe und lösche die Registrierung am Handy. Der Führerstand ist aufgeräumt und die für meinen Kollegen am Morgen erforderlichen Dokumente liegen bereit. Ich kann den Zug nun beruhigt verlassen. Die Jacke mit der Warnweste sorgt dafür, dass ich draussen nicht frieren werde. Es hat aufgeklart und so sank die Temperatur vermutlich noch etwas tiefer.

Damit ich die verriegelte Türe aufmachen kann, benutze ich meinen Schlüssel. Damit kann ich den dazu vorgesehenen Schalter bedienen. Die Sparbeleuchtung geht an und die Türe öffnet sich. Nur das Trittbrett wird jetzt nicht ausgefahren. Kurz nachdem ich durch die Türe ging, schliesst sich diese automatisch wieder, die Beleuchtung bleibt noch an und wird später ebenfalls erlöschen. Dann ist alles wieder dunkel.

Ich kann den Zug nun auf seiner Aussenseite kontrollieren. Bei diesem Rundgang werden dann noch die Türen verschlossen. So kommt niemand mehr in den Zug. Das Reinigungsteam weiss, wie die Türen wieder freigegeben werden können. Dann wird der Unrat entfernt und der frühe Zug am Morgen erstrahlt wieder in seinem Glanz. Niemand bemerkt dann die Sauerei, die von den Fahrgästen am Abend verursacht wurde.

Am RABe 523 gibt es nicht viel zum Ansehen, denn ausser den fünf Drehgestellen gibt es nichts, so sind die Nacharbeiten schnell erledigt und ich kann mich auf den Weg ins Depot machen. Ausser dem Güterzug, der am späteren Nachmittag abgestellt wurde, dem Interregio und meinem Triebzug steht nichts in Erstfeld. Die Remise ist dunkel und die Türen verschlossen. So sind die wertvollen Lokomotiven darin vor Vandalen geschützt. Die weissen Schwellen vervollständigen das bild vom verschlafenen Winterdorf.

Dank dem passenden Schlüssel komme ich in das Gebäude und kann dort das Handy an das Netzgerät anschliessen. Ein Kollege wird es am Morgen wieder mit geladenem Akku übernehmen und zum Zug gehen. Ich kann die Remise nun auch wieder verlassen. Für heute heisst es von den Lokomotiven in diesem Gebäude Abschied nehmen. Sie warten auf die Tage, an denen wieder Güterzüge verkehren werden.

Ich begebe mich ins Dienstgebäude. Menschenleer ist es auch hier und ich kann meine Mappe im Kasten verstauen und die Warnweste nun ausziehen. Die Arbeit ist getan und ich kann nach Hause gehen. Der Zug wird dann am frühen Morgen wieder auf der S-Bahn eingesetzt werden. Das wird ohne mich sein, denn dann werde ich friedlich in meinem Bett schlafen. Denn nun steht nur noch der Heimweg auf dem Programm.

Es ist kalt geworden, ich muss die Jacke schliessen um nicht zu frieren. Ein wenig Schnee liegt auf den Strassen, aber rutschig ist es nicht und die kühle Luft erfrischt mich ein wenig. Der Weg vom Dienstgebäude zu den Parkplätzen ist dunkel, die Lampe, die diesen Weg erleuchten würde, fehlt schlicht. Reklamiert wurde das schon, aber ob es heller wird, wissen wir nicht. Das Krokodil ruht auch in der Nacht und nun verabschiedet es mich.

Die Strassen in Erstfeld sind menschenleer, das ist hier aber so üblich und so ist der Weg kaum mit Ablenkungen versehen. Es ist bald Mitternacht und in den Häusern brennt nur noch vereinzelt Licht. Ein paar Weihnachtsbeleuchtungen sind an und deren Licht spiegelt sich im Schnee. Auch der grosse Weihnachtsbaum auf dem Gemeindeplatz glitzert leicht durch das Licht, das auf den Schnee fällt. Eine friedliche Stimmung, wenn es auch immer so wäre.

Ich kann den heutigen Tag abschliessen. Die Tour hatte nicht viele Besonderheiten, alles lief wie es geplant war. Speziell war eigentlich nur, dass in meiner Agenda der 24. Dezember 2010 angezeigt wurde. Heiligabend, der Abend, an dem in der Schweiz die Leute zu Hause sind und feiern. Der Abend, an dem das Christkindli den Kindern die Geschenke brachte. Mir vor vielen Jahren eine Modellbahn, das war die Initialzündung für mein jetziges Leben.

Ob das Christkind auch mir meine Geschenke brachte? Ich glaube kaum, denn bei mir wartete niemand auf den Zeitpunkt, als ich nach Hause kam. So blieb auch niemand alleine zurück und musste Heiligabend alleine verbringen, weil der Mann am arbeiten war. Doch wie wäre die Idee eines Kollegen jetzt eine Freude gewesen und hätte der Moral sicherlich gut getan.

Welche das war? Ganz einfach, er meinte, dass es die Firma nicht viel kosten würde, wenn jeder, der an diesem Abend arbeiten musste, nach Arbeitsende ein kleines Präsent vorfinden würde. Als Dank des Unternehmens, dass man dem Abend, an dem selbst die Chefs zu Hause waren, gearbeitet hat. So würde man sich wieder als Mensch und nicht nur als Nummer fühlen. Viel müsste es ja nicht sein, denn Lokführer können sich schon an Nüssen, Früchten und Schokolade als Weihnachtsessen erfreuen.

Die Kirchenuhr schlägt gerade Mitternacht, als ich den Schlüssel in die Haustüre stecke. Ich bin zu Hause und will eigentlich nur noch aus den Kleidern, den Schuhen und dann so schnell wie möglich ins Bett. Der Tag war lang und die Tour mit vielen Halten doch anstrengend. Ich bin normalerweise mit Güterzügen unterwegs und da muss man nicht so oft anhalten und an Kunden denken. Dafür hat man mit anderen Problemen zu kämpfen.

Zudem, ich muss ja heute wieder raus und erneut die Leute transportieren. Diesmal werden es dann die Grosseltern sein, die ihre Enkel verwöhnen. Am 26. Dezember meinem letzten Arbeitstag dieser Woche, dann wohl die Paten, die zu Besuch fahren. Meine Weihnachten kommt dann etwas später, an jenen Tagen, wo die Mehrheit das Fest der Feste bereits wieder vergessen hat und sich auf das nächste Ereignis vorbereitet.

Ich für meinen Teil lege mich hin, schliesse die Augen und wünsche allen, die nun diese Tour von Weihnachten, kurz vor Weihnachten gelesen haben, ein frohes Fest. Denkt dabei auch mal an jene Leute, die arbeiten und das nur, damit vielleicht ein verirrter Fahrgast sehen kann, dass am Zug „Frohes Fest“ angeschrieben war und dass für einmal der Weihnachtsmann höchstpersönlich den Zug führte.

All den Kollegen, die diesen Abend mit mir teilten, widme ich diese Seite. Ich vergesse Euch nicht, denn was Ihr leistet und was ich leisten durfte, ist bei weitem nicht selbstverständlich und darf wirklich einmal geehrt werden, auch wenn Ihr auf diese Ehre nicht besonders stolz seid. Daher nur für Euch mein Weihnachtsbrief vom Jahr 2010, damit die nächsten Weihnachten etwas Besonderes werden wird.

 

Ein Jahr sich nun zu Ende neigt,

Der Kalender uns jetzt das Ende zeigt.

Die Zeit zu wünschen allen das Gute,

Ist gekommen, es fehlt nur am Mute.

 

Ein Brief zu schreiben, mit Worten,

Als Dank an alle die sich um uns sorgten.

Das ist schwer ich weiss es selber,

Doch trotzdem werd ich zum Schreiber.

 

Ein Brief zum Fest das war es früher,

heut, sind es nur Mails, die kommen eher.

Doch nutzen soll man sie,

Die Technik der Philosophie.

 

Er kommt nun auf uns zu,

Der Tag mit sehr viel Ruh.

Es ist für alle nun so soweit,

Sie kommt, die heilige Zeit.

 

Darum denkt auch an jene,

die dann schaffen, nicht so gerne.

Denkt an die Leut,

Die Euch nach Hause bringen heut.

 

Diese Engel sollten wir loben,

Doch wir lieber darüber toben.

An den Tagen im ganzen Jahr,

Schimpfen wir über sie, das ist so wahr.

 

Doch naht dem Jahr das Ende,

werden wir alle ganz behende.

Warum sind wir nicht immer so?

Wir sind halt nur, am Ende so.

 

Doch da lebt im Land ein Engel,

der schreibt immer für all die Bengel.

Wir kennen sie als Esther Frisch,

Ihr Blättlein liegt, wohl auf manchem Tisch.

 

Ein Vorbild für gute Taten,

Soll sie sein mit Worten.

Meine Freunde ich Euch schreibe,

zum Fest aus ganzem Leibe.

 

Zum Ende des Jahres ich sage,

Mögen für Euch folgen nur gute Tage.

Ich wünsch Euch sehr viel Segen,

Im neuen Jahr nur wenig Regen.

 

Alles soll gedeihen Euch im neuen Jahr,

Damit wir uns schreiben in einem Jahr.

Ich nun den Brief zum Fest beende,

und ihn auf allen Wegen sende.

 

Ich wünsch Euch Freud und Kuchen,

Dass ihr nicht müsst nach Erbsen suchen.

Alles Gute und viel Glück,

Dass nie reissen soll der Lebensstrick.

 

Bruno

 

                       
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